Lade Inhalt...

Die prospektbezogene Expertenhaftung gegenüber Kapitalanlegern unter Berücksichtigung des Rupert Scholz-Urteils

von Désirée Kuhn-Pfeil (Autor:in)
©2014 Dissertation XXII, 248 Seiten

Zusammenfassung

Anbieter von Kapitalanlagen erstellen im Zuge der Vermarktung ihrer Produkte in der Regel ausführliche Verkaufsprospekte, bei deren Erstellung sie sich der Hilfe von Experten – beispielsweise Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern oder Sachverständigen – bedienen. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Haftung dieser Experten gegenüber Kapitalanlegern bei Veröffentlichung ihrer Aussagen in Verkaufsprospekten. Untersucht wird die Haftung de lege lata und de lege ferenda unter Berücksichtigung des Rupert Scholz-Urteils des BGH vom 17.11.2011 (Az. III ZR 103/10), welches in Bezug auf die prospektbezogene Expertenhaftung maßgebliche neue Grundsätze aufgestellt hat. Abgerundet wird die Arbeit mit einem abschließenden Gesetzesvorschlag.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1. Teil: Einführung
  • A. Problemaufriss
  • B. Abgrenzung des zu behandelnden Themenkomplexes
  • C. Aufbau und Gang der Untersuchung
  • 2. Teil: Rechtsgrundlagen und Entwicklung der Prospekthaftung
  • A. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung
  • I. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne
  • II. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im weiteren Sinne
  • B. Spezialgesetzliche Prospekthaftung
  • I. Rechtslage vor dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz
  • II. Rechtslage nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz
  • 1. Änderungen durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz und das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz
  • 2. Änderungen durch das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts
  • 3. Änderungen durch das AIFM-Umsetzungsgesetz
  • 3. Teil: Rechtsgrundlagen und Entwicklung der richterrechtlich geprägten Expertenhaftung
  • 4. Teil: Gesetzliche Anknüpfungspunkte für eine Dritthaftung von Experten
  • A. Geplante Einführung einer gesetzlichen Haftungsgrundlage für Experten in Gestalt des § 44 a BörsG-DiskE
  • I. Reformvorschläge in der Literatur zur Einführung einer gesetzlichen Expertenhaftung
  • II. Eckpunkte und Regelungsumfang des § 44 a BörsG-DiskE
  • 1. Haftungsadressaten
  • 2. Kausalität
  • 3. Verschulden
  • 4. Haftungsumfang
  • 5. Haftungshöchstsumme
  • 6. Haftungsausschluss, Haftungsbeschränkung und Verjährung
  • 7. Kritik
  • B. Haftung von Experten als Finanzanalysten im Sinne des § 34 b WpHG
  • I. Entwicklungsgeschichte der Norm des § 34 b WpHG
  • II. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 34 b WpHG
  • III. Haftung der Finanzanalysten gegenüber Kapitalanlegern
  • 1. Spezialgesetzliche Haftungsgrundlage
  • 2. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne
  • 3. Haftung in Gesamtanalogie zu den kapitalmarktrechtlichen Informationshaftungstatbeständen
  • 4. Vertragliche Haftung
  • 5. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
  • 6. §§ 311 Abs. 3 S. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB
  • 7. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 34 b WpHG
  • 8. Fazit und Ausblick
  • 5. Teil: Der Aussagegehalt des Rupert Scholz-Urteils
  • A. Sachverhalt
  • B. Rechtliche Würdigung
  • I. Haftung gemäß der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne
  • 1. Prospektbegriff
  • a) Rechtliche Ausgangslage
  • b) Produktinformation
  • c) Zeitschriftenartikel
  • 2. Prospektverantwortlichkeit
  • a) Haftung als Führungsperson oder Hintermann
  • b) Haftung als beruflicher Sachkenner
  • 3. Zurechenbarkeit der Erklärungen
  • 4. Fehlerhaftigkeit der Erklärungen
  • II. Rechtsfolge
  • 6. Teil: Haftungserweiterung durch die Grundsätze des Rupert Scholz-Urteils und Vereinbarkeit mit bisherigen richterlichen und gesetzgeberischen Gedanken
  • A. Haftungserweiterung vor dem Hintergrund der spezialgesetzlichen Prospekthaftungstatbestände
  • I. Änderungen durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz
  • II. Anwendbarkeit auf den Sachverhalt des Rupert Scholz-Urteils
  • B. Haftungserweiterung im Rahmen der Prospekthaftung im engeren Sinne
  • I. Haftung als Hintermann
  • II. Haftung als beruflicher Sachkenner
  • 1. Ursprüngliche Voraussetzungen einer Haftung als beruflicher Sachkenner
  • 2. Ausweitung der Haftung in personeller Hinsicht
  • 3. Rechtfertigung der Haftungserweiterung vor dem Hintergrund der Vertrauensberechtigung
  • III. Prospektbegriff
  • 1. Ursprünglicher Prospektbegriff
  • a) Entwicklung des Prospektbegriffs
  • b) Strafrechtlicher Prospektbegriff (§ 264 a StGB)
  • c) Wertung aus den Infomatec Urteilen
  • d) Bisherige Wertungen in Bezug auf Werbeveröffentlichungen
  • 2. Ausweitung der Haftung in sachlicher Hinsicht
  • a) Grundsatz der Gesamtbetrachtung
  • b) Gesetzgeberische Wertung durch § 13 VermAnlG, § 31 Abs. 3 a WpHG
  • c) Gesetzgeberische Wertung durch § 16 VermAnlG, § 15 WpPG
  • d) Schutzzwecküberlegungen
  • IV. Haftungsumfang
  • C. Zwischenergebnis
  • 7. Teil: Haftung von Experten für prospektbezogene Aussagen de lege lata
  • A. Spezialgesetzliche Prospekthaftung
  • I. § 306 Abs. 1 KAGB, § 20 Abs. 1 VermAnlG, § 21 Abs. 1 WpPG, § 22 i.V.m. § 21 Abs. 1 WpPG
  • II. § 20 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 1 VermAnlG
  • B. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne
  • I. Allgemeine Anwendbarkeit neben spezialgesetzlichen Regelungen
  • 1. Konkurrenzvorschriften der § 306 Abs. 6 S. 2 KAGB, § 20 Abs. 6 S. 2 VermAnlG, § 25 Abs. 2 WpPG
  • 2. Gedanke des Anlegerschutzes
  • 3. Sonstige Argumente für eine parallele Anwendbarkeit der Haftungsinstitute
  • 4. Wertungswidersprüche betreffend die Haftung von Experten und übrigen Prospektverantwortlichen
  • a) Keine Entlastungsmöglichkeit im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität
  • b) Schärferer Verschuldensmaßstab
  • c) Größerer Haftungsumfang
  • 5. Fazit
  • II. Anwendbarkeit bei fehlender gesetzlicher Prospektpflicht
  • III. Anwendbarkeit bei Nichterfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Prospektes im Sinne der spezialgesetzlichen Haftung
  • 1. Wertung vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte und des Grundgedankens der Prospekthaftung
  • 2. Gefährdung des Informationsmonopols des Emissionsprospekts
  • 3. Schutzbedürfnis des Anlegers vor dem Hintergrund kognitionspsychologischer Erkenntnisse
  • 4. Widerspruch zur europäischen und nationalen Gesetzgebung
  • 5. Wertung der Gesamtbetrachtung
  • 6. Fazit
  • C. Haftung in Analogie zu den spezialgesetzlichen Haftungstatbeständen
  • D. Konkludenter Auskunftsvertrag
  • E. Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB)
  • F. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
  • I. Voraussetzungen
  • 1. Leistungsnähe des Dritten
  • 2. Gläubigernähe
  • 3. Erkennbarkeit
  • 4. Schutzbedürftigkeit
  • II. Kritikpunkte an der vertragsähnlichen Konstruktion
  • 1. Unsachgemäße Auslegung des Parteiwillens
  • 2. Problem des Ausschlusses von Einwendungen (§ 334 BGB)
  • 3. Problem des Durchschlagens interner Absprachen zuungunsten des Dritten
  • 4. Fazit
  • G. Prospekthaftung im weiteren Sinne
  • I. Vorteile der Lösung der Expertenfälle über das Haftungsinstitut der c.i.c.
  • II. Culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB)
  • III. Dritthaftung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 S. 2 BGB)
  • 1. Wertung Gesetzesbegründung Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
  • 2. Notwendigkeit einer vertragsähnlichen Situation
  • 3. Vertrauensbegriff
  • 4. Gefahr der Statuierung einer Berufshaftung
  • 5. Fazit
  • H. Deliktische Haftung
  • I. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB)
  • II. Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB)
  • 1. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. strafrechtlichen Normen
  • 2. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 43 WPO, § 43, 43 a BRAO, § 36 GewO
  • 3. § 823 Abs. 2 i.V.m. berufsbezogenen Verkehrspflichten
  • 4. Fazit
  • I. Zwischenergebnis
  • 8. Teil: Haftung von Experten für prospektbezogene Aussagen de lege ferenda
  • A. Notwendigkeit der Einführung einer gesetzliche Regelung für die Haftung von Experten
  • I. Funktionen einer zivilrechtlichen Haftung
  • 1. Schadenskompensation
  • 2. Schadensprävention
  • II. Schließung von Schutzlücken
  • III. Wirtschaftliche Folgen für die Anleger
  • IV. Wirtschaftliche Folgen für die Experten
  • V. Vorsorge der Experten gegen unangemessene Haftungsfolgen
  • 1. Vertragliche Veröffentlichungsbeschränkung oder Eingrenzung der Prospekterklärung
  • 2. Möglichkeit der Versicherbarkeit des Risikos
  • VI. Auswirkungen auf den Kapitalmarkt
  • VII. Fazit
  • B. Berücksichtigung der Kohärenz des Rechtssystems
  • I. Vereinbarkeit einer spezialgesetzlichen Regelung zur prospektbezogenen Expertenhaftung mit europäischem Recht und rechtsvergleichende Befunde
  • II. Betroffene Gesetze
  • III. Berücksichtigung der Wertung des § 323 Abs. 1 S. 3 HGB
  • IV. Berücksichtigung der Wertung des § 323 Abs. 2 HGB
  • V. Notwendigkeit einer gleichzeitigen gesetzlichen Regelung für die Haftung von Finanzanalysten aus Gleichheitsgesichtspunkten
  • VI. Notwendigkeit der Statuierung einer Haftung für nicht prospektbezogene Aussagen
  • C. Mögliche Ausgestaltung eines spezialgesetzlichen Haftungstatbestandes für prospektbezogene Expertenaussagen
  • I. Berücksichtigung der Besonderheiten von Expertenaussagen
  • 1. Grundsatz der Einzelverantwortung
  • 2. Eingeschränkte Überprüfbarkeit
  • II. Haftungsadressaten
  • 1. Berufsmäßige Garanten in Fortführung der vormaligen Rechtsprechung
  • 2. Einbeziehung der berufsmäßigen Werbeträger nach den Grundsätzen des Rupert Scholz-Urteils
  • III. Haftungsmaßstab
  • 1. Generelle Kritik am Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit im Rahmen der Prospekthaftung
  • 2. Gemilderter Haftungsmaßstab für die Expertenhaftung
  • 3. Vergleich mit § 19 BNotO und § 839 a BGB
  • 4. Beweislastverteilung
  • 5. Mitverschulden
  • IV. Kausalität
  • V. Umfang des Schadensersatzanspruchs
  • 1. Erstattung des Erwerbspreises gegen Übernahme der Kapitalanlage
  • 2. Haftungsbegrenzung der Höhe nach
  • a) Vor- und Nachteile
  • b) Inhaltliche Ausgestaltung
  • VI. Haftungsverhältnis zu den übrigen Prospektverantwortlichen
  • VII. Aktualisierungspflicht des Experten
  • VIII. Verjährung/Vertragliche Haftungsbeschränkungen/Konkurrenzverhältnis
  • IX. Notwendigkeit einer Übergangsregelung
  • X. Notwendigkeit der gleichzeitigen Änderung anderer Vorschriften
  • 9. Teil: Abschließender Gesetzesvorschlag
  • 10. Teil: Schlussresümee
  • 11. Teil:Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen
  • A. Untersuchung des Rupert Scholz Urteils
  • B. Anwendbarkeit der im Rupert Scholz Urteil entwickelten Grundsätze zur prospektbezogenen Expertenhaftung nach der aktuellen Rechtslage und Haftungssituation de lege lata
  • C. Einführung und Ausgestaltung einer spezialgesetzlichen Regelung für prospektbezogene Expertenaussagen (de lege ferenda)
  • I. Notwendigkeit der Einführung einer gesetzlichen Regelung für die Haftung von Experten
  • II. Berücksichtigung der Kohärenz des Rechtssystems
  • III. Mögliche Ausgestaltung eines spezialgesetzlichen Haftungstatbestandes für prospektbezogene Expertenaussagen
  • Literaturverzeichnis

| XIX →

Abkürzungsverzeichnis

| 1 →

1. Teil: Einführung

A. Problemaufriss

Anbieter von Kapitalanlagen erstellen in der Regel im Zuge der Vermarktung ihrer Produkte ausführliche Verkaufsprospekte. Während dies früher oftmals auf freiwilliger Basis erfolgte,1 besteht mittlerweile für die Mehrzahl der Kapitalanlagen sogar eine gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung solcher Prospekte.2 Die Verkaufsprospekte dienen auf der einen Seite zweifelsohne der Vermittlung der für die jeweilige Anlageentscheidung wesentlichen Informationen, stellen auf der anderen Seite aber in gewisser Weise auch eine werbende Anpreisung des Produkts dar.3

Im Rahmen der vorgenannten Prospekterstellung bedienen sich die meisten Anbieter der Mitwirkung sogenannter „Experten“. Unter den Expertenbegriff fallen – ohne dass die nachfolgende Aufzählung einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt – Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Sachverständige. Die von ihnen abgegebenen Expertisen und Erklärungen – beispielsweise in Form eines Bestätigungsvermerks über den Jahresabschluss, eines Prospektprüfungsberichts oder eines Prüfberichts hinsichtlich des steuerlichen Konzepts – finden dann Eingang in die Verkaufsprospekte.

Auf der einen Seite trägt der Experte mit diesem Beitrag maßgeblich zum Abbau der zwischen Anleger und Anbieter der Kapitalanlage bestehenden Informationsasymmetrie bei.4 Da Informationen „das Blut in den Adern des Kapitalmarkts“5 sind und eine ausreichende Informationsversorgung die Grundbedingung für einen funktionierenden Kapitalmarkt ist,6 nimmt der Experte als Informationsintermediär7 an dieser Stelle eine wichtige und vor allem unverzichtbare Rolle ein. ← 1 | 2 →

Auf der anderen Seite darf allerdings die Werbewirksamkeit seiner Mitwirkung nicht unterschätzt werden. Der Experte fungiert gleichsam als Reputationsintermediär, indem er dem Anleger gerade durch sein Renommee und seine berufliche Qualifikation eine Gewähr für die Qualität des von ihm geprüften Produkts gibt.8 Seine Mitwirkung potenziert die Plausibilität, Seriosität und die Vertrauenswürdigkeit der Prospektangaben.9 Die daraus resultierende Stärkung des Anlegervertrauens wirkt sich naturgemäß positiv auf die Investitionsbereitschaft der Anleger aus10 – ein durchaus effektiver Werbemechanismus für den Anbieter.

Soviel zur tatsächlichen Ausgangslage. Das wirklich Interessante an vorstehend skizzierter Situation ist jedoch die Haftung des Experten – und genau an diesem Punkt wird die Untersuchung ansetzen. Aus der Perspektive der Anleger erscheint eine Haftung des Experten vor dem Hintergrund angezeigt, dass diese sich auf seine Aussagen verlassen und sie zu einem wichtigen Baustein ihrer Anlageentscheidung machen. Aus der Perspektive des Experten ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass aufgrund der Veröffentlichung seiner Erklärungen in Verkaufsprospekten naturgemäß ein großer Kreis von Anlegern mit ihr in Berührung kommt und aufgrund der damit einhergehenden schadensmultizplizierenden Streuwirkung von Informationen11 die Schadenssummen erhebliche Größenordnungen erreichen können.12 Eine Haftung könnte demzufolge eine Existenzbedrohung für den Experten nach sich ziehen. Diese grundlegenden Aspekte sollte man in dieser spezifischen Konstellation nicht aus den Augen verlieren.

B. Abgrenzung des zu behandelnden Themenkomplexes

Im Fokus der Untersuchung steht die Haftung des Experten gegenüber Kapitalanlegern, die unter Verwendung des Prospekts und im Vertrauen auf die Expertenerklärungen Investments tätigen. In der Regel basiert die Mitwirkung des Experten auf einer ausdrücklichen Beauftragung durch den Anbieter der Kapitalanlage. Die Haftung gegenüber dem Kunden steht dann für gewöhnlich ← 2 | 3 → auf der sicheren Rechtsgrundlage eines Dienst- oder Werkvertrages,13 dementsprechend bietet diese Beziehung keine nennenswerten Besonderheiten. Deutlich mehr Sprengstoff bietet allerdings das Verhältnis zwischen dem Anleger und dem Experten. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass zwischen diesen regelmäßig kein persönlicher Kontakt besteht und kein ausdrückliches Vertragsverhältnis begründet wird. Auch eine explizite Einbindung der einzelnen Anleger in das zwischen dem Anbieter und dem Experten geschlossene Vertragsverhältnis erfolgt in der Regel nicht. Das Deliktsrecht schützt das hier im Fokus stehende Vermögen nur unzureichend und kann auch wegen der weiteren ihm anhaftenden Schwächen nicht als Standardlösung dieser Konstellation fruchtbar gemacht werden.14 Vor diesem Hintergrund bietet sich eine eingehende Untersuchung der Haftung der Experten gegenüber Kapitalanlegern als sogenannten „Dritten“ an.

Des Weiteren bezieht sich die Untersuchung nur auf prospektbezogene Expertenaussagen, also auf Erklärungen von Experten, die in Verkaufsprospekten veröffentlicht werden. Gegenständlich sind in diesem Zusammenhang in erster Linie Verkaufsprospekte für Wertpapiere und geschlossene Fonds.

C. Aufbau und Gang der Untersuchung

Die Untersuchung soll also aufzeigen, ob und in welchem Umfang dem Experten eine Haftung gegenüber Kapitalanlegern bei Veröffentlichung seiner Aussagen in Prospekten droht. Um diese Fragestellung in einen rechtlichen Kontext einordnen zu können, sollen vorab die Rechtsgrundlagen und die Entwicklung der bürgerlich-rechtlichen und spezialgesetzlichen Prospekthaftung (2. Teil) sowie der richterrechtlich geprägten Expertenhaftung (3. Teil) und die gesetzlichen Anknüpfungspunkte für eine Dritthaftung von Experten (4. Teil) einer näheren Erörterung zugeführt werden. Anschließend soll das Rupert Scholz-Urteil einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden (5. und 6. Teil). Für den hier maßgeblichen Themenkomplex handelt es sich um eine wegweisende Entscheidung, weil der BGH in Bezug auf die prospektbezogene Expertenhaftung maßgebliche neue Grundsätze aufgestellt hat. Insbesondere soll dargetan werden, inwiefern im Rahmen dieses Urteils eine Haftungserweiterung für Experten zu verzeichnen ist ← 3 | 4 → und ob sich diese mit bisherigen richterlichen und gesetzgeberischen Gedanken in Einklang bringen lässt. Sodann wird die Haftung von Experten für prospektbezogene Aussagen de lege lata untersucht (7. Teil). In diesem Abschnitt werden alle in Betracht kommenden Haftungsinstitute inspiziert und auf ihre Tauglichkeit für die hier maßgebliche Konstellation geprüft. In diesem Zusammenhang wird sich auch herauskristallisieren, inwiefern die im Rahmen des Rupert Scholz-Urteils entwickelten Grundsätze nach der aktuellen Rechtslage noch Anwendung finden. In einem letzten Schritt wird die Einführung einer spezialgesetzlichen Regelung für prospektbezogene Expertenaussagen de lege ferenda erörtert (8. Teil). Dabei wird sowohl die Notwendigkeit der Einführung einer solchen Vorschrift als auch die mit Blick auf die Kohärenz des Rechtssystems wichtige Möglichkeit der stimmigen Einfügung einer solchen Norm in das bereits bestehende gesetzliche Regelungssystem untersucht. Die Dissertation endet mit einem abschließenden Gesetzesvorschlag (9. Teil) sowie einem Schlussresümee (10. Teil) und einer Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen (11. Teil).

1 Schleifer, Publizität und Prüfung von Verkaufsprospekten, 2010, S. 50; Hasenkamp, DStR 2004, 2154, 2159.

2 Derartige Veröffentlichungspflichten sind normiert in § 268 Abs. 1 KAGB, § 6 VermAnlG und § 3 Abs. 1 WpPG.

3 Habersack/Mülbert/Schlitt/Meyer, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2013, § 36 Rn. 13 bezeichnet vor diesem Hintergrund die Prospekterstellung als eine „Gratwanderung“ zwischen Darstellung der Risiken und der für den Vertrieb gewünschten Herausstellung der Chancen.

4 Vgl. dazu Seibt, ZGR 2006, 501, 504; Lang, AcP 200 (2001), 451, 457.

5 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 2002, § 2 Rn. 2.62.

6 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2010, § 11 Rn. 11.41.

7 Vgl. zu diesem Terminus ausführlich Hax, Informationsintermediation, 1998, S. 45 ff.

Details

Seiten
XXII, 248
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653048452
ISBN (ePUB)
9783653978162
ISBN (MOBI)
9783653978155
ISBN (Paperback)
9783631656136
DOI
10.3726/978-3-653-04845-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (September)
Schlagworte
Prospekthaftung Verkaufsprospekte Rupert Scholz-Urteil Kapitalanlagen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XXII, 248 S.

Biographische Angaben

Désirée Kuhn-Pfeil (Autor:in)

Désirée Kuhn-Pfeil studierte Rechtswissenschaften mit wirtschaftsrechtlichem Schwerpunkt an der Universität Bochum. Derzeit ist sie in einer mittelständischen Anwaltskanzlei auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts tätig.

Zurück

Titel: Die prospektbezogene Expertenhaftung gegenüber Kapitalanlegern unter Berücksichtigung des Rupert Scholz-Urteils
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
272 Seiten