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Innerer Dialog und Textproduktion

Ein Beitrag zur Überwindung von Schreibhemmungen Studierender beim Verfassen ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeiten

von Emma Huber (Autor:in)
©2015 Monographie 286 Seiten

Zusammenfassung

Wie kann der innere Dialog Studierende bei der Textproduktion für ihre wissenschaftlichen Abschlussarbeiten unterstützen und ihnen dabei helfen, Schreibhemmungen zu überwinden? Dazu vergleicht die Autorin entsprechende Beiträge aus Psychologie, Sprachwissenschaft, Pädagogik, Tiefenpsychologie und Existenzanalyse. So gelangt sie zu einem neuen Verständnis von Schreiben als Ausdruck des inneren Dialogs der Person. Eine Erprobung dialogischen Schreibens in der Praxis ergibt, dass Studierende diese Art von Schreiben als hilfreich einschätzen. Im letzten Teil des Werkes erörtert die Autorin Vorschläge zu einer verstärkten Schreibförderung in Schule und Hochschule sowie den Beitrag der Psychotherapie zum Gelingen eines Schreibprojekts.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Anmerkung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Einleitung
  • Einführung und Fragestellung
  • 1. Beziehung, Dialog und wissenschaftliche Textproduktion
  • 1.1 Intersubjektivität und Relationalität im Dienste des Dialogs
  • 1.1.1 Die Mutter bzw. der Vater als erstes Gegenüber
  • 1.1.2 Die Bedeutung der Relationalität für die Entwicklung des Menschen
  • 1.1.3 Psychotherapie als relationale bzw. intersubjektive Behandlungsform
  • 1.1.4 Intersubjektivität und Relationalität in PA und IP
  • 1.1.5 Das Konzept des Virtuellen Anderen
  • 1.1.6 Beziehungsfähigkeit als Voraussetzung für Dialog
  • 1.1.7 Intersubjektivität bzw. Interpersonalität und Dialog
  • 1.1.8 Zusammenfassung
  • 1.2 Denken, Sprechen, Schreiben und Sprache
  • 1.2.1 Beziehungen zwischen Denken, Sprache und Sprechen
  • 1.2.2 Das Verhältnis von Sprachform und Sprachäußerung
  • 1.2.3 Strukturen verschiedener Sprachformen im Vergleich
  • 1.2.4 Denken als inneres Sprechen mit innerer Stimme
  • 1.2.5 Inneres Sprechen und seine Transformation in Sprachäußerungen
  • 1.2.6 Unterschiede zwischen mündlichen und schriftlichen Äußerungen
  • 1.2.7 Inneres Sprechen und sein Verhältnis zum Schreiben
  • 1.2.8 Zusammenfassung
  • 1.3 Dialogische versus monologische Funktion von Sprache
  • 1.3.1 Monolog und Schreiben
  • 1.3.2 Kennzeichen eines Dialogs
  • 1.3.3 Motive sprachlicher Äußerungen
  • 1.3.4 AdressatInnen sprachlicher Äußerungen
  • 1.3.5 Schreiben und Sprechen: Monolog oder Dialog?
  • 1.3.6 Zusammenfassung
  • 1.4 Schreiben als Textproduktion
  • 1.4.1 Was ist Schreiben?
  • 1.4.2 Schreibtheorien und -modelle
  • 1.4.3 Ein Streifzug durch die europäische Geschichte des Schreibens
  • 1.4.3.1 Die Entwicklung von oraler zu literaler Textproduktion
  • 1.4.3.2 Fazit
  • 1.4.4 Schreiben in der Schule – einst und heute
  • 1.4.4.1 Geschichtlicher Abriss des österreichischen Schulwesens
  • 1.4.4.2 Grundzüge des Aufsatzunterrichts
  • 1.4.4.3 Das Verfassen von Texten im Deutschunterricht
  • 1.4.4.4 Schreiben in der Schule und akademisches Schreiben
  • 1.4.4.5 Abschließende Überlegungen
  • 1.4.5 Merkmale und Entstehung von Texten
  • 1.4.6 Zum Erstellen eines Textes Schritt für Schritt
  • 1.4.7 Zusammenfassung
  • 1.5 Das Verfassen wissenschaftlicher Abschlussarbeiten
  • 1.5.1 Wissenschaftliches, kreatives und therapeutisches Schreiben
  • 1.5.2 Über das Schreiben von Abschlussarbeiten
  • 1.5.2.1 Gründe für den Entschluss
  • 1.5.2.2 Bewältigung der neuen Situation
  • 1.5.2.3 Selbsteinschätzung Studierender
  • 1.5.2.4 Problemwahrnehmung von ExpertInnen
  • 1.5.3 Wissenschaftliche Schreibkompetenz
  • 1.5.4 Empfehlungen aus der Ratgeber-Literatur
  • 1.5.4.1 Allgemein
  • 1.5.4.2 Dialogische Ansätze
  • 1.5.5 Zur Situation an deutschsprachigen Hochschulen
  • 1.5.6 Zusammenfassung
  • 1.6 Schreibhemmungen und –blockaden im Studium
  • 1.6.1 Schreibhemmung und Arbeitsstörung
  • 1.6.2 Anzeichen einer Schreibhemmung
  • 1.6.3 Ursachen von Schreibhemmungen
  • 1.6.4 Intentionen schreibgehemmter Personen
  • 1.6.5 Zur Situation weiblicher Studierender
  • 1.6.6 Schreibhemmungen und psychische Störungen
  • 1.6.7 Wege zur Überwindung von Schreibhemmungen
  • 1.6.7.1 Information
  • 1.6.7.2 Motivation und Einstellungen
  • 1.6.7.3 Schreiberfahrungen
  • 1.6.7.4 Schreibberatung an Hochschulen und Hochschullehre
  • 1.6.7.5 Psychotherapie
  • 1.6.8 Zusammenfassung
  • 2. Existenzanalytische Grundlagen
  • 2.1 Entstehung und Menschenbild der Existenzanalyse
  • 2.2 Der Personbegriff bei Frankl und Längle
  • 2.3 Selbstannahme – Selbstdistanzierung – Selbsttranszendenz
  • 2.4 Über–Ich und Gewissen
  • 2.5 Emotion – Wert – Sinn
  • 2.6 Wille – Wunsch – Hindernisse
  • 2.7 Die vier Grundmotivationen
  • 2.8 Personale Existenzanalyse (PEA)
  • 2.9 Biographische Existenzanalyse (BEA)
  • 2.10 Die Dialogfähigkeit des Menschen
  • 2.11 Beziehung, Begegnung und Dialog
  • 2.12 Zusammenfassung
  • 3. Schreiben als Ausdruck der Person
  • 3.1 Voraussetzungen
  • 3.1.1 Aufarbeitung störender Erfahrungen aus der Vergangenheit
  • 3.1.2 Dialogfähigkeit
  • 3.1.3 Die Grundmotivationen als Grundbedingungen
  • 3.1.3.1 Beziehung zur Welt (1. GM)
  • 3.1.3.2 Beziehung zum Lebendigsein und zu Werten (2. GM)
  • 3.1.3.3 Beziehung zu sich selbst (3. GM)
  • 3.1.3.4 Beziehung zum Sinn (4. GM)
  • 3.1.4 Personale Fähigkeiten
  • 3.2 Funktionen des Schreibens mit Hilfe der inneren Stimme
  • 3.2.1 Bewusstmachen von Faktizität (PEA0)
  • 3.2.2 Erkunden Primärer Emotionen (PEA1)
  • 3.2.3 Stellungnahmen und deren Ausdruck (PEA2 + PEA3)
  • 3.3 Der innere Dialog als Ursprung des Schreibens
  • 3.3.1 Der Dialog mit sich selbst
  • 3.3.2 Der Dialog mit einer anderen Person
  • 3.3.3 Der Dialog mit Gedanken/Erkenntnissen Anderer
  • 3.4 Schreiben als Ausdruck der inneren Stimme und des inneren Dialogs
  • 3.4.1 Schreiben und innerer Dialog in der Literatur
  • 3.4.2 Das Schreiben einer Abschlussarbeit mit Hilfe des inneren Dialogs
  • 3.4.3 Die Person im Text
  • 3.5 Rückblick: Von der Beziehungsfähigkeit zum dialogischen Schreiben
  • 4. Brücke zur Praxis
  • 4.1 Eine Erprobung dialogischen Schreibens
  • 4.1.1 Vorbereitung und Durchführung
  • 4.1.2 Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen
  • 4.1.3 Zusammenfassung und Diskussion
  • 4.2 Beiträge zum Gelingen wissenschaftlichen Schreibens
  • 4.2.1 Schreibförderung in der Schule
  • 4.2.2 Voraussetzungen bei Studierenden
  • 4.2.3 Förderung von Seiten der Hochschule bzw. Universität
  • 4.2.3.1 Empfehlungen von Absolventinnen und Absolventen
  • 4.2.3.2 Zusammengefasste Empfehlungen und Hinweise Betreuender
  • 4.2.3.3 Konzept zur Förderung wissenschaftlicher Schreibkompetenz
  • 4.2.4 Der Beitrag der Psychotherapie zum Gelingen eines Schreibprojekts
  • 4.2.5 Abschließende Bemerkungen
  • Resümee
  • Ausblick
  • Schlusswort
  • Literaturverzeichnis
  • Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
  • Anhang
  • Transkriptionsregeln
  • Interview mit Betreuer A
  • Erprobung Dialogischen Schreibens
  • Aussprüche und Dialoge Studierender

Vorwort

Für wen schreibe ich meine Abschlussarbeit? Nur für meine BetreuerIn? Für mich selbst – oder doch auch für Andere? Diese oder ähnliche Fragen stellen sich Studierende, ehe sie mit dem Verfassen ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeiten beginnen. Eine solche Arbeit ausschließlich für ihre BetreuerIn oder für sich selbst zu schreiben, diese Vorstellung empfinden sie nicht als sonderlich motivierend. Wenn sie sie jedoch auch für andere Personen schrieben, dann wäre ihr Schreiben zu etwas gut – dann hätte es einen Sinn.

So kam ich auf die Idee, Studierende könnten sich zum Verfassen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten des inneren Dialogs bedienen, z.B. des inneren Dialogs mit einer anderen Person: Die/der Studierende stellt sich eine bekannte oder unbekannte, reale oder fiktive/virtuelle interessierte Person vor und erläutert dieser schriftlich, was der aktuelle Wissensstand zu ihrem bzw. seinem Thema ist und was sie oder er selbst dazu noch herausgefunden hat. Solcherart kann sie bzw. er auch eigenen Schreibhemmungen vorbeugen oder bestehende überwinden.

Wenngleich dieser Zugang zum Schreiben einer Abschlussarbeit noch vielen unbekannt oder unbewusst war, so hatten ihn doch Andere schon entdeckt. Entsprechende Anmerkungen fanden sich nämlich in der Literatur und in Erfahrungsberichten einzelner Studierender. In meiner Dissertation ging es mir vor allem darum, den erwähnten Zugang mittels Erkenntnissen aus Sprachwissenschaft, Pädagogik, Tiefenpsychologie und Existenzanalyse wissenschaftlich zu fundieren, um darauf aufbauend die existenzanalytische Theorie ein Stück weit zu ergänzen und damit einen Beitrag zur Psychotherapieforschung zu leisten.

Dieses Werk ist ein Auszug aus meiner Dissertation1. Für hilfreiche Informationen und Hinweise bedanke ich mich besonders bei Univ.-Prof. Dr. Thomas Stephenson, Univ.-Prof. Dr. Dr. hc. mult. Alfred Pritz, Univ.-Prof. Mag. DDr. Bernd Rieken und Univ.-Doz. DDr. Kurt Greiner. Darüber hinaus danke ich auch allen Anderen, die mit mir gesprochen oder meine Fragen schriftlich beantwortet haben: Betreuerinnen und Betreuern, Absolventinnen und Absolventen, ← 15 | 16 → Doktorandinnen und Doktoranden. Mag. Barbara Kern und Dr. Elisabeth Duffek-Stanka danke ich für ihr fortwährendes, lebhaftes Interesse. Für die Realisierung des Buchprojekts gebührt mein Dank dem Verlag Peter Lang GmbH und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, besonders Frau Mag. Alexandra Marciniak vom Wiener Büro.

Ferner bedanke mich bei den Mitgliedern meiner Familie, meinen Verwandten, Bekannten und Freunden für ihre Geduld. Mein Dank gilt auch zwei Personen, die nicht mehr unter den Lebenden weilen: meiner Großmutter Maria Nussböck und meinem Großvater Anton Bauer, die – neben anderen Personen – beim Schreiben meiner Arbeit als innere AdressatInnen fungierten. Dank schulde ich auch meinem Mann Dr. Paul Huber, der mir die ganze Zeit über ein ausdauernder Zuhörer und ein inspirierendes Gegenüber war. Gespräche und Diskussionen mit ihm waren stets eine Bereicherung und führten zu einem Erkenntniszuwachs. Er unterstützte mich auch im Alltag und beim Korrigieren des Manuskripts.

Wien, im September 2014 ← 16 | 17 →

                                                   

  1  HUBER, E. (2013): Schreiben mit und ohne Hemmungen. Das Verfassen wissenschaftlicher Abschlussarbeiten mit Hilfe der inneren Stimme der Person und des inneren Dialogs – ein existenzanalytischer Ansatz. Diss., SFU Wien.

Einleitung

In diesem Kapitel werden die Problemstellung, d.h. das zentrale Thema, Definitionen wichtiger Begriffe, Art, Aufbau und Gestaltung dieses Werkes sowie dessen Bedeutung für die Umsetzung in der Praxis erörtert.

Das zentrale Thema dieses Werkes ist der innere Dialog der Person zusammen mit der Frage, wie ein solcher Dialog die Textproduktion Studierender beim Verfassen ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeiten unterstützen und ihnen dabei helfen kann, Schreibhemmungen vorzubeugen bzw. sie zu überwinden.

Dafür werden im ersten Abschnitt intersubjektive Voraussetzungen für den Dialog, der Zusammenhang zwischen Denken, Sprechen, Schreiben und Sprache mitsamt deren dialogischer Funktion sowie das Verfassen wissenschaftlicher Abschlussarbeiten und schließlich das Phänomen Schreibhemmungen beleuchtet. Die Geschichte des Schreibens und das Schreiben in der Schule werden auf dialogische Aspekte hin untersucht. Hierauf werden in einem zweiten Abschnitt relevante Grundlagen aus existenzanalytischer Theorie erörtert.

Diese Theorie werde ich anschließend ein Stück weit ergänzen, indem ich erläutere, wie – ausgehend vom Begriff „Person“ als dem in einem Menschen Sprechenden (vgl. A. LÄNGLE 1993b, 137) – ein „innerer Dialog“ z.B. mit einem „inneren Gegenüber“ (LÄNGLE 2003, 3) auch das Schreiben eines Textes anregen und steuern kann.

Die wichtigsten Begriffe in diesem Werk werden wie folgt definiert: Mit wissenschaftlichen Abschlussarbeiten sind all diejenigen Arbeiten gemeint, die ein Studium oder eine studienähnliche Ausbildung abschließen und die auf eine wissenschaftliche Weise verfasst werden. Zum Verfassen oder Schreiben wissenschaftlicher bzw. akademischer Abschlussarbeiten gehören unterschiedliche Schritte und Arbeitsweisen wie z.B. Überlegen, Vorbereiten, Recherchieren, Konzipieren, Planen, Gliedern, Exzerpieren, Formulieren, Überarbeiten und abschließendes Redigieren.

Person ist nach FRANKL und A. LÄNGLE das Freie im Menschen: jene Instanz, die zu sich selbst, zu eigenen Erfahrungen und zu Anderem/n Stellung nehmen kann. Die innere Stimme der Person ist gleichzusetzen mit dem „in mir Sprechende[n]“ nach A. LÄNGLE (1993b, 137). Einen inneren Dialog führt eine Person mit sich selbst oder mit einem anderen Subjekt, also mit einer realen ← 17 | 18 → oder imaginierten (virtuellen) anderen Person, d.h. mit einer/einem Anderen oder mit deren/dessen Erkenntnissen, also mit etwas Anderem. Ein solcher Dialog kann helfen, Schreibhemmungen jeder Art zu überwinden. Als Oberbegriff schließt dieser Begriff alle unterschiedlichen Formen und Intensitäten derartiger Störungen ein, welche den Beginn des Schreibens, das Weiterschreiben oder das Abschließen der Arbeit behindern.

Zu Art und Aufbau des Werkes ist zu sagen: Die Vorgangsweise bei der Darstellung der theoretischen Inhalte resultiert aus „disziplinierter Überlegung“ (O. GELO, pers. Mitt., 2010). Dabei sollen – nach einem kurzen tiefenpsychologischen Streiflicht auf Intersubjektivität und Relationalität des Menschen – zunächst der aktuelle Stand der Sprach- und Schreibforschung, auch zum wissenschaftlichen bzw. akademischen Schreiben, erörtert und anschließend die für die Fragestellung relevanten Grundlagen der existenzanalytischen Theorie dargestellt werden. Von besonderem Interesse sind hier Entsprechungen in den genannten Bereichen, z.B. hinsichtlich des inneren Dialogs mit sich selbst und des inneren Dialogs mit einem (inneren oder äußeren) Anderen oder mit etwas Anderem.

Die Ausweitung der Theorie des inneren Dialogs auf dialogisches Schreiben hin fehlte bis dato in der Existenzanalyse. Dieser Schritt soll in der Bearbeitung der Forschungslücke unter dem Titel Schreiben als Ausdruck der Person vollzogen werden.

In der Brücke zur Praxis werde ich zunächst über eine Erprobung dialogischen Schreibens in einer DoktorandInnengruppe berichten und dabei die Erfahrungen dieser Studierenden in verkürzter Form referieren. Im letzten Teil mit der Überschrift Beiträge zum Gelingen wissenschaftlichen Schreibens stellen Empfehlungen aus der Sicht von BetreuerInnen und von AbsolventInnen Denk- und Handlungsanreize für Studierende bereit. Eine vermehrte Schreibförderung in Schule und Hochschule bzw. Universität soll die wissenschaftliche Schreibkompetenz Studierender stärken. Auch in diesen Abschnitten ist der innere (und ergänzend dazu auch der äußere) Dialog von zentraler Bedeutung. Abschließend wird noch der Beitrag der Psychotherapie – von FISCHER als eine „Behandlung durch Dialog“ (2008, 3) definiert – zum Gelingen eines akademischen Schreibprojekts zusammengefasst.

Die spezielle Situation, in der dieses Werk entstanden ist, hat auch seine Gestaltung beeinflusst: Während ich mich mit dem Thema Innerer Dialog und Schreiben – im Speziellen dem Schreiben von Abschlussarbeiten – auseinander gesetzt habe, habe ich dieses Schreiben auch selbst praktiziert (s.a. STEPHENSON 2003a, 28; s.a. RECHBERGER 1988, 7; s.a. RAFFELSIEFER 2003, 18). Daher habe ← 18 | 19 → ich besonders auf das geachtet, was mir selbst das Schreiben erleichtert hat. Das möchte ich an studierende LeserInnen weitergeben:

Eine dieser Anregungen besteht darin, nicht nur wissenschaftliche Texte, sondern auch welche aus anderen Genres zu lesen und zu schreiben (s.a. WERDER 1993, 20 u. 50). Beispielsweise könnte die AutorIn – an eine andere Person adressiert – über das Schreiben ihrer Arbeit schreiben. Oder sie könnte in ihrer Vorstellung in die Rolle einer BeraterIn schlüpfen, um imaginären StudienkollegInnen Hinweise zum Schreiben einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit zu geben. Dabei kann sie dann auch selbst Hilfreiches erkennen. Auch das Führen eines Tagebuchs oder eines wissenschaftlichen Journals als Form schriftlicher Selbst- und Fremderforschung (vgl. RAFFELSIEFER, 2003, 15–18) wird hilfreich sein. Die oder der Studierende kann jedoch auch literarische Texte in Form von Prosa oder Lyrik lesen bzw. selbst schreiben (s.a. PENNEBAKER 2010, 157–159 u. 163–164). Jede Form des Lesens und Schreibens erhält und stärkt nämlich die entsprechende Kompetenz.

Im Hinblick darauf habe ich einigen Kapiteln als Einstimmung kurze Texte zum jeweiligen Thema vorangestellt. Diese Texte stammen von einer Filmfigur, einer Studienkollegin, von ExpertInnen wissenschaftlichen Schreibens und von bekannten Dichtern. Sie illustrieren wichtige Aspekte, die mit dem Schreiben von Texten zu tun haben, oder sie bringen diese auf den Punkt. Bei allen Unterschieden weisen sie jedoch auch eine Gemeinsamkeit auf: Jeder dieser Kurztexte ist von einer konkreten Person verfasst (– in einem Fall vom Schreiber des dazu gehörigen Drehbuchs) – also von einer Person mitsamt ihren Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen. Ob dies explizit sichtbar oder implizit im Text enthalten ist; ob sich die betreffende Person als UrheberIn des Textes zu erkennen gibt oder sich in ihm verbirgt: Sie hat den Text in einem Zugang von außen und/oder innen produziert und ist zugleich auch selbst darin enthalten (vgl. STEPHENSON 2003a, 37–38; 40–43; s.a. Kap. 3.4.2). Letzteres ist auch in den poetischen Kurztexten erkennbar bzw. spürbar. Zu Beginn des Resümees habe ich mich schließlich selbst an einem solchen versucht.

Diese Kurztexte sollen also verdeutlichen, wie die AutorIn einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit für das Schreiben derselben auch vom Lesen anderer Textsorten und vom Erproben anderer Schreibformen profitieren kann. Und nicht zuletzt wird in diesen Texten auch die dialogische Funktion des Schreibens sichtbar.

Die Bedeutung dieses Werkes und die Umsetzbarkeit der Ergebnisse waren gleichfalls Gegenstand meiner Überlegungen. Neben dem Hinweis auf vorhandene Probleme und deren mögliche Ursachen liegt der Schwerpunkt auf der ← 19 | 20 → Frage, wie das Verfassen/Schreiben wissenschaftlicher Abschlussarbeiten besser gelingen kann, speziell mit Hilfe des inneren (und ggf. auch des äußeren) Dialogs. Dafür werden nicht nur Erkenntnisse und Ergebnisse aus Psychologie, Sprachwissenschaft und Schreibforschung, Deutsch- und Hochschuldidaktik, sondern auch tiefenpsychologische Perspektiven und Theorie-Elemente mehrerer psychotherapeutischer Schulen (Psychoanalyse, psychoanalytische Individualpsychologie und Existenzanalyse) mit einbezogen. Der Blickwinkel ist somit kein ausschließlich linguistischer oder pädagogischer, sondern auch ein psychotherapeutischer. Daher kann diese Arbeit auch einen Beitrag zur Psychotherapieforschung leisten.

Die Verbindung zur Praxis wird sichtbar über eine Erprobung dialogischen Schreibens. Darüber hinaus sollen die in dieser Arbeit weiterentwickelte Theorie zum Schreiben als Ausdruck der inneren Stimme und des inneren Dialogs und die im Schlussteil erörterten Beiträge zum Gelingen wissenschaftlichen Schreibens auch einen Weg skizzieren, wie VerfasserInnen wissenschaftlicher Abschlussarbeiten ihre Schreibkompetenz verbessern, Schreibhemmungen überwinden oder massivere Störungen vermeiden können. Dazu sollen u.a. auch die zusammengefassten Empfehlungen von AbsolventInnen und BetreuerInnen beitragen. ← 20 | 21 →

Einführung und Fragestellung

Ausgehend von bestehenden Problemen und bereits verfügbaren Erkenntnissen soll hier die Forschungslücke identifiziert und die Fragestellung dieses Werkes entwickelt werden:

Viele Studierende haben die erforderlichen Prüfungen und Leistungsnachweise erfolgreich absolviert. Wenn es jedoch darum geht, die Abschlussarbeit zu planen und zu schreiben, gerät der Prozess ins Stocken: sie fühlen sich unfähig anzufangen, weiter zu schreiben oder abzuschließen. Das Erscheinungsbild einer solchen Arbeitsstörung schildert LÜDERS wie folgt:

Details

Seiten
286
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653047783
ISBN (ePUB)
9783653978940
ISBN (MOBI)
9783653978933
ISBN (Paperback)
9783631655702
DOI
10.3726/978-3-653-04778-3
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Januar)
Schlagworte
Tiefenpsychologie Existenzanalyse Psychotherapie
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 285 S., 1 farb. Abb., 2 s/w Abb., 1 Tab.

Biographische Angaben

Emma Huber (Autor:in)

Emma Huber ist Lehrerin und Psychotherapeutin. Sie hat im Fach Psychotherapiewissenschaft promoviert. Zu ihren Forschungs- und Arbeitsschwerpunkten zählen Textproduktion und Probleme Studierender beim Verfassen von Abschlussarbeiten. In der Therapie sucht sie Wege zur Überwindung dieser Probleme.

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Titel: Innerer Dialog und Textproduktion
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