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Englischunterricht auf der Primarstufe

Neue Forschungen – weitere Entwicklungen

von Markus Kötter (Band-Herausgeber:in) Jutta Rymarczyk (Band-Herausgeber:in)
©2015 Konferenzband 227 Seiten

Zusammenfassung

Nach zehn Jahren Fremdsprachenlernen in der Grundschule hat sich das Feld wie kaum ein anderes entwickelt. Ein Grund dafür ist die rege und vielfältige empirische Forschung, die in diesem Band durch zehn Beiträge vorgestellt wird. Die Diskussion widmet sich Aspekten wie dem Beginn des Fremdsprachenunterrichts, der Wertigkeit des Fremdsprachenlernens, der Ausbildung von Sprachbewusstheit, der Vermittlung der Schriftform, Wortschatz- und interkulturellem Lernen, neurowissenschaftlichen Einblicken in Emotionen und Bewegung, bilingualen und immersiven Ansätzen, mehrsprachigen Lernumgebungen sowie den Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund. Damit vermittelt das Buch einen vielfältigen Überblick über die aktuelle Forschungslage, stellt aber auch Anregungen für die Schulpraxis vor.

Inhaltsverzeichnis

  • Couverture
  • Titre
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Literaturverzeichnis
  • Eckpunkte einer theoretisch und empirisch basierten Lesedidaktik für den Englischunterricht der Grundschule: Stefanie Frisch
  • 1. Einleitung
  • 2. Früher Einsatz der englischen Schriftsprache
  • 3. Die Besonderheiten des fremdsprachlichen Lesens
  • 4. Festlegung realistischer Leistungserwartungen
  • 5. Unterstützung text- und Konzeptgeleiteter Leseprozesse
  • 5.1 Welt- und Sprachwissen
  • 5.2 Graphem-Phonem-Zuordnung und Worterkennung
  • 5.3 Morpho-syntaktische Analyse
  • 5.4 Erfassen von Diskursmerkmalen
  • 5.5 Konstruktion von Propositionen
  • 6. Auswahl motivierender Lesetexte
  • 7. Fazit
  • 8. Literaturverzeichnis
  • Affordanzen und Nutzung mehrsprachiger Lernumgebungen – erste Ergebnisse aus der Pilotierung zum Forschungsprojekt LIKE: Daniela Elsner, Judith Bündgens-Kosten, Ilonca Hardy
  • 1. Mehrsprachige Lernumgebung im Forschungsprojekt Like
  • 2. Theoretischer Hintergrund des Projekts
  • 2.1 Bedeutung der L1 und der L2 für das Lernen fremder Sprachen
  • 2.2 Mehrsprachigkeit und schulisches Fremdsprachenlernen
  • 3. Gestaltung der Lernumgebung von LIKE auf der Grundlage der Theorie der Affordanzen
  • 3.1 Affordanztheorie
  • 3.2 „Real Affordances“ - Mehrsprachige Handlungsoptionen in der Lernumgebung von LIKE mit einem Fokus auf Mehrsprachigkeit
  • Digitales Buch
  • Sprachvarianten
  • Sprachliche Ressourcen der Dyaden
  • 3.2 Durch Lerner wahrgenommene und genutzte Affordanzen – erste Ergebnisse aus der Pilotierung
  • 3.2.1 Stichprobe
  • 3.2.2 Untersuchungsablauf
  • 3.2.3 Auswertung
  • Digitales Buch
  • Sprachvarianten
  • Sprachliche Ressourcen der Dyaden
  • 4. Diskussion der Ergebnisse
  • 5. Fazit
  • 6. Literaturverzeichnis
  • Die Hör- und Leseverstehensleistungen im Fach Englisch von Kindern am Ende der Grundschulzeit unter besonderer Berücksichtigung lebensweltlicher Ein- und Mehrsprachigkeit: Eva Wilden, Raphaela Porsch
  • 1. Einleitung
  • 2. Ausgangslage und theoretische Vorarbeit
  • 2.1 Curriculare Rahmenbedingungen der Kohorten 2010 und 2012
  • 2.2 Lebensweltliche Ein- und Mehrsprachigkeit der an der Studie teilnehmenden Kinder
  • 2.3 Fremdsprachliches Hör- und Leseverstehen
  • 2.4 Studien zum Hör- bzw. Leseverstehen im frühbeginnenden Englischunterricht unter besonderer Berücksichtigung von lebensweltlicher Ein- und Mehrsprachigkeit
  • 3. Empirische Studie
  • 3.1 Forschungsfragen
  • 3.2 Design der Studie und Stichprobe
  • 3.3 Instrumente
  • 3.4 Auswertung
  • 3.5 Ergebnisse
  • 4. Fazit
  • 5. Literaturverzeichnis
  • Ein kollokationsbasierter Grundwortschatz für die Primarstufe: Martina Bredenbröcker
  • 1. Einleitung
  • 2. Grundlegende Konzepte der Korpuslinguistik
  • 3. Erkenntnisse aus der Psycholinguistik
  • 4. Kollokationskompetenz bei fortgeschrittenen Lernern
  • 5. Kollokationen ja – aber welche?
  • 5.1 Hochfrequente Wörter einer sprache
  • 5.2 Das Oxford Children’s Corpus
  • 5.3 Projektdaten
  • 6. Die Beispielverben Say, See und Make
  • a) Say
  • b) See
  • c) Make
  • 7. Die Beispielnomen Time, Friend und Eye
  • a) Time
  • b) Friend
  • c) Eye
  • 8. Umsetzung in der Grundschule
  • 9. Schluss und Ausblick
  • 10. Literaturverzeichnis
  • Entwicklung von Language Awareness bei Grundschulkindern durch mehrsprachige digitale Bilderbücher: Viviane Lohe
  • 1. Einleitung
  • 2. Language Awareness
  • 2.1 Language Awareness als Teilziel der Mehrsprachigkeitsdidaktik
  • 2.2 Forschungsergebnisse zur Förderung von Language Awareness in der Grundschule
  • 2.3 Methodische Überlegungen zur Förderung von Language Awareness im Unterricht
  • 3. Darstellung des Forschungsprojekts
  • 3.1 Problemaufriss
  • 3.2 Forschungsfragen und Hypothesen
  • 3.3 Forschungsdesign
  • 3.4 Instrumente und Operationalisierung
  • 3.5 Pilotstudie
  • 3.6 Erste Ergebnisse der Pilotstudie
  • 3.7 Implikationen und Beschreibung der Hauptstudie
  • 4. Fazit
  • 5. Literaturverzeichnis
  • Zur Entwicklung der Schulleistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in einer bilingualen Grundschule: Eine Pilotstudie: Anja Steinlen, Thorsten Piske
  • 1. Einleitung
  • 1.1 Der Migrationsstatus in Deutschland
  • 1.2 Kinder mit Migrationshintergrund in deutschen Regelschulen
  • 1.2.1 Schulische Leistungen Deutsch: Kinder mit Migrationshintergrund
  • 1.2.2 Schulische Leistungen Englisch: Kinder mit Migrationshintergrund
  • 1.3 Kinder mit Migrationshintergrund in teilimmersiv arbeitenden bilingualen Schulen
  • 1.3.1 Schulische Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund in Immersionsschulen in Kanada
  • 1.3.2 Schulische Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund in immersiv arbeitenden bilingualen Grundschulen in Deutschland
  • 2. Methode
  • 2.1 Versuchspersonen
  • 2.2 Testmaterialien
  • 2.3 Durchführung und statistische Analysen
  • 3. Ergebnisse
  • 3.1 Familiäre Variablen
  • 3.2 Kognitive Variablen
  • 3.3 Lese- und Rechtschreibleistung Deutsch
  • 3.4 Grammatikverständnis und rezeptiver auditiver Wortschatz Englisch
  • 3.5 Leseleistung Englisch (Klasse 3-4)
  • 4. Diskussion
  • 4.1 Englischleistungen
  • 4.2 Deutschleistungen
  • 4.3 Einschränkungen der Interpretierbarkeit der Daten
  • 4.4 Ausblick auf weitere Fragestellungen
  • 5. Fazit
  • 6. Danksagung
  • 7. Literaturverzeichnis
  • Easy does it? Beurteilung im bilingualen Sachfachunterricht auf der Primarstufe: Daniel Stotz, Ute Massler
  • 1. Einleitung
  • 2. Die Problematik der Clil-Leistungserhebung
  • 2.1 Bewertungspraxis
  • 2.2 Forschungslage
  • 3. Das Clila-Modell als Basis für die Entwicklung von Tests
  • a) Sprachlich-kommunikative Aspekte
  • b) Sachfachliche Kompetenzaspekte (hier: Naturwissenschaften)
  • c) Das CLILA-Modell in der Gesamtschau
  • 4. Beispiele von Clil-Aufgaben für Unterricht und Beurteilung
  • 5. Analyse und Diskussion eines mündlichen Tests
  • 6. Schlussbemerkungen
  • 7. Literaturverzeichnis
  • Anhang
  • 1. Assessmentaufgabe ‘Types of transport’ (text version only)
  • 1. Look at these pictures. What types of transport can you see in them?
  • 2. Look at these nine pictures
  • 2. Beurteilungsraster zur Bewertung der Kompetenz Sprechen (Raster etwa A1.1-A1.2)
  • Wenn Fremdsprachenunterricht bewegt: Michaela Sambanis
  • 1. Bewegender Fremdsprachenunterricht
  • 1.1 Positive und negative Emotionen
  • 1.2 Positive Emotionen im Fremdsprachenunterricht
  • 2. Bewegter Fremdsprachenunterricht
  • 2.1 Chorsprechen und Automatisierung
  • 2.2 Zusammenfassung und Deutung der Erkenntnisse zum bewegten Fremdsprachenunterricht
  • 3. Bewegter und bewegender Fremdsprachenunterricht durch dramapädagogische Elemente
  • 4. Praxisbeispiel
  • 5. Literaturverzeichnis
  • Vorstellungen und unterrichtspraktische Erfahrungen von Grundschullehrkräften in Bezug auf Interkulturelle Kommunikative Kompetenz: Sonja Brunsmeier
  • 1. Einleitung
  • 2. Methodisches Vorgehen
  • 2.1 Die Datenauswertung
  • 2.2 Beschreibung der Stichprobe
  • 3. Vorstellungen der Lehrer zur Interkulturellen Kommunikativen Kompetenz
  • 3.1 Eigenschaften und Lernziele des Englischunterrichts
  • 3.2 Stellenwert der Interkulturellen Kommunikativen Kompetenz im Englischunterricht
  • 3.3 Dimensionen der Interkulturellen Kommunikativen Kompetenz
  • 4. Unterrichtspraktische Erfahrungen der Lehrer mit der Anbahnung Interkultureller Kommunikativer Kompetenz
  • 4.1 Themen
  • 4.2 Aufgaben und Aktivitäten
  • 5. Interpretation der Ergebnisse der Lehrerbefragung
  • 6. Fazit
  • 7. Literaturverzeichnis
  • Das transcurriculare Modell für einen diskursiv-kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht in der Grundschule: Henriette Dausend
  • 1 Der diskursiv-kompetenzorientierte Fremdsprachenunterricht
  • 1.1 Die Ziele eines diskursiv-kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts
  • 1.2 Die Prinzipien eines diskursiv-kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts
  • 1.2.1 Die Schüler als Diskursteilnehmer verstehen und wahrnehmen
  • 1.2.2 Die Sprachproduktion und Bedeutungsaushandlung fördern
  • 1.2.3 Das (fremd-)sprachliche Lernen zielorientiert öffnen
  • 1.2.4 Die Kompetenzen mit Unterrichtsinhalten verbinden
  • 1.2.5 Das (fremd-)sprachliche Lernen mit anderen Fächern verbinden
  • 1.2.6 Die Sprachen und Kulturen der Lerner berücksichtigen
  • 2 Das transcurriculare Sprachenlernen
  • 2.1 Die Struktur des transcurricularen Unterrichts
  • 2.2 Die Wahl der Fächer und Inhalte
  • 2.3 Die Rolle von Sprache und Kultur
  • 2.4 Die Rolle der Lerner und der Lehrkräfte
  • 3. Ausblick
  • 4. Literaturverzeichnis
  • Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Einleitung

Der vorliegende Band zum Fremdsprachenlernen auf der Primarstufe markiert in gewisser Weise ein Jubiläum. Seit dem Schuljahr 2004/2005 und damit seit genau zehn Jahren stehen Fremdsprachen nämlich nun in den Grundschullehrplänen aller 16 Bundesländer, zumeist ab der dritten Klasse. Das Feld hat sich in diesem Zeitraum wie kaum ein anderes entwickelt, was in hohem Maße empirischer Forschung zu verdanken ist. Unser Band, der auf den Vorträgen der Sektion „Frühes Fremdsprachenlernen“ des 25. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) 2013 in Augsburg fußt, vermag die jüngsten Entwicklungen trefflich darzustellen, basieren doch alle zehn Beiträge auf empirischen Forschungsprojekten.

Viele Aspekte des Fremdsprachenlernens auf der Primarstufe werden auch zehn Jahre nach seiner flächendeckenden Einführung lebhaft debattiert. Denn es stehen nach wie vor viele offene Fragen im Raum. Erst 2012 hat das Land Baden-Württemberg sogar überlegt, den Beginn des Fremdsprachenunterrichts von der Jahrgangsstufe 1 auf die Jahrgangsstufe 3 zurückzuverlegen. In einigen anderen Bundesländern beginnt der Fremdsprachenunterricht noch immer in Klasse 3. Dem gegenüber steht eine stetig wachsende Zahl an vorschulischen Einrichtungen mit Fremdsprachenangeboten. Folglich lauten zwei zentrale Fragen der aktuellen Debatte, ob der Beginn des frühen Fremdsprachenunterrichts vereinheitlicht werden soll und welcher Zeitpunkt der günstigste zu sein scheint.

Arbeiten wie die von Anja Steinlen und Thorsten Piske „Zur Entwicklung der Schulleistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in einer bilingualen Grundschule: Eine Pilotstudie“, die Aufschluss geben über die schul- und fremdsprachliche Leistungsfähigkeit von Kindern in den Jahrgangsstufen 1-4 der Grundschule, können hier die Diskussion befördern helfen. Das zentrale Erkenntnisinteresse der Arbeit von Steinlen und Piske gilt aber natürlich dem Erfolg von Immersionsprogrammen und dem Vergleich von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Der Beitrag zeigt eindrücklich auf, dass Kinder mit Migrationshintergrund in immersiven Settings dieselben Leistungen im Bereich Englisch wie Kinder ohne Migrationshintergrund erbringen können, während dieses in traditionellen Grundschulen in bisherigen groß angelegten Untersuchungen nicht nachgewiesen werden konnte.

Auch Daniela Elsner, Judith Bündgens-Kosten und Ilonca Hardy widmen sich in ihrem Beitrag mit dem Titel „Affordanzen und Nutzung mehrsprachiger Lernumgebungen – erste Ergebnisse aus der Pilotierung zum Forschungsprojekt LIKE“ dem Thema Mehrsprachigkeit. Sie gehen der Frage nach, welche Bedeutung bei Grundschulkindern den Herkunftssprachen Türkisch bzw. Deutsch für die Entwicklung kommunikativer Kompetenz in der Fremdsprache Englisch zukommt. Dafür prüfen sie, wie bezüglich ihrer Herkunftssprache unterschiedlich zusammengesetzte Schülerpaare zunächst eine Information Gap Aufgabe ← 7 | 8 → lösten und dann im Rahmen der mehrsprachigen Lernumgebung MUVIT (Multilingual Virtual Talking Books) eine auf Englisch präsentierte Geschichte bearbeiteten, die teils oder gar ganz auch auf Türkisch oder Deutsch studiert werden konnte. Es zeigte sich nach Auskunft der Autorinnen, dass die beobachteten Kinder sowohl die verfügbaren Angebote als auch die Sprachen Türkisch, Deutsch und Englisch unterschiedlich nutzten. Manche der daraus folgenden Hypothesen werden sich erst mit der Hauptstudie im Detail überprüfen lassen. Auch die Pilotstudie bietet aber bereits spannende Einsichten in jene Affordanzen, die Lernern in Form ihrer Herkunftssprachen und des durch die Lernumgebung verfügbaren Angebots vorliegen und entsprechend genutzt werden können.

Ein dritter Beitrag, der – u.a. – den Aspekt der Mehrsprachigkeit in den Blick nimmt, ist das Kapitel von Eva Wilden und Raphaela Porsch über „Die Hör- und Leseverstehensleistungen im Fach Englisch von Kindern am Ende der Grundschulzeit unter besonderer Berücksichtigung lebensweltlicher Ein- und Mehrsprachigkeit“. Auf der Suche nach Antworten auf die Frage nach dem bestmöglichen Startzeitpunkt fremdsprachlichen Lernens auf der Primarstufe vergleichen die Autorinnen die Hör- und Leseverstehensleistungen von Kindern nach zwei Jahren Englischunterricht ab Jahrgangsstufe 3 mit den Leistungen jener Kinder, die schon in Klasse 1 Englisch lernten und daher bereits dreieinhalb Jahre in diesem Fach unterrichtet wurden. Ein zweiter Fokus des Beitrags liegt auf dem Vergleich der rezeptiven Leistungen der getesteten Kinder unter Berücksichtigung ihrer Ein- bzw. Mehrsprachigkeit. Dabei wurde zwischen lebensweltlicher Ein- bzw. Mehrsprachigkeit bzw. „mehrsprachig mit Deutsch“ und „mehrsprachig ohne Deutsch“ aufwachsenden Kindern unterschieden. Die Ergebnisse dieser Studie sind insofern von hoher Relevanz für die aktuelle Diskussion, als sie einmal mehr helfen, Vorurteile bezüglich vermeintlicher Leistungsschwächen bei mehrsprachigen Kindern durch Fakten zu widerlegen.

Auch Henriette Dausend geht es um die besondere Situation von Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch. Sie stellt mit „Das transcurriculare Modell für einen diskursiv-kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht in der Grundschule“ einen fremdsprachendidaktischen Ansatz vor, der in der Arbeit mit heterogenen Lerngruppen (Kinder mit und ohne Migrationshintergrund) neue Akzente setzen kann. Im Fokus des transcurricularen Lernens steht zwar die Fremdsprache, aber prinzipiell können bei dem Modell Schul-, Fremd- und Herkunftssprachen kombiniert werden. Dabei ist die gemeinsame unterrichtspraktische Nutzung von Fremd- sowie Herkunftssprachen hier ein interessanter Gesichtspunkt unter mehreren. Tatsächlich können auch einzelne Sachfächer mit dem (in erster Linie fremd-)sprachlichen Lernen verknüpft werden, sofern deren Inhalte relevant für die Fremdsprache sind und die fremdsprachlichen Kompetenzen Überschneidungen zu den Inhaltsfeldern der Sachfächer aufweisen.

Dausends Kapitel kann wichtige neue Anregungen in die Diskussion der Frage einbringen, welche Rolle der Fremdsprachenunterricht neben anderen Fä ← 8 | 9 → chern, insbesondere neben Deutsch und Mathematik, einnehmen kann bzw. soll. Diese Diskussion ist, wie die Debatte in Baden-Württemberg um die Rückverlegung des Fremdsprachenunterrichts in die Jahrgangsstufe 3 gezeigt hat, nämlich offenkundig noch keineswegs abgeschlossen. Schließlich war überlegt worden, ob man nicht die erste Fremdsprache (Englisch bzw. Französisch) in den Jahrgangsstufen 1 und 2 wieder abschafft, um so ein Stundenkontingent für die Förderung des Schriftspracherwerbs im Deutschen und für Mathematik zur Disposition zu haben.

Diese nun zumindest mancherorts wieder aufflammende Diskussion über die Wertigkeit des Fremdsprachenlernens in der Grundschule wirft auch die Frage auf, mit wie vielen Wochenstunden der Fremdsprachenunterricht in der Stundentafel der Grundschule vertreten sein soll. Prinzipiell scheint unter Fremdsprachendidaktikern Konsens darüber zu bestehen, dass lediglich zwei Stunden Unterricht in der ersten Fremdsprache pro Woche nicht ausreichen, um zu guten Ergebnissen zu gelangen. Der wöchentliche Kontakt zur L2 ist hier schlicht zu gering, um die Lernenden auf implizitem Weg mit sprachlichen Regelmäßigkeiten vertraut machen zu können (vgl. den Ansatz des noticing von Richard Schmidt (Schmidt und Frota 1986), sehr konzise und anschaulich dargestellt bei Thornbury (2005: 31ff.)). Eine sprunghafte Erhöhung des Kontakts mit der Fremdsprache und damit die Ermöglichung impliziter Ansätze lässt sich durch bilinguales Unterrichten erreichen, wobei die Spannbreite auf der Primarstufe in Deutschland von partieller Immersion (maximal 70% der Unterrichtszeit dürfen auf Englisch unterrichtet werden) über bilinguale Zweige mit ein bis zwei Englisch geführten Fächern pro Jahrgangsstufe bis hin zu bilingualen Modulen reicht, bei denen in unterschiedlichen Fächern in mehr oder minder unregelmäßigen Abständen einzelne Unterrichtssequenzen oder -reihen auf Englisch stattfinden.

Daniel Stotz und Ute Massler berichten in ihrem Beitrag „Easy does it? Beurteilung im bilingualen Sachfachunterricht auf der Primarstufe“ über die hier an zweiter Stelle genannte Variante bilingualen Unterrichts, nämlich „Content and Language Integrated Learning“ (CLIL) im Fach „Mensch-Natur-Kultur“, einer Variante von bilingualem Sachfachunterricht. Die Autoren konzentrieren sich dabei auf Leistungsmessung im Bereich produktiver und interaktiver mündlicher Kompetenzen und beleuchten insbesondere die Gewichtung von Inhalt einerseits und sprachlicher Realisierung andererseits. Ein weiterer wesentlicher Punkt stellt das Erfassen mündlicher Leistungen dar und wie diese möglichst ohne die Zuhilfenahme von Tonaufnahmen bewertet werden können.

Während immersives bzw. bilinguales Lernen in der Grundschule außerhalb fremdsprachendidaktischer Zirkel in Deutschland oftmals noch recht skeptisch betrachtet wird, ist es in anderen Ländern, vor allem solchen mit mehrsprachigen Kulturen, an der Tagesordnung. So findet Fremdsprachenlernen in Namibia beispielsweise ab Klasse 1 mittels früher totaler Immersion mit Englisch und ← 9 | 10 → Afrikaans statt, d.h. mit Sprachen, die beide für viele der Kinder Fremdsprachen sind. Der Anlass für dieses Vorgehen ist die sprachliche Heterogenität der Grundschulkinder. Die aus verschiedenen Wüstenregionen stammenden Schülerinnen und Schüler, die eine Internatsgrundschule in Swakopmund besuchen, sprechen z.B. zwölf indigene Dialekte, die den Kindern ein gegenseitiges Verstehen unmöglich werden lassen. Immersion ab dem ersten Schultag ist der einzige Weg, der eine gemeinsame Beschulung der Kinder ermöglicht. Hier wird Immersion nicht als ein Eliteprogramm angesehen, sondern als eine unumgängliche, jedoch gewinnbringende Methode. In ähnlicher Form könnten in Deutschland Kinder mit Migrationshintergrund bzw. einer anderen Erstsprache als Deutsch zusammen auf Englisch unterrichtet werden, um so das Gefälle zwischen den Kindern, die der Schulsprache Deutsch mächtig sind und denen, die sie noch gar nicht oder zu einem geringeren Grad beherrschen, etwas zu nivellieren.

Ein wesentlicher Bestandteil früher Immersion ist die Vermittlung der schriftlichen Form. Aber auch die Förderung des Lese- und Schreibvermögens zu Beginn des Fremdsprachenunterrichts ist außerhalb der fachdidaktischen Diskussion nicht unumstritten. Wie schon bei immersiven Unterrichtsprogrammen gibt es auch hier Beispiele mehrsprachiger Gesellschaften, in denen die gleichzeitige Vermittlung mehrerer Sprachen in mündlicher und schriftlicher Form zum schulischen Alltag gehört. In Marokko etwa wird in der Grundschule in den Jahrgangsstufen 1 und 2 Arabisch und Berber sowie in den Jahrgangsstufen 3 bis 6 zusätzlich zu Arabisch und Berber noch Französisch in Wort und Schrift gelehrt. Hält man sich vor Augen, dass hier nicht nur drei Sprachen unterrichtet werden, sondern auch noch drei verschiedene Schriften, so rückt dies die in Deutschland geführte Diskussion über die vermutete oder reale Überforderung Lernender durch eine parallele Alphabetisierung in mehr als einer Sprache noch einmal in ein neues Licht. Die Anforderungen dreier Sprachen mit drei verschiedenen Schriften relativieren die zweier Sprachen, die sich beide derselben Schrift bedienen, doch zu einem nicht unerheblichen Maß.

Umso dringender erscheint die empirische Erforschung des Lesens und Schreibens zu Beginn des Fremdsprachenunterrichts in der Bundesrepublik. Wenn wir davon ausgehen, dass eine simultane Alphabetisierung in Englisch und Deutsch das Lese- und Schreibvermögen der Grundschüler sowohl in der Fremdsprache als auch im Deutschen zu unterstützen vermag, so stellt sich u.a. die Frage, wie sich die empirischen Erkenntnisse in einen methodologischen Rahmen überführen lassen. Eine erste fundierte Antwort hierauf bietet der Beitrag „Eckpunkte einer theoretisch und empirisch basierten Lesedidaktik für den Englischunterricht der Grundschule“ von Stefanie Frisch. Die Autorin geht in ihrem Text weit über die Frage nach dem besten Zeitpunkt der Einführung und nach den Besonderheiten des fremdsprachlichen Lesens hinaus. Sie diskutiert nämlich auch, welche Kompetenzen und wie text- und konzeptgeleitete Lesefä ← 10 | 11 → higkeiten aufgebaut werden können. Schließlich wird die praxisrelevante Frage gestellt, welche Texte für den Englischunterricht der Primarstufe geeignet sind.

Während es in der Mehrzahl der Beiträge in diesem Buch um bereits erbrachte Leistungen bzw. erworbene Kompetenzen geht, fokussiert Michaela Sambanis in ihrem Kapitel „Wenn Fremdsprachenunterricht bewegt“ ebenso wie Frisch die Anbahnung des fremdsprachlichen Kompetenzerwerbs. Ausgehend von der These, dass Emotionen auf Lernprozesse einwirken, stellt sie dar, wie sie das tun und welche Konsequenzen dieser Umstand für das Lernen hat. Sambanis erläutert, wie der Körper seine Umwelt rezipiert und wie körperliches Agieren durch Bewegungen Lernprozesse befördern kann. Durch diesen Brückenschlag zwischen den Neurowissenschaften und der Fremdsprachendidaktik nimmt sie ein Feld in den Blick, das bei der Erforschung des frühen Fremdsprachenlernens bislang noch eher selten Beachtung gefunden hat – und erschließt damit der Fremdsprachendidaktik ebenfalls lohnende neue Perspektiven auf Möglichkeiten zur Unterstützung und Förderung des Sprach(en)erwerbs.

Auch Martina Bredenbröcker und Viviane Lohe legen in ihren Kapiteln Vorschläge dazu vor, wie schulisches Fremdsprachenlernen verbessert werden kann. In ihrem Beitrag „Ein kollokationsbasierter Grundwortschatz für die Primarstufe“ widmet Bredenbröcker sich der Frage, wie der fremdsprachliche Input, dem Lerner im Anfangsunterricht ausgesetzt sind, strukturiert sein müsste, damit frühes Fremdsprachenlernen nicht nur zu rezeptiven Lernzuwächsen führt, sondern sich auch bei der Sprachproduktion Fortschritte zeigen. Ihre Antwort lautet: Statt vor allem auf die Vermittlung einzelner Wörter zu setzen, sollten künftig auch Wordkombinationen wie Kollokationen eine größere Rolle spielen. Um exemplarisch zu zeigen, um welches sprachliche Material es dabei gehen kann, präsentiert Bredenbröcker die Ergebnisse mehrerer mit Daten aus dem Oxford Children’s Corpus durchgeführter Analysen. Als Fazit ihrer Überlegungen kommt Bredenbröcker zu dem Schluss, dass Lehrkräfte nicht länger mit der Auswahl des für den Anfangsunterricht optimalen Vokabulars allein gelassen werden sollten. Vielmehr sollte in Zukunft ein kollokationsbasierter Grundwortschatz künftig per Lehrplan vorgegeben sein.

Details

Seiten
227
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653043327
ISBN (ePUB)
9783653981346
ISBN (MOBI)
9783653981339
ISBN (Hardcover)
9783631652541
DOI
10.3726/978-3-653-04332-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Bilingualität Schriftspracherwerb Fremdsprachenlernen in der Grundschule Migrationshintergrund
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 227 S., 1 farb. Abb., 11 s/w Abb., 34 Tab.

Biographische Angaben

Markus Kötter (Band-Herausgeber:in) Jutta Rymarczyk (Band-Herausgeber:in)

Markus Kötter ist Professor für die Didaktik der englischen Sprache an der Universität Siegen. Jutta Rymarczyk ist Professorin für englische Sprache und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

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Titel: Englischunterricht auf der Primarstufe
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