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Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung

Eine Prüfung der Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Baugesetzbuches

von Katharina Kaup (Autor:in)
©2014 Dissertation 226 Seiten

Zusammenfassung

Die Arbeit untersucht das Verhältnis der bundesrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuches zu den kommunalrechtlichen Regelungen über Bürgerbegehren und Bürgerentscheid: Welchen Spielraum lässt der Bundesgesetzgeber den Ländern in der Ausgestaltung und Anwendung ihrer Vorschriften über direktdemokratische Entscheidungen zu Fragen der Bauleitplanung? Im Rahmen einer rechtlichen Analyse im klassisch-dogmatischen Sinn beleuchtet die Verfasserin die Vereinbarkeit direktdemokratischer Entscheidungen mit dem Abwägungsgebot sowie weiteren bedeutenden Maßstabsnormen des BauGB. Die Arbeit leistet einen weiterführenden Beitrag zu der Debatte um die Stärkung direktdemokratischer Elemente auf kommunaler Ebene. Sie ist aber auch baurechtlich wertvoll: In der Darstellung der hier untersuchten Problematik erscheinen die Maßstabsnormen des BauGB in einem klareren Licht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einführung
  • Teil 1: Vereinbarkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu Fragen der Bauleitplanung mit dem Abwägungsgebot
  • Kapitel 1: Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot – Allgemeines
  • Kapitel 2: Überblick zu den bisher vertretenen Auffassungen zur Vereinbarkeit des Abwägungsgebots mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu Fragen der Bauleitplanung
  • Kapitel 3: Umfangreiche Untersuchung zur Vereinbarkeit des Abwägungsgebots mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu Fragen der Bauleitplanung und eigene Stellungnahme
  • A. Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
  • I. Aufstellung, Änderung und Aufhebung eines Bauleitplans durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid ohne jede Beteiligung der Gemeinde? – Das Problem der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials im gesellschaftlichen Bereich
  • 1. Die rechtliche Qualifikation des Handelns der Initiatoren eines Bürgerbegehrens bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials als solches „der Gemeinde“ oder ausschließliche Zuordnung zum gesellschaftlichen Bereich?
  • a. Das Gebot demokratischer Legitimation hoheitlichen Verwaltungshandelns, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG
  • aa. Subjekt und Objekt demokratischer Legitimation
  • aaa. Das Volk als Legitimationssubjekt
  • bbb. Die Staatsgewalt als Legitimationsobjekt
  • (1) Staatsgewalt im materiellen Sinne, das „staatliche“ Moment
  • (2) Staatsgewalt im formellen Sinne, das „Gewalt“-Moment
  • bb. Legitimationsmodi der Verwaltung
  • aaa. Sachlich-inhaltliche Legitimation
  • (1) Sachlich-inhaltliche Legitimation aufgrund Gesetzesbindung
  • (2) Sachlich-inhaltliche Legitimation aufgrund Verantwortlichkeit und Weisungsabhängigkeit
  • bbb. Personelle Legitimation
  • ccc. Zur Kritik an der herrschenden Legitimationsdogmatik
  • cc. Zum Verhältnis der Legitimationskomponenten untereinander – Das hinreichende Legitimationsniveau
  • b. Anforderungen an die demokratische Legitimation auf kommunaler Ebene – Kommunalrechtlicher Regeltypus des Legitimationsniveaus
  • aa. Abweichungen vom demokratischen Regelmodell der Ministerialverwaltung
  • bb. Das Gemeindevolk als Staatsvolk
  • cc. Die verschiedenen Legitimationsformen und das Erreichen eines hinreichenden Legitimationsniveaus auf kommunaler Ebene
  • aaa. Personelle Legitimation
  • bbb. Sachlich-inhaltliche Legitimation
  • (1) Übertragener Wirkungskreis
  • (2) Eigener Wirkungskreis
  • ccc. Das hinreichende Legitimationsniveau auf Kommunalebene
  • c. Übertragung der abstrakten Ergebnisse auf den der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegenden Fall
  • aa. Die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials als Ausübung von Staatsgewalt
  • aaa. Staatsgewalt im materiellen Sinne
  • bbb. Staatsgewalt im formellen Sinne
  • bb. Die anerkannten Legitimationskomponenten zur Herstellung eines hinreichenden Legitimationsniveaus mit Blick auf ein Handeln der Initiatoren bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials
  • aaa. Sachlich-inhaltliche Legitimation
  • (1) Steuerung durch Gesetze
  • (2) Sachlich-inhaltliche Legitimation aufgrund Rechtsaufsicht
  • (a) Rechtsaufsichtsbehördliche Kontrolldichte bei der Ermittlung des Abwägungsmaterials
  • (b) Rechtsaufsichtsbehördliche Kontrolldichte bei der Bewertung des Abwägungsmaterials
  • (c) Ergebnis
  • (3) Sachlich-inhaltliche Legitimation aufgrund einer Weisungskette bis hin zur unmittelbar demokratisch legitimierten Verwaltungsspitze
  • (4) Ergebnis
  • bbb. Personelle Legitimation
  • cc. Bewertung des Legitimationsniveaus
  • d. Ergebnis
  • 2. Ausnahmsweise Zulässigkeit der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials im gesellschaftlichen Bereich? – Die Regelung des § 4b BauGB
  • 3. Ergebnis
  • II. Abschließender Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss durch Bürgerentscheid nach ordnungsgemäßer Verfahrensdurchführung seitens der Gemeinde? – Das Problem der abschließenden Abwägung der Bürger anstelle des Gemeinderats
  • 1. Abschließende Abwägung und Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss betreffend die Erstellung, Änderung und Ergänzung eines Bauleitplans
  • 2. Abschließende Abwägung und Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss betreffend die Aufhebung eines Bauleitplans – Sonderfall: Isolierte Aufhebung eines Bauleitplans
  • III. Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss im Wege des Bürgerentscheids nach vollständiger Abwägung seitens des Gemeinderats im Sinne einer Sanktionierung des durch den Gemeinderat gefundenen Abwägungsergebnisses
  • 1. Das zeitliche Auseinanderfallen von Abwägungsentscheidung und abschließender Beschlussfassung über den Bauleitplan mit Blick auf § 214 Abs. 3 BauGB
  • 2. Die Subjektsverschiedenheit bei abschließender Abwägungsentscheidung und Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss
  • 3. Ergebnis
  • B. Aufstellungsbeschluss durch Bürgerentscheid
  • I. Das Problem der Vordeterminierung des Abwägungsprozesses durch einen auf detailliertem, fremderstelltem Entwurf basierenden Aufstellungsbeschluss
  • II. Grundsätzliche Zulässigkeit der Vordeterminierung des Abwägungsprozesses
  • III. Gefahr einer unzulässigen nachvollziehenden Abwägung in Abgrenzung zur planerischen Abwägung
  • IV. Ergebnis
  • C. Auslegungsbeschluss durch Bürgerentscheid
  • D. Festlegung einzelner Festsetzungen durch Bürgerentscheid – Das Problem der „Vorentscheidung“ zum Inhalt eines Bauleitplans
  • I. Das Problem der sogenannten Vorwegbindung – Allgemeines
  • II. Der Bürgerentscheid als selbstbindende Vorwegentscheidung im Sinne der allgemeinen Grundsätze?
  • 1. Bürgerentscheid zu einzelnen konkreten Planinhalten
  • a. Sachliche Rechtfertigung der Vorwegnahme der Entscheidung
  • b. Wahrung der planerischen Zuständigkeitsordnung
  • c. Abwägungsfehlerfreiheit der Vorentscheidung
  • d. Ergebnis
  • 2. Bürgerentscheid über Rahmenfestlegungen im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
  • E. Planungsverzicht und Planungsstopp
  • Teil 2: Vereinbarkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu Fragen der Bauleitplanung mit weiteren bundesrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuchs
  • Kapitel 1: § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB
  • A. Unzulässigkeit „rechtlich gebundener Entscheidungen“ als Gegenstand von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
  • B. Die mit Blick auf § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB zu treffende Entscheidung als „rechtlich gebundene Entscheidung“?
  • C. Ergebnis
  • Kapitel 2: § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB
  • A. Der Regelungsinhalt des § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB – Ausschluss auch von Planunterlassungsansprüchen?
  • B. Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB auf gemeindliche Verpflichtungen bzw. Ansprüche aufgrund Bürgerentscheid?
  • Kapitel 3: § 3 BauGB
  • A. Keine „weitere“ Beteiligung der Bürger im Zusammenhang mit dem Bauplanungsrecht neben § 3 BauGB wegen Verstoßes gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes?
  • I. „Sperrung“ der landesrechtlichen Gesetzgebung aufgrund Gesetzgebungskompetenz des Bundes
  • II. Sperrung landesrechtlicher Regelungen nur für den gleichen Regelungsbereich
  • B. Übermaß an Bürgerbeteiligung und damit einhergehende Gefahr einander widersprechender Ergebnisse sowie unvertretbarer Verzögerungseffekte?
  • C. Ergebnis
  • Kapitel 4: § 33 BauGB
  • Kapitel 5: Drohende Entschädigungsansprüche gemäß § 39 ff. BauGB, verlorene Planungskosten und der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung
  • A. Entschädigungsansprüche als Folge der Aufhebung oder Änderung eines Bebauungsplans oder der Einstellung eines laufenden Bauleitplanverfahrens nach Eintritt der formellen und materiellen Planreife
  • B. Das Hervorrufen von Entschädigungsansprüchen durch Bürgerentscheid als Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit?
  • I. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als unbestimmte Rechtsbegriffe mit sehr weitem Beurteilungsspielraum – die sogenannte „Schlechterdings“-Rechtsprechung
  • II. Übertragung der sogenannten „Schlechterdings“-Rechtsprechung auf Bürgerbegehren und Bürgerentschei
  • C. Ergebnis
  • Teil 3: Fazit
  • Kapitel 1: Wesentliche Ergebnisse
  • Kapitel 2: Konsequenzen für das Kommunalrecht
  • A. Bindung der Landesgesetzgeber und gesetzestechnische Umsetzung
  • B. Gestaltungsfreiraum der Landesgesetzgeber und gesetzestechnische Umsetzung
  • Literaturverzeichnis

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Sie ist im Wesentlichen auf dem Stand von Anfang 2011; seither ergangene Rechtsprechung und Literatur konnten nur vereinzelt berücksichtigt werden.

Mein Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Reimer, für seine Unterstützung sowie Frau Prof. Dr. Ute Mager für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg danke ich für die Gewährung eines Promotionsstipendiums der Landesgraduiertenförderung.

Einführung

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zu Fragen der Bauleitplanung sind für die Bürger einer Gemeinde von besonderem Interesse. Der Grund für diese statistisch belegte Erkenntnis1 kann darin erblickt werden, dass die Stimmbürgerschaft von stadtplanerischen Maßnahmen regelmäßig fühlbar betroffen wird. So tritt eine besondere Betroffenheit nicht nur dann ein, wenn bauleitplanungsrechtliche Entscheidungen sich im Einzelfall auf das eigene Grundstück des jeweils begehrenden und abstimmenden Bürgers beziehen sollten, vielmehr hat eine Entscheidung zur Stadtplanung angesichts ihrer Konsequenzen etwa für den allgemeinen Freizeitwert, das Orts- und Landschaftsbild, die Einkaufsmöglichkeiten, das Verkehrsaufkommen oder die Beschäftigungsmöglichkeiten, regelmäßig eine fühlbare Betroffenheit der Allgemeinheit zur Folge. Durch das kommunalverfassungsrechtliche Rechtsinstitut des Bürgerbegehrens und -entscheids wird eine Entscheidung der Stimmbürgerschaft anstelle des sonst zuständigen Gemeinderats ermöglicht. Unabhängig von deren rechtlicher Zulässigkeit sind damit im Rahmen der Bauleitplanung grundsätzlich verschiedene praktische Anwendungsfälle denkbar. Dies sind zum einen der zwingend den Gegenstand eines jeden abgeschlossenen Bauleitplanverfahrens darstellende Satzungs- bzw. Feststellungsbeschluss sowie der regelmäßig diesem vorausgehende Aufstellungs- und der Auslegungsbeschluss. Ein Bürgerentscheid ist zum anderen für Entscheidungen vorstellbar, bei denen es sich zwar nicht um im Verfahren des Baugesetzbuchs ausdrücklich genannte (förmliche) Beschlüsse handelt, die aber dennoch maßgeblich auf die Bauleitplanung einwirken. Gemeint sind die Festlegung einzelner Festsetzungen durch Bürgerentscheid, wobei wiederum zwischen der Entscheidung über einzelne konkret bestimmte Planinhalte und sogenannten Rahmenfestlegungen zu unterscheiden ist, und die Entscheidung über einen Planungsverzicht oder Planungsstopp. ← 13 | 14 →

Thema der vorliegenden Arbeit ist die für eine praktische Umsetzung der denkbaren Anwendungsfälle entscheidende Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu Fragen der Bauleitplanung bzw. deren Grenzen. Dabei geht es jedoch nicht um die rechtlichen Grenzen, die durch die verschiedenen auf Zweckmäßigkeitserwägungen2 des Landesgesetzgebers beruhenden landesrechtlichen Bestimmungen gesetzt werden3. Auch unterbleibt eine Prüfung am Maßstab solcher (verfassungsrechtlicher) Bestimmungen, die direktdemokratische Elemente wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid insgesamt, d. h. nicht speziell Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, als problematisch erscheinen lassen. Die bereits vielfach zum Gegenstand umfangreicher Untersuchungen gemachte Frage nach der grundsätzlichen Vereinbarkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid insbesondere mit dem Demokratieprinzip, dem Rechtsstaatsprinzip sowie der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung kann heute weitgehend als geklärt angesehen werden4. ← 14 | 15 →

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist vielmehr die Prüfung der Vereinbarkeit mit den Vorschriften, die sich speziell für den hier interessierenden Fall der Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zu Fragen der Bauleitplanung als problematisch erweisen, und damit insbesondere die Prüfung der Vereinbarkeit mit den bundesrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuches.

Durch die Prüfung möglicher rechtlicher Grenzen zeigt die Arbeit auch den Spielraum auf, der den Landesgesetzgebern im Hinblick auf die Zulassung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung bei der Ausgestaltung der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmung zusteht. Gleichzeitig leistet sie so einen Beitrag zu der vielfach umstrittenen Auslegung der bestehenden landesrechtlichen Regelungen5, denn die bundesrechtskonforme Auslegung lässt nur ein solches Verständnis landesrechtlicher Regelungen zu, das die Vereinbarkeit mit dem höherrangigen Bundesrecht gewährleistet.

Die bisherige Auseinandersetzung in der Rechtsprechung6 und rechtswissenschaftlichen Literatur7 mit der Frage der Zulässigkeit von Bürgerbegehren und ← 15 | 16 → Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung betrifft fast ausschließlich die rechtliche Problematik der Vereinbarkeit mit dem bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot und markiert damit deutlich den Schwerpunkt der gesamten Diskussion um die Zulässigkeit direktdemokratischer Entscheidungen zu bauplanungsrechtlichen Fragen. Eine nähere Untersuchung findet sich jedoch nur sehr vereinzelt8. Die oft anzutreffende Aussage, Planungsentscheidungen seien Bürgerbegehren und Bürgerentscheid von vorneherein nicht zugänglich, da sich komplexe Abwägungsentscheidungen nicht in ein Ja/Nein-Schema pressen ließen, ist jedenfalls zu kurz gegriffen und wird der Problematik nicht gerecht.

Als Kernstück der Untersuchung analysiert die vorliegende Arbeit deshalb in ihrem ersten Teil die Vereinbarkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung mit dem bundesrechtlich geregelten bauplanerischen Abwägungsgebot der §§ 1 Abs. 7, 2 Abs. 3 BauGB, das die Bauleitplanung sowohl verfahrensrechtlich als auch inhaltlich steuert. Nach einer kurzen Darstellung der allgemeinen Anforderungen des Abwägungsgebots im ersten Kapitel und einer darauffolgenden Zusammenfassung der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zur Vereinbarkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung mit dem Abwägungsgebot in Kapitel 2 folgt im dritten Kapitel eine eingehende Untersuchung zur Vereinbarkeit des Abwägungsgebots mit sämtlichen im Rahmen der Bauleitplanung in Betracht kommenden direktdemokratischen Entscheidungen.

Der zweite Teil der Untersuchung richtet den Blick auf weitere Vorschriften des Baugesetzbuches, die der Zulässigkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung entgegenstehen könnten. In fünf Kapiteln wird die Vereinbarkeit namentlich mit § 1 Abs. 3 S. 1, § 1 Abs. 3 S. 2, § 3, § 33 BauGB ← 16 | 17 → sowie §§ 39 ff. BauGB i.V.m. dem Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung einer eingehenden Prüfung unterzogen.

Die Arbeit schließt in einem dritten Teil mit der Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und einem kurzen Blick auf die Konsequenzen für das Kommunalrecht der Flächenstaaten ab. ← 17 | 18 →

 

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  1.  Vgl. etwa Mehr Demokratie e.V., Erster Bürgerbegehrensbericht Deutschland, S. 20 f., wonach im bundesweiten Vergleich über 43 Prozent aller Verfahren den Bereich der Bauleitplanung berührten.
     Zudem zeigen die zur Verfügung stehenden Statistiken, dass etwa in Bayern, wo eine ausdrückliche Ausnahmeregelung für Bürgerbegehren in Sachen der Bauleitplanung vollständig fehlt, Bauleitpläne bei den Themen der Bürgerbegehren und Bürgerentscheide mit an vorderster Stelle rangieren, vgl. Mehr Demokratie e.V., Zehn-Jahres-Bericht bayerischer Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, S. 4 u. 17 f.

  2.  Zu den für und wider kommunale Abstimmungen erwogenen rechtspolitischen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten vgl. ausführlich Gebhardt, Direkte Demokratie, S. 135 ff.; Streinz, Die Verwaltung 16 (1983), 293 (305 ff); siehe auch Pröckl, Die unmittelbare Beteiligung der Bürger an der Gemeindeverwaltung, S. 107 ff.

  3.  Die Zulässigkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu Fragen der Bauleitplanung erfährt in den einzelnen Bundeländern unterschiedliche Regelungen, vgl. Art. 18a Abs. 3 BayGO; § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO BW; § 20 Abs. 3 Nr. 10 GO Bbg; § 8 b Abs. 2 HGO; § 20 Abs. 2 Nr. 4 KV M-V; § 22 b Abs. 2 S. 2 Nr. 6 NGO; § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NRW; § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GemO RP; § 21 a Abs. 4 Nr. 6 SaarlKSVG; § 24 Abs. 2 SächsGemO; § 26 Abs. 3 GO LSA; § 16 g Abs. 2 Nr. 6 GO SH; § 17 Abs. 2 ThürKO (die Darstellung der Regelungen ist in dieser Arbeit angesichts der unterschiedlichen Struktur von Flächen- und Stadtstaaten aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Flächenstaaten der Bundesrepublik beschränkt). Unterscheiden lassen sich dabei drei Regelungstypen: Nach dem überwiegend, namentlich in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Schleswig-Holstein, vorzufindenden Regelungstyp werden Bürgerbegehren und -entscheide über „die Aufstellung, Änderung, (Ergänzung) und Aufhebung von Bauleitplänen“ für unzulässig erklärt. Die seit der Neuregelung im Jahre 2005 in Baden-Württemberg vorzufindende Ausnahmevorschrift verbietet Bürgerentscheide „über Bauleitpläne …“. In den übrigen Bundesländern, namentlich in Bayern, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, fehlt es dagegen vollständig an einem die Bauleitplanung betreffenden Ausnahmetatbestand.

  4.  Vgl. insb. Gebhardt, Direkte Demokratie, S. 85 ff.; Huber, AöR 126 (2001), 165 (169 ff.), Streinz, Die Verwaltung 16 (1983), 293 (299 ff.); Ritgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, S. 55 ff.; dens. NVwZ 2000, 129 (130 f.); Dressel, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, S. 47 ff; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 24.03.1982 – 2 BvH 1, 2/82, 2 BvR 233/82 –, BVerfGE 60, 175 (208).

  5.  Vgl. aus der Rechtsprechung bspw. VGH Mannheim, Beschluss vom 27.06.2011 – 1 S 1509/11 –, DVBl. 2011, 1035 (1037 f.); dens., Beschluss vom 20.03.2009 – 1 S 419/09 –, NVwZ-RR 2009, 574 (574 f.); dens., Urteil vom 22.06.2009 – 1 S 2865/08 –, VBlBW 2009, 425 (425 ff.); BayVGH, Beschluss vom 28.07.2005 – 4 CE 05.1961 –, BayVBl. 2006, 405 (406); VG Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2008 – 1 K 78/08 –, juris Rn. 14 ff.; VG Braunschweig, Urteil vom 27.05.2004 – 1 A 103/04 –, NdsVBl. 2005, 78 (79); VG Köln, Urteil vom 25.05.2007 – 4 K 4967/06 –, juris Rn. 18 ff.; dass., Urteil vom 03.09.1999 – 4 K 2849/97 –, NWVBl. 2000, 267 (270); OVG Greifswald, Beschluss vom 24.07.1996 – 1 M 43/46 –, NVwZ 1997, 306 (308); OVG Sachsen, Beschluss vom 08.06.2000 – 3 B 500/99 –, SächsVBl. 2000, 265 (266 f.); OVG Münster, Beschluss vom 17.07.2007 – 15 B 874/07 –, NVwZ-RR 2007, 803 (803 f.). Aus der Literatur vgl. etwa Burmeister/Wortha, VBlBW 2009, 412 (413 ff.); Löbbecke, VBlBW 2009, 253 (254 ff.); Geitmann, VBlBW 2007, 321 (328).

  6.  Vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 28.07.2005 – 4 CE 05.1961 –, NVwZ-RR 2006, 208 (209); dens., Beschluss vom 11.08.2005 – 4 CE 05.1580 –, BayVBl 2006, 733 (734); dens., Urteil vom 28.05.2008 – 4 BV 07.1981 –, KommP BY 2008, 308 (310); dens., Beschluss vom 07.10.1997 – 4 ZE 97.2965 –, VwRR BY 1997, 357 (357 ff.); dens., Urteil vom 14.10.1998 – 4 B 98.505 –, VwRR BY 1999, 4 (7); VG Würzburg, Urteil vom 02.07.2003 – W 2 K 03.304 –, BayVBl 2003, 758; dass., Urteil vom 08.05.2002 – W 2 K 01.1244 –, BayVBl 2003, 87 (88); VG Augsburg, Urteil vom 18.06.1997 – Au 5 K 96.1065 –, VwRR BY 1997, 321 (322); VG Regensburg, Beschluss vom 12.10.2004 – RO 3 E 04.1875 –, abgedr. In Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, Kz. 43.18.

  7.  Vgl. insbesondere Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, Art. 18 a GO, Kz. 13.01, S. 10 f.; dens., KommP BY 1998, 411 (412 f.); Kautz, BayVBl. 2005, 193 (195 ff.); Finkelnburg, in: Battis/Söfker/Stüer, FS für Krautzberger, S. 11 (16 f.); v. Golitschek, in: Wollenschläger/Kreßel/Egger, FS für Hablitzel, S. 137 (146 ff.); Gebhardt, Direkte Demokratie, S. 181 f.; Neusinger, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, S. 114 ff.; Pröckel, Die unmittelbare Beteiligung der Bürger an der Gemeindeverwaltung, S. 88; Wegmann, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Kommunalpolitik in Bayern, S. 75 (94); Ossenbühl, in: Seiler, FS für Rommel, S. 247 (262); Metzner, KommP BY 1998, 163 (163 f.); Dressel, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, S. 120 ff.; Burkhardt, Die rechtliche Ordnung des Bürgerentscheids, Bürger- und Ratsbegehrens, S. 220; Huber, in: Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 18 a Anm. 4.3.1 und Groh/Haubelt/Raithel, Bürgerentscheid in Bayern, S. 71 f.

Details

Seiten
226
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653045055
ISBN (ePUB)
9783653983487
ISBN (MOBI)
9783653983470
ISBN (Paperback)
9783631653265
DOI
10.3726/978-3-653-04505-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
Bürgerbegehren Bürgerentscheid Bauleitplanung Abwägungsgebot
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 226 S.

Biographische Angaben

Katharina Kaup (Autor:in)

Katharina Kaup, promovierte Juristin, studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg und München. Die Autorin ist in Mannheim als Richterin tätig.

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