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Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen

Die kartellrechtliche Zulässigkeit des eBay-Ausschlusses aus dem Selektivvertrieb in Vertragshändlerverträgen und Markenlizenzen unter besonderer Berücksichtigung des Markenrechts

von Lars Querndt (Autor:in)
©2014 Dissertation XVIII, 283 Seiten

Zusammenfassung

Herstellern von Premiumprodukten, die selektiv vertrieben werden, ist der Internetvertrieb nicht selten ein Dorn im Auge. Am Beispiel des Ausschlusses von eBay, eine der bekanntesten Internetverkaufsplattformen, beleuchtet der Autor das auftretende rechtliche Spannungsfeld. Der Autor beschreibt die wesentlichen Rechtfertigungsmechanismen für das eBay-Verbot im Selektivvertrieb und unterzieht diese einer kritischen Würdigung. Die Zulässigkeit dieses Verbots wird sowohl in Vertragshändlerverträgen als auch in Markenlizenzvereinbarungen untersucht, bei denen der Lizenznehmer verpflichtet wird, einen Selektivvertrieb unter Ausschluss von eBay zu errichten. Im Übrigen ist die kartellrechtliche Zulässigkeitsprüfung auch mit dem markenrechtlichen Unterlassungsanspruch in Einklang zu bringen, der grundsätzlich bei der Wahl eines imageschädigenden Vertriebskanals bestehen kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einführung
  • 1. Kapitel: Interessenlage bei selektiven Vertriebssystemen und Internetvertrieb
  • A. Etablierung eines selektiven Vertriebssystems in Vertragshändlerverträgen
  • I. Der Vertragshändlervertrag
  • II. Imageschutz, Investitionsschutz und selektiver Vertrieb im Vertragshändlersystem
  • III. Selektion geeigneter Vertragshändler
  • B. Bedeutung des Internets für den Wettbewerb
  • I. Effizienzsteigernde Wirkungen des Internets als Vertriebskanal
  • II. Selektivvertrieb und Internet
  • III. Relevanter Markt im Internet
  • 1. Sachlich relevanter Markt beim Internetvertrieb allgemein
  • 2. Sachlich relevanter Markt beim Verkauf über eine Internetauktionsplattform
  • 3. Räumlich relevanter Markt
  • C. Beurteilung selektiver Vertriebssysteme nach europäischem Kartellrecht
  • I. Anwendungsbereich der Art. 101 ff. AEUV im Verhältnis zum nationalen Recht
  • II. Zulässigkeit des qualitativen Selektivvertriebs nach der „Metro“-Rechtsprechung des EuGH
  • III. Sonstige Formen des Selektivvertriebs
  • D. Selektiver Vertrieb bei Markenlizenzverträgen
  • 2. Kapitel: Kartellrechtliche Zulässigkeit des eBay-Verkaufsverbots in Vertragshändlerverträgen
  • A. Selektivvertrieb und Vertikal-GVO
  • B. Verbot des Verkaufs über Internetauktionsplattformen in der Rechtspraxis
  • I. Zulässigkeit eines eBay-Verbots im Selektivvertrieb aufgrund der Entscheidungen des LG Mannheim sowie des OLG Karlsruhe
  • II. Unzulässigkeit eines eBay-Verbots im Selektivvertrieb nach den Urteilen des LG und des KG Berlin
  • III. Anwendung europäischen Rechts
  • C. Anwendung der „Metro“-Rechtsprechung auf einen Ausschluss des eBay-Vertriebs aus dem Selektivvertrieb
  • I. Für den Selektivvertrieb geeignete Produkte
  • II. eBay-Verbot als objektives, qualitatives und diskriminierungsfrei angewendetes Selektionskriterium
  • III. Legitime Ziele von Vertriebsbindungen im Selektivvertrieb
  • 1. Die Rechtssache „Pierre Fabre Dermo-Cosmétique“
  • 2. Schlussfolgerungen für die Frage des legitimen Zwecks von Selektionskriterien
  • IV. Imageschutz und Investitionsschutz als Gründe für die Wettbewerbskonformität von Vertriebsbeschränkungen im Selektivvertrieb
  • 1. Imageschutz als ein die Konsumentenwohlfahrt steigerndes Element zwischen immateriellem Zusatznutzen und Signalisierung von Produktqualität
  • 2. Investitionsschutz als Verhinderung von Trittbrettfahrerkonstellationen zwischen zugelassenen Händlern
  • 3. Abgrenzung des Trittbrettfahrer-Problems vom Imageschutz
  • a. Charakteristika des Imageschutzes als Rechtfertigung für Vertriebsbeschränkungen
  • b. Charakteristika des Investitionsschutzes als Vermeidung des Trittbrettfahrens durch andere zugelassene Händler
  • c. Abgrenzung von Image- und Investitionsschutz am Beispiel der Beschränkung des eBay-Verkaufs
  • V. Schutz des Produktimages beim Verkaufsverbot über die Internetauktionsplattform eBay
  • 1. Image als psychologischer Zusatznutzen
  • a. Auswirkungen des Internetvertriebs auf den psychologischen Zusatznutzen und die Imagebildung
  • b. Fehlen individueller Beratungsleistungen beim Internetvertrieb
  • c. Fehlende Sortimentsbreite und Vermischung mit anderen Artikeln als Argumente für den eBay-Ausschluss
  • d. Erforderlichkeit eines Komplettverbots von eBay
  • e. Vorbehalte gegen den psychologischen Zusatznutzen als rechtliches Kriterium
  • 2. Image als Qualitätssignal
  • a. Produkteigenschaften und strukturelle Informationsasymmetrien
  • b. Image als Qualitätsversicherung und Qualitätssignal
  • c. Auswirkungen des Images als Qualitätssignal auf den eBay-Vertrieb
  • d. Zwischenergebnis
  • 3. Vergleichbarkeit von eBay mit dem herkömmlichen Versandhandel
  • a. Fehlende exklusive Produktpräsentation sowie Informationsdefizite als Vergleichskriterien
  • b. Stellungnahme
  • 4. Ergebnis
  • VI. Schutz von Investitionen durch die Verhinderung von Trittbrettfahrer-Effekten
  • 1. Mögliche Zusatzleistungen des stationären Handels als Gegenstand des Trittbrettfahrens
  • 2. Trittbrettfahren auf Dienstleistungen des stationären Handels
  • 3. „Free-Riding“ auf den sonstigen Imagebemühungen anderer zugelassener stationärer Händler
  • 4. Ausschluss des reinen eBay-Vertriebs
  • 5. Vergleichbarkeit des reinen Internetvertriebs mit dem reinen eBay-Vertrieb
  • VII. Marktanteil als Kriterium für die Zulässigkeit der Klausel
  • VIII. Zwischenergebnis
  • D. Berücksichtigung markenrechtlicher Wertungen bei der kartellrechtlichen Zulässigkeitskontrolle von Vertriebsbindungen im Selektivvertrieb
  • I. Einflussnahme des Markenrechts auf die kartellrechtliche Zulässigkeitskontrolle
  • 1. Imageschutz im Marken- und Kartellrecht
  • 2. Parallelen von Marken- und Kartellrecht beim Investitionsschutz
  • 3. Widersprüche zwischen markenrechtlichem Verbietungsrecht und kartellrechtlicher Zulässigkeitskontrolle
  • 4. Relevanz der Stellung des Vertragshändlers in der Absatzkette
  • II. Bekanntheit der Marke als Zulässigkeitskriterium
  • III. Unveränderter Weitervertrieb von Originalware durch einen zugelassenen Händler als tatbestandliche Markenverletzung
  • 1. Doppelidentische Verwendung im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers
  • 2. Verwendung der Marke für eigene Waren des Händlers
  • 3. „Markenmäßige“ Benutzung im Sinne einer Funktionsbeeinträchtigung der Marke
  • a. Die Marke in ihrem traditionellen Verständnis als Unterscheidungsmerkmal
  • b. Auswirkungen der „L’Oréal/Bellure“-Entscheidung auf die Funktionenlehre
  • c. Fortentwicklung der Funktionenlehre in den Fällen zum Keyword Advertising
  • 4. Weitervertrieb von Originalwaren über eBay als Funktionsbeeinträchtigung der Marke
  • a. Keine Verletzung der Herkunftsfunktion der Marke
  • b. Imageschutzfunktion der Marke
  • c. Investitionsschutzfunktion der Marke
  • d. Zwischenergebnis
  • IV. Kartellrechtliche Determination der Reichweite der Markenfunktionen
  • 1. Mögliche gegenläufige Ergebnisse des Vertriebskartellrechts und des Markenrechts
  • 2. Bewertung eines Widerspruchs
  • a. Entfernung von Kontrollnummern auf Markenwaren, die zwecks Überwachung eines Selektivvertriebs angebracht wurden
  • b. Ausweitung des Markenrechts als Eingriff in kartellrechtliche Fragestellungen
  • 3. Zwischenergebnis
  • V. Beschränkung der Markenverletzung in Weitervertriebsfällen auf bekannte Marken
  • VI. Relevanz der Markenfunktionen im Rahmen der Erschöpfung des Markenrechts
  • 1. Erschöpfung nach Art. 7 Abs. 1 MRRL/§ 24 Abs. 1 MarkenG
  • 2. Ausschluss der Erschöpfung nach Art. 7 Abs.2 MRRL/§ 24 Abs. 2 MarkenG
  • VII. Zwischenergebnis
  • E. Tatbestandliche Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV
  • F. eBay-Vertrieb im Anwendungsbereich der Vertikal-GVO
  • I. Anwendungsvoraussetzungen der Vertikal-GVO
  • II. Internetauktionsplattformen und die Vertikal-GVO
  • 1. eBay-Verbot als verbotene Preisbindung gem. Art. 4 lit. a Vertikal-GVO
  • 2. Vorrang des Art. 4 lit. c vor Art. 4 lit. b Vertikal-GVO
  • 3. Die Auktionsplattform eBay als nicht zugelassene Niederlassung
  • III. Wahrscheinlichkeit des Entzugs der Vorteile der Vertikal-GVO
  • G. Möglichkeit der Einzelfreistellung
  • H. Ergebnis
  • 3. Kapitel: Kartellrechtliche Zulässigkeit des Verkaufsverbots über eBay in Markenlizenzvereinbarungen
  • A. Lizenzkartellrecht
  • I. Markenlizenzvereinbarung
  • 1. Erforderlichkeit der Markenlizenz
  • a. Abgrenzung der Gestattung von der Markenlizenz
  • b. Reichweite des markenrechtlichen Verbietungsrechts
  • c. Kartellrechtliche Beurteilung einer Gestattung
  • 2. Lizenz und Lizenzvertrag
  • 3. Rechtsnatur der Markenlizenz und die verschiedenen Lizenztypen
  • II. Verhältnis von Markenlizenzen und Kartellrecht
  • 1. Freiverkehrsregeln im Verhältnis zum Kartellrecht und den Immaterialgüterrechten
  • a. Herleitung der Lehre vom spezifischen Gegenstand im Freiverkehrsbereich
  • b. Freiverkehrsregeln und Kartellrecht
  • 2. Gemeinschaftskartellrecht und Immaterialgüterrechte
  • a. Spezifischer Gegenstand der Schutzrechte
  • b. Bedeutung der Markenfunktionen für die Bestimmung des schutzrechtsimmanenten spezifischen Gegenstands
  • c. Erschöpfung als Anhaltspunkt für den Inhalt des spezifischen Gegenstands
  • d. Wertungen der Gruppenfreistellungsverordnungen als Anknüpfungspunkt für die kartellrechtliche Zulässigkeit von Lizenzklauseln
  • 3. Alternative Ansätze zur Lösung des Konflikts zwischen Kartellrecht und immaterialgüterrechtlichen Verwertungshandlungen
  • a. Der rein kartellrechtliche Ansatz und die Markterschließungsdoktrin/These von der kartellrechtlichen Immunität
  • b. Inhaltstheorie und modifizierte Immanenztheorie als vermittelnde Ansätze
  • c. Materielle Wettbewerbsbeschränkung bzw. Markterschließungsdoktrin im engeren Sinne
  • d. Stellungnahme
  • B. Beeinträchtigung von Markenfunktionen durch den eBay-Verkauf als Bestandteil der lizenzkartellrechtlichen Zulässigkeitsprüfung
  • I. „Abstrakte“ Prüfung der Verletzung von Markenfunktionen
  • II. eBay-Verkauf im Selektivvertrieb als Beeinträchtigung einer geschützten Markenfunktion
  • 1. Funktionenlehre und Schutzschranken im Fall „Copad/Dior“
  • 2. Übertragbarkeit der Entscheidung „Copad/Dior“ auf das Verbot der Veräußerung über Internetauktionsplattformen
  • 3. Stärke der Marke als Kriterium zur Bestimmung der Reichweite der Imageschutzfunktion
  • 4. Reiner eBay-Vertrieb als Verletzung der Investitionsschutzfunktion
  • 5. Schwächen der „Copad/Dior“-Entscheidung hinsichtlich der kartellrechtlichen Zulässigkeitsprüfung
  • III. Zusammenfassung
  • C. Anwendung der Lehre vom spezifischen Gegenstand der Marke
  • I. Anwendbarkeit der „Metro“-Rechtsprechung auf Markenlizenzen
  • II. Markenlizenzen und Art. 4 lit. c Vertikal-GVO
  • III. eBay-Verbot als eine typischerweise zulässige Lizenzvertragsklausel
  • 1. eBay-Verbot als Qualitätssicherungsklausel
  • 2. Beschränkungen des Anwendungsbereichs, der Benutzungsart sowie des „field of use“
  • 3. Kartellrechtliche Zulässigkeit der „typischen“ Lizenzvertragsklauseln
  • a. eBay-Verbot im Selektivvertrieb zwischen verbotener Kundengruppenbeschränkung und verbotener Verkaufsbeschränkung an Endverbraucher
  • b. Zulässigkeit von Qualitätssicherungsklauseln und Anwendungsbereichsbeschränkungen
  • IV. Privilegierung des nicht-herstellenden Markeninhabers durch ein umfassendes und vorrangiges Erstvertriebsrecht
  • 1. Begründung eines umfassenden Erstvertriebsrechts
  • 2. Stellungnahme
  • a. Verhinderung von Diskrepanzen in der Absatzkette
  • b. Differenzierung zwischen Erst- und Weitervertrieb vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 MRRL und Art. 8 Abs. 2 lit. e MRRL
  • 3. Auswirkungen auf die Bestimmung des spezifischen Gegenstands der Marke
  • V. Verbot des reinen eBay-Vertriebs bei Markenlizenzvereinbarungen
  • VI. Ergebnis
  • D. Alternative Ansätze zur Lehre vom spezifischen Gegenstand
  • I. Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenabrede
  • 1. Reine Markenlizenz als wettbewerbsneutraler Hauptzweck
  • 2. Vertriebsbindung als Nebenabrede zur Lizenzierung der Marke
  • 3. Erforderlichkeit der Vertriebsbindung als Nebenabrede
  • II. Erforderlichkeit der Nebenabrede und spezifischer Gegenstand der Marke
  • III. Ergebnis
  • E. Kartellrechtliche Beurteilung einer „Gestattung“
  • F. Ergebnis
  • 4. Kapitel: Schlussbetrachtungen
  • A. Zusammenfassung
  • B. Ausblick
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Neben den unten angegebenen Abkürzungen werden nur solche nach Duden, Die deutsche Rechtschreibung, herausgegeben von der Dudenredaktion, 25. Aufl. Mannheim u. a. 2009, verwendet.

Einführung

Die Bedeutung des Internets als Vertriebskanal ist weiter auf dem Vormarsch und reformiert die herkömmlichen Vertriebsstrukturen. Dies wird durch Statistiken belegt. Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erwarben im Jahr 2009 Konsumenten in Deutschland für knapp 15,5 Milliarden Euro Waren und Dienstleistungen über das Internet, was zu jenem Zeitpunkt einem Zuwachs von 14 Prozent zum Vorjahr entsprach1. Neuere Erhebungen wie die des Handelsverbands Deutschland (HDE) zeigen die enorme und nach wie vor ansteigende Bedeutung des E-Commerce. Der prognostizierte Umsatz in diesem Bereich für das Jahr 2012 liegt bei 29,5 Mrd. Euro, was abermals eine Steigerung von 13 Prozent zum Vorjahr bedeutet2. Es gibt mittlerweile kaum noch Waren, die heutzutage nicht über das Internet erworben werden können. Der Online-Verkauf von (nicht-verschreibungspflichtigen) Medikamenten und Kontaktlinsen3 zeugt ebenso davon wie das Entstehen von großen Internetversandhäusern mit einem umfassenden Warenangebot4. Weder Händler noch Hersteller und Markeninhaber können sich ernsthaft dieser Entwicklung verschließen, zumal das Internet mit seiner Erreichbarkeit und der Individualisierung der Kundenansprache ein zuvor nicht da gewesenes Marketingpotential entfaltet.

Genauso vielfältig wie das Internet selbst ist der Einsatz dieses Mediums als Absatzmittel. So unterhalten Hersteller selbst Internetauftritte, auf denen Waren der eigenen Marke erworben werden können5. Andererseits existieren marktstarke ← 1 | 2 → Einzelhandelsunternehmen wie Saturn und Mediamarkt, die ihr umfassendes Warenangebot verstärkt online bewerben und absetzen. Zuletzt bestehen gewisse Varianten, die durch das Internet populär geworden sind, wie der Vertrieb über Auktionsplattformen wie eBay oder die „marketplaces“ bei amazon.

In der vorliegenden Untersuchung liegt der Fokus auf den Herausforderungen, die das Internet an geschlossene selektive Vertriebsnetze stellt. Bei diesen Vertriebsnetzen zirkuliert die Markenware nur innerhalb eines zugelassenen Händlerkreises, der die vom Vertriebsbinder aufgestellten Kriterien erfüllt6. Hierdurch will sich der Vertriebsbinder den größtmöglichen Einfluss auf die Absatzmittler erhalten, um dadurch die Wahrnehmung des Produkts beim Endverbraucher zu beeinflussen. Ziel des Vertriebsbinders ist es, die Ware nur innerhalb eines geschlossenen Netzes ausgewählter Händler zu vertreiben, die allesamt die vom Vertriebsbinder auferlegten Kriterien erfüllen. Ein solches geschlossenes Vertriebsnetz schafft aber Konfliktpotential, weil es unter anderem Marktzutrittsschranken für Außenseiter begründet. Es kommt zu einer Schwächung des „Intrabrand“-Wettbewerbs, also des Wettbewerbs zwischen Anbietern von Produkten derselben Marke. Denn der Vertriebsbinder möchte seine Kontrollmöglichkeiten ausnutzen, indem er diesen zugelassenen Händlern umfassend die Wettbewerbsparameter vorgibt.

Dies gilt genauso für den Internetvertrieb. Denn den Vertriebsbindern ist der ungehemmte Internetvertrieb nicht selten ein Dorn im Auge, da sie neben Imageverlusten, Beratungsdefiziten und unerwünschten Trittbrettfahrer-Effekten vor allem die hohe Preisaktivität des Internets fürchten7. Dass dieses Kontrollbedürfnis kartellrechtliche Bedenken hervorgerufen hat, liegt auf der Hand8. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Selektivvertriebs existiert auf europäischer Ebene eine gefestigte Rechtsprechung, die in die „offline“-Ära vor Beginn des Internets zurückreicht und die Kriterien für die Zulässigkeit rein qualitativer selektiver Vertriebssysteme aufstellt9. Die Etablierung und Durchsetzung eines selektiven Vertriebssystems wirft Fragestellungen aus dem Kartellrecht, dem Markenrecht und dem Lauterkeitsrecht auf, zu denen bereits ein umfassender Meinungsstand in der Literatur existiert. Internetspezifische Beschränkungen waren jedoch nicht ← 2 | 3 → Gegenstand dieser Untersuchungen10. Während für den Unternehmer die Frage aufkommt, wie er das Internet in das existierende Vertriebsnetz integriert, stellt sich für den Juristen die Frage, ob die gefestigte Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf das Internet Änderungen erfahren müsste. Der BGH hatte bereits im Jahr 2004 Gelegenheit, zu einigen Aspekten des Internetvertriebs im Depotsystem des Parfümhandels Stellung zu beziehen11. Nunmehr liegt auf europäischer Ebene Rechtsprechung vor, die die Zulässigkeit eines Totalverbots des Internetvertriebs in einem selektiven Vertriebsnetz zum Gegenstand hat12. Ergänzend müssen zur Beurteilung des Internetvertriebs die Ausführungen der Kommission herangezogen werden, allen voran die Leitlinien zur Vertikal-GVO.

Dass die Funktionsfähigkeit eines selektiven Vertriebsnetzes von seinem Schutz gegen Außenseiter abhängt, scheint hierbei ein gewisser Konsens zu sein13. Dieser Konsens trifft hingegen noch keine Aussage darüber, wer Mitglied im System sein darf, und wer als Außenseiter zum „Zuschauen“ verurteilt ist. Diese Untersuchung widmet sich den internetspezifischen Herausforderungen an selektive Vertriebsnetze. Sie begrenzt sich exemplarisch auf die Zulässigkeit eines Ausschlusses der Internetauktionsplattform eBay aus dem Vertriebsnetz14. Eine Fokussierung auf die kartellrechtliche Zulässigkeitsprüfung würde dabei eigentlich bedeuten, dass der markenrechtliche Schutz des Selektivvertriebs vor Außenseitern ausgeklammert würde. Ein Anliegen dieser Arbeit ist es jedoch, das Verhältnis zwischen kartellrechtlicher Zulässigkeitskontrolle in Bezug auf den Selektivvertrieb und dem Markenrecht weiter aufzuschlüsseln. Hinsichtlich des markenrechtlichen Schutzes ← 3 | 4 → von Selektivvertriebssystemen haben sich nämlich im Zuge des EuGH-Urteils „Copad/Dior“ interessante Entwicklungen ergeben, die ihrerseits Auswirkungen auf die kartellrechtliche Zulässigkeitsprüfung entfalten könnten15. Der EuGH hatte dort über die Existenz eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu urteilen. Dieser könnte daraus resultieren, dass der Lizenznehmer gegen eine Vertriebsvorgabe verstößt, die Lizenzware nur im Selektivvertrieb unter Ausschluss von Discountern zu veräußern. Selbst wenn sich diese Entscheidung nicht explizit auf den Internetvertrieb oder den Vertrieb über Internetauktionsplattformen bezieht, folgt doch hieraus, dass ein „falscher“ Vertriebsweg einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch nach sich ziehen kann. Dehnt man das markenrechtliche Verbietungsrecht so weit aus, stellt sich die Frage, ob und wie dies mit der kartellrechtlichen Zulässigkeit dieser Vertriebsbindung in Einklang zu bringen ist, die der EuGH mit keinem Wort anspricht. Immerhin könnte die Gefahr bestehen, dass mit dem Verbietungsrecht die Wahl eines Vertriebswegs sanktioniert wird, der kartellrechtlich nicht zulässig aus dem Selektivvertrieb ausgeschlossen werden kann. Kann hier ein Widerspruch entstehen, den man in die kartellrechtliche Zulässigkeitsprüfung einbinden müsste? Diese Problematik wird im Laufe dieser Untersuchung aufgegriffen werden.

Markenrechtliche Wertungen können aber nicht nur bei dieser vertriebskartellrechtlichen Prüfung in den klassischen Vertragshändlerverträgen eine Rolle spielen. Die Integration des Internets in ein selektives Distributionsnetz kann ebenso bei Markenlizenzverträgen auf Konflikte stoßen. Der Sachverhalt der „Copad/Dior“-Entscheidung zeigt als Beispiel aus der Praxis, dass bei Markenlizenzverträgen genauso Abreden hinsichtlich des Vertriebs getroffen werden. So kann der Lizenzgeber den Lizenznehmer verpflichten, die markierte Ware nur im Rahmen eines selektiven Vertriebsnetzes abzugeben16. Hieran kann sich die Problematik der Behandlung des Internets als Vertriebskanal wie in der oben dargestellten, herkömmlichen Vertriebskette anschließen. Diese Frage ist ungeklärt und in der Literatur noch nicht behandelt worden. Besonders interessant ist an dieser Konstellation, dass es sich um dieselbe Vertriebsbindung handelt, sich jedoch die rechtliche Herangehensweise grundlegend von der vertriebskartellrechtlichen Prüfung unterscheidet. Wenn es dabei um die Bestimmung des kartellrechtsneutralen spezifischen Gegenstands der Marke geht, muss unter anderem geklärt werden, ob die ← 4 | 5 → Anerkennung der „sonstigen“ Markenfunktionen neben der Herkunftsfunktion17 Auswirkungen auf die Reichweite des spezifischen Gegenstands hat oder ob sich bei diesem vertriebsrechtlichen Aspekt keine schutzrechtspezifischen Besonderheiten finden lassen. Gerade bei den schwer bestimmbaren Image- und Investitionsschutzfunktionen der Marke, die in dieser vertriebsrechtlichen Konstellation einschlägig sein könnten, sollte man kritisch hinterfragen, welchen Mehrwert eine funktionenorientierte Definition des kartellrechtsneutralen spezifischen Gegenstands der Marke im Vergleich zur herkömmlichen (vertriebs-)kartellrechtlichen Prüfung entfaltet.

Diese Arbeit hat sich nicht zum Ziel gesetzt, in diesem Abschnitt eine (weitere) Grundlagenforschung zum Lizenzkartellrecht hervorzubringen18. Die Ausführungen sollen daher auf die hier untersuchte vertriebsspezifische Konstellation und die damit verbundenen Probleme eines schutzrechtspezifischen Lizenzkartellrechts beschränkt bleiben.

Die Untersuchung gliedert sich in drei Kapitel: Im Grundlagenteil wird der wirtschaftliche Hintergrund sowie die rechtliche Bewertung von selektiven Vertriebssystemen beleuchtet. Die Darstellung greift die Unterscheidung zwischen dem Selektivvertrieb in Markenlizenzen und in Vertragshändlerverträgen auf. Darüber hinaus werden die Auswirkungen des Internets auf den Wettbewerb insgesamt und den Selektivvertrieb im Besonderen dargestellt. Die beiden Hauptteile gliedern sich entsprechend den gewählten Konstellationen nach der kartellrechtlichen Zulässigkeit eines Ausschlusses von eBay aus dem Selektivvertrieb in Vertragshändlerverträgen im zweiten Kapitel und in Markenlizenzvereinbarungen im dritten Kapitel.

Das zweite Kapitel widmet sich zunächst der Anwendbarkeit der „Metro“-Rechtsprechung auf das eBay-Verbot, wobei im Rahmen der Rechtfertigung von Vertriebsbeschränkungen eine Unterscheidung zwischen Imageschutz und Investitionsschutz vorgenommen wird. Hierbei wird ebenfalls der bereits angedeuteten Frage nach der Berücksichtigung markenrechtlicher Wertungen ← 5 | 6 → nachgegangen. Danach wird die Möglichkeit der Gruppenfreistellung auf Basis der Vertikal-GVO sowie der Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV diskutiert.

Das dritte Kapitel wendet sich dann der Zulässigkeit der in Rede stehenden Vertriebsbindung in Markenlizenzvereinbarungen zu. Nach einigen grundlegenden Ausführungen zur Markenlizenz und dem Lizenzkartellrecht wird die Reichweite des spezifischen Gegenstands für diesen Sachverhalt herausgearbeitet. Neben dem Versuch, dies allein auf Basis einer Auslegung der Markenfunktionen zu bewerkstelligen, wird ein Vergleich zu bereits in der Rechtsprechung entschiedenen Klauseln gezogen. Dabei werden Wertungen der Vertikal-GVO ebenso angesprochen wie die Besonderheit, dass die in einer Markenlizenzvereinbarung enthaltene Verpflichtung zum Aufbau eines entsprechenden Selektivvertriebs erst noch der Umsetzung durch den Lizenznehmer bedarf. Schließlich wird die Frage untersucht, ob schutzrechtspezifische Besonderheiten existieren, die ein anderes Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung zu derjenigen im Vertragshändlervertrag rechtfertigen können. Darüber hinaus finden andere Ansätze neben der Lehre vom spezifischen Gegenstand Erwähnung, die zur Lösung des Konflikts zwischen Schutzrechtsverwertungen durch Lizenzen und dem Kartellrecht angewendet werden.

Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf künftige Entwicklungen im Hinblick auf eBay und die markenrechtliche Funktionenlehre. ← 6 | 7 →

                                                   

    1.  Dazu die Statistiken der Gesellschaft für Konsumforschung, abrufbar unter <http://www.gfk.com/group/press_information/press_releases/005481/index.de.html> (zuletzt besucht am 08.11.2013).

    2.  Siehe die HDE-Statistik „E-Commerce-Umsatz in Deutschland 1999 bis 2011 und Prognose für 2012“, abrufbar unter <http://de.statista.com/statistik/daten/studie/3979/umfrage/e-commerce-umsatz-in-deutschland-seit-1999/> (zuletzt besucht am 08.11.2013).

    3.  Vgl. nur <http://www.docmorris.de>; <http://www.misterspex.de>.

    4.  So <http://www.zalando.de>.

    5.  Exemplarisch seien die Auftritte von <http://www.dell.de> und <http://www.burberry.de> genannt. Unter diesen Adressen finden sich dann die Auftritte einzelner (zugelassener) Händler.

    6.  Vgl. dazu nur die Definition des selektiven Vertriebs in Art. 1 lit. e Vertikal-GVO.

Details

Seiten
XVIII, 283
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653044829
ISBN (ePUB)
9783653983661
ISBN (MOBI)
9783653983654
ISBN (Hardcover)
9783631653166
DOI
10.3726/978-3-653-04482-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Juli)
Schlagworte
Rechtsdogmatik Vertriebskartellrecht Lizenzkartellrecht Rechtfertigungsmechanismen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XVIII, 283 S.

Biographische Angaben

Lars Querndt (Autor:in)

Lars Querndt studierte Rechtswissenschaften in Bayreuth, Göttingen, Leuven (Belgien) und absolvierte einen Masterstudiengang (LL.M.) am Instituto de Empresa in Madrid. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit war er Stipendiat im DFG-Graduiertenkolleg Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit. Zurzeit ist er als Rechtsanwalt in München tätig.

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Titel: Selektivvertrieb und eBay-Versteigerungen
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