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Potenzial und Grenzen der Missbrauchskontrollregelung in der Europäischen Union und in der Volksrepublik China

Eine rechtsvergleichende Analyse am Beispiel der Kampfpreisstrategien

von Li Li (Autor:in)
©2014 Dissertation XIX, 175 Seiten

Zusammenfassung

Der Schutz des Wettbewerbs als Institution ist vor allem wegen seiner verschiedenen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Funktionen und Aufgaben von hoher Relevanz. Die Umsetzung des Wettbewerbsschutzes, insbesondere durch das Kartellrecht bzw. die Vorgehensweise gegen einseitige Beeinträchtigungen durch marktdominierende Unternehmen, weicht mitunter im Detail in der Europäischen Union und in der Volksrepublik China aufgrund spezifischer, teils kulturell und teils politisch bedingter Eigenheiten voneinander ab. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Missbrauchskontrolle, die neben dem Kartellverbot und der Fusionskontrolle eine der drei Säulen des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen bildet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • § 1. Einleitung
  • A. Hintergrund der Untersuchung
  • B. Ziel der Untersuchung
  • C. Gang der Untersuchung
  • § 2. Das Missbrauchsverbot auf EU-Ebene und in China
  • A. Grundlagen des EU-Kartellrechts
  • I. Geschichte und Rechtsgrundlagen
  • 1. Historischer Abriss
  • 2. Struktur und Hintergrund des EU-Kartellrecht
  • II. Allgemeines zur Missbrauchskontrolle in Art. 102 AEUV
  • 1. Inhaltliche Rahmenbedingungen
  • a. Zielsetzung
  • b. Verbotsinhalt
  • 2. Wohlfahrtsaspekte im Bereich des Art. 102 AEUV
  • 3. Kritik an der Konkretisierungspraxis der Kommission
  • III. Verhältnis von Missbrauchsverbot und Kartellverbot sowie Fusionskontrolle
  • 1. Verhältnis von Kartellverbot und Missbrauchsverbot
  • a. Systematische Einheit
  • aa. Gemeinsame Schutzrichtung
  • bb. Abgrenzung
  • b. Parallele Anwendung
  • c. Identische Normadressaten
  • aa. Funktionale Auslegung im Lichte des Unionsrechts
  • bb. Inhalt des kartellrechtlichen Unternehmensbegriffs
  • cc. Wirtschaftliche Tätigkeit als Abgrenzungskriterium
  • d. Differenzierung zwischen ein- und zweiseitigem Verhalten
  • e. Strukturelle Unterschiede – Kein „Art. 102 Abs. 3 AEUV“
  • f. Begrenzung der räumlichen Reichweite
  • g. Zwischenergebnis
  • 2. Verhältnis von Missbrauchskontrolle und Fusionskontrolle
  • a. Verankerung im Sekundär- statt Primärrecht
  • b. Funktion einer präventiven Kontrolle
  • IV. Weitere Verhältnisfragen
  • 1. Verhältnis von Völkerrecht und EU-Kartellrecht
  • 2. Potenzielle Kollision mit nationalem Kartellrecht
  • a. Grundsatz der parallelen Anwendbarkeit
  • b. Rangverhältnis bei Kollisionsfällen
  • aa. Vorrang des EU-Rechts
  • bb. Verfahrensordnung
  • c. Umsetzung im Bereich des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • B. Grundlagen des chinesischen Antimonopolrechts
  • I. Geschichte und Rechtsgrundlagen
  • 1. Rechtslage vor Einführung des Antimonopolgesetzes
  • 2. Überblick über das chinesische Antimonopolrecht
  • a. Allgemeines
  • b. Struktur und Systematik
  • c. Vorteile des chinesischen Antimonopolrechts
  • d. Nachteile des chinesischen Antimonopolrechts
  • aa. Anwendungsprobleme
  • bb. Potenzielle Konflikte beim Kartellrechtsvollzug
  • 3. Das Problem des Missbrauchs von Verwaltungsmacht
  • a. Rechtsgrundlage
  • b. Formen administrativer Monopole
  • c. Notwendigkeit einer planmäßigen Liberalisierung
  • d. Systematische Schwächen
  • e. Zwischenergebnis
  • II. Allgemeines zum Missbrauchsverbot in den §§ 17 ff. AMG
  • 1. Rechtlicher und inhaltlicher Rahmen
  • 2. Durchsetzung des Missbrauchsverbots
  • a. Xingda gegen Petro China Lanzhou
  • b. Renren gegen Baidu
  • c. China Telecom & China Unicom
  • 3. Stellungnahme zur Missbrauchskontrollregelung
  • a. Positive Gesichtspunkte
  • b. Generelle Schwächen
  • § 3. Der relevante Markt im europäischen und chinesischen Missbrauchskontrollrecht
  • A. Allgemeines
  • B. Marktabgrenzung im europäischen Kartellrecht
  • I. Überblick
  • II. Sachlich relevanter Markt
  • 1. Hauptmethode zur Marktabgrenzung
  • 2. Rechtsprechung
  • a. Die Michelin-Entscheidung
  • b. Die Entscheidungen Tetra Pak I und Tetra Pak II
  • c. Die United Brands-Entscheidung
  • aa. Inhalt und rechtliche Würdigung
  • bb. Abweichende Beurteilung aus chinesischer Sicht
  • III. Räumlich relevanter Markt
  • 1. Überblick
  • 2. Rechtsprechung und Stellungnahme
  • a. United Brands-Entscheidung
  • b. Michelin-Fall
  • 3. Besonderheit im Hinblick auf den Binnenmarkt
  • IV. Zeitlich relevanter Markt
  • C. Marktabgrenzung im chinesischen Antimonopolrecht
  • I. Überblick
  • 1. Rechtsgrundlage
  • 2. Methode zur Marktabgrenzung
  • 3. Stellungnahme
  • II. Sachlich relevanter Markt
  • 1. Definition
  • 2. Kriterien zur Marktabgrenzung
  • a. Nachfrageseite
  • b. Angebotsseite
  • c. Reihenfolge der aufgezeigten Faktoren
  • 3. Rechtsprechung: Renren gegen Baidu
  • a. Ansicht des Oberen Volksgerichts
  • b. Bewertung der chinesischen Literatur
  • c. „Werbung“ als wichtiger Faktor des Suchmaschinenmarkts
  • aa. Ansichten in der chinesischen Literatur
  • bb. Eigene Ansicht
  • d. Schlussbetrachtung
  • III. Räumlich relevanter Markt
  • 1. Definition
  • 2. Wichtige Faktoren aus Nachfrager- und Anbietersicht
  • a. Geografischer Markt
  • b. Anbieterseite
  • 3. Marktabgrenzung bei multinationalen Konzernen
  • 4. Stellungnahme unter Würdigung der Rechtsprechung
  • a. Renren gegen Baidu
  • b. Qihu 360 gegen Tencent
  • aa. Rechtliche Würdigung
  • bb. Das Problem der fehlenden Analyseerfahrung
  • 5. Zwischenergebnis
  • IV. Zeitlich relevanter Markt
  • § 4. Marktbeherrschung im Bereich der europäischen und chinesischen Missbrauchskontrolle
  • A. Marktbeherrschung im Bereich der EU-Missbrauchskontrolle
  • I. Rechtlicher Hintergrund
  • 1. Definition
  • 2. Umfang der erforderlichen Marktmacht
  • 3. Beurteilungsmaßstab
  • a. Markt- und Unternehmensstruktur sowie Verhalten
  • b. Durchsetzungsprioritäten der Kommission
  • c. Unvermeidlicher Handelspartner
  • 4. Wichtige Beurteilungskriterien
  • II. Rechtsprechung: Die British Airways-Entscheidung
  • 1. Beherrschung des Angebots- oder Nachfragemarktes
  • 2. Stellungnahme
  • III. Bedeutung öffentlicher Anbietermonopole
  • IV. Kollektive Marktbeherrschung
  • 1. Definition
  • 2. Das Problem der Bestimmung in engen Oligopol-Märkten
  • 3. Analyse des Innen- und Außenverhältnisses
  • 4. Kollektive Marktbeherrschung mehrerer Nachfrager
  • 5. Verhältnis zum Kartellverbot und Fusionskontrolle
  • a. Unterschiede zum Kartellverbot
  • b. Abweichungen zur Fusionskontrollregelung
  • B. Marktbeherrschung im Bereich der Missbrauchskontrolle Chinas
  • I. Gründe und Grenzen der Monopole in China
  • 1. Natürliche Monopole
  • 2. Schutz „wichtiger“ Monopole durch den Staat
  • a. Monopole in Schlüsselindustrien
  • b. Tendenz zur Liberalisierung in vereinzelten Branchen
  • c. Staatliche Reformbestrebungen
  • 3. Marktkonzentrationen internationaler Konzerne in China
  • a. Staatliche Förderung und deren Schranken
  • b. Weigerung der Lizenzvergabe an chinesische Unternehmen
  • c. Verdrängungsstrategie multinationaler Unternehmen
  • 4. Marktkonzentrationen infolge Wettbewerbs
  • 5. Regionale Unterschiede
  • II. Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung
  • 1. Definition nach § 17 Abs. 2 AMG
  • 2. Beurteilungskriterien nach § 18 AMG
  • a. Bedeutung des Marktanteils und der Wettbewerbssituation
  • aa. Umfang des Marktanteils
  • bb. Situation auf dem relevanten Markt
  • cc. Marktanteil und Wettbewerbssituation
  • b. Fähigkeit zur Kontrolle des Absatz- und Rohstoffmarktes
  • c. Finanzkraft und technische Voraussetzungen
  • d. Abhängigkeitsgrad anderer Unternehmen
  • e. Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf den Markteintritt
  • f. Weitere Prüfungskriterien
  • III. Beweislastfragen in Zivilsachen
  • IV. Stellungnahme
  • 1. Weiterer Konkretisierungsbedarf
  • 2. Offene Fragen
  • a. Unternehmensbeziehung bei der kollektiven Marktbeherrschung
  • b. Ermittlung des Marktanteils im konkreten Einzelfall
  • V. Fallanalyse am Beispiel Qihu 360 gegen Tencent
  • 1. Das Problem der Datenanalyse bei der Marktanteilsbestimmung
  • 2. Möglichkeit des Markteintritts von Newcomern
  • 3. Barrieren aufgrund der Finanzkraft und Softwarefunktionen?
  • 4. Schlussbetrachtung
  • a. Bewertung der marktbeherrschenden Stellung
  • b. Spezifische Struktur des Marktes
  • c. Umfang und die Qualität des geistigen Eigentums
  • § 5. Der Marktmachtmissbrauch – Eine Analyse am Beispiel der Kampfpreisunterbietung
  • A. Beurteilung von Kampfpreisen nach dem EU-Kartellrecht
  • I. Inhalt und Bestimmung des Marktmachtmissbrauchs
  • II. Fallgruppenbildung zur Erleichterung der Rechtsanwendung
  • III. Kampfpreisstrategien nach Maßgabe des Art. 102 AEUV
  • 1. Begriff und Definition
  • 2. Nachweisanforderungen
  • 3. Die zwei Phasen der Kampfpreisstrategie
  • 4. Kartellrechtliche Kategorisierung
  • a. Ausgangssituation
  • b. Ausbeutung nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV?
  • c. Diskriminierung nach Art. 102 S. 2 lit. c AEUV?
  • d. Subsumtion unter die Generalklausel in Art. 102 S. 1 AEUV
  • 5. Kartellrechtliche Bestimmung von Kampfpreisen
  • a. Kostenbegriffe
  • b. Verdrängungsabsicht
  • c. Unterscheidung von variablen und fixen Kosten
  • d. Verlustorientierter Beurteilungsmaßstab
  • e. Stellungnahme
  • B. Beurteilung von Kampfpreisen nach dem Wettbewerbsrecht Chinas
  • I. Allgemeines
  • 1 Entwicklung des Preiswettbewerbs als Ausgangspunkt
  • a. Durchbruch des Wettbewerbs am Beispiel der TV-Branche
  • b. Gründe für die Förderung des Preiswettbewerbs
  • c. Vorteile des Preiswettbewerbs
  • d. Einfluss des politischen Systems und der Planwirtschaft
  • aa. Ausgangssituation
  • bb. Privilegierung von Staatsunternehmen
  • cc. Staatliche Fluggesellschaften als Beispiel
  • 2. Älterer Regulierungsansatz
  • a. Quan Jia gegen Guang Ming
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Bewertung
  • b. Untersuchung aus kartellrechtlicher Perspektive
  • c. Plausible Anwendung des Preisregulierungsrechts?
  • 3. Zweifelhafte Überwindungsmethoden bei „Kampfpreisproblemen“
  • II. Verstreute Regelungen zur Kontrolle von Kampfpreisstrategien
  • 1. Bestimmungen zum „Verkauf unter den Kosten“
  • 2. Das Problem der tatbestandlichen Unvollständigkeit
  • 3. Beurteilungskriterien
  • a. Durchschnittliche Branchenkosten als Ergänzungskriterium
  • aa. Legislative Verankerung
  • bb. Nachteile durchschnittlicher Branchenkosten
  • cc. Zusammensetzung der Kosten
  • b. Zusätzlicher Rückgriff auf den internationalen Standard de lege ferenda
  • c. Berücksichtigung subjektiver Elemente
  • 4. Ausnahmen und Rechtfertigungsgründe
  • 5. Zwischenergebnis
  • III. Regelungen zur Kampfpreisunterbietung im Antimonopolrecht
  • 1. Verankerung in § 17 Abs. 1 Nr. 2 AMG
  • 2. Rückgriff auf die Verordnung über Preiskartelle
  • IV. Schlussbetrachtung
  • § 6. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

§ 1.  Einleitung

A.  Hintergrund der Untersuchung

Der ökonomische Wettbewerb ist die Grundlage für den Aufschwung der wirtschaftlichen Effizienz und der Verbraucherwohlfahrt im Rahmen einer florierenden Marktwirtschaft. Darüber sind sich die Europäische Union und die Volksrepublik China einig. Dieser Wettbewerb ist die wichtigste Institution zur Gewährleistung einer effektiven Ressourcenallokation, zumal er die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt ankurbelt.1 Der Schutz des Wettbewerbs als Institution ist vor allem wegen seiner verschiedenen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Funktionen und Aufgaben von hoher Relevanz.2 Die Umsetzung des Wettbewerbsschutzes, insbesondere durch das Kartellrecht und hier die Vorgehensweise gegen einseitige Beeinträchtigungen seitens marktdominierender Unternehmen, weicht mitunter im Detail aufgrund spezifischer, teils kulturell und teils politisch bedingter Eigenheiten im europäischen und chinesischen Rechts- und Wirtschaftskreis voneinander ab.

Im Zuge der Globalisierung und der raschen Entwicklung der Technik zeigt sich nicht nur eine Wettbewerbszunahme in bestimmten Märkten (z. B. im Telekommunikationssektor in der Bundesrepublik Deutschland), sondern ebenso ein Anstieg von wirtschaftlichen Konzentrationen, der der Wohlfahrt schaden kann. Dies bringt zugleich immer komplexere kartellrechtliche Sachverhalte mit sich und verdeutlicht das Erfordernis einer klaren Rechtslage. Dabei stellt sich insbesondere die derzeit besonders stark diskutierte Frage, wie viel (kartell-)rechtliche Regulierung in bestimmten Märkten erforderlich ist (EU) bzw. wie viel Liberalisierung geboten erscheint (China). Oftmals spielen bei der Beantwortung dieser Fragen besondere Marktumstände in bestimmten Industriezweigen, wie etwa ← 1 | 2 → staatliche Regulierungen im Pharmasektor auf EU-Ebene3 oder Begünstigungen von bestimmten Marktakteuren in der Automobilbranche in China, sowie die über Jahrzehnte gewachsene Marktstruktur eine wichtige Rolle. Eine effektive Umsetzung des Wettbewerbsphänomens lässt sich aber nicht nur durch rechtliche Regelungen erreichen, sondern erfordert darüber hinaus eine effektive Umsetzung und nicht zuletzt auch die Unterstützung politischer Kreise, da diese nicht selten den Kurs des Wettbewerbsrechts mitbestimmen. So verkündete beispielsweise die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) Mitte November 2013 im Rahmen der dritten Plenarsitzung des Achtzehnten Zentralkomitees eine „Entscheidung zu den Kernpunkten einer Vertiefung der Reform“, die weitreichende Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas vorsieht. Neben der in Europa vor allem in den Medien betonten Lockerung der „Ein-Kind-Politik“ ist in ökonomischer Hinsicht die weitere Öffnung der Wirtschaftspolitik nachfolgend von Bedeutung. Der dritte Teil der Entscheidung des Zentralkomitees bezieht sich insoweit auf die rasche Verbesserung des Wirtschaftssystems und die Etablierung einer fairen, offenen und transparenten Regulierung der Märkte. Es soll künftig stärker gegen den Regionalschutz, gegen Monopole und gegen unlauteren Wettbewerb angekämpft werden. Es handelt sich insgesamt um eine weitgehende, grundlegende Reformbestrebung des Landes, die zu begrüßen ist. So soll durch die Preisreform im Bereich der Wasser-, Öl-, Gas- und Stromkraftversorgung, aber auch in den Industriesektoren Verkehr und Kommunikation der Wettbewerb intensiviert werden. Zudem ist eine Öffnung der Finanzbranche geplant, die es privaten Investoren (z. B. kleine und mittelständischen Banken) ermöglicht, sich in China zu etablieren. Dennoch ist man sich im Klaren darüber, dass der Markt sich nicht immer selbst reguliert. Dessen unkontrollierte Entwicklung kann zu einem für die Wohlfahrt negativen Konzentrationsprozess oder bei preisbezogenen Marktpraktiken zu einem Vernichtungswettbewerb führen, deren Verhinderung klare und umfassende Regelungen erfordert. Diese Regelungen sind jedoch vor allem im Bereich der relativ „jungen“ chinesischen Missbrauchskontrolle noch nicht gegeben, was nicht zuletzt durch viele bekannte Fälle nach Inkrafttreten des Antimonopolgesetzes der Volksrepublik China (AMG) belegt werden kann, so etwa im Jahr 2009 Renren gegen Baidu, die 2011 begonnene Untersuchung gegen China Telecom und China Unicom oder der 2013 entschiedene Fall Qihu 360 gegen Tencent. ← 2 | 3 →

B.  Ziel der Untersuchung

Das vor fünf Jahren in Kraft getretene chinesische Antimonopolrecht orientiert sich inhaltlich und strukturell stark am deutschen und europäischen Modell, weshalb eine rechtsvergleichende Untersuchung zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten gewinnbringend ist. Dies erfolgt vor dem Hintergrund der sprachlichen Hürden und Feinheiten beider Rechtskreise, da die Lehre in China oftmals nach Europa oder in Richtung USA blickt, um Antworten auf „eigene“ Rechtsfragen zu finden, während dagegen relativ wenige Wissenschaftler im Westen auf die Rechtslage im „Reich der Mitte“ blicken. Ein Grund kann die sprachliche Barriere sein, jedoch ist gerade deshalb eine tiefgehende Analyse aus chinesischer Sicht, vor allem am Beispiel der europäischen und chinesischen Missbrauchskontrolle, bei der in den letzten Jahren eine „Modernisierungswelle“ zu verzeichnen war, lohnend. Es ist zugleich eine Gelegenheit herauszuarbeiten, an welchen Stellen China bei der Kartellrechtsanalyse auf die Erfahrungen des europäischen Rechtskreises zurückgreifen kann, um auf diesem Weg die „eigene“ Rechtsauslegung zu bereichern. Sinn und Zweck jener Praxis ist es, aus dem fremden Rechtsfundus zu lernen, ohne dabei dessen Probleme und Defizite aus dem Blickwinkel zu verlieren und die chinesischen Besonderheiten zu vernachlässigen, die im gebotenen Umfang ebenso zu würdigen sind.

C.  Gang der Untersuchung

Angesichts der im November 2013 angekündigten Reformen Chinas im Bereich der Entwicklung der Volkswirtschaft, wie der Öffnung der Märkte für private Banken, des Abbaus der Monopole und der Förderung eines fairen Wettbewerbs, thematisiert die vorliegende Arbeit die Durchsetzung der Missbrauchskontrollregelung in China und der Europäischen Union. Dabei soll die Europäische Union als Bezugspunkt dienen, so dass die chinesische Rechtslage anhand ausgewählter Entscheidungen der Judikative und unter Beachtung der gesetzgeberischen Konkretisierungsansätze im Rahmen eines Vergleichs dazu in Ansatz gebracht wird. Dies erfordert vorab einen Überblick über die Grundlagen beider den Wettbewerb schützenden Vorschriften vor dem Hintergrund der jeweiligen Kartellrechtssysteme. Hiermit setzt sich im Detail § 2 der Arbeit unter hinreichender Würdigung historischer, rechtlicher und struktureller Besonderheiten auseinander. Sodann beschäftigt sich § 3 der Arbeit mit einem im Bereich des chinesischen Missbrauchsverbots gegenwärtig stark diskutierten Problem, nämlich der genauen Bestimmung ← 3 | 4 → des relevanten Marktes in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Dieser relevante Markt wird nach einer Vorstellung der europäischen Marktabgrenzung in rechtsvergleichender Weise untersucht. § 4 der Arbeit widmet sich dann dem eigentlichen Tatbestandsmerkmal der marktbeherrschenden Stellung des in Frage stehenden Unternehmens, wobei die vorher gesammelten Erkenntnisse zur Marktabgrenzung – als Voraussetzung der Prüfung – aufgegriffen und im Zusammenhang mit der Beherrschung jeweils am Beispiel der Europäischen Union und der Volksrepublik China analysiert werden. Der anschließende § 5 der Arbeit behandelt das zweite verhaltensorientierte Tatbestandsmerkmal beider Vorschriften, nämlich den Marktmachtmissbrauch. Dieser soll anhand der Fallgruppe der Preisunterbietungen in rechtlicher, systematischer und analytischer Hinsicht beleuchtet werden, um etwaige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Rechtsordnungen zu ermitteln. Im Anschluss daran erfolgt im letzten Teil, dem § 6 der Arbeit, in gebotenem Umfang eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung ← 4 | 5 →

Details

Seiten
XIX, 175
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653043969
ISBN (ePUB)
9783653984323
ISBN (MOBI)
9783653984316
ISBN (Hardcover)
9783631652817
DOI
10.3726/978-3-653-04396-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Mai)
Schlagworte
Kampfpreisstrategie Wettbewerbsrecht Missbrauchskontrolle chinesisches Kartellrecht europäisches Kartellrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XX, 175 S.

Biographische Angaben

Li Li (Autor:in)

Lì Lǐ studierte Rechtswissenschaften in Wuhan (China) und Marburg. Sie ist Dozentin für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Wettbewerbsrecht an der University for Finance and Economics in Nanjing (China) und ist dort Geschäftsführerin des Europäisch-Chinesischen Instituts für Rechtsvergleichung.

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