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Direktionalia im Deutschen und im Polnischen

von Elzbieta Kazimierska (Autor:in)
©2014 Monographie 157 Seiten

Zusammenfassung

Die Arbeit untersucht unter semantischen und syntaktischen Aspekten Direktionalität und die sprachlichen Mittel ihres Ausdrucks im Deutschen im Vergleich mit dem Polnischen. In den Gegenstandsbereich fallen damit Direktionaladverbien und Direktionalpartikeln sowie verbale Aggregationen mit ihnen. Die deutschen wie die polnischen Direktionaladverbien können als Satzglieder die Funktion von Adverbialangaben, Adverbialergänzungen und Prädikativa haben oder als Attribute Teile von Satzgliedern sein. Im Deutschen werden sie zudem als Verbzusätze ins Verb inkorporiert. Dieses dem Polnischen unbekannte Phänomen liegt an der Schnittstelle von Wortbildungssyntagmatik und Syntax. Auszüge aus Pressetexten, online-Artikeln und Wojciech Cejrowskis Gringo wśród dzikich plemion bilden die Materialbasis der durchgeführten Analyse.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • 0. Einleitung
  • 1. Die Adverbien des Deutschen und des Polnischen
  • 1.2 Die Wortart Adverb
  • 1.2.1 Zum Terminus Wortart
  • 1.2.2 Zum Terminus Wortbildung
  • 1.2.3 Zum Terminus Morphem
  • 1.2.4 Zum Terminus Komposition
  • 1.2.5 Zum Terminus Derivation
  • 1.2.5.1 Affixe
  • 1.2.5.2 Präfixe
  • 1.2.5.3 Suffixe
  • 1.2.5.4 Phonotaktisch bedingte Morpheme
  • 1.2.6 Zur Definition der Wortklasse Adverb
  • 1.3 Grammatische Beschreibung der Adverbiendes Deutschen
  • 1.3.1 Die Morphologie der Adverbien des Deutschen
  • 1.3.1.1 Einfache Adverbien
  • 1.3.1.2 Abgeleitete Adverbien
  • 1.3.1.3 Zusammengesetzte Adverbien
  • 1.3.1.4 Komparierbare Adverbien des Deutschen
  • 1.3.2 Die Syntax der Adverbien des Deutschen
  • 1.3.3 Semantische Klassen der Adverbien des Deutschen
  • 1.4 Grammatische Beschreibung der Adverbien des Polnischen
  • 1.4.1 Die Morphologie der polnischen Adverbien
  • 1.4.1.1 Einfache Adverbien
  • 1.4.1.2 Abgeleitete Adverbien
  • 1.4.1.3 Zusammengesetzte Adverbien
  • 1.4.1.4 Komparierte Adverbien
  • 1.4.2 Die Syntax der polnischen Adverbien
  • 1.4.3 Semantische Klassen der polnischen Adverbien
  • 1.5 Vergleich der deutschen und der polnischen Adverbien
  • 1.5.1 Morphologischer Vergleich
  • 1.5.2 Differenzen im Bereich der Komparativadverbien
  • 1.5.3 Syntaktisch-distributionelle Differenzen
  • 1.5.4 Semantische Differenzen
  • 2. Die Direktionaladverbien
  • 2.2 Der Begriff der Direktionalität
  • 2.2.1 Origo und Orientierung im Raum
  • 2.2.2 Die lokaldeiktischen Oppositionen des Deutschen und des Polnischen
  • 2.2.3 Die Spezifikation der Richtung
  • 2.3 Die Direktionaladverbien des Deutschen
  • 2.3.1 Zur Morphologie der Adverbien
  • 2.3.1.1 Abgeleitete Direktionaladverbien
  • 2.3.1.2 Zusammengesetzte Direktionaladverbien
  • 2.3.1.3 Kurzformen der Direktionaladverbien
  • 2.3.2 Die Direktionalpartikeln hin und her
  • 2.3.3 Direktionaladverbien als Verbzusätze
  • 2.3.3.1 Verben mit hinauf- / herauf-
  • 2.3.3.2 Verben mit aufwärts-, empor-, hoch-
  • 2.3.3.3 Verben mit herab- / hinab-, herunter- / hinunter-
  • 2.3.3.4 Verben mit hervor-, heraus-
  • 2.3.3.5 Verben mit vorwärts-
  • 2.3.3.6 Verben mit zurück-
  • 2.3.3.7 Verben mit hinaus- / hinein- und herein- / heraus-
  • 2.3.3.8 Verben mit hinweg-, weg-, fort-
  • 2.3.3.9 Verben mit entgegen-
  • 2.3.3.10 Verben mit daher-, dahin-
  • 2.3.4 Zu den syntaktischen Funktionen der Direktionaladverbien
  • 2.3.5 Zur Semantik der Direktionaladverbien
  • 2.4 Die Direktionaladverbien des Polnischen
  • 2.4.1 Zur Veränderlichkeit der Adverbien
  • 2.4.1.1 Abgeleitete Direktionaladverbien
  • 2.4.1.2 Zusammengesetzte Direktionaladverbien
  • 2.4.2 Zur Syntax der polnischen Direktionaladverbien
  • 2.4.3 Zur Semantik der polnischen Direktionaladverbien
  • 2.5. Konfrontativer Vergleich
  • 2.5.1 Morphologische Konfrontation
  • 2.5.2 Syntaktische Konfrontation
  • 2.5.3 Semantische Konfrontation
  • 2.5.4 Polnische Entsprechungen deutscher Direktionalpartikeln
  • 3. Adverbiale Satzglieder
  • 3.2 Zum Begriff des Satzgliedes
  • 3.3 Zum Begriff des Adverbiale
  • 3.3.1 Satzadverbialia
  • 3.3.2 Adverbialia
  • 3.4 Die Adverbialia in der deutschen und in der polnischen Grammatikographie
  • 3.4.1 Adverbialia in der deutschen Grammatikographie
  • 3.4.2 Adverbialia in der polnischen Grammatikographie
  • 3.5 Arten adverbialer Satzglieder
  • 3.6 Abgrenzung der Direktionalia von anderen Adverbialia
  • 3.6.1 Abgrenzung der Direktionalia von Lokaladverbialia im Deutschen
  • 3.6.2 Abgrenzung der Direktionalia von Lokaladverbialia im Polnischen
  • 3.7 Direktionale als Komplemente und Supplemente
  • 3.7.1 Prädikatsergänzungen
  • 3.7.2 Angaben
  • 3.8 Direktionalia
  • 3.8.1 Kennzeichen der Richtung
  • 3.8.2 Mehrfache Kennzeichnung der Richtung
  • 3.8.3 Restriktionen der Verwendung von Direktionaladverbialen
  • 3.8.4 Stellungsbesonderheiten der Direktionalia im Deutschen
  • 3.9 Gestalten der Direktionalia
  • 3.9.1 Adverbien
  • 3.9.2 Präpositionalphrasen
  • 3.9.3 Der casus absolutus im Deutschen
  • 3.9.4 Kataphorische Verweiselemente
  • 4. Konstruktionen aus Verb und Adverb
  • 4.2 Zum Status der Konstruktionen aus Verb und Adverb
  • 4.3 Syntaktische Besonderheiten der Konstruktionen aus Adverb und Verb
  • 4.4 Lexikographische Erfassung und Notation von Bildungen aus Verb und Adverb
  • 4.4.1 Grammatikographische Einordnung der „(Doppel)partikelverben“
  • 4.4.2 Verben mit integrierten satzkonstitutiven Direktionalia
  • 4.4.2.1 Verben mit direktionalem Verbzusatz
  • 4.4.2.2 Verben ohne Verbzusatz mit Direktionalergänzung
  • 4.4.3 Die Anordnung der Elementein Bildungen aus Verb und Adverb
  • 4.4.4 Die (dis)kontinuierliche Anordnung der Morpheme von Direktionaladverbien
  • 4.4.5 Funktionen der Akzentverteilung
  • 4.4.6 Fazit
  • 5. Zusammenfassung: Direktionalität im Deutschen und im Polnischen
  • 5.2 Wesentliche Eigenheiten der deutschen und der polnischen Direktionalia
  • 5.2.1 Die grammatischen Satzarten im Deutschen und Polnischen
  • 5.2.2 Das finite Verb im Deutschen und Polnischen
  • 5.3 Die Spezifikation der Gerichtetheit im Deutschen und im Polnischen
  • 5.3.1 Direktionale Verben des Deutschen
  • 5.3.2 Direktionale Verben des Polnischen
  • 5.3.3 Differenzen in der Spezifikation der Gerichtetheit
  • 5.4 Überblick über die Vergleichsergebnisse
  • Literatur
  • Reihenübersicht

← 8 | 9 → 0 Einleitung

Gegenstand der vorgelegten Arbeit sind Direktionalität und die sprachlichen Mittel ihres Ausdrucks im Deutschen im Vergleich mit dem Polnischen. In den Gegenstandsbereich fallen damit Direktionaladverbien und Direktionalpartikeln sowie verbale Aggregationen mit ihnen. Der syntaktische Status der Direktionalia ist dank der hoch verdienstvollen Neuregelung der deutschen Graphie hinreichend destabilisiert.

Angesichts dessen setzt sich die Arbeit das minimalistische Ziel, die Direktionalia des Deutschen unter semantischem und syntaktischem Aspekt zu untersuchen und sie systematisch mit ihren funktionalen Entsprechungen des Polnischen zu vergleichen. Die Arbeit hebt also weder auf Sprachpragmatik, gender studies noch multikulturelle Aspekte ab.

Die unter die Kategorie der Direktionalität fallenden Direktionaladverbien des Deutschen können im Polnischen Entsprechungen in anderen Wortklassen haben. Deutschen Adverbien wie stadtwärts entsprechen daher im Polnischen Syntagmata wie w kierunku miasta. Zudem erfolgt im Polnischen die direktionale Spezifikation von Verben durch deren Präfigierung, wobei das Präfix in manchen Fällen dem Verb eine Position für eine weitere Ergänzung zueignet.

Materialbasis der durchgeführten Analyse bilden Exzerpte aus Pressetexten (»Der Spiegel«, »Geo«, »Geo lino«), aus online-Artikeln (»Spiegel online«, »Manager-Magazin«, »Geo-Saison«,»POLITYKA>PL«,) und aus W.Cejrowski, W. (2006). »Gringo wśród dzikich plemion«.

Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert:

Das e r s t e Kapitel soll einen Überblick über Adverbien insgesamt geben und den Forschungsstand in diesem Bereich überblicksweise darstellen. Ausgegangen wird dabei und dazu von einem Vergleich der Definitionen und Klassifikationen der Wortarten und der Wortbildung; darunter des Morphems, der Komposition und der Derivation. Dazu werden Definitionen des Adverbs sensu stricto in wissenschaftlich relevanten Grammatiken des Deutschen und des Polnischen kritisch betrachtet und zusammengefasst, u.a. der Status von als Adverbien geltenden Partikeln. Dazu werden die Adverbien beider Sprachen hinsichtlich ihrer Morphologie, ihres syntaktischen Potentials und ihrer semantischen Diversifikation referiert und konfrontiert, in genereller Scheidung von Partikeln jeder Art.

Das zweite Kapitel ist den Direktionaladverbien des Deutschen und des Polnischen als Forschungsgegenstand in Rekurs auf das im ersten Kapitel Zusammengestellte ← 9 | 10 → gewidmet. In ihm stelle ich die Syntax und Semantik der Direktionaladverbien beider Sprachen dar. Dazu gehe ich von einem näher bestimmten Begriff der Direktionalität aus, der Origo, Distanz und die Möglichkeit der Wahrnehmung, Situierung, Spezifikation der Richtung und Strukturierung des Raumes berücksichtigt.

Für das Deutsche stelle ich dazu einfache, zusammengesetzte und abgeleitete Direktionaladverbien samt ihrer Kurzformen sowie Direktionalpartikeln als Verbzusätze dar. Für das Polnische indessen beschränke ich mich auf die Morphologie, Syntax und Semantik direktionaler Adverbia und gehe gelegentlich auf die funktional-äquivalente Wiedergabe deutscher Direktionaladverbien und -partikeln im Polnischen ein. Abschließend vergleiche ich die Direktionaladverbien - und -partikeln - beider Sprachen auf den genannten Ebenen.

Das d r i t t e Kapitel enthält eine Analyse der Direktionalia beider Sprachen. Die analytisch zu klärenden Problemstellungen betreffen vor allem syntaktische Restriktionen, mehrfache direktionale Kennzeichnung, Positionen von Direktionalia im Satz und ihre Gestalt im Sinne ihrer morphosyntaktischen Repräsentation.

Das v i e r t e Kapitel ist der Analyse der Sätze mit mehreren Direktionalia gewidmet, denn angesichts der Substituierbarkeit eines Direktionaladverbs durch ein Syntagma kann die Analyse der Konstruktionen aus Verb und Adverb nur von deren syntaktischer Funktion ausgehen. Dazu gehe ich der graphemischen Inkorporation von Direktionaladverbien und -partikeln ins Verb hin. An ihr wird evident, dass die Bildungspotenz solcher Konstruktionen fast unbegrenzt ist. Gelegentlich beleuchte ich inkorporierende und die nichtinkorporierende graphemische Notation von Verb und Direktionaladverb. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Analyseergebnisse.

Im f ü n f t e n Kapitel stelle ich zunächst die Eigenschaften beider grammatischer Systeme dar, um dann auf Unterschiede einzugehen, die aus dem Wesen des Verbs resultieren. Abschließend wird die Dimension Direktionalität in den beiden untersuchten Sprachen verglichen. Für das Polnische werden dabei die Möglichkeiten der direktionalen Spezifikation mit bestimmten Präfixen dargestellt.

Den Abschluss der Arbeit bildet ein zusammenfassender Rückblick auf den ihr zugrunde gelegten theoretischen Ansatz, die Auswertung der Analyseergebnisse und der aus diesen direkt und indirekt abgeleiteten Schlussfolgerungen.

← 10 | 11 → 1 Die Adverbien des Deutschen und des Polnischen

1.2 Die Wortart Adverb

1.2.1 Zum Terminus Wortart

Die Klassifikation der Lexeme in Wortarten (lat. partes orationes) ist eins der kompliziertesten Probleme der Grammatik. Versuche, den Gesamtbestand an Wörtern bzw. Lexemen in Wortarten zu gliedern, beginnen bereits in der Antike. Ein Lexem ist nach Saloni / Świdziński (2007, 86) „ausschließlich eine Klasse von Wortformen mit identischen bzw. regelmäßig verschiedenen Möglichkeiten des Bezugs auf die Wirklichkeit“ [Übers. - E.K.]. Glück (ed.) (2010, 396) definiert das Lexem als „eine abstrakte Basiseinheit des Lexikons, die im Sprachsystem die Menge der Wortformen eines Wortes repräsentiert“. Wegen der uneinheitlichen Gliederungsaspekte ergeben sich so zum einen willkürliche Zuordnungen und zum anderen Abgrenzungsprobleme. Ein einheitlicher Begriff der Wortart fehlt daher. Glück (ed.) (2010, 768) bezeichnet Wortart als „aus der Klassifizierung des Wortschatzes nach grammatischen Gesichtspunkten hervorgegangene G r u p p e n von Wörtern, die über (weitgehend) gleichartige grammatische Eigenschaften verfügen“. Bußmann (2002, 750) versteht sie als „Ergebnis der Klassifizierung der Wörter einer Sprache nach Form und Bedeutungsmerkmalen“. Für Berkenholtz / Schaeder (1977, 57) sind Wortarten „Klassen von Wörtern als Einheiten des s p r a c h l i c h e n V e r l a u f s . Mithilfe einer primär-induktiven Methode gewonnen, sind sie syntaktisch definiert und stellen eine grammatische Kategorie dar“. Die vorhandenen Definitionen der Wortarten insgesamt sind nach drei Verfahren unterscheidbar: das morphologisch-monistische (Engel et al. 1999, 20), semantische-monistische (bei Hempel 1954) und syntaktischmonistische (Eisenberg, 2006, 35; Helbig / Buscha 2005, 19; Engel 2004, 14). Darüber hinaus liegen der Taxonomie der Wortarten auch nicht-monistische morpho-syntaktische (Eisenberg 2006, 133, IDS-Grammatik) und semanto-syntaktische (Helbig 1983, 127) Verfahren zu Grunde. Nach den semantischen Vefahren der Wortarten werden Wortarten nach ihren begrifflichkategorialen Merkmalen bestimmt und so autosemantische und synsemantische Wortarten unterschieden. Diese Klassifikation ist außerstande, alle Lexeme des deutschen Lexikons zu erfassen, weil sie im Grunde nur Autosemantika in ihrem Skopus hat.

← 11 | 12 → In den morphologischen Definitionen der Wortklassen werden die Lexeme nach ihrer Flektierbarkeit bzw. nach ihrem flexematischen Status klassifiziert. Gemäß diesem Kriterium sind Lexeme allerdings allein dichotomisch in Flektiva und Inflektiva scheidbar. Beschränkt man sich auf eine solche rein formorientierte Taxonomie, sind sowohl die Flektiva als auch die Inflektiva nicht weiter subklassifizierbar. Die syntaktisch orientierten Klassifikationen indessen folgen den Distributionskriterien der Kookurrenz und der Aggregation. Dabei wird unter Distribution „die regelgeleitete Umgebung eines Wortes verstanden“ (Engel et al. 1999, 20). Für Glück (2010, 159) ist die Untersuchung der Distribution sprachlicher Elemente in Abhängigkeit von der jeweiligen syntagmatischen Umgebung zentral. Dabei werden die Wortarten allerdings auch anhand der nicht allein syntaktisch bestimmbaren Funktionen des Subjekts, Prädikats usw. ermittelt.

Es sind außer den genannten monistischen und kombinatorischen Taxonomien noch solche zu erwähnen, die nicht grammatisch auf der Ebene des Satzes, sondern pragmatisch auf der Ebene der Äußerung und damit des Sprachgebrauchs operieren.

Eine exhaustive taxonomische Zuordnung der Lexeme des Deutschen wie auch des Polnischen verlangt m.E. die Berücksichtigung der derivations- und flexionsmorphologischen, distributionssyntaktischen, funktionalsyntaktischen und semantischen Eigenschaften jedes Lexems, um unter diesen seine taxonomisch kriterialen Eigenschaft(en) zu ermitteln und als Definiens festzulegen.

Für die hinreichende Bestimmung der Direktionalia des Deutschen und des Polnischen als Gegenstand dieser Arbeit werde ich zunächst die Klasse der Adverbien nach den im voranstehenden Abschnitt genannten Kriterien zu definieren haben. Diese Definition ist zugleich notwendige Voraussetzung für die Ausgrenzung der Subklasse direktionaler Adverbien aus der Klasse der Adverbien.

1.2.2 Zum Terminus Wortbildung

Die Wortbildung wird als „die regelhafte Erzeugung von Wörtern aus vorhandenem sprachlichen Material“ definiert (HSK Lexikologie 2005, 1664). Donalies (2007, 3) nennt Wortbildung „ein Verfahren zur Versprachlichung von Begriffen“. Wortbildungslehre ist dagegen derjenige Teil der Grammatik, der die Wortbildung neuer Wörter unter wissenschaftlichen oder praktischen Gesichtspunkten darstellt“ (Erben 1983, 15). Oft werden Augenblicksbildungen verwendet, die weder lexikographisch erfasst noch im ethnolektalen Lexikon verankert sind. Nur wenige solcher Neubildungen finden ihren festen Platz in der Sprache, d.h. werden lexikalisiert. Normsprachlich werden dabei nur „Erscheinungen, die isolierte Tatsachen wurden“ (Markowski 2005, 25). Und umgekehrt: wenn ein Lexem, ← 12 | 13 → eine Wortform, eine syntaktische Fügung oder ein Phraseologismus “eine bedeutende Stufe der Veröffentlichung erreichen, können sie mit der Zeit zu Norm werden“ (Markowski 2005, 27). Eine weitere Möglichkeit der Wortschatzerweiterung ist die Entlehnung, die sowohl im Deutschen als auch im Polnischen von Bedeutung ist. Außerdem kann der Wortschatz durch Bedeutungsveränderung erweitert werden. Die Wortbildung umfasst auch die Bildung von Wörtern aus Sprachmaterial, das innerhalb einer Sprache vorhanden ist (vgl. Markowski 2005, 25; Donalies 2007, 4), was dieses Verfahren von der Entlehnung unterscheidet, bei der das Sprachmaterial aus einer Herkunftssprache in eine Zielsprache übernommen wird. Markowski (2005, 162) nennt noch Bildung neuer Phraseologismen und die Umbenennung von Wörtern und Phraseologismen als Verfahren, das Lexikon einer Sprache zu bereichern. Der Kern des der Wortbildung Eigenen ist in den Techniken der Komposition und der Derivation zu finden. Die Grenze zwischen Wortbildung und Flexion ist teils fließend, so dass deren Abgrenzung sowohl semantisch als auch syntaktisch zu ermitteln ist. Als Übergangserscheinung wird die Komparation der Adjektive und adverbial verwendeten Adjektive analysiert. Der Unterschied besteht in ihrer syntaktischen Funktion, wobei die Bedeutung dieselbe ist (eine gute Arbeit vs. er arbeitet gut). Komparation wird traditionell als Flexion behandelt. Fleischer / Barz (2007, 4) betonen die Zusammenwirkung von Wortbildung und Flexion, da „die Flexionsmorpheme die Wortart eines ambivalenten Wortbildungsstammes indizieren“ und „aus Flexionsmorphemen können sich Wortbildungsmorpheme entwickeln, vgl. z.B. das adverbbildende -s (Fleischer / Barz 2007, 4). Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Wortbildung und Flexion können dann auftreten, wenn in Flexion und Wortbildung grammatische bzw. semantische Funktionen koinzidieren. Man kann gerade am Adjektivadverb sehen, dass flexivische Möglichkeiten in die Wortbildung eingehen. Die Abgrenzung der Morphologie von der Lexik ist eine Frage der Abgrenzung dessen, was regelrecht und aufgrund der bestehenden morphologischen Regeln projizierbar ist, vom nicht Regelhaften und Individuellen. Oft weist ein Wort sowohl regelbedingte als auch individuelle Merkmale auf. Die Wortbildung operiert allein im Lexikon, auch im Falle textnotwendiger Ad-hoc-Bildungen. Die Flexion indessen operiert im Rahmen der Syntax, indem sie die in dem gegebenen Satz eingehenden Lexeme morphosyntaktisch adaptiert. Deshalb fällt u.a. die Bildung der Komparationsformen des Adjektivs nicht in den Bereich der Syntax, sondern in den der Wortbildung, auch wenn das Erscheinen eines Komparativs in einer bestimmten syntaktischen Position notwendig ist und gegebenenfalls syntaktische Konsequenzen hat. Dass statt der gegebenen Komparationsform die gegebene syntaktische Position kein Positiv oder Komparativ erfüllen kann, ist dabei unerheblich, denn diese Erfüllungsbedingung ist semantisch bedingt, d.h. sie ist eine Frage der Bildung von Sätzen, die ← 13 | 14 → als sinnvolle Äußerungen gelten können. In der Wortbildung ist vor allem der Unterschied zwischen der Bedeutung von Einzellexemen und der Bedeutung abgeleiteter wie auch zusammengesetzter lexikalischer Einheiten wichtig. „Das Problem des Lexikons ist auch das, mit welchem Wortbildungsmorphem eine bestimmte Wortbildungsfunktion realisiert wird“ (Grzegorczykowa et al. 1984, 13 – Übers. EK). So hat etwa die Möglichkeit, mit dem Suffix -wärts Direktionaladverbien abzuleiten, im deutschen Lexikon regelhaften Charakter. Die eindeutige Unterscheidung syntaktischer und morphologischer Erscheinungen ist daher problematisch, denn dieselbe semantosyntaktische Funktion kann nicht selten sowohl von einer analytischen als auch von einer synthetischen Form erfüllt werden.

Details

Seiten
157
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653041002
ISBN (ePUB)
9783653989328
ISBN (MOBI)
9783653989311
ISBN (Hardcover)
9783631649657
DOI
10.3726/978-3-653-04100-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
Adverbien Direktionalia Konstruktionen aus Verb und Adverb Direktionalität synsemantische Direktionaladverbien
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 157 S., 4 Tab.

Biographische Angaben

Elzbieta Kazimierska (Autor:in)

Elżbieta Kazimierska, Studium der Germanistik und sprachwissenschaftliche Promotion an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań. Jahrelange Tätigkeit als Deutschlehrerin in Kołobrzeg.

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