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Joseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und existentielle Theologie

Ekklesiologische Grundlinien unter dem Anspruch von "Lumen gentium"

von Maximilian Heinrich Heim (Autor:in)
©2014 Dissertation 526 Seiten

Zusammenfassung

Mit der Wahl Papst Benedikts XVI. trat dessen Theologie in den Fokus ekklesiologischer Aufmerksamkeit. Dadurch erfuhr auch diese Arbeit neuerliche Beachtung. Noch im Jahr 2005 konnte eine 2., korrigierte und ergänzte Auflage im vierfachen Volumen der Erstausgabe erscheinen; bereits zwei Jahre später legte Ignatius Press unter dem Titel Joseph Ratzinger – Life in the Church and Living Theology eine anglo-amerikanische Übersetzung vor. Mehrfach ausgezeichnet – mit dem Kardinal-Innitzer-Förderungspreis in Wien und dem Johann-Kaspar-Zeuß-Preis in Kronach – durfte der Autor 2011 im Vatikan aus den Händen von Papst Benedikt XVI. als erster deutschsprachiger Theologe den Premio Joseph Ratzinger entgegennehmen. Im Vorwort zur 3. Auflage seiner Monographie ergänzt der Autor den Zugang zur Ekklesiologie Joseph Ratzingers um dessen Brückenschläge zur politischen und sozialen Realität der Moderne. Diesen Dialog nachzuzeichnen ist ein Desiderat, um den missionarischen Auftrag der Kirche offenzulegen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Geleitwort von Joseph Card. Ratzinger
  • Vorworte
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Erster Teil: Das Selbstverständnis der Kirche Nach Lumen Gentium
  • I. Abschnitt: Lumen gentium im Spannungsfeld von Tradition und Innovation
  • Erstes Kapitel: Das Thema „Kirche“ im dogmatisch-pastoralen Interesse des Konzils
  • § 1 Kirche in der Zeit des Übergangs
  • § 2 Die pastorale Zielsetzung des „aggiornamento“ in Spannung zur lehrhaften Absicht des Konzils
  • Zweites Kapitel: Vom Schema De Ecclesia zur dogmatischen Konstitution Lumen gentium
  • § 1 Zur Dynamik des Konzils
  • § 2 Das „Neue“ an Lumen gentium
  • 1. Verlebendigung der gesamten Tradition der Kirche
  • 2. Lumen gentium als „Werk des Konzils“
  • II. Abschnitt: Leitgedanken von Lumen gentium
  • Erstes Kapitel: Das Mysterium der Kirche
  • § 1 Der Begriff „Mysterium“
  • § 2 „Mysterium“ – die angefochtene Generalperspektive
  • § 3 Die Einzelperspektiven: „Christus – Kirche“, „Sakrament“ und „Einheit“
  • 1. Christus – Kirche
  • a. Zur Unterscheidung zwischen Christus und der Kirche
  • b. Kirche als Werk der trinitarischen Heilsökonomie
  • c. Die Kirche – Keim und Anfang für das Reich Christi
  • d. Biblische Metaphern für die Kirche mit christologischem Bezug
  • 2. Die Kirche als Sakrament
  • a. „Veluti sacramentum“
  • b. Eine einzige komplexe Wirklichkeit
  • c. „Universales Heilssakrament“
  • d. Die Kirche als sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi
  • 3. Die Einheit der Kirche
  • a. Sakramentale Struktur als Zeichen und Werkzeug der communio
  • b. Trinitarische communio als Ursprung und Ziel der kirchlichen communio
  • c. Kirche als Geheimnis der trinitarischen communio
  • 4. Exkurs 1: „Una sancta catholica ecclesia“ – Die Frage der Subsistenz
  • 5. Exkurs 2: Communio als participatio im Leiden
  • Zweites Kapitel: Das Volk Gottes
  • § 1 Von einer Randerscheinung zum Zentralbegriff
  • § 2 Volk Gottes in heilsgeschichtlicher Kontinuität
  • 1. Erwählung und Bildung der Heilsgemeinde
  • 2. Kirche in Kontinuität zum alttestamentlichen Gottesvolk und als qualitatives Novum
  • 3. Zur sakramental-pneumatischen Grundlegung des neuen Gottesvolkes
  • § 3 Die Teilhabe des Gottesvolkes an der priesterlichen, prophetischen und königlichen Sendung Christi
  • 1. Das gemeinsame Priestertum aller Getauften
  • 2. Zur Unterscheidung zwischen dem gemeinsamen Priestertum und dem Priestertum des Dienstes „dem Wesen nach“
  • 3. Der Vollzug des gemeinsamen Priestertums in den Sakramenten und im Tugendleben
  • 4. Der prophetische Dienst des Gottesvolkes
  • a. Der übernatürliche Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes
  • b. Die diakonale Ausrichtung der Charismen zum Aufbau des Gottesvolkes
  • 5. Der königliche Dienst im Volk Gottes
  • a. Die Würde der Freiheit aufgrund der Gotteskindschaft
  • b. Verantwortung vor Gott als Schöpfungsund Weltverantwortung
  • § 4 Die Laien in der Kirche
  • § 5 Die Berufung zur Heiligkeit
  • § 6 Die Ordensleute
  • § 7 Maria im Geheimnis Christi und der Kirche
  • 1. Marias Aufgabe in der Heilsökonomie
  • 2. Maria – Typus für die Kirche
  • 3. Die Verehrung Mariens in der Kirche
  • § 8 Exkurs: Katholizität des Gottesvolkes und Ökumene
  • 1. Das eine Volk Gottes aus den vielen Völkern
  • 2. Das Verbundensein mit der Kirche in unterschiedlicher Zuordnung
  • 3. Eschatologischer Charakter der Kirche und Ökumene
  • 4. Resümee
  • Drittes Kapitel: Die hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt
  • § 1 Prämissen für das 3. Kapitel von Lumen gentium
  • 1. Gesellschaftlich sichtbare Verfasstheit der Kirche auf dem Fundament der Kirche als Mysterium und Volk Gottes
  • 2. Fortsetzung der Thematik des 1. Vatikanischen Konzils
  • § 2 Hauptthemen des 3. Kapitels von Lumen gentium
  • 1. Existenz und Aufgabe des Bischofskollegiums
  • a. Das Kollegium der Bischöfe in Sukzession zum Apostelkollegium
  • b. Das Verhältnis von Bischofskollegium und Petrusamt
  • c. Die gegenseitige Beziehung der Bischöfe im Kollegium
  • 2. Die Sakramentalität der Bischofsweihe
  • a. Sakramentales Verständnis des Bischofsamtes als „Fülle des Weihesakramentes“
  • b. Unterscheidung von „Amt“ (munus) und „Vollmacht“ (potestas)
  • 3. Die Verwobenheit der drei munera des Bischofs und ihre Verwurzelung in der sakramentalen Weihe
  • a. Das Amt der Verkündigung
  • b. Das Amt der Heiligung
  • c. Das Amt der Leitung
  • § 3 Die „erklärende Note“ zum Kirchenschema
  • 1. Historische Perspektive
  • 2. Inhaltliche Kernpunkte der nota praevia
  • § 4 Priester und Diakone
  • 1. Priester und Presbyterium
  • a. „Stiefkinder des Konzils“
  • b. Teilhabe an der Weihe und an der dreifachen Sendung Christi
  • c. Ein einziges Presbyterium in Einheit mit dem Bischof
  • 2. Der ständige Diakonat
  • § 5 Rückblick – Kirche als „komplexe Wirklichkeit“
  • Zweiter Teil: Oseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und Existentielle Theologie
  • I. Abschnitt: Umrisse des ekklesiologischen Entwurfes in der Perspektive biographischer Notizen
  • Erstes Kapitel: Vom privaten Ich zum ekklesialen Ich
  • § 1 Kirche als Ort des Glaubens
  • § 2 Das Credo der Kirche als Ganzheit des Lebensentwurfes
  • Zweites Kapitel: Der Weg des Theologen Joseph Ratzinger
  • § 1 Leben im Licht des Ostergeheimnisses
  • § 2 Der Weg zur Professur
  • 1. Auf den Spuren der Väter
  • 2. Die Habilitation über die Geschichtstheologie Bonaventuras
  • § 3 Theologischer Berater von Kardinal Frings
  • § 4 Konzilstheologe (Peritus) – von der Euphorie zur nüchternen Skepsis
  • § 5 Universitätsprofessor in Münster, Tübingen und Regensburg
  • 1. Geteilt zwischen Münster und Rom
  • 2. In Tübingen – der dramatische Umbruch von 1968
  • 3. In Regensburg – fruchtbare Zusammenarbeit und Trennung von „Concilium“
  • a. Berufung in die Internationale Theologenkommission
  • b. Gründung der „Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio“
  • c. Bruch mit der Zeitschrift „Concilium“ – Gegen die Soziologisierung der Wahrheit
  • Drittes Kapitel: Konsistenz im theologischen Denken Ratzingerstrotz Veränderung der Perspektive?
  • § 1 Das Konzil – „der Anfang des Anfangs“?
  • § 2 Verrat an den früheren eigenen Positionen?
  • § 3 Korrekturen durch Veränderung der Perspektive
  • § 4 Erneuerung der Kirche in der Sicht Ratzingers
  • § 5 Zur Diskussion um den Begriff „Restauration“
  • Viertes Kapitel: Erzbischof und Kardinal
  • § 1 Erzbischof von München und Freising:„Cooperatores veritatis“
  • 1. Konsolidierung durch das Wort Gottes
  • 2. Kritik an Fehlentwicklungen und die Suche nach Dialog
  • § 2 Präfekt der römischen Kongregation für die Glaubenslehre
  • 1. Theologischer Lehrer: der Wahrheit verpflichtet
  • 2. Das Amt des Präfekten: Dienst an der Einheit des Glaubens
  • a. Katechese und Katechismus
  • b. Zur Auseinandersetzung mit der „Theologie der Befreiung“
  • c. Die Auseinandersetzung mit dem Traditionalismus
  • d. Ökumene: nüchterner Realismus
  • II. Abschnitt: Längsschnitte durch die Ekklesiologie Ratzingers
  • Erstes Kapitel: Die Kirche – Glaubenszeichen und Glaubensgeheimnis
  • § 1 Die Rezeption von ekklesiologischen Neuansätzen der Aufbruchsbewegungen
  • 1. Die Dynamik des Ganzen als Form für das Eigene
  • 2. Nicht eine funktionale, sondern eine sakramentale Perspektive der Ecclesia
  • 3. Das semitische Verständnis von σωμα Χριστου als Brücke zwischen christologischer und pneumatologischer Ekklesiologie
  • § 2 „Leib Christi“ als Schlüssel zur Ekklesiologie von Lumen Gentium
  • 1. Die patristische Auslegung von Corpus Christi als Ausgangspunkt
  • a. Die Kirche als wahrer Leib Christi
  • b. Die Caritas als Folge der Einheit
  • 2. Die paulinische Lehre von der Kirche als Leib Christi: Christologisches und pneumatologisches Kirchenverständnis
  • a. Nicht Organisation, sondern Organismus des Heiligen Geistes
  • b. Das paulinische Motiv der Brautschaft
  • c. Geistgewirkte Einheit als Zielrichtung aller Gaben
  • 3. Konsequenzen aus der Leib-Christi-Lehre für die Ekklesiologie
  • a. Die Frage der Identifikation mit der Kirche
  • b. Wurzeln der gegenwärtigen Krise der Kirche
  • c. Identitätskrise der Kirche als ekklesiologisch verschlüsselte Gotteskrise
  • d. Kirche Jesu Christi, nicht der Menschen
  • § 3 Eucharistische Ekklesiologie
  • 1. Das Letzte Abendmahl als Akt der Kirchengründung
  • 2. Eucharistiegemeinschaften als Verwirklichung von Kirche
  • a. Rechtmäßigkeit als Verbundenheit mit den Hirten
  • b. Der Vollzug des Ganzen der Kirche in jeder Eucharistiefeier
  • 3. Die Konstituierung der Kirche als Leib Christi durch die Eucharistie
  • § 4 Die Kirche als Communio-Einheit
  • 1. Zum Verständnis des Begriffs „communio“
  • a. Die profanen Wurzeln – Zur Semantik von „κοινωνια“
  • b. Trinitarische communio als Wesensmerkmal der Kirche
  • 2. Folgerungen aus der Communio-Ekklesiologie
  • a. Kirchliche communio als Antwort auf die Zerrissenheit durch den Individualismus
  • b. Communio als gottesdienstliche Gemeinschaft
  • c. Der Inhalt der Einheit: „Die Lehre der Apostel“
  • d. Kirche als communio: offen für die Welt
  • 3. Communio und Kirchengliedschaft
  • a. Drei „geschichtliche Ringe“ des Leib-Christi-Verständnisses im Verhältnis zur Kirchengliedschaft
  • b. Die Zugehörigkeit zur Kirche
  • c. Der Plural „Kirchen“ und die eine Kirche Jesu Christi
  • 4. Die Frage der Subsistenz
  • a. Die Differenz zwischen „subsistit“ und „est“
  • b. Die subsistit-Formel als Gegensatz zum ekklesiologischen Relativismus
  • c. Subsistenz und Wahrheitsfrage
  • Zweites Kapitel: Kirche als Volk Gottes
  • § 1 Das Bild „Volk Gottes“ als Korrektur des Leib-Christi-Gedankens
  • 1. Zur ökomenischen Bedeutung des Verständnisses der Kirche als „wanderndes Gottesvolk“
  • 2. Innere Kontinuität der Heilsgeschichte durch das eine Volk Gottes
  • 3. Der eschatologische Charakter der pilgernden Kirche
  • § 2 Die biblische Wurzel qƗhƗl und die Selbstbezeichnung der Kirche als Hnnokvld
  • 1. (Nnokvld als Volksversammlung
  • 2. Jesus Christus als sakramentale Mitte des Volkes Gottes
  • § 3 Jesus Christus als Ursprung und Ziel der Kirche
  • 1. Verkündigung des Reiches Gottes als eschatologische Sammlung und Reinigung
  • 2. Jesus Christus als Stammvater des neuen Gottesvolkes
  • a. „Familie Gottes“ als bevorzugtes Bild Jesu
  • b. Jesus „machte Zwölf“ (Mk 3,13f.)
  • c. Jesus als Stammvater des neuen Israel
  • § 4 Die ontologische Priorität der Gesamtkirche
  • 1. Gesamtkirche, nicht Addition von Kirchen
  • a. Zur Gefahr der fortschreitenden Horizontalisierung
  • b. Der Vorwurf des römischen Zentralismus
  • 2. Die innere Vorherbestimmung der Schöpfung auf die Kirche
  • a. Die Bedeutung der Präexistenz der Thora und Israels für das Verständnis der Ecclesia
  • b. Zur christologischen Vertiefung des Bildes vom präexistenten Gottesvolk
  • 3. Zur ontologischen Vorgängigkeit der Gesamtkirche vor den konkreten empirischen Verwirklichungen
  • a. Der Ansatz im Neuen Testament
  • b. Argumente für eine ontologische Priorität der Gesamtkirche vor den Ortskirchen in Lumen gentium
  • § 5 Zur Kritik des soziologischen Missverständnisses von „Volk Gottes“
  • 1. Die Transformation des Volk-Gottes-Begriffs ins Politische
  • 2. Relativismus als Voraussetzung der Demokratie?
  • 3. Zur Problematik des Mehrheitsprinzips
  • § 6 Die gemeinsame Berufung zur Heiligkeit
  • 1. Vermehrung von Glaube, Hoffnung und Liebe als Ziel konziliarer Ekklesiologie
  • 2. Zur Bedeutung der mariologischen Aussagen
  • a. Die Stellungnahme Ratzingers während des Konzils
  • b. Spätere komplementäre Aussagen Ratzingers
  • 3. „Schwarz bin ich und schön“
  • a. Ecclesia peccatrix?
  • b. Das Wesen wahrer Reform
  • c. Moral, Vergebung und Sühne – personale Mitte der Reform
  • Drittes Kapitel: Die hierarchische Verfassung der Kirche unter besonderer Berücksichtigung der bischöflichen Kollegialität
  • § 1 Die kollegiale Idee als ökumenisches Paradigma
  • 1. Einheit durch Vielfalt
  • 2. Ratzingers Kritik am neuen Paradigma der Priorität der Praxis
  • § 2 Hierarchie als heiliger Ursprung
  • 1. Die Vergegenwärtigung eines Anfangs
  • 2. Zum sakramentalen Grund der bischöflichen Kollegialität
  • § 3 Kollegialität und Primat
  • 1. Dogmatische Grundlagen der Kollegialität
  • a. Die „Kollegialität“ der Apostel
  • b. Der kollegiale Charakter des geistlichen Amtes in der alten Kirche
  • c. Die Kollegialität der Bischöfe und der Primat des Papstes
  • 2. Pastorale Implikationen aus der bischöflich-kollegialen Struktur
  • a. Kollegialität als Ausdruck der Wir-Struktur des Glaubens
  • b. Die Zeugnisstruktur des Amtes
  • c. Einheit in der Vielheit als Strukturfrage der Kirche
  • § 4 Aspekte während des Konzils in Spannung zur späteren Perspektive
  • 1. Der „Schatten“ der „Nota explicativa praevia“
  • 2. Konkrete Formen bischöflicher Kollegialität in unterschiedlicher Interpretation
  • a. Entflechtung der drei päpstlichen Ämter – Das Ganze der Kirche in seiner universalen Dimension
  • b. „Patriarchale Räume“ – Zum theologischen Status der Bischofskonferenzen
  • c. Der „Bischofsrat“ (Bischofssynode) als Congubernium – Die Undelegierbarkeit des gesamtkirchlichen Auftrages
  • 3. Kritische Bilanz
  • Dritter Teil: Zusammenschau und Resümee
  • 1. Grundlinien der Ekklesiologie von Lumen gentium und von Ratzinger im Vergleich
  • a. Vorbemerkung: Zum Kompromisscharakter der Konzilstexte
  • b. Vergleich unter dem Aspekt „Mysterium“
  • c. Vergleich unter dem Aspekt „Volk Gottes“
  • d. Vergleich unter dem Aspekt „Kollegialität“
  • 2. Ratzingers Ekklesiologie auf dem Hintergrund geistesgeschichtlicher Problemstellungen
  • a. Das Paradigma des historischen Denkens
  • b. Rückbesinnung auf die Vätertheologie
  • c. Ökumenische Perspektive
  • 3. Liturgie als Topos theologischer Ekklesiologie
  • a. Liturgie unter dem Anspruch der „Seinsgemäßheit“
  • b. Liturgie als Ausdruck des „Universalen“
  • c. Liturgie als actio des Ganz-Anderen
  • Abkürzungen
  • 1. Sigel für Quellen des Zweiten Vatikanischen Konzils
  • 2. Abkürzungen weiterer kirchenamtlicher Dokumente
  • 3. Kurztitel der mehrfach herangezogenen Beiträge Ratzingers in alphabetischer Reihenfolge
  • 4. Sonstige Abkürzungen
  • Quellenund Literaturverzeichnis
  • I. Kirchliche Dokumente und Quellen
  • 1. Konzilien
  • 2. Päpstliche Verlautbarungen in chronologischer Reihenfolge
  • 3. Kirchenamtliche Texte in chronologischer Reihenfolge
  • II. Werke Joseph Ratzingers
  • 1. Selbständige Veröffentlichungen in chronologischer Reihenfolge
  • 2. Unselbständige Veröffentlichungen in chronologischer Reihenfolge
  • a. Aufsätze, Interviews, Briefe
  • b. Einführungen, Vorund Nachworte in chronologischer Reihenfolge
  • III. Sekundärliteratur zum II. Vatikanum
  • IV. Sekundärliteratur zu Joseph Ratzinger
  • V. Weitere Literatur
  • Personenverzeichnis
  • Reihenübersicht

← 24 | 25 → Einleitung

„Wir können nicht zurück ins Vergangene und das wollen wir auch nicht. Aber wir müssen zu neuer Besinnung bereit sein auf das, was im Wechsel der Zeiten das wahrhaft Tragende ist. Das unbeirrbar zu suchen und die Narrheit des Wahren heiteren Herzens ohne Abstriche zu wagen, scheint mir die Aufgabe für heute und morgen“1.

Joseph Ratzinger gilt für die einen als ein Vertreter einer „zu Stein gewordenen Theologie“2, für andere3 dagegen als eine Stimme, die sich dem Anspruch von Wahrheit stellt und die das „Ganze in seiner Tiefendimension“4 vernehmbar macht. Diese Arbeit stellt ihn – inmitten des Spannungsfeldes der gegenwärtigen innerkirchlichen Auseinandersetzungen um das Erbe des Zweiten Vatikanums – als Ekklesiologen ins Zentrum der Ausführungen, indem sie seine Aussagen über die Kirche als zentralen Aspekt einer existentiellen Theologie darlegt. Weil bei Ratzinger Theologie und kirchliches Leben in besonderer Weise zu einer Einheit verschmolzen sind, lässt sich sein theologisches Denken als „existentiell“ charakterisieren, ohne es damit auch schon dem Bereich des bloß Subjektiven zuzuordnen. Ratzinger geht es nämlich um eine Theologie, die nicht aus einem privaten Sein, sondern aus einer Existenz hervorgeht, die sich selbst der Kirche überantwortet hat,5 um eine „Theologie des ex-sistere, jenes Exodus des Menschen von sich selber fort, durch den allein er zu sich selber finden kann“6, und damit um eine Theologie, die in der Kirche und durch die Kirche Gott als die ihr vorgegebene Mitte sucht. Ihre Aufgabe besteht folglich darin, „das ← 25 | 26 → Irdische und das Menschliche auf die eigentlich tragende Realität, das durch Christus im Heiligen Geist sich erschließende Göttliche, hin transparent zu halten“7.

An diesem Verständnis von Theologie wird deutlich, dass das Denken Ratzingers gemäß der Tradition der Väter nicht von einem Gegensatz8 zwischen der Heilsgeschichte und ihrer ontologischen Erschließung bestimmt ist9, sondern von einem Zueinander, das stets am „Prae des Handelns Gottes“10 festhält. Das heißt, dass der „Glaube an eine actio Dei allen anderen Aussagen vorausgeht“, denn für Gott ist

„gerade das Bezogensein und Handeln wesentlich; Schöpfung und Offenbarung sind die beiden Grundaussagen über ihn, und wenn Offenbarung sich in Auferstehung vollendet, so bestätigt sich noch einmal, dass er nicht einfach der Zeitlose, sondern der Zeitmächtige ist, dessen Sein uns nicht anders als in seinem Handeln zugänglich wird.“11

Diesen „Primat Gottes“12 zu verteidigen bedingt jedoch – wie Dorothee Kaes ausführt – eine Entwicklung der Theologie Ratzingers von einem ursprünglich stärker heilsgeschichtlich13 ausgerichteten hin zu einem mehr metaphysisch ← 26 | 27 → geprägten Denken14 und zwar als Antwort auf die jeweiligen geistigen Auseinandersetzungen der Zeit15.

Da meine Arbeit über die Ekklesiologie Ratzingers im Kontext der nachkonziliaren Entwicklungen der Kirche angesiedelt ist, stellte sich für mich die Frage nach einer adäquaten Rezeption jenes Kirchenbildes, das das Zweite Vatikanische Konzil entworfen hatte. In dieser Perspektive ist Ratzinger nicht nur ein Zeitzeuge, sondern ein Theologe, der, wie Thomas Weiler16 nachzuweisen versuchte, selbst Einfluss auf die Ekklesiologie des Konzils nehmen konnte. Auch wenn es mir fern liegt, den Ansatz Weilers einfach umzukehren und zu behaupten, dass das Konzil den Theologen Ratzinger beeinflusst habe, so ist doch unbestreitbar, dass es hier eine Wechselwirkung gegeben hat17 und Ratzinger folglich nicht nur als Kenner und Mitgestalter der konziliaren Ekklesiologie, sondern zugleich auch als einer ihrer entschiedensten Verteidiger und als ein sie fortschreibender und konkretisierender Interpret verstanden werden muss.

Für die Entfaltung meiner Thematik ergeben sich somit zwei Fragenkomplexe, nämlich erstens der nach dem Selbstverständnis der Kirche in Lumen gentium und zweitens jener nach der kirchlichen Existenz Ratzingers und den von ihr her geprägten Grundlinien seiner Ekklesiologie. Dem ersten Teil der Arbeit über Lumen gentium kommt dabei die Aufgabe zu, den konzeptionellen Bezugsrahmen für die Erörterung des ekklesiologischen Entwurfes Ratzingers im zweiten Teil zu erstellen, wobei die im Aufbau von Lumen gentium vorgegebenen Grundlinien Mysterium, Volk Gottes und Kollegialität als Hauptkoordinaten der systematischen Entfaltung dienen. Sie habe ich auch als Leitlinien für die Darlegung der Ekklesiologie Ratzingers gewählt, weil er sie selbst unter den Anspruch der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils stellt18. Allerdings geht es in diesem zweiten Teil nicht um einen minutiösen Vergleich mit Lumen gentium, sondern darum, die ekklesiologischen Hauptthemen der Kirchenkonstitution im Werk Ratzingers aufzuzeigen, Übereinstimmungen wie Modifikationen oder Differenzen darzulegen und zugleich dort, wo es angebracht ist, auf Veränderungen in Ratzingers Ansatz hinzuweisen. Dabei wird die ← 27 | 28 → Frage, wie und wann Ratzinger die Ambiguitäten19 in Lumen gentium artikuliert, als Indikator für das Vorliegen eines Perspektivenwandels dienen. Aus diesem Grund ist es notwendig, in unseren Ausführungen dem geschichtlichen Moment eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dies geschieht einerseits, indem ich sowohl für Lumen gentium als auch für Ratzinger die zentralen Stationen der Entwicklung skizziere, und andererseits durch die ausdrückliche Berücksichtigung des historischen Kontextes an den Angelpunkten der systematischen Entfaltung. Dabei lasse ich mich von der folgenden Anregung Weilers leiten:

„Eine ausführliche Studie über das nachkonziliare ekklesiologische Schrifttum Ratzingers müsste freilich untersuchen, welche Gedanken Ratzingers unverändert geblieben sind und wo sich evtl. ein Wandel feststellen lässt. Warum geschah das? Und hinsichtlich der gleichbleibenden Ideen wäre zu fragen: Erhalten diese, indem sie in einen neuen zeit- und theologiegeschichtlichen Kontext eingebracht werden, nicht doch in gewisser Weise einen anderen Stellenwert? Und schließlich: Entspricht das Gleichbleiben der Gedanken Ratzingers wirklich in allem dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das ja ... auch in den Augen Ratzingers ‚nur das Formulieren eines Auftrags’ ..., d. h. der Beginn eines Aufbruchs war, dessen Verwirklichung noch ausstand (und aussteht)?“20

Bevor ich den Aufbau und die Gliederung meiner Untersuchung im Einzelnen skizziere, ist noch die Frage zu klären, warum ich für meine Erörterung der Ekklesiologie Ratzingers Lumen gentium und nicht Gaudium et spes als Bezugsrahmen aufgreife, obwohl meines Erachtens auch Letzteres durchaus möglich und sinnvoll wäre21. Die Antwort ist eine zweifache: Erstens versuche ich die Kirche ← 28 | 29 → – Ratzinger gemäß – von ihrem inneren Wesen her zu beleuchten. Dafür bot sich Lumen gentium als Bezugstext an. Zudem führen – so Wolfgang Beinert – die „übrigen 15 Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen“ auf dieses Konzilsdokument hin „oder leiten sich von ihm ab“22. Der zweite Grund für meine Entscheidung ist dem ersten verwandt: Er lässt sich mit einer programmatischen Standortbestimmung Ratzingers aus dem Jahr 1975 prägnant formulieren:

„Eine Auslegung des Konzils, die dessen dogmatische Texte nur als Präludium eines noch unfertigen Konzilsgeistes versteht, das Ganze lediglich als Weg zu ‚Gaudium et spes’ ansieht und diesen Text wieder nur als Auftakt einer gradlinigen Fortführung zu immer weiterer Verschmelzung mit dem betrachtet, was sich Fortschritt nennt – eine solche Auslegung steht nicht nur im Widerspruch zu dem, was die Konzilsväter selbst wollten und meinten, sie wird durch den Gang der Ereignisse selbst ad absurdum geführt. Wo der Geist des Konzils gegen sein Wort gewendet und lediglich vage aus der auf die Pastoralkonstitution zulaufende Entwicklung destilliert wird, gerät dieser Geist zum Gespenst und führt ins Sinnlose.“23

Die Ursache für diese nach Ratzinger problematische Wirkungsgeschichte von Gaudium et spes führt er auf den Geist des Vorwortes24 zurück. Der Text der Pastoralkonstitution spielt seiner Ansicht nach für manche Theologen die „Rolle eines Gegensyllabus“ und stellt „insofern den Versuch einer offiziellen Versöhnung der Kirche mit der seit 1789 gewordenen neuen Zeit“25 dar. Da aber die „Welt in ihrer neuzeitlichen Gestaltung“ nicht als homogene Größe aufzufassen sei, könne der Fortschritt der Kirche nicht „in einer verspäteten Umarmung der Neuzeit“26 bestehen. Aus dieser Einsicht leitet Ratzinger zehn Jahre nach dem Ende des Konzils die Grundregel ab, „dass man das Zweite Vaticanum ganz lesen muss, und zwar orientiert auf die zentralen theologischen Texte und nicht umgekehrt“27.

Die beiden eben skizzierten Gründe, die Präferenz Ratzingers für eine Wesensekklesiologie und seine Vorliebe für die dogmatischen Texte des Konzils, führten mich dazu, Lumen gentium als Horizont für die Darstellung seiner Ekklesiologie zu wählen. Das heißt aber zugleich, dass die Perspektiven „nach außen“ ← 29 | 30 → indieser Arbeit nur am Rande berücksichtigt werden. Konkret betrifft dies die Äu- ßerungen Ratzingers zur komplexen Frage des Verhältnisses von Kirche und Welt28, seine Darlegungen zur Ökumene29 sowie zum interreligiösen Dialog30, nicht zuletzt zur Relation zwischen Kirche und Judentum31. Eine weitere Beschränkung meines Themas ergibt sich daraus, dass ich mich vor allem auf die Anstöße Ratzingers konzentriere, die er als Wissenschaftler und nicht aufgrund seiner lehramtlichen Verantwortung in die theologische Diskussion eingebracht hat, auch wenn sich bei einzelnen Fragestellungen Überschneidungen nicht vermeiden lassen.

Nach diesen methodischen Vorbemerkungen möchte ich im Folgenden die Schwerpunkte meiner Arbeit präzisieren und ihren Aufbau darlegen: Der erste Teil über das Selbstverständnis der Kirche nach Lumen gentium umfasst zwei Abschnitte, einen historischen und einen systematischen. Letzterer gliedert sich entsprechend der Folge der ersten drei Kapitel von Lumen gentium nach den Leitgedanken „Mysterium“, „Volk Gottes“ und „Die hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt“. Die Themen der Kapitel vier bis acht von Lumen gentium über die Laien (4.), über die allgemeine Berufung zur Heiligkeit in der Kirche (5.), über die Ordensleute (6.), über den endzeitlichen Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche (7.) und schließlich über die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche (8.) finden wegen ihrer inneren Zugehörigkeit im Kapitel über das Volk Gottes Berücksichtigung. Im ersten Kapitel über das Mysterium der Kirche bildet der Aspekt der communio einen wesentlichen Schwerpunkt, wobei die trinitarische communio als Ursprung und Ziel der kirchlichen Einheit dargestellt wird. Im zweiten Kapitel werde ich – entsprechend der ← 30 | 31 → Konstitution – besonders die Teilhabe des Gottesvolkes an der priesterlichen, prophetischen und königlichen Sendung Christi herausarbeiten, einen Aspekt, der in der Ekklesiologie Ratzingers eine eher geringe Rolle spielt. Im dritten Kapitel steht das Bischofskollegium im Zentrum meiner Erörterung. Dabei werde ich mich vor allem dem sakramentalen Verständnis des Bischofsamtes zuwenden und der Frage nachgehen, wie die erklärende Note zu Lumen gentium historisch und inhaltlich zu bewerten ist, ein Problem, das vor allem für Ratzinger als Konzilstheologen von entscheidender Bedeutung war.

Der zweite Teil der Arbeit behandelt die Ekklesiologie Ratzingers. Formal auf Lumen gentium bezogen ist er inhaltlich nach den Hauptthemen der Kirchenkonstitution strukturiert. Er soll zeigen, welche Schwerpunkte Ratzinger in seiner Ekklesiologie setzt, welche Themen er bevorzugt, welche er verändert darstellt oder überhaupt unberücksichtigt lässt. Ähnlich wie im ersten Teil meiner Arbeit ist auch hier dem systematischen ein historischer als erster Abschnitt vorgelagert. Er erörtert die „Umrisse des ekklesiologischen Entwurfes in der Perspektive biographischer Notizen“. In diesem „Vorspann“ ist die Frage nach der Konsistenz im theologischen Denken Ratzingers von besonderer Brisanz. Im zweiten Abschnitt geht es zunächst im ersten Kapitel um die Kirche als Glaubenszeichen und Glaubensgeheimnis. Dabei werden drei Kernbegriffe der Ekklesiologie Ratzingers beleuchtet, nämlich Leib Christi, Eucharistie und communio. Am Ende des Kapitels wird die Frage der Subsistenz der katholischen Kirche kritisch reflektiert. Das zweite Kapitel ist der Kirche als Volk Gottes gewidmet. In ihm werde ich Ratzingers Bezugnahme auf die rabbinische Theologie herausheben, um die ekklesiologischen Konsequenzen der von ihm eingeforderten Einheit der Schrift des Alten und des Neuen Testamentes an einzelnen Beispielen zu konkretisieren. Insbesondere ist diese Argumentationslinie Ratzingers auch für die umstrittene Frage nach der ontologischen Priorität der Gesamtkirche von Bedeutung. Das Kapitel setzt sich des Weiteren mit dem von ihm immer wieder konstatierten soziologischen Missverständnis des Begriffes „Volk Gottes“ auseinander, indem es die Problematik demokratischer Strukturen in der Kirche anhand der Themen „Relativismus“ und „Mehrheitsprinzip“ aufzeigt. Die Ausführungen zum Abschnitt „Die gemeinsame Berufung zur Heiligkeit“ beschließen das Kapitel. Dabei wird die Bedeutung der mariologischen Aussage für die Ekklesiologie Ratzingers akzentuiert, aber auch das Problem der Sündigkeit der Kirche, und zwar anhand des auf die Kirche übertragenen Verses des Hohenliedes „Schwarz bin ich und schön“32 und mit Hilfe des Bildes der casta meretrix. Den Ausklang des Hauptteils meiner Arbeit bildet das dritte Kapitel über Ratzingers Verständnis der hierarchischen Verfassung der Kirche, insbesondere der ← 31 | 32 → bischöflichen Kollegialität. Sie wird einleitend als ökumenisches Paradigma herausgestellt und sodann hinsichtlich ihres Ursprungs, der ihr immanenten Spannung zwischen Kollegialität und Primat sowie ihrer pastoralen Implikationen betrachtet. Der letzte Teil dieses Kapitels widmet sich jenen Akzentuierungen Ratzingers, die sich im Laufe der Zeit so verändert haben, dass von einem früheren und einem späteren Ratzinger gesprochen werden kann. Konkret wird an der Beurteilung des Stellenwertes der Bischofskonferenzen und der Bischofssynode sichtbar werden, wie der spätere Ratzinger kollegialen Formen eine andere theologische Gewichtung zumisst als der frühere.

Der dritte Teil stellt ein „synoptisches“ Resümee dar. In ihm geht es um einen zusammenfassenden Vergleich der Ekklesiologie von Lumen gentium mit der Ratzingers. Meiner anschließenden Skizze der geistesgeschichtlichen Problemlage der Moderne, die den Hintergrund für Ratzingers Ekklesiologie darstellt, kommt die Aufgabe zu, sein Denken vor diesem Horizont zu konturieren und in der Frage nach dessen Kontinuität bzw. Diskontinuität den Weg zu einem differenzierten Fazit zu eröffnen. Schließlich soll in einem letzten Punkt die Liturgie als hermeneutischer Ort theologischer Ekklesiologie nach dem Grundsatz lex orandi – lex credendi aufgezeigt und damit auch das Spezifische der eucharistisch geprägten Communio-Theologie Ratzingers hervorgehoben und kritisch reflektiert werden.

1J. Ratzinger, Der Weltdienst der Kirche. Auswirkungen von „Gaudium et spes“ im letzten Jahrzehnt, in: IKaZ 4 (1975) 439-454, hier 453. Als Beitrag „Kirche und Welt: Zur Frage der Rezeption des II. Vatikanischen Konzils“ erneut publiziert in: Prinzipienlehre 395-411.

2Häring, Ideologie 21.

3Zu nennen sind hier z. B. Stephan Otto Horn und Vinzenz Pfnür als Vertreter des „Schülerkreises“ von Ratzinger. Die Namen der Mitglieder dieses „Schülerkreises“ und der Referenten bei seinen Zusammenkünften sind veröffentlicht in: Mitte 316f.

4Vgl. dazu St. O. Horn, V. Pfnür, Einführung, in: Weggemeinschaft 9-14, hier 11.

5Vgl. dazu das Vorwort, in: W. Baier, u. a. (Hg.), Weisheit Gottes – Weisheit der Welt. Festschrift für Joseph Kardinal Ratzinger zum 60. Geburtstag, Bd. 1, St. Ottilien 1987, V.

6Prinzipienlehre 180-199, hier 199.

7St. O. Horn, V. Pfnür, Einführung, in: Weggemeinschaft 9-14, hier 10.

8Ratzinger grenzt sich auf diese Weise entschieden von der These Bultmanns ab, „das Wort, das Kerygma, sei das eigentliche Heilsereignis, das ‚eschatologische Ereignis’, das den Menschen aus der Entfremdung seiner Existenz in die Eigentlichkeit führt. Dieses Wort ist Gegenwart da, wo es ertönt, und es ist die je gegenwärtige Möglichkeit des Heils für die Menschen. Es ist klar, dass dieser Primat des Wortes, das stets als solches gesprochen und so als jeweilige Gegenwart gesetzt werden kann, den Gedanken einer fortlaufenden Linie heilsgeschichtlicher Ereignisse im Letzten entwertet“ (Prinzipienlehre 185), indem er eine theologisch unbedeutende Historie von einer theologisch relevanten „Geschichte“ trennt. Letztere bleibt bei Bultmann als „Wortgeschehen“ ohne Zusammenhang mit den historischen Ereignissen. Vgl. dazu Kaes 89f. – Ratzinger sieht in dem Gegensatz von Heilsgeschichte und Metaphysik ein Problem, das erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in dieser Schärfe auftrat. Den Grund dafür „mag man daraus ersehen, dass das II. Vatikanum bei seinem Reden von der Heilsgeschichte nicht an den vorgegebenen Terminus dispositio (bzw. dispensatio) anknüpfte, sondern sich das Wort historia salutis als Rückübersetzung aus dem Deutschen neu schuf. Damit ist zugleich ein Hinweis auf die Herkunft des Problems gegeben, das in unserem Jahrhundert als eine Frage des reformatorischen Denkens in die katholische Theologie eintrat“ (Prinzipienlehre 180).

9Vgl. ebd.

10Ebd. 194.

11Ebd.

12Weggemeinschaft 248-260, hier 251.

13Mit G. Söhngen betont Ratzinger „mit Nachdruck, dass die Wahrheit des Christentums nicht die Wahrheit einer allgemein gültigen Idee, sondern die Wahrheit einer einmaligen Tatsache sei“ (ebd. 182). Vgl. G. Söhngen, Überlieferung und Verkündigung. Die Einheit in der Theologie, München 1952, 347.

14Näheres dazu siehe bei Kaes 86-88.

15Siehe in dieser Arbeit: III. / 2. Ratzingers Ekklesiologie auf dem Hintergrund geistesgeschichtlicher Problemstellungen.

16Vgl. Weiler 151-283, bes. 281-283.

17Vgl. dazu J. Ratzinger, Geleitwort, in: Weiler XIII.; ähnlich: G. Alberigo, Die konziliare Erfahrung: selbständig lernen, in: Wittstadt II, 679-698, bes. 688f.

18Vgl. dazu: Kirche 13-27; Ekklesiologie 1-8.

19Vgl. in dieser Arbeit: II. / II. / 3. Kap. / § 4 Aspekte während des Konzils in Spannung zur späteren Perspektive und III. / 1. Grundlinien der Ekklesiologie von Lumen gentium und von Ratzinger im Vergleich.

20Weiler 315. Weiler zitiert ebd. J. Ratzinger, Die letzte Sitzungsperiode des Konzils, Köln 1966, 73. – 1996 stellte Weiler (ebd. 11f.) fest: Obwohl das Thema „Kirche“ in Ratzingers Gesamtwerk einen wesentlichen Schwerpunkt darstellt, „erstaunt es, dass diesem wichtigen Aspekt ... noch relativ wenige Veröffentlichungen gewidmet wurden. Eine Monographie über die Ekklesiologie Ratzingers ist bisher noch nicht erschienen.“ Nicht berücksichtigt hat Weiler die unveröffentlichte Dissertation von K.-J. E. Jeon, Die Kirche bei Joseph Ratzinger. Untersuchungen zum strukturierten Volk Gottes nach der Kirchenlehre Joseph Ratzingers, Innsbruck 1995. – Eine ausführliche Liste weiterer Veröffentlichungen zur Theologie Ratzingers findet sich in: Weiler 11f. Zu beachten ist auch die Zusammenstellung der Sekundärliteratur von Helmut Moll unter dem Titel: „Rezeption und Auseinandersetzung mit dem theologischen Werk von Joseph Cardinal Ratzinger“, in: Mitte 309-315.

21Mir scheint, dass das Verhältnis Ratzingers zu Gaudium et spes einer eigenen Untersuchung bedarf, da sich Ratzinger mehrfach mit diesem Dokument auseinander gesetzt hat. So stellt er z. B. 1975 fest, dass Gaudium et spes aufgrund der Problemlage einen angemessenen Begriff von „Welt“ zu finden, „der schwierigste und neben der Liturgiekonstitution und dem Ökumenismusdekret auch der folgenreichste“ Text des Konzils gewesen ist (Prinzipienlehre 395).

22W. Beinert, Kirchenbilder in der Kirchengeschichte, in: Ders. (Hg.), Kirchenbilder, Kirchenvisionen. Variationen über eine Wirklichkeit, Regensburg 1995, 58-127, hier 111.

23Prinzipienlehre 408.

24Vgl. ebd. 396. Genaueres zu siehe in dieser Arbeit: II. / I. / 3. Kap. / § 1 Das Konzil –„der Anfang des Anfangs“?

25Prinzipienlehre 399.

26Ebd. 408.

27Ebd.

28Siehe z. B. Weltoffene Kirche? Überlegungen zur Struktur des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Volk Gottes 107-128. Vgl. auch: Der Christ und die Welt von heute. Überlegungen zur Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Dogma 183-204, sowie den Kommentar zu Artikel 11-22 von Gaudium et spes, in: LThK.E, Bd. III, Freiburg i. Br. 1968, 313-354.

29Ein markanter Text findet sich z. B. in: Prognosen für die Zukunft des Ökumenismus, in: Mitte 181-194. Er beinhaltet auch die so genannte „Ratzinger-Formel“, die besagt: „Rom muss vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde.“ Sie werden wir in dieser Arbeit II. / II. / 3. Kap. / § 4 / 2. „Konkrete Formen bischöflicher Kollegialität in unterschiedlicher Interpretation“ ausführlicher thematisieren.

30Vgl. dazu z. B. Salz der Erde 254-268.

31Vgl. dazu den 1. Band der Urfelder Reihe, die vor allem dem Dialog zwischen Juden und Christen dient: J. Ratzinger, Die Vielfalt der Religionen und der Eine Bund, Hagen 1998.

32Hld 1,5.

← 32 | 33 → ERSTER TEIL:
DAS SELBSTVERSTÄNDNIS DER KIRCHE NACH LUMEN GENTIUM

I. Abschnitt:
Lumen gentium im Spannungsfeld von Tradition und Innovation

Erstes Kapitel:

Das Thema „Kirche“ im dogmatisch-pastoralen Interesse des Konzils

§ 1 KIRCHE IN DER ZEIT DES ÜBERGANGS

Als Teil der menschlichen Gesellschaft partizipiert die Kirche an den umwälzenden Veränderungen der Gegenwart. Seit ihrer Gründung steht sie im Spannungsfeld von Tradition und Innovation. Einerseits ist sie verwiesen auf das bereits Tradierte, anderseits kann sie nur dann Tradition vermitteln, wenn sie zur Innovation bereit ist. Denn Tradition bedeutet nicht, Vergangenes zu archäologisieren, sondern sie „ist vielmehr ein Geschehen, durch das die Vergangenheit die Gegenwart profiliert und auf Zukunft ausgreift“1. Wie selten zuvor wurde diese lebendige Spannung zwischen den beiden Polen Erbe und Weiterführung während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sichtbar, denn hier hat sich die Kirche zum ersten Mal in ihrem eigenen Selbstverständnis2 umfassend thematisiert. In den Konzilstexten steht folglich nicht diese oder ← 33 | 34 → jene Einzelfrage der Ekklesiologie im Mittelpunkt, vielmehr soll das Heilsmysterium Christi, das Gott in der Kirche aufleuchten lässt, aufs Neue allen Menschen verkündet werden. Der Begriff „Mysterium“, der im ersten Entwurf der Kirchenkonstitution noch fehlt,3 markiert einen Wandel im theologischen Sprachgebrauch, der die Endfassung von Lumen gentium prägt sowie auf weitere Dokumente4 des Konzils einwirkt: War bisher die juridische Perspektive für das Kirchenbild bestimmend, prägen nun die metaphorische und symboltheologische Rede der Heiligen Schrift und der Kirchenväter die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums.

Dieser Wandel war zugleich Frucht einer kirchlichen Erneuerung, die schon während des Ersten Weltkrieges begann und vor allem in der liturgischen und in der ökumenischen Bewegung sowie in der (katholischen) Jugendbewegung einen Weg einschlug, der zu einer Verlebendigung der Kirche führte5. Bereits 1922 bezeichnete Romano Guardini diesen „ungeheuren Vorgang“ als „Erwachen der Kirche in der Seele“6. Der Erfahrung der Kirche als lebendiger „Leib Christi“ entspricht ein neues theologisches Interesse an ihrer Gestalt und zwar konfessionsübergreifend: Im Jahre 1924 veröffentlichte der Tübinger Theologe Karl Adam sein Buch „Das Wesen des Katholizismus“7, ein Bestseller, der zuletzt 1957 in 13. Auflage erschien, und 1927 brachte der evangelische Bischof Otto Dibelius ein Werk mit dem Titel „Das Jahrhundert der Kirche“8 heraus, das bereits ein Jahr darauf seine sechste Auflage erreichte. Das Zweite Vatikanische ← 34 | 35 → Konzil steht mit diesen zeitgenössischen Neuaufbrüchen9 in Kontinuität, weiß sich aber selbstverständlich auch dem Überlieferten der Kirche verpflichtet.

Als das Konzil der Kirchengeschichte, das bisher die umfangreichsten Texte erarbeitet hat, verabschiedete das Zweite Vatikanum zwar selbst keine Dogmen, doch sind seine Dokumente verbindlicher10 Ausdruck des aktuellen Lehramtes der Kirche. Dies gilt im besonderen Maß für die beiden dogmatischen Konstitutionen über die Kirche Lumen gentium und über die Offenbarung Dei verbum; aber auch die Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, die Pastoralkonstitution Gaudium et spes sowie die weiteren Dekrete und Erklä- rungen des Konzils sind in abgestufter Gewichtung11 Bestandteile ihres Glaubensschatzes. Zugleich sind sie alle von dem pastoralen Anliegen des Dialoges mit den Menschen der Gegenwart bestimmt12. Von ihm her stellt sich das Problem, in welcher Sprache die Kirche in einer pluralen Gesellschaft der Aufnahme ihrer Botschaft am ehesten Gehör verschaffen könne. Für dieses Anliegen wurde immer mehr ein Wort Johannes’ XXIII. entscheidend: „aggiornamento“ 13.

← 35 | 36 → § 2 DIE PASTORALE ZIELSETZUNG DES „AGGIORNAMENTO“ IN SPAN- NUNG ZUR LEHRHAFTEN ABSICHT DES KONZILS

Details

Seiten
526
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653040906
ISBN (ePUB)
9783653989465
ISBN (MOBI)
9783653989458
ISBN (Paperback)
9783631649565
DOI
10.3726/978-3-653-04090-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Oktober)
Schlagworte
Ekklesiologie Ratzinger, Joseph Israel Volk Gottes Katholische Kirche Hierarchie II. Vatikanisches Konzil Mysterium Lumen gentium
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 526 S., 1 Tab.

Biographische Angaben

Maximilian Heinrich Heim (Autor:in)

Maximilian Heinrich Heim ist promovierter Theologe, und Magnus Cancellarius der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz (Niederösterreich) und Abt des dortigen Zisterzienserstiftes. Er studierte katholische Theologie in Augsburg, Heiligenkreuz, Bochum und Graz. Als Zisterzienser von Heiligenkreuz wurde er zum Priester geweiht und war Gründermönch des Klosters Bochum-Stiepel. Bevor er zum Abt gewählt wurde, war er zunächst Prior in Heiligenkreuz, später Prior des Klosters Stiepel. Zwischenzeitlich hatte er in Heiligenkreuz einen Lehrauftrag für Fundamentaltheologie.

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Titel: Joseph Ratzinger – Kirchliche Existenz und existentielle Theologie
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