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Salz – Weißes Gold oder Chemisches Prinzip?

Zur Entwicklung des Salzbegriffs in der Frühen Neuzeit

von Jürgen Hollweg (Autor:in)
©2014 Dissertation 102 Seiten

Zusammenfassung

Salz: Was verbarg sich hinter diesem Allerweltsbegriff? Handelte es sich um ein Gewürz und Konservierungsmittel, das mit Gold aufgewogen wurde? War es ein Symbol für das Bündnis Gottes mit seinem auserwählten Volk? Wurde damit ein Wirkprinzip bezeichnet, das allem Stofflichen seine Eigenschaften verleiht? War es der Ursprung aller Dinge oder ein chemisches Element? Klassifiziert der Begriff eine Stoffgruppe? Oder erhält man es als Ergebnis einer chemischen Reaktion? Wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in Handel, Handwerk und aufkommenden Manufakturen sowie in der Medizin waren die Salze in der Frühen Neuzeit ein wichtiger Forschungsgegenstand. Die Entwicklung des Begriffes in dieser Zeit und seine vielfältigen Veränderungen werden anhand von Beispielen untersucht und dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • 1. „Weißes Gold“ – anstelle eines Vorworts
  • 2. „Das vornehmste Stück der Chemie“
  • 3. Salze gestern und heute – ein lexikalischer Überblick
  • 4. Die Prinzipien des Paracelsus
  • 5. Die Salze der Chemiker
  • 6. Moderne Salze: Guillaume – François Rouelle
  • 7. Entwicklungslinien
  • 8. Salzige Verwandtschaften
  • 9. Weißes Gold und Chemisches Prinzip
  • 10. Literaturverzeichnis

1.   „Weißes Gold“ – anstelle eines Vorworts

„Salz“: ein einfacher Stoff oder ein „Weißes Gold“ wie es der Titel einer Geschichte des Salzes verspricht?1 Beschreibt der Begriff ein chemisches Prinzip oder gilt er als ein mystisches Symbol aus alter Zeit? Was verbirgt sich hinter dem Allerweltsnamen Salz, und welche Entwicklungen hat es in der Geschichte des Begriffs gegeben?

Salz ist zunächst einmal die allgemein übliche Kurzbezeichnung für das Kochsalz. Je nach seiner Herkunft wird zwischen Steinsalz und Meersalz unterschieden. Die größten Salzvorräte lagern als Steinsalz in der Erdrinde, aus der sie bergmännisch abgebaut oder ausgewaschen werden. Das Meersalz wird an vielen Stellen der Erde in küstennahen großen Becken in einem mehrstufigen Prozess gewonnen. Seine Konzentration in den Ozeanen beträgt etwa 35g/l.

Das Kochsalz hatte in der Geschichte eine große Bedeutung. An erster Stelle muss dabei der symbolische und religiöse Charakter betont werden. Salz wird bereits im Alten Testament erwähnt als Sinnbild für das Bündnis Gottes mit seinem auserwählten Volk. Deshalb gehörte es zu jeder Opfergabe und wurde als Zeichen der Reinigung verstanden. Andererseits war es aber auch ein Symbol für die Gerechtigkeit und den Zorn Gottes, wenn Loths Weib zur Salzsäule erstarrte. Im Neuen Testament wird es als Zeichen der heilsbringenden Botschaft verstanden, da Jesus seine Apostel als das Salz der Erde bezeichnet. Über lange Zeit resultierte daraus der Brauch, es im Gottesdienst bei der Taufe zu verwenden. Es wurde als Symbol der Reinheit gesehen und diente zur Vertreibung böser Geister und des Teufels. Die Aufnahme in den Bund Gottes wurde damit besiegelt. Hieran wurde in der katholischen Kirche bis in die Gegenwart festgehalten, erst die Reformation der Taufliturgie von 1973 verzichtete darauf.2

Für Griechen und Römer besaß das Salz einen göttlichen Charakter, ja es galt als Gabe der Götter. Homer bezeichnete es als göttlichen Stoff und Plato betonte die Wertschätzung durch die Götter.3 Im Volksglauben des Mittelalters besaß das Salz eine kräftigende Wirkung. Es galt als Mittel zur Stärkung des Körpers und insbesondere von Haut und Muskeln. Daneben wurde ihm sogar eine aphrodisische Wirkung ← 9 | 10 → zugeschrieben, das „Einsalzen der Ehepartner“ wurde in Darstellungen des 16. und 17. Jahrhunderts in aller Deutlichkeit ausgemalt.4 Aber auch in außereuropäischen Kulturen hat es seit alters her eine magische Bedeutung. Es sei an dieser Stelle nur an die Sitte in japanischen Theatern erinnert, vor der Aufführung Salz auf die Bühne zu werfen. Weiterhin ist das Salz bei allen Völkern und in allen Religionen ein Zeichen der Gastfreundschaft. Brot und Salz treten dabei oft in enger Verbindung auf.

Das Salz hatte in seiner Geschichte jedoch auch eine ganz reale Bedeutung: „Weißes Gold“ so lautet der Titel einer Geschichte des Salzes.5 Bei den Berichten, dass in Afrika Salz mit Gold aufgewogen worden sein soll, handelt es sich aber wohl um eine Legende. Während des Handelsvorganges wurden beide Stoffe gewichtsmäßig bestimmt, die Größenordnungen dürften jedoch unterschiedlich gewesen sein. In Europa bekam das Salz seine große Bedeutung zu Beginn des Mittelalters. Mit dem ersten großen Bevölkerungswachstum zu Beginn des 2. Jahrtausends und der zunehmenden Verstädterung stieg seine Bedeutung.6 Salz verhieß nun Macht und Einkommen, die meisten Landesherren belegten es mit speziellen Steuern.

Im Mittelalter kontrollierten die Herrschenden oder von ihnen beauftragte mächtige Organisationen nicht nur die Herstellung sondern auch Vertrieb und Handel. Schnell wurde sichtbar, dass die Kontrolle des Salzhandels ein einträgliches Geschäft war. Im Mittelmeerraum beherrschte Venedig den Handel mit Salz und baute unter anderem darauf seine führende wirtschaftliche und politische Stellung. Die Hanse dominierte als Vereinigung von Kaufleuten den Ostseeraum, während in Mitteleuropa scharfe Konkurrenz zwischen verschiedenen Ländern, Herstellern und Lieferanten vorherrschte. Neben der Kontrolle des Handels waren die Salzsteuern von äußerst großer Bedeutung als Finanzierungsquelle von Staaten. In Frankreich war die „gabelle“ die meist gehasste Steuer und wird sogar als ein Hauptgrund für die Französische Revolution angesehen.7 Die strategische Bedeutung des Salzes kann daran ermessen werden, dass viele Herrscher zur Vorbereitung eines Krieges zunächst Salzvorräte anlegten.

Salz wurde nicht nur als ein kostbares Gewürz betrachtet, es diente vor allem zu Konservierungszwecken. Im Zeitalter von Tiefkühlprodukten und Konserven kann diese überragende Bedeutung des Salzes nur noch schwer nachvollzogen werden. Neben dem Pökeln des Fleisches wurde es insbesondere zur Fischkonservierung benutzt. Kabeljau und Hering waren als Stockfisch und Salzhering die ← 10 | 11 → Grundnahrungsmittel für große Bevölkerungsteile. In England soll es ein Kennzeichen gesunder und urwüchsiger Lebensführung gewesen sein.8 Salz war jedoch nicht nur ein Konservierungs- und Genussmittel, daneben wurde es für eine Vielzahl handwerklicher Anwendungen gebraucht. Es fand unter anderem Verwendung beim Seifensieden, in der Gerberei und Färberei, beim Glasieren von Ton, beim Verlöten von Metallen und beim Reinigen von Schornsteinen. Außerdem diente es als Arzneimittel gegen Zahnschmerzen, Magenschmerzen und „Schwermut“.9

Schon in der Antike war jedoch klar, dass Kochsalz nicht gleich Kochsalz gesetzt werden konnte. Je nach seiner Herkunft besaß es unterschiedliche geschmackliche Eigenschaften. Außerdem gab es Stoffe, die in ihrem Aussehen und ihrer Wasserlöslichkeit nicht einfach davon zu unterscheiden waren. Der Begriff Salz wurde zu einer Gattungsbezeichnung für eine ganze Klasse von Stoffen. Ob diese Entwicklung darauf beruhte, dass zunächst keine Einsicht in die spezifischen Unterschiede der Stoffe vorhanden war10, soll an dieser Stelle offen bleiben. Es ist jedoch bemerkenswert, dass der Name eines einzelnen Stoffes zum Sammelbegriff für die gesamte Stoffklasse wird, und nicht wie z.B. bei den Metallen ein neuer Begriff geprägt wird.

Der Biologe Matthias Jacob Schleiden muss mit seinem Werk über die Geschichte, die Symbolik, das Vorkommen und den Gebrauch des Kochsalzes als einer der „Altväter“ auf diesem Gebiet bezeichnet werden.11 Er beginnt den zweiten Teil seines Buches, in dem er kurz über den Allgemeinbegriff Salz referiert,mit der Feststellung: „Wenn man sich fragen wollte, was denn das Salz wirklich ist, von dem ich im ersten Abschnitt gesprochen habe, so müßte ich eigentlich die Antwort schuldig bleiben, denn Salz ist ein so unbestimmter Begriff, daß zu verschiedenen Zeiten, sowie von verschiedenen Menschen sehr verschiedene Dinge unter diesem Namen zusammengefaßt sind, bald mehr, bald weniger, bis endlich die zur Wissenschaft entwickelte Chemie bestimmte Normen festsetzte, mit denen aber selbst der Gebildete der Neuzeit sich ohne wissenschaftliche Vorbildung nicht wird verständigen können.“12 Diese vor über 100 Jahren getroffene Aussage hat auch heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Die folgende Abhandlung soll versuchen, einige Antworten zu geben und etwas Licht auf den Gebrauch des Begriffes Salz in der Frühen Neuzeit zu werfen. ← 11 | 12 →

 

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  1  (Hocquet 1993).

  2  Vgl. (Bergier 1989, S. 150).

Details

Seiten
102
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653038774
ISBN (ePUB)
9783653990904
ISBN (MOBI)
9783653990898
ISBN (Paperback)
9783631648650
DOI
10.3726/978-3-653-03877-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2013 (Dezember)
Schlagworte
Chemie Paracelsus Libavius Le Fèvre, Nicolas Rouelle, Guillaume-François Wissenschaftsgeschichte
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 102 S.

Biographische Angaben

Jürgen Hollweg (Autor:in)

Jürgen Hollweg arbeitete nach dem Studium der Chemie an der Universität Bonn und der Promotion an der Universität Bochum auf dem Gebiet der Stereochemie in einem multinationalen Unternehmen der Konsumgüterindustrie. Nach der Pensionierung erwarb er in einem erneuten Studium den Mastergrad im Fach Wissenschaftsgeschichte an der Universität Regensburg.

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