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Die bösgläubige Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG im Lichte des Benutzungswillens

von Carolin Schosser (Autor:in)
©2013 Dissertation XIV, 206 Seiten

Zusammenfassung

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn der Markenanmelder bei deren Anmeldung bösgläubig ist. Bei dem Begriff der Bösgläubigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in Umsetzung der Ersten Markenrechtsrichtlinie in das Markengesetz eingeführt wurde. Er beschäftigt die Rechtsprechung nach wie vor, wie auch die Lindt-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2009 zu Art. 51 Abs. 1 lit. b GMV a.F. zeigt, wo der Begriff inhaltsgleich verwendet wird. Die Arbeit untersucht, welche Bedeutung dem Benutzungswillen des Markenanmelders bei der Beurteilung einer Anmeldung als bösgläubig zukommt. Dabei werden insbesondere die rechtshistorische Entwicklung des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG und die Regelungen zum Benutzungszwang herangezogen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Erstes Kapitel: Einführung
  • I. Gegenstand der Arbeit
  • II. Ziel und Gang der Arbeit
  • 1. Ziel der Arbeit
  • 2. Gang der Arbeit
  • Zweites Kapitel: Grundlagen der bösgläubigen Markenanmeldung
  • I. Aufgabenstellung
  • II. Rechtshistorische Entwicklung und gesetzliche Grundlagen der bösgläubigen Markenanmeldung
  • 1. Warenzeichengesetz
  • 2. Markengesetz in der Fassung vom 1. Januar 1995
  • 3. Markengesetz in der Fassung vom 1. Juni 2004
  • III. System und verfahrensrechtliche Behandlung der bösgläubigen Markenanmeldung im Überblick
  • 1. Allgemeines
  • 2. Markengesetz
  • a) Eintragungsverfahren
  • b) Löschungsverfahren
  • 3. UWG/BGB
  • 4. Einwand im Verletzungsverfahren
  • IV. Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit
  • 1. Allgemeines
  • 2. Klassische Auslegungsmethoden
  • a) Wortlautauslegung
  • b) Historische Auslegung
  • c) Systematische Auslegung
  • d) Teleologische Auslegung
  • e) Ergebnis
  • 3. Richtlinienkonforme Auslegung
  • 4. Oberste Auslegungskompetenz
  • 5. Maßgeblichkeit für die Auslegung
  • V. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Bösgläubigkeit
  • VI. Fallgruppen im Überblick
  • 1. Allgemeines
  • 2. Sperrmarke
  • a) Allgemeines
  • b) Störung eines fremden schutzwürdigen Besitzstands
  • aa) Fremder schutzwürdiger Besitzstand
  • bb) Störung des Besitzstands als Ziel
  • cc) Ohne zureichenden sachlichen Grund
  • c) Zweckfremder Einsatz der Marke als Mittel des Wettbewerb­ kampfes
  • aa) Zweckfremder Einsatz als Mittel des Wettbewerbkampfes
  • bb) Ohne zureichenden sachlichen Grund
  • 3. Spekulationsmarke
  • 4. Markenerschleichung
  • VII. Ergebnis
  • Drittes Kapitel: Spekulationsmarke
  • I. Aufgabenstellung
  • II. Rechtshistorische Entwicklung des Benutzungszwangs und Abschaffung des Akzessorietätsprinzips
  • 1. Einführung des Benutzungszwangs und dessen Übernahme in das Markengesetz
  • a) Einführung des Benutzungszwangs in das Warenzeichengesetz
  • b) Übernahme des Benutzungszwangs in das Markengesetz
  • 2. Abschaffung des Akzessorietätsprinzips
  • a) Prinzip der strengen Akzessorietät
  • b) Lockerung des Prinzips der strengen Akzessorietät
  • c) Aufgabe des Akzessorietätsprinzips
  • 3. Ergebnis und Schlussfolgerung
  • III. Rechtslage nach dem Warenzeichengesetz
  • 1. Rechtsgrundlage des Benutzungswillens
  • 2. Inhalt des Benutzungswillens
  • 3. Feststellung des Benutzungswillens
  • 4. Rechtsfolgen des fehlenden Benutzungswillens
  • a) Rechtliche Einordnung des Benutzungswillens
  • b) Rechtsfolgen des fehlenden Benutzungswillens als eine materielle Schutzvoraussetzung
  • 5. Unbenutzte Zeichen
  • a) Allgemeines
  • b) Vorratszeichen
  • aa) Definition
  • bb) Rechtslage bis zur Einführung des Benutzungszwangs
  • cc) Rechtslage nach der Einführung des Benutzungszwangs
  • c) Defensivzeichen
  • aa) Definition
  • bb) Rechtslage bis zur Einführung des Benutzungszwangs
  • cc) Rechtslage nach der Einführung des Benutzungszwangs
  • 6. Ergebnis und Schlussfolgerung
  • IV. Rechtslage nach dem Markengesetz
  • 1. Rechtsprechung
  • a) Benutzungswille als allgemeine Schutzvoraussetzung
  • aa) Classe E-Entscheidung des BGH
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • bb) Meinungsstand zu der Classe E-Entscheidung in der Literatur
  • b) Fehlender Benutzungswille als Indiz für eine bösgläubige Markenanmeldung
  • aa) kinder (schwarz-rot)-Entscheidung des BPatG
  • bb) Ivadal-Entscheidung des BGH
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • cc) Meinungsstand zur kinder (schwarz-rot)- und Ivadal-Entscheidung in der Literatur
  • c) Stellungnahme zur Rechtsprechung des BGH
  • aa) Grundsätzliche Bedeutung des Benutzungswillens im Markengesetz
  • bb) Benutzungswille als allgemeine Schutzvoraussetzung
  • cc) Fehlender Benutzungswille als Indiz für eine bösgläubige Markenanmeldung
  • (1) Berücksichtigung des fehlenden Benutzungswillens unter § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG
  • (2) Zusätzliche Umstände: Behinderungsabsicht
  • dd) Ergebnis der Stellungnahme
  • 2. Weitere Lösungsansätze in der Literatur
  • a) Restriktive Auslegung des Markengesetzes
  • aa) Gewerbliche Betätigung
  • bb) Verbindung im Sinne der Markenfunktionen
  • b) Behinderungselement
  • c) Missbilligte Zwecksetzung
  • d) Unredlichkeit
  • e) Stellungnahme zu den Lösungsansätzen in der Literatur
  • aa) Restriktive Auslegung des Markengesetzes
  • (1) Gewerbliche Betätigung
  • (2) Verbindung im Sinne der Markenfunktionen
  • bb) Behinderungselement
  • cc) Missbilligte Zwecksetzung
  • dd) Unredlichkeit
  • ee) Ergebnis der Stellungnahme
  • 3. Lösungsvorschlag
  • a) Ausgangspunkt
  • b) Lösungsansatz
  • aa) Ansatzpunkt
  • bb) Markenanmeldung in missbräuchlicher Verwendungsabsicht
  • (1) Missbräuchliche Verwendungsabsicht
  • (2) Feststellung der missbräuchlichen Verwendungsabsicht
  • c) Ergebnis
  • 4. Auswirkungen auf die Vorrats- und Defensivmarke
  • V. Ergebnis
  • Viertes Kapitel: Sperrmarke
  • I. Aufgabenstellung
  • II. Rechtslage nach dem Warenzeichengesetz
  • 1. topfitz / topfit-Entscheidung des BGH
  • a) Sachverhalt
  • b) Entscheidungsgründe
  • 2. Shamrock III-Entscheidung des BGH
  • a) Sachverhalt
  • b) Entscheidungsgründe
  • 3. Meinungsstand in der Literatur
  • 4. Ergebnis
  • III. Rechtslage nach dem Markengesetz
  • 1. Nationale Rechtsprechung
  • a) Equi 2000-Entscheidung des BGH
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidungsgründe
  • b) S100-Entscheidung des BGH
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidungsgründe
  • c) Akademiks-Entscheidung des BGH
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidungsgründe
  • d) Eros-Entscheidung des BGH
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidungsgründe
  • e) Meinungsstand in der Literatur
  • f) Stellungnahme
  • g) Ergebnis
  • 2. Rechtsprechung des EuGH
  • a) Lindt-Entscheidung des EuGH
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Vorabentscheidungsverfahren
  • (1) Fragen des österreichischen OGH
  • (2) Entscheidungsgründe
  • b) Ergebnis
  • 3. Vereinbarkeit der nationalen Rechtsprechung mit der Lindt-Entscheidung des EuGH in Bezug auf den Benutzungswillen
  • IV. Ergebnis
  • Fünftes Kapitel: Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

← xiv | 1 → Erstes Kapitel: Einführung

I. Gegenstand der Arbeit

Markenrechte sind aus dem heutigen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Sie verkörpern in aller Regel einen beträchtlichen Wert eines Unternehmens.1 Die Marke dient als Kommunikationsmittel und weckt in dem Adressaten – dem Kunden – eine bestimmte Vorstellung über die Ware oder Dienstleistung und beeinflusst damit maßgeblich den Erfolg der Ware oder Dienstleistung und damit auch den Erfolg des Unternehmens. Marx formuliert zutreffend, dass

„ein Qualitätsprodukt ohne Marke […]2 auf dem globalen Markt so chancenlos wie ein Wein ohne Herkunft [ist].“3

Der Weg zum Erwerb eines Markenrechts kommt einem Wettrennen gleich. Es geht darum, die gewünschte Marke rechtzeitig – nämlich früher als der Wettbewerber – für sich zur Eintragung in das Markenregister anzumelden. Im Unterschied zu herkömmlichen Wettrennen werden im Markenrecht jedoch nicht die drei schnellsten Teilnehmer mit einer Gold-, Silber- oder Bronzemedaille prämiert. Vielmehr kennt das Wettrennen um Marken nur einen Sieger: den späteren Markeninhaber. Die anderen Teilnehmer gehen leer aus.

Nach § 4 Nr. 1 MarkenG4 erwirbt der Markeninhaber mit der Eintragung der jeweiligen Marke Markenschutz. Mit dem Erwerb des Markenschutzes wird dem Markeninhaber nach § 14 Abs. 1 MarkenG ein Ausschließlichkeitsrecht eingeräumt, welches gegen jedermann wirkt5. Das Ausschließlichkeitsrecht gibt dem Markeninhaber unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG das Recht, einem Dritten die Benutzung eines kollidierenden Zeichens zu ← 1 | 2 → verbieten und zwar unabhängig davon, wie groß das Interesse des Dritten an der Benutzung dieses Zeichens ist. Das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers entsteht somit allein mit der Eintragung der Marke6 und zwar ohne dass der Markeninhaber etwas Besonderes geleistet haben muss. So ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Marke originell ist oder einen bestimmten schöpferischen Grad erreicht.7 Damit geht das Markengesetz mit der Gewährung des Ausschließlichkeitsrechts quasi in Vorleistung und gewährt dem Markeninhaber eine Entwicklungshilfe für seine Marke.8 Vorleistungen verleiten mitunter zum Rechtsmissbrauch,9 vor allem dann, wenn die Vorleistung so umfassend ist wie das markenrechtliche Ausschließlichkeitsrecht10 und die Vorleistung mit so wenig Aufwand wie im Markenrecht erlangt werden kann.

Bei diesem Missbrauchspotential handelt es sich keineswegs um ein neues oder nur vorübergehendes Phänomen. So hatte sich schon das Reichsgericht im Jahr 1919 in der Pecose-Entscheidung mit diesem Phänomen zu beschäftigen und entschied, dass das zeichenrechtliche Ausschließlichkeitsrecht unter dem Vorbehalt wettbewerbskonformen Verhaltens steht.11 Insofern wurden rechtsmissbräuchliche oder sittenwidrige Zeichenanmeldungen schon lange vor dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 dem außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach §§ 1 UWG12 a.F., 826 BGB13 unterstellt.14 ← 2 | 3 → Die Fallkonstellationen, die die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des Markengesetzes diesem außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch unterstellte, werden heute überwiegend unter dem Begriff der Sperrmarke zusammengefasst.15

Mit dem „Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsreformgesetz)“ vom 25. Oktober 199416 erfuhr das Markenrecht einen Paradigmenwechsel. So wurde das im Warenzeichenrecht geltende Prinzip der Bindung des Zeichens an den Geschäftsbetrieb mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes auf-gegeben.17 Infolge dieser Gesetzesänderung kann nun jedermann Markenschutz erwirken – auch Studenten und Hausfrauen, wie es in der Literatur überspitzt heißt.18 Durch diesen Paradigmenwechsel hat sich das mit dem Markenrecht als ein Ausschließlichkeitsrecht ohnehin schon bestehende Missbrauchspotential deutlich erhöht. Für die infolge der Abschaffung der Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb möglich gewordenen Missbrauchsfälle hat sich überwiegend der Begriff der Spekulationsmarke eingebürgert.19

Zur Bekämpfung dieser Missbrauchsfälle und zur Bekämpfung von rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Markenanmeldungen im Allgemeinen wurde mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes zum 1. Januar 1995 die bösgläubige Markenanmeldung zunächst als ein Löschungsgrund nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a.F. eingeführt.20 Mit Wirkung zum 1. Juni 2004 wurde die bösgläubige Markenanmeldung schließlich als Nr. 10 in die Liste der absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG aufgenommen.21 Wie insbesondere die Übernahme der bösgläubigen Markenanmeldung in die Liste der absoluten Schutzhindernisse und die Ivadal-Entscheidung des BGH22 sowie die Entscheidung des EuGH im Fall Lindt & Sprüngli / Franz Hauswirth23 – beide aus dem Jahr 2009 – zeigen, ist das Phänomen des Rechtsmissbrauchs im Markenrecht nach wie vor aktuell. Während zur Sperrmarke zahlreiche Gerichtsentscheidungen vorliegen und die Sperrmarke hierdurch eine gewisse Konkretisierung erfahren ← 3 | 4 → hat,24 gibt es zur Spekulationsmarke nur wenige Gerichtsentscheidungen. Auch wenn anhand dieser wenigen Gerichtsentscheidungen immerhin eine grobe Tendenz erkennbar wird, wie die bösgläubige Markenanmeldung zu Spekulationszwecken von einer legitimen Markenanmeldung abgegrenzt werden kann, kann angesichts der unterschiedlichen in der Literatur vertretenen Lösungsansätzen dennoch nicht die Rede von einer einheitlichen Linie sein. Die Lösungsansätze unterscheiden sich teilweise erheblich. Es fällt jedoch auf, dass die meisten Lösungsansätze – auch der Lösungsansatz der Rechtsprechung – das Merkmal des Benutzungswillens aufgreifen und den Benutzungswillen entweder ins Zentrum des Lösungsansatzes stellen oder ihn wenigstens am Rande miteinbeziehen.25

Die unterschiedlichen Lösungsansätze zur Spekulationsmarke sollen zum Anlass genommen werden, das Merkmal des Benutzungswillens unter dem Gesichtspunkt der bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG n.F. näher zu beleuchten. Mit der vorliegenden Arbeit soll somit untersucht werden, wie sich das Fehlen oder Vorliegen eines Benutzungswillens auf die Beurteilung einer Markenanmeldung als bösgläubig auswirkt.

Diese Aufgabenstellung beinhaltet zwei Kernfragen: Die erste Kernfrage betrifft die Frage, ob – negativ – das Fehlen eines Benutzungswillens die Beurteilung einer Markenanmeldung als bösgläubig rechtfertigt. Diese Frage wird bei der Spekulationsmarke relevant, weil das Fehlen des Benutzungswillens ein Wesensmerkmal der Spekulationsmarke darstellt26. Für den Fall, dass die Untersuchung ergibt, dass das Fehlen eines Benutzungswillens allein den Vorwurf der Bösgläubigkeit unter dem Gesichtspunkt der Spekulationsmarke nicht zu begründen vermag und damit der Benutzungswille kein hinreichendes Kriterium ist, um eine bösgläubige Markenanmeldung in Form der Spekulationsmarke von einer legitimen Markenanmeldung abzugrenzen, soll nach einer alternativen Abgrenzungsmöglichkeit gesucht werden.

Die zweite Kernfrage betrifft die Frage, ob – positiv – das Vorliegen eines Benutzungswillens die Bejahung einer Behinderungsabsicht und damit die Bejahung einer Bösgläubigkeit unter dem Gesichtspunkt der Sperrmarke ausschließt. ← 4 | 5 → Diese quasi umgekehrte Frage stellt sich bei der Sperrmarke, weil diese dadurch gekennzeichnet ist, dass deren Anmeldung in Behinderungsabsicht erfolgt.27

Die Unterscheidung zwischen der Spekulationsmarke einerseits und der Sperrmarke andererseits mag als einengend empfunden werden. Die Unterscheidung ist jedoch, wie vorstehend bereits angedeutet, historisch bedingt. So sollten nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur die zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach §§ 1 UWG a.F., 826 BGB – also zur Sperrmarke – entwickelten Rechtsgrundsätze in dem mit § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a.F. neu eingeführten Begriff der Bösgläubigkeit aufgehen.28 Vielmehr sprach der Gesetzgeber § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a.F. darüber hinaus einen zusätzlichen Anwendungsbereich zu, indem er § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a.F. außerdem als ein Korrektiv für den Wegfall des Geschäftsbetriebs als Eintragungsvoraussetzung einführte29 – also zur Bekämpfung von Missbrauchsfällen, für die sich überwiegend der Begriff der Spekulationsmarke eingebürgert hat30. Angesichts dieses historischen Hintergrunds wird die Unterscheidung zwischen der Spekulationsmarke einerseits und der Sperrmarke andererseits in der vorliegenden Arbeit beibehalten.31

II. Ziel und Gang der Arbeit

1. Ziel der Arbeit

Mit dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, welche Folgen sich aus dem Fehlen oder Vorliegen eines Benutzungswillens für die Beurteilung einer Markenanmeldung als bösgläubig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ← 5 | 6 → n.F. ergeben. Dabei ist vor allem die rechtshistorische Entwicklung der bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG n.F., namentlich der europarechtliche Hintergrund, zu berücksichtigen. Aber auch andere Wertungen und Grundsätze des Markenrechts, die nicht unmittelbar die bösgläubige Markenanmeldung betreffen, sondern nur mittelbar auf die Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG n.F. ausstrahlen, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben; sie müssen mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit in Einklang stehen. Zu denken ist hierbei insbesondere an die Aufgabe der Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb und die Regelungen zum Benutzungszwang. In die Untersuchung sollen auch die maßgeblichen Entscheidungen des BGH und des EuGH einbezogen werden.

2. Gang der Arbeit

Die Arbeit besteht aus fünf Kapiteln. Auf die Einführung im Ersten Kapitel folgt im Zweiten Kapitel eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen der bösgläubigen Markenanmeldung, um eine Ausgangsbasis für die argumentative Auseinandersetzung mit dem Merkmal des Benutzungswillens in den sich anschließenden Kapiteln zu schaffen. Dabei soll nach (I.) der Aufgabenstellung zunächst eine Aufarbeitung (II.) der rechtshistorischen Entwicklung und den gesetzlichen Grundlagen sowie (III.) des Systems und der verfahrensrechtlichen Behandlung der bösgläubigen Markenanmeldung erfolgen. Darauf folgt eine Auseinandersetzung mit (IV.) der Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit und (V.) dem für die Beurteilung der Bösgläubigkeit maßgeblichen Zeitpunkt sowie eine Aufarbeitung (VI.) der Fallgruppen, die sich zur Konkretisierung der bösgläubigen Markenanmeldung herausgebildet haben.

Mit dem Dritten Kapitel folgt das Herzstück der Arbeit. So wird in diesem Kapitel insbesondere der Frage nachgegangen, ob – negativ – das Fehlen eines Benutzungswillens allein die Annahme einer Bösgläubigkeit rechtfertigt. Sollte dies der Fall sein, so dürfte dies dafür sprechen, dass das Merkmal des Benutzungswillens hinreichend geeignet ist, um eine nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG n.F. bösgläubige Markenanmeldung in Form der Spekulationsmarke von einer legitimen Markenanmeldung abzugrenzen. Bei der Untersuchung ist nach (I.) der genauen Aufgabenstellung zunächst (II.) die rechtshistorische Entwicklung der Regelungen und Prinzipien zu beleuchten, die unmittelbar oder mittelbar auf das Merkmal des Benutzungswillens ausstrahlen. In einem zweiten Schritt soll (III.) die Rechtslage zum Benutzungswillen unter der Geltung des Warenzeichengesetzes untersucht werden. Den Abschluss dieser Untersuchung bildet die Aufarbeitung (IV.) der Rechtslage nach dem Markengesetz unter Berücksichtigung des europarechtlichen Hintergrunds des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG n.F.

In dem anschließenden Vierten Kapitel soll untersucht werden, ob bei der Sperrmarke – positiv – das Vorliegen eines eigenen Benutzungswillens der Annahme einer Behinderungsabsicht und damit der Beurteilung einer Markenanmeldung als bösgläubig entgegensteht. Dabei folgt nach (I.) der genauen Aufgabenstellung eine Untersuchung (II.) der Rechtslage nach dem Warenzeichengesetz, ← 6 | 7 → gefolgt von einer Untersuchung (III.) der Rechtslage nach dem Markengesetz, ebenfalls unter Berücksichtigung des europarechtlichen Hintergrunds des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG n.F.

Den Abschluss der Arbeit bildet das Fünfte Kapitel, in dem die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst werden. ← 7 | 8 →

_______________

1Vgl. Nave, Einführung in das Markenrecht, 1. Kap. Rdnr. 1.

2Mit den eckigen Klammern in wörtlichen Zitaten werden im Folgenden eigene Auslassungen und eigene Änderungen kenntlich gemacht.

3Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht, S. V.

4Die Abkürzung „MarkenG“ steht für das „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz – MarkenG)“ vom 25. Oktober 1994, BGBl. 1994 Teil I, S. 3082, zuletzt geändert durch Art. 15 des „Gesetz[es] über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ vom 24. November 2011, BGBl. 2011 Teil I, S. 2302, 2310.

5Hacker in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, § 14 Rdnr. 8.

6Vgl. § 14 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 1 MarkenG.

7Z.B. Hacker, Markenrecht, § 3 Rdnr. 22.

Details

Seiten
XIV, 206
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783653038385
ISBN (ePUB)
9783653991109
ISBN (MOBI)
9783653991093
ISBN (Hardcover)
9783631648506
DOI
10.3726/978-3-653-03838-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Januar)
Schlagworte
Spekulationsmarke Sperrmarke sittenwidrige Zeichenanmeldung Markenrecht Benutzungswille
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2013. XIV, 206 S.

Biographische Angaben

Carolin Schosser (Autor:in)

Carolin Schosser, geboren in Ludwigsburg, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen. Seit 2008 arbeitet sie als Rechtsanwältin in einer Wirtschaftskanzlei in Stuttgart.

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