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Bilinguale Module in der Grundschule

Integriertes Inhalts- und Sprachlernen im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur

von Sabrina Bechler (Autor:in)
©2014 Dissertation 307 Seiten

Zusammenfassung

Bilinguale Module können, neben dem gewöhnlich nur zweistündigen Englischunterricht in der Grundschule, zusätzlichen Kontakt zur englischen Sprache ermöglichen. In dieser Arbeit werden Argumente für ihre Erteilung erörtert sowie der Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur (MeNuK), der Heimat- und Sachunterricht, Musik, Bildende Kunst und Textiles Werken vereint, auf seine Eignung für bilinguales Lehren und Lernen geprüft. Anhand von Unterrichtsbeobachtungen, Leitfadeninterviews mit SchülerInnen und Lehrkräften sowie der Analyse von Unterrichtsmaterialien werden Chancen und Grenzen bilingualer MeNuK-Module aufgezeigt. Davon ausgehend werden Überlegungen zur Durchführung und Weiterentwicklung angestellt. Ein Modell legt dar, wie bilinguale Module in der Praxis umgesetzt werden können.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Preface
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1 Gegenstand der Untersuchung
  • 1.1 Die Ausgangssituation
  • 1.1.1 Aktuelle Bedeutung des Themas
  • 1.1.2 Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation
  • Allgemeine Angaben
  • Sprache der Lehrkraft
  • Sprache der Schülerinnen und Schüler
  • Kriterien der Themenauswahl
  • Typische Themen
  • Zum Einsatz kommendes Material
  • Positive Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler
  • Schwierigkeiten
  • 1.2 Forschungsanlass
  • 1.2.1 Zielsetzung
  • 1.2.2 Forschungsfragen
  • 1.3 Begriffsbestimmungen und Eingrenzung des Themas
  • 1.3.1 Bilingualer Sachfachunterricht
  • 1.3.2 Organisationsformen des bilingualen Sachfachunterrichts
  • Bilingualer Bildungsgang
  • Immersion
  • Bilinguale Module
  • 1.3.3 Europalehrkräfte und Europalehramt
  • 2 Englischlernen im schulischen Kontext
  • 2.1 Grundschulischer Englischunterricht
  • 2.1.1 Begründung, Leitgedanke und Ziele
  • 2.1.2 Umsetzung und Gestaltung
  • Themenorientierung
  • Unterrichtskommunikation auf Englisch
  • Stellenwert des Deutschen
  • Authentizität
  • Anschaulichkeit
  • Ganzheitlichkeit
  • Handlungsorientierung
  • 2.1.3 Forschungsergebnisse und Überlegungen
  • Die Problematik des Übergangs
  • Leistungen im Hören und Sprechen
  • Leistungen im Lesen und Schreiben
  • Motivation und Bewusstsein der Lernenden
  • Anspruch an die Lehrkräfte
  • Fazit
  • 2.2 Bilingualer Sachfachunterricht
  • 2.2.1 Begründung, Leitgedanke und Ziele
  • 2.2.2 Umsetzung und Gestaltung
  • Interkulturelle Ausrichtung der Inhalte
  • Unterrichtskommunikation auf Englisch
  • Stellenwert des Deutschen
  • Einsatz von scaffolding
  • 2.2.3 Forschungsergebnisse und Überlegungen
  • Sprachliche Lernerträge
  • Sachfachliche Lernerträge
  • Die Lehrkräfte im Fokus
  • Die Schülerinnen und Schüler im Fokus
  • Fazit
  • 2.3 Argumente für bilinguale Module in der Grundschule
  • 3 Zur Eignung von MeNuK für bilinguales Lehren und Lernen
  • 3.1 Allgemeines zum Fächerverbund MeNuK
  • 3.1.1 Begründung, Leitgedanke und Ziele
  • 3.1.2 Forschungsergebnisse und Überlegungen
  • 3.2 Eigenheiten von MeNuK und Vorteile für BLL
  • 3.2.1 Konzeptuelle Eigenheiten: Erhöhung des Anspruchs beim Englischlernen
  • 3.2.2 Inhaltliche Eigenheiten: Steigerung des interkulturellen Lernens
  • 3.2.3 Methodische Eigenheiten: Englischlernen in reichhaltigen Kontexten
  • 3.2.4 Sprachliche Eigenheiten: Kommunikation in realen Situationen
  • 3.3 Schnittstellen und Verknüpfungsmöglichkeiten der Teilfächer mit Englisch
  • 3.3.1 Heimat- und Sachunterricht
  • 3.3.2 Musik
  • 3.3.3 Bildende Kunst und Textiles Werken
  • 4 Die empirische Untersuchung
  • 4.1 Konkretisierung der Forschungsfragen
  • I Was sind die Chancen und Grenzen bilingualer MeNuK-Module?
  • 4.1.1 Fragenkomplex zum Unterricht
  • II Welche Unterrichtsgestaltung weisen bilinguale MeNuK-Module auf?
  • III Welche Lernerträge ergeben sich durch bilinguale MeNuK-Module?
  • 4.1.2 Fragenkomplex zu den Lehrkräften
  • IV Welchen Anspruch stellen bilinguale MeNuK-Module an die Lehrkräfte?
  • V Welche Überzeugungen haben die Lehrkräfte hinsichtlich bilingualer MeNuK-Module?
  • 4.1.3 Fragenkomplex zu den SuS
  • VI Welche Anforderungen stellen bilinguale MeNuK-Module an die SuS?
  • VII Welche Wirkungen haben bilinguale MeNuK-Module auf die SuS?
  • 4.2 Qualitatives Forschungsdesign
  • 4.2.1 Merkmale der qualitativen Forschung
  • 4.2.2 Unterrichtsbeobachtung
  • 4.2.3 Unterrichtsmaterial
  • 4.2.4 Befragung
  • 4.2.5 Die Forscherin im Forschungsprozess
  • 4.2.6 Zur Qualität der Untersuchung
  • Triangulation
  • Intersubjektive Nachvollziehbarkeit
  • 4.3 Untersuchungsrahmen
  • 5 Darstellung und Analyse des Unterrichts
  • 5.1 Sequenzen der Darbietung
  • 5.1.1 Ausführung einer praktischen Tätigkeit
  • Fingerpuppe – eine Demonstration nachvollziehen (E)
  • Experiment – eine Erläuterung nachvollziehen und Vorüberlegungen anstellen (E)
  • 5.1.2 Einführende Behandlung einer Thematik
  • Wasserkreislauf – einer Erzählung folgen (E)
  • 5.1.3 Vertiefte Behandlung einer Thematik
  • Schallwellen – einer längeren Erklärung folgen (D)
  • 5.1.4 Gesamtbetrachtung und -interpretation der Ergebnisse
  • 5.2 Sequenzen der gemeinsamen Erarbeitung
  • 5.2.1 Einführende Behandlung, v.a. durch handelnde Tätigkeit
  • Instrumente raten – Hinhören, Benennen und Zeigen (E)
  • Raindrop Rhythms – Hinhören und Imitieren (E)
  • 5.2.2 Einführende Behandlung, v.a. durch Sprechen
  • Gebrauch der Sinne – Einwort-Antworten geben (E)
  • Wasserverbrauch – chunks anwenden (E)
  • Schutz der Ohren – deutsche Antworten geben (E)
  • Basteln von Instrumenten – Probieren und in Deutsch kommentieren (E)
  • Gemeinsamkeiten der Familie – Erzählen (D)
  • Quelle – Definieren und Erklären (D)
  • 5.2.3 Vertiefte Behandlung, v.a. durch handelnde Tätigkeit
  • Instrumentenfamilien – Zuordnen (E)
  • Bestandteile des Ohrs – Zeigen und Beschriften (D)
  • 5.2.4 Vertiefte Behandlung, v.a. durch Sprechen
  • Ergebnisse des Experiments – Berichten und Schlussfolgern (D)
  • Ohrmuschel – Herleitung des Begriffes und der Funktion (D)
  • 5.2.5 Sprachliche Sicherung
  • Fachbegriffe in zwei Sprachen – Übersetzen (E)
  • Sinnesbegriffe – Lesen und Nachsprechen (E)
  • 5.2.6 Gesamtbetrachtung und -interpretation der Ergebnisse
  • 5.3 Sequenzen der Schülerselbsttätigkeit
  • 5.3.1 Einführende Behandlung, v.a. durch handelnde Tätigkeit
  • Loud or soft – Passendes markieren (E)
  • 5.3.2 Einführende Behandlung, v.a. durch Schreiben
  • Flüstertüte und Hörrohr – Ausprobieren und Ergebnisse notieren (D)
  • 5.3.3 Inhaltliche Sicherung
  • Drip Drops Geschichte – Nacherzählen (D)
  • 5.3.4 Gesamtbetrachtung und -interpretation der Ergebnisse
  • 5.4 Code-switching innerhalb von Sequenzen
  • 5.4.1 Komplexe Anweisungen für eine Aktivität geben
  • Beispiel einer Arbeitsanweisung: Wenn ihr etwas falsch habt
  • 5.4.2 Wiederholende Funktion/Übersetzung/Verständnissicherung
  • Beispiel für eine Aufforderung: Du sollst sagen
  • Beispiel für eine Definition: Eine Collage ist ein Kunstwerk
  • Beispiel für eine Übersetzung: Stellt euch vor
  • Beispiel für eine Wiederholung: Das sind die Sinne
  • 5.4.3 Auf spontane (unerwartete) Schüleräußerungen reagieren
  • Beispiel für eine Ergänzung: Wenn wir kein Gehirn hätten
  • 5.4.4 Affektive Funktion/Kontrolle des Schülerverhaltens
  • Beispiel für eine Ermahnung: Wenn ihr nicht exakt hört
  • 5.4.5 Sozialisierende Funktion/persönliche Beziehung aufbauen
  • Beispiel für eine Ermutigung: Jetzt gut aufgepasst
  • 5.4.6 Gesamtbetrachtung und -interpretation der Ergebnisse
  • 5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
  • 6 Darstellung und Analyse der Sichtweisen der Beteiligten
  • 6.1 Interviews mit den Lehrerinnen
  • 6.1.1 Sprachwahl
  • 6.1.2 Erkenntnisse und Schlüsse zum Unterricht
  • 6.1.3 Unterrichtsvorbereitung und -durchführung
  • 6.1.4 Allgemeines Verhalten und Motivation der SuS
  • 6.1.5 Sprachverstehen und -verwendung der SuS
  • 6.1.6 Herausforderungen für die SuS
  • 6.1.7 Bewertung der eigenen Lehrerausbildung
  • 6.1.8 Einstellung, Wünsche und Vorschläge
  • 6.1.9 Gesamtbetrachtung und -interpretation der Ergebnisse
  • 6.2 Interviews mit den SuS
  • 6.2.1 Bewertung des Unterrichts
  • Positive Bewertung
  • Negative Bewertung
  • Lernergebnisse
  • Besonders im Gedächtnis gebliebene Aspekte
  • 6.2.2 Abgrenzung und Ähnlichkeiten des BSU zu anderen Unterrichtskonzepten
  • Unterschiede zwischen Englischunterricht und BSU
  • Gemeinsamkeiten zwischen Englischunterricht und BSU
  • Unterschiede zwischen deutschem und bilingualem MeNuK
  • 6.2.3 Englisch als Unterrichtssprache
  • Verständnis und Erfolge
  • Verständnisschwierigkeiten
  • 6.2.4 Deutsch als Unterrichtssprache
  • 6.2.5 Einstellung und Machbarkeit
  • 6.2.6 Gewinne und Herausforderungen
  • 6.2.7 Motivation und Wünsche
  • 6.2.8 Gesamtbetrachtung und -interpretation der Ergebnisse
  • 7 Zusammenschau und Perspektiven
  • 7.1 Chancen und Grenzen bilingualer MeNuK-Module
  • 7.2 Überlegungen zur Durchführung und Weiterentwicklung
  • 7.2.1 Typische Merkmale des Englischunterrichts als Ausgangspunkt
  • 7.2.2 Implizites Englischlernen in mitteilungsorientierten Kommunikationssituationen
  • 7.2.3 Explizites Englischlernen in sprachorientierten Kommunikationssituationen
  • 7.2.4 Zusammenarbeit mit dem Englischunterricht
  • 7.2.5 Deutsch als Stütze für das Englische
  • 7.2.6 Anknüpfung an inhaltlich Bekanntes und Konkretes
  • 7.2.7 Wichtigkeit der Schriftsprache
  • 7.2.8 Unterstützung der Lehrkräfte
  • 7.3 Konsequenzen für die Integration bilingualer Module ins Schulprogramm
  • 7.3.1 Bilinguale Module von Anfang an
  • 7.3.2 Entwurf eines Modells für bilinguale Module
  • Modell von Cummins
  • Modell von Johnson und Swain
  • Modell von Haudeck und Riedl
  • Ein Modell für bilinguale Module in der Grundschule
  • 7.3.3 Ein Blick auf die Sekundarstufe 1
  • 7.4 Ausblick und Anregungen für die weitere Forschung
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang
  • A1 Fragebogen für die schriftliche Umfrage unter Europalehrkräften
  • A2 Leitfaden für die Interviews
  • A3 Kategoriensystem für englisch- und deutschsprachige Sequenzen
  • A4 Kategoriensystem für die Sequenzen mit code-switching

Tabellenverzeichnis

Tab. 1:Allgemeine Angaben zu den befragten Europalehrkräften

Tab. 2:Ausbildungsstandards des Kultusministeriums für das Europalehramt

Tab. 3:Kompetenzfelder in MeNuK nach Siller 2004

Tab. 4:Übersicht der Stunden zum Thema Wasser

Tab. 5:Übersicht der Stunden zum Thema Sinne

Tab. 6:Gegenüberstellung der Unterrichtssprachen

Tab. 7:Gegenüberstellung der Chancen und Grenzen ← 17 | 18 → ← 18 | 19 →

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Erste Übersicht zu den Forschungsfragen

Abb. 2: Allgemeine Problematik des bilingualen Sachfachunterrichts

Abb. 3: Effekte des Englischen als Unterrichtssprache

Abb. 4: Erhöhung des Anspruchs beim Englischlernen

Abb. 5: Steigerung des interkulturellen Lernens

Abb. 6: Englischlernen in reichhaltigen Kontexten

Abb. 7: Kommunikation in realen Situationen

Abb. 8: Vorgehensweise bei der Beantwortung der Forschungsfragen

Abb. 9: Legende für die Transkription

Abb. 10: Vergleich von Immersion und bilingualen Modulen hinsichtlich der inhaltlichen und sprachlichen Anforderungen

Abb. 11: Entwurf eines Modells für bilinguale MeNuK-Module ← 19 | 20 → ← 20 | 21 →

Abkürzungsverzeichnis

1 Gegenstand der Untersuchung

Im ersten Kapitel wird der Gegenstand der Untersuchung genau festgelegt: Es geht um bilingualen Sachfachunterricht in Form von Modulen, die von Europalehrkräften an Grundschulen in Baden-Württemberg erteilt werden. Zunächst wird die Ausgangssituation dargestellt, die die aktuelle Bedeutung des Themas und die Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation umfasst. Daran anknüpfend wird der Forschungsanlass mit der Zielsetzung und den Forschungsfragen aufgezeigt. Begriffsbestimmungen und eine Eingrenzung des Themas folgen, indem der bilinguale Sachfachunterricht generell, seine verschiedenen Organisationsformen sowie Europalehrkräfte und Europalehramt betrachtet werden.

1.1Die Ausgangssituation

Eine Darstellung der Ausgangssituation ist erforderlich, um erste Forschungslücken auffinden und ein eigenes Forschungsvorhaben begründen und entwickeln zu können. Die aktuelle Bedeutung des Themas wird hier als Erstes aufgezeigt. In den letzten Jahren ist die Beliebtheit des bilingualen Sachfachunterrichts (BSU) merklich angestiegen, was vor allem mit den dazu vorliegenden positiven Forschungsergebnissen zu begründen ist. Die Idee, auch schon in der Grundschule bilingual zu unterrichten, breitet sich langsam immer weiter aus. Als weiterer Aspekt dieses Kapitels erfolgt eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation. Diese enthält eine Umfrage unter Lehrkräften, die im Rahmen des absolvierten Studiengangs Europalehramt ausgebildet wurden, um bilingual an der Grundschule unterrichten zu können. Wie es sich mit deren Unterrichtspraxis verhält, ist hier bedeutend, denn dadurch können erste Aussagen darüber gemacht werden, in welcher Form BSU in der Grundschule möglich ist.

1.1.1Aktuelle Bedeutung des Themas

„Bilingualer Unterricht ist das Erfolgskonzept schlechthin“, so die Überschrift eines Dokuments des Vereins für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen e.V., kurz FMKS, zu Ergebnissen der DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) (FMKS 2006). Spätestens diese Untersuchung machte deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler (SuS) im BSU erfolgreich Englisch lernen können, vor allem im Vergleich zu denjenigen, die nur auf „traditionellem“ Wege, also im Englischunterricht, die Fremdsprache lernen (ebd.; vgl. dazu auch Kapitel 2.2.3). Schon seit vielen Jahren existiert BSU in Deutschland, und das in verschiedenster Form. Seit seiner Entstehung ← 23 | 24 → hat er eine große Entwicklung durchlaufen. Die in wissenschaftlichen Untersuchungen illustrierten positiven Ergebnisse hinsichtlich des Sprachlernens haben dazu beigetragen, dass seine Verbreitung in den letzten Jahren zugenommen hat. Während es 1999 insgesamt 366 Schulen mit bilingualem Angebot gab, wie das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) aufzeigt, stieg die Zahl in den folgenden Jahren um mehr als das Doppelte. Im April 2006 lassen sich bereits 847 Schulen in Deutschland finden (KMK 2006: 9). Diese rasante Zunahme ist auf das Zusammenwachsen Europas und die Flexibilisierung bilingualer Angebote mithilfe von Modulen zurückzuführen (ebd.: 8), die BSU für eine größere Anzahl von SuS an mehr Schulen ermöglichen. Module sind eine „kleine“ Form bilingualen Lehrens und Lernens (BLL), da nur phasenweise Sachfachinhalte in der Fremdsprache vermittelt werden (vgl. dazu Kapitel 1.3.2). Zunächst wurde vor allem talentierten SuS die Teilnahme ermöglicht (ebd.), da BSU anfänglich nur am Gymnasium angeboten wurde. Mittlerweile ist er auch an anderen Schulformen zu finden, sodass nicht mehr nur Gymnasiasten die Chance auf bilinguales Lernen erhalten. In Baden-Württemberg gibt es beispielsweise die Projekte BiLi Hauptschule zur Einrichtung bilingualer Module (Schwab et al. 2012) und BiliReal 2012 zur Etablierung bilingualer Züge an Realschulen (Hollm et al. 2010). Diese Projekte weisen nach, dass BSU auch gut an anderen Schulformen funktionieren kann. In Baden-Württemberg gibt es sogar Handreichungen zu BSU in der Realschule (MBW 2006a). Schon vor mehreren Jahren wurde in Nordrhein-Westfalen eine wissenschaftliche Begleitung zu BSU an Haupt- und Realschulen durchgeführt (Helfrich 1994). Mittlerweile sind sogar Kindergärten zu finden, bei denen die Betreuungspersonen in der Fremdsprache mit den Kindern sprechen. Als Beispiel kann das Projekt ELIAS (Early Language and Intercultural Acquisition Studies) genannt werden, das diesen Kontext auf europäischer Ebene untersucht (Kersten et al. 2008).

In Deutschland gibt es derzeit noch wenige Grundschulen mit bilingualem Angebot. Im Januar 2008 vermerkt der FMKS ungefähr 150 öffentliche und private Grundschulen in Deutschland, die Sachfachunterricht (SFU) in einer Fremdsprache erteilen. Davon haben 44 Schulen Englisch als Fremdsprache gewählt (FMKS 2008). Die Anzahl von Grundschulen mit bilingualem Angebot ist noch sehr gering und kann dem FMKS zufolge „bei weitem nicht als befriedigend angesehen werden“ (ebd.). Mehr als die Hälfte all dieser Grundschulen befinden sich in den großen Städten Frankfurt am Main, Berlin, Hamburg und München (ebd.). Viele der Grundschulen unterrichten nach dem Prinzip der Immersion. Dabei werden die Hälfte oder sogar alle Fächer außer Deutsch in der Fremdsprache von Schulbeginn an unterrichtet (vgl. Kapitel 1.3.2). Die genaue Anzahl der Grundschulen, an denen BSU nicht fest in den schulischen Alltag ← 24 | 25 → integriert ist und in Form von Modulen erteilt wird, liegt nicht vor. Es ist davon auszugehen, dass zumindest in baden-württembergischen Grundschulen, an denen Europalehrkräfte unterrichten, bilinguale Module oder auch nur vereinzelte bilinguale Stunden erteilt werden, da dieser Lehrertyp gelernt hat, bilingual zu unterrichten (vgl. Kapitel 1.3.3). Das Bundesland Baden-Württemberg unterstützt BSU jedoch nicht nur mit dem Studiengang Europalehramt, sondern weist auch im Bildungsplan der Grundschule, der seit 2004 gilt, explizit darauf hin:

Durch die Verbindung des Fremdsprachenunterrichts mit anderen Fächern der Grundschule erweitern die Kinder ihr Welt- und Handlungswissen zugleich in der Zielsprache und in Sachgebieten. Sie erwerben Sprachwissen durch die Aneignung von Sach- und Handlungswissen. Sie lernen, dass Informationen und Inhalte ihnen auch in einer fremden Sprache zugänglich sein können.

Sprachausbildung ist daher grundsätzlicher als bisher auf die Kompetenz gerichtet, altersgemäße Sachinhalte in der Zielsprache zu verstehen und zu vermitteln. Die Einbettung der Zielsprache in Sachfächer als Beitrag zum bilingualen Lehren und Lernen ist daher, wann immer möglich, anzustreben. Gerade in den letzten beiden Lernjahren wird dieser Zugang zunehmend systematisch genutzt (MBW 2004a: 68).

Es wird insbesondere auf die Schnittpunkte zum Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur, kurz MeNuK, verwiesen (ebd.), eine Verbindung von Heimat- und Sachunterricht, Bildender Kunst, Textilem Werken und Musik. Die Aussage „wann immer möglich“ ist sehr offen gehalten und überlässt es der Lehrkraft bzw. der Schule, wie oft sie die Fremdsprache als Unterrichtssprache einsetzt. Dabei ist BLL nicht als fester Bestandteil des schulischen Alltags zu verstehen. Der Bildungsplan stellt den Schulen allgemeine Leitfragen, die sie für sich beantworten können. Darunter lässt sich auch die Frage „Wie unterstützen wir bilinguales Lernen und Arbeiten?“ (ebd.: 18) finden. Konkrete Aussagen zur Durchführung von BSU werden im Bildungsplan nicht dargelegt. Es gibt keine Anleitungen oder Anordnungen, die Informationen zu Didaktik und Methodik geben. Bisher wurden auch keine umfangreichen Untersuchungen vorgenommen. Jedoch haben die Studienseminare einige Leitlinien aufgestellt. Außerdem gibt es einige wenige Niveaukonkretisierungen. Diese

richten sich an die Lehrkräfte und definieren einen Leistungskorridor als Leitlinien für die Unterrichtsplanung und dienen zur Überprüfung des Unterrichtserfolges. Sie verdeutlichen also das erwartete Anspruchsniveau einzelner Kompetenzen oder einer Reihe von aufeinander bezogenen Kompetenzen (Kompetenzbündel) (Landesinstitut für Schulentwicklung 2009).

Als diese Arbeit begonnen wurde, gab es fast keine Veröffentlichungen in Deutschland zu BSU in der Grundschule, der in Form von Modulen erteilt wurde, obwohl es zu dieser Zeit schon einige Europalehrkräfte im Referendariat und ← 25 | 26 → Schuldienst gab. Der Studiengang Europalehramt wurde eingeführt, bevor der Fremdsprachenunterricht (FSU) im Jahr 2004 in der Grundschule in Baden-Württemberg für alle vier Schuljahre zur Verpflichtung wurde. Die ersten Lehrkräfte absolvierten Praktika und Referendariat, ohne sich an allgemeingültigen Vorgaben oder den Erfahrungen anderer orientieren zu können. In der Entstehungszeit dieser Arbeit ist das allgemeine Interesse an der Thematik um ein Vielfaches gestiegen. Mittlerweile gibt es einige Publikationen aus Deutschland (z.B. Elsner/Keßler 2010; Elsner/Wittkowske 2010; Massler/Burmeister 2010) und anderen Ländern Europas (z.B. Egger/Lechner 2012; Halbach 2009; Infante et al. 2008; van de Craen et al. 2007), die sich mit BSU in der Grundschule befassen. Auch wurden europäische Projekte, unterstützt durch Comenius, zur Einführung von BSU an Grundschulen durchgeführt. Primary CLIL fand von 2005-2007 statt (z.B. Rampone/Krigere 2006) und Pro-CLIL (Providing Guidelines for CLIL Implementation in Primary and Pre-Primary Education) von 2006-2009 (z.B. Massler/Steiert 2010).1 Derzeit laufen die Projekte CHILITEX (Children’s Literature and Experiments) zur Entwicklung und Evaluation bilingualer Unterrichtsmodule (z.B. Haudeck et al. 2012) und CLILA (CLIL Learner Assessment) zur Erarbeitung eines Bewertungsinstruments fremd- und sachfachlicher Leistungen (z.B. Massler et al. 2012). Außerdem wurden Unterrichtsmaterialien entworfen, die im BSU eingesetzt werden können (z.B. Science von Shad-Manfaat/Stahl 2007; die Zeitschrift Take off! seit 2007). Daneben wurde vom Beratungs-, Informations- und Gesprächskreis, kurz BIG-Kreis, in der Reihe zu „Empfehlungen für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule“ ein Heft mit dem Titel „In zwei Sprachen lernen. Die Fremdsprache in den Lernbereichen der Grundschule“ herausgebracht (BIG-Kreis 2011). In Rheinland-Pfalz gibt es sogar ein Informationsheft, das kompakt die Situation des Bundeslandes darstellt sowie Handreichungen enthält (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur 2011). Auch auf der Konferenz FFF (Fortschritte im Frühen Fremdsprachenlernen) im Jahr 2011 zeichnete sich die Aktualität von BLL in der Grundschule ab.2

Begründen lässt sich das Interesse teilweise damit, dass der Englischunterricht der Grundschule in der Regel nur zwei Stunden pro Woche stattfindet, was den SuS nur wenig Kontakt zur englischen Sprache ermöglicht und wodurch die Progression sich nur sehr langsam vollzieht. Als eine Lösung wird BSU vorgeschlagen: ← 26 | 27 →

Die Kontaktzeiten zur englischen Sprache müssen möglichst hoch sein. Realistischerweise ist eine dritte Unterrichtsstunde hilfreich – natürlich nicht auf Kosten des Deutschunterrichts oder anderer Fächer. Dazu müssen fächerübergreifende Komponenten kommen: Teile des Sport-, Musik-, Kunst- und Fachunterrichts können englisch vermittelt werden – beinahe einfach alles, was vor- und nachgemacht werden kann (Böttger im Interview mit Schmid-Schönbein, Schmid-Schönbein 2009: 7).

Die Stimmen, die sich in der aktuellen Literatur für BSU in der Grundschule aussprechen, nehmen zu (z.B. Bechler/Sambanis 2010; Böttger 2009; Elsner/Keßler 2009; Keßler 2010).

Es wurde deutlich, dass oftmals gefordert wird, den Kontakt zur Fremdsprache in der Grundschule zu intensivieren. In Baden-Württemberg gab es im Jahr 2011 jedoch auch eine Diskussion, die in eine ganz andere Richtung ging. Nach der Untersuchung des Expertenrates Herkunft und Bildungserfolg (MBW 2011: 93) wurde überlegt, den FSU statt in der ersten erst in der dritten Klasse zu beginnen, da die Kinder mit Migrationshintergrund zunächst erst einmal in der deutschen Sprache besser gefördert werden sollen (vgl. dazu Kapitel 7.2.5). Allerdings wurde diese Idee wieder verworfen, nachdem Fremdsprachendidaktiker/innen mit Expertise für den Grundschulbereich vehement dagegen protestiert hatten.

1.1.2Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation

Für BSU werden spezifisch dafür ausgebildete Lehrkräfte benötigt. Das Bundesland Baden-Württemberg bietet daher den Studiengang Europalehramt an (vgl. Kapitel 1.3.3). Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit nahm Kontakt zu Lehrkräften auf, die diesen Studiengang absolviert haben. Ziel war es, eine Befragung durchzuführen, die Einblicke in die derzeitige Situation an Grundschulen liefert und Aufschluss darüber gibt, ob die Ausbildung im Europalehramt und die Anmerkungen im Bildungsplan bewirken, dass wirklich bilingual unterrichtet wird. Die Umfrage wird als Ausgangspunkt genommen, um den Forschungsanlass für eine umfangreichere Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit ableiten zu können.

Das Kultusministerium, die Regierungspräsidien und Schulaufsichtsbehörden wurden kontaktiert, um herauszufinden, wie viele Europalehrkräfte insgesamt in Baden-Württemberg unterrichten und an welchen Grundschulen sie eingesetzt werden. Leider war es zu dem Zeitpunkt nicht möglich, diese Informationen zu erhalten. Dadurch wurde es notwendig, die Europalehrkräfte direkt zu kontaktieren. Die Recherche erwies sich als äußerst schwierig. Mithilfe der Studienseminare und über Bekannte wurden einige Europalehrkräfte kontaktiert mit der Bitte, den Fragebogen auch an andere weiterzureichen. Insgesamt wurden ← 27 | 28 → ungefähr 30 Fragebögen am Anfang des Jahres 2008 verschickt. Insgesamt 17 Europalehrkräfte haben einen ausgefüllten Bogen zurückgeschickt, was etwas mehr als 50 Prozent an Rücklauf bedeutet. Selbstverständlich wäre eine größere Anzahl von Teilnehmern wünschenswert gewesen, um ein genaueres Bild der Situation erstellen zu können. Für den Kontext dieser Arbeit ist die Anzahl aber als ausreichend einzuschätzen, denn die Äußerungen bieten eine gute Grundlage, um einen Forschungsanlass für eine detaillierte Studie festlegen zu können.

Es wird zwischen drei Fragetypen unterschieden, der offenen, halboffenen und geschlossenen Frage, wobei die ersten beiden hier dominieren. Beim Typ „offene Frage“ sind keine Antwortkategorien vorgegeben, sondern die Antworten können frei in eigenen Worten gegeben werden (Porst 2009: 54). Beim Typ „halboffene Frage“ schließt sich an eine geschlossene Frage eine offene an (ebd.: 55). Zusätzlich zu den vorgegebenen Ankreuzmöglichkeiten können also eine oder mehrere weitere Antworten gegeben werden. Die „geschlossene Frage“ gibt eine begrenzte Anzahl von Antworten vor, aus der der Antwortende wählen muss (ebd.: 51). Mehrere Antworten durften stets angekreuzt werden, wobei die allgemeinen Angaben dies teilweise nicht zuließen, da nur eine Antwort korrekt sein konnte (z.B. ob die befragte Person im Referendariat oder im Schuldienst ist). Die Fragen sind als Aussagen formuliert (Fragebogen siehe Anhang A1).

Allgemeine Angaben

Zu Beginn des Fragebogens wurden die Europalehrkräfte gebeten, einige allgemeine Angaben zu machen:

zum Status: Schuldienst (SD)/Referendariat (R)

zu der verwendeten Fremdsprache: Englisch (E)/Französisch (F)

zur Häufigkeit bilingual erteilter Stunden: Stunden jede Woche (w)/Stunden jeden Monat (m)/Unterrichtseinheiten im Schuljahr (j)

zu der unterrichteten Klassenstufe: 1/2/3/4

zu den unterrichteten Sachfächern: Mathematik (MA)/evangelische Religionslehre (ev. RL)/Bewegung, Spiel und Sport (BSS)/alle Teilfächer von MeNuK/nur Musik (MU)/nur Bildende Kunst und Textiles Werken (BK/TW)/nur Heimat- und Sachunterricht (HuS)/MeNuK ohne Musik

Die Lehrkräfte L1 bis L12 unterrichteten zum Zeitpunkt der Befragung in ihren Klassen bilingual. Tabelle 1 zeigt die allgemeinen Angaben auf, die sie im Fragebogen gemacht haben. Fünf Lehrkräfte, L13 bis L17, gaben an, dass sie nie bilingual unterrichten. Sie wurden gebeten, nur die letzte Frage zu Schwierigkeiten von BSU zu beantworten. ← 28 | 29 →

Details

Seiten
307
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653042467
ISBN (ePUB)
9783653992717
ISBN (MOBI)
9783653992700
ISBN (Hardcover)
9783631646946
DOI
10.3726/978-3-653-04246-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Februar)
Schlagworte
Bilingualer Sachfachunterricht Englischunterricht bilinguales Lehren
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 307 S.

Biographische Angaben

Sabrina Bechler (Autor:in)

Sabrina Bechler studierte Europalehramt für Grund- und Hauptschulen an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Nach dem Studium war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Frankfurt tätig und promovierte an der Universität Bremen. Sie unterrichtet Englisch an zwei Grundschulen in Berlin.

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