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Der Kunsthändler als Intermediär

Eine institutionenökonomische Analyse von Markt und Marktteilnehmern

von Katharina Kurz (Autor:in)
©2014 Dissertation XXIV, 346 Seiten

Zusammenfassung

Der zeitgenössische Kunstmarkt erfährt durch die steigende Bedeutung von Kunst als Investitionsobjekt große Aufmerksamkeit. Gleichzeitig herrscht auf diesem intransparenten Markt jedoch ein Höchstmaß an Unsicherheit, wobei dem Kunsthändler eine besondere Rolle und Machtstellung zukommt. Die Beziehungen des Kunsthändlers zu Künstler und Sammler bilden den Ausgangspunkt dieser Arbeit, wobei ein umfassendes Modell der Machtverhältnisse zwischen den Akteuren im Distributionssystem entwickelt wird. Auf Basis der Neuen Institutionenökonomik werden Ansatzpunkte zur Beziehungsgestaltung zwischen Künstler und Kunsthändler gegeben und schließlich für den Künstler konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet. Die Ergebnisse werden durch knapp fünfzig Interviews mit Künstlern, Galeristen und Sammlern in den USA und in Deutschland untermauert.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Vorwort der Herausgeberreihe
  • Vorwort des Herausgebers
  • Vorwort der Autorin
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1 Einführung in die Arbeit
  • 1.1 Problemhintergrund
  • 1.2 Behandlung in der Forschung
  • 1.3 Zielsetzung der Arbeit und Herleitung der Forschungsfragen
  • 1.4 Forschungsmethode
  • 1.5 Aufbau der Arbeit
  • 2 Theoretischer Bezugsrahmen
  • 2.1 Einordnung in die Marketingwissenschaft
  • 2.2 Die Neue Institutionenökonomik
  • 2.2.1 Transaktionskostentheorie
  • 2.2.2 Vertragstheorie
  • 2.2.3 Informationsökonomische Güterklassifikation
  • 2.3 Soziale-Austauschtheorie und Ressourcenabhängigkeitstheorie
  • 2.4 Der Transaktionswert der Hersteller- Händler-Beziehung
  • 2.4.1 Struktur des Transaktionswertes
  • 2.4.2 Determinanten des Transaktionswertes
  • 3 Der internationale zeitgenössische Kunstmarkt und der Kunsthandel als begrifflich-konzeptionelle Grundlagen
  • 3.1 Der zeitgenössische Kunstmarkt als Untersuchungsfeld
  • 3.2 Das Kunstwerk
  • 3.2.1 Übersicht über die Ware Kunst
  • 3.2.2 Konstitutive Merkmale von Kunstwerken
  • 3.3 Marktstruktur
  • 3.3.1 Marktteilnehmer auf dem Primärmarkt
  • 3.3.1.1 Der Künstler als Produzent
  • 3.3.1.2 Der Kunsthändler als Intermediär
  • 3.3.1.3 Der Sammler als Abnehmer
  • 3.3.1.4 Das Museum als Abnehmer
  • 3.3.2 Der Sekundärmarkt
  • 3.4 Marktvolumen
  • 3.5 Preisbildung im Kunstmarkt
  • 3.5.1 Preispraktiken und Einflussfaktoren
  • 3.5.2 Kunst als Investition
  • 3.6 Zusammenfassung der Ergebnisse
  • 4 Vergleich des Kunsthandels mit ähnlichen Distributionssystemen
  • 4.1 Herleitung und Vorgehen des Vergleichs
  • 4.1.1 Auswahl der zu vergleichenden Märkte
  • 4.1.2 Kriterienauswahl für den Vergleich
  • 4.2 Die Händler-Sammler-Beziehung im Vergleich zum Luxusmarkt
  • 4.2.1 Abgrenzung des Luxusmarktes
  • 4.2.2 Produkteigenschaften
  • 4.2.2.1 Kunstwerk und Luxusgut im Vergleich
  • 4.2.2.2 Informationsökonomische Eigenschaften
  • 4.2.3 Informationsökonomische Bedeutung des Kunsthändlers
  • 4.2.4 Dyadische Tauschbeziehung
  • 4.2.4.1 Vorbereitung
  • 4.2.4.1.1 Marktinformationen
  • 4.2.4.1.2 Zielgruppenprogramm
  • 4.2.4.2 Anbahnung
  • 4.2.4.2.1 Marktkommunikation
  • 4.2.4.2.2 Preise und Verkaufstätigkeit
  • 4.2.4.2.3 Separation von Kunden und Nicht-Kunden
  • 4.2.4.3 Abschluss
  • 4.2.4.4 Realisierung
  • 4.2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
  • 4.3 Die Künstler-Händler-Beziehung im Vergleich zum Kulturmarkt
  • 4.3.1 Überblick über den Kulturmarkt anhand des Musik- und Buchmarktes
  • 4.3.2 Strukturelle Determinanten des Distributionssystems im Vergleich
  • 4.3.2.1 Produkteigenschaften
  • 4.3.2.1.1 Konstitutive Merkmale
  • 4.3.2.1.2 Eigenschaften von Kulturgütern
  • 4.3.2.2 Distributionsstruktur und Identifikation der Intermediäre
  • 4.3.2.3 Transaktionskostendimensionen im Absatzkanal
  • 4.3.2.4 Ausgestaltung von Verträgen
  • 4.3.2.5 Umweltfaktoren
  • 4.3.3 Verhaltensbezogene Determinanten des Distributionssystems
  • 4.3.3.1 Zielbeziehungen
  • 4.3.3.1.1 Definition von Zielbeziehungen
  • 4.3.3.1.2 Absatzziele
  • 4.3.3.1.3 Konfliktpotenzial
  • 4.3.3.2 Rollenbeziehungen
  • 4.3.3.3 Machtbeziehungen
  • 4.3.3.3.1 Machtgrundlagen des Intermediärs
  • 4.3.3.3.2 Vergleich der Machtgrundlagen von Hersteller und Händler
  • 4.3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse
  • 5 Die Machtverhältnisse im Kunstmarkt
  • 5.1 Methodische Konzeption und Vorgehensweise
  • 5.1.1 Ziel und Untersuchungsmethode
  • 5.1.2 Empirisches Vorgehen und Auswahl der Interviewpartner
  • 5.2 Einflussfaktoren auf die Machtverhältnisse
  • 5.2.1 Reputation als machtverschiebende Kraft
  • 5.2.1.1 Reputation im Marketingverständnis
  • 5.2.1.2 Reputation im Kunstmarktverständnis
  • 5.2.1.3 Die Reputation des Künstlers
  • 5.2.1.4 Die Reputation des Kunsthändlers
  • 5.2.1.5 Die Reputation des Sammlers
  • 5.2.1.6 Zusammenfassung und Ableitung von vier Machtsituationen
  • 5.2.2 Abhängigkeit des Künstlers
  • 5.2.2.1 Abhängigkeit durch Ressourcenkontrolle auf Händlerseite
  • 5.2.2.2 Alternative Austauschbeziehungen
  • 5.2.2.2.1 Marktfremde Alternativen
  • 5.2.2.2.2 Marktinterne Alternativen
  • 5.2.3 Vertrauen und Commitment als stabilisierende Faktoren
  • 5.2.3.1 Vertrauen in der Hersteller-Händler-Beziehung
  • 5.2.3.2 Commitment in der Hersteller-Händler-Beziehung
  • 5.2.3.3 Anwendung auf die Künstler-Kunsthändler-Beziehung
  • 5.2.3.3.1 Vertrauen in Abwesenheit von Verträgen
  • 5.2.3.3 2 Bedeutung von Vertrauen
  • 5.2.3.3.3 Bedeutung von Commitment
  • 5.2.3.3.4 Stabilisierung der Künstler-Kunsthändler-Beziehung
  • 5.2.4 Der Transaktionswert als Effizienzkriterium der Künstler-Kunsthändler-Beziehung
  • 5.2.4.1 Einfluss der Spezifität auf die Transaktionskosten
  • 5.2.4.2 Die Marke als Einflussfaktor auf die Höhe der Transaktionskostenersparnisse
  • 5.2.4.3 Parallelität von Marke und Reputation im Kunstmarkt
  • 5.3 Rolle und Verhalten des Sammlers im Machtdreieck
  • 5.4 Zusammenfassung und Zwischenergebnis
  • 5.5 Vier Machtsituationen
  • 5.5.1 Der Kunsthändler als Gatekeeper des Künstlers
  • 5.5.1.1 Ausgestaltung der Künstler-Kunsthändler-Beziehung
  • 5.5.1.2 Position des Sammlers im Machtgefüge
  • 5.5.1.3 Transaktionswert der Hersteller-Händler-Beziehung
  • 5.5.2 Market Stars
  • 5.5.2.1 Ausgestaltung der Künstler-Kunsthändler-Beziehung
  • 5.5.2.2 Position des Sammlers im Machtgefüge
  • 5.5.2.3 Transaktionswert der Hersteller-Händler-Beziehung
  • 5.5.3 Question Marks
  • 5.5.3.1 Ausgestaltung der Künstler-Kunsthändler-Beziehung
  • 5.5.3.2 Position des Sammlers im Machtgefüge
  • 5.5.3.3 Transaktionswert der Hersteller-Händler-Beziehung
  • 5.5.4 Artist’s Market
  • 5.5.4.1 Ausgestaltung der Künstler-Kunsthändler-Beziehung
  • 5.5.4.2 Position des Sammlers im Machtgefüge
  • 5.5.4.3 Transaktionswert der Hersteller-Händler-Beziehung
  • 5.6 Abschließendes Fazit der Machtverhältnisse im Kunstmarkt
  • 6 Handlungsempfehlungen für den Künstler für das Verhalten im Machtgefüge
  • 6.1 Handlungsempfehlungen für die Gatekeeper-Situation
  • 6.2 Handlungsempfehlungen für das Market-Stars-Szenario
  • 6.3 Handlungsempfehlungen für das Question-Marks-Szenario
  • 6.4 Handlungsempfehlungen für das Artist’s-Market-Szenario
  • 6.5 Abschließender Exkurs: Fit zwischen Künstler und Kunsthändler
  • 7 Zusammenfassung und Ausblick
  • Anhangsverzeichnis
  • Anhang
  • Literaturverzeichnis

← xviii | xix → Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:Aufbau der Arbeit

Abbildung 2:Konstitutive Merkmale von Kunstwerken

Abbildung 3:Akteure auf dem Primär- und Sekundärmarkt

Abbildung 4:Marktvolumen des globalen Kunstmarktes

Abbildung 5:Der globale Kunstmarkt nach Wert im Jahr 2012

Abbildung 6:Einflussfaktoren der Preisbildung auf dem Primärmarkt

Abbildung 7:Ausgaben von HNWI für Investments of Passion

Abbildung 8:Das Kunstwerk als Mischform aus Luxus- und Kulturgut

Abbildung 9:Distributionsstruktur im Buch-, Musik- und Kunstmarkt im Vergleich

Abbildung 10: Zielkonstellationen in Distributionssystemen

Abbildung 11: Zwangsbasierte und nicht-zwangsbasierte Machtgrundlagen

Abbildung 12: Reputationsfunktion des Künstlers

Abbildung 13: Reputationsfunktion des Kunsthändlers

Abbildung 14: Reputationsfunktion des Sammlers

Abbildung 15: Machtfälle basierend auf der Reputation von Künstler und Kunsthändler

Abbildung 16: Abhängigkeit und alternative Galeriebeziehungen

Abbildung 17: Vertrauen und Commitment in der Künstler-Kunsthändler-Beziehung

← xix | xx → Abbildung 18: Spezifische Investitionen auf Künstler- und Kunsthändlerseite

Abbildung 19: Informationsökonomisches Funktionentripel der Marke für den Handel

Abbildung 20: Fallunterscheidung möglicher Transaktionswerte

Abbildung 21: Parallelität Transaktionswert und vier Machtfälle auf dem Kunstmarkt

Abbildung 22: Transaktionswert Gatekeeper-Fall

Abbildung 23: Transaktionswert Market-Stars-Fall

Abbildung 24: Transaktionswert Question-Marks-Fall

Abbildung 25: Transaktionswert Artist’s-Market-Fall

Abbildung 26: Handlungsempfehlungen Gatekeeper-Fall

Abbildung 27: Handlungsempfehlungen Market-Stars-Fall

Abbildung 28: Handlungsempfehlungen Question-Marks-Fall

Abbildung 29: Handlungsempfehlungen Artist’s-Market-Fall

← xxiv | 1 → 1 Einführung in die Arbeit

1.1 Problemhintergrund

„(…) [Marcel] Duchamp said that there are three parts to art: there is the viewer, the artist and the artwork. But he was wrong, because the fourth part of art is the gallerist.“1

Der Markt für zeitgenössische Kunst2 ist heute bedeutender denn je und hat sich zu einem gesellschaftlichen Phänomen mit stetig steigender Nachfrage entwickelt. Wurden früher hohe Beträge nur für Gemälde von Künstlern gezahlt, deren Beitrag und Wert in der Kunstgeschichte bereits fest etabliert waren und die deshalb oftmals erst posthum zu Ruhm und Ehre gelangten, werden heute bereits spektakuläre Summen für Werke vergleichsweise junger Künstler ausgegeben.3 Auch die Käuferschicht hat sich geändert und vor allem auch vergrößert, denn zeitgenössische Kunst ist mittlerweile zu einer spekulativen Investitionsart geworden, die Finanzinvestoren genauso anzieht wie Kunstliebhaber.4 Einzelne spektakuläre Renditen, wie z.B. die Auktion eines Gemäldes des deutschen Künstlers Gerhard Richter im Jahre 2012, das ihn zum teuersten lebenden Künstler krönte, ziehen immer mehr Aufmerksamkeit und somit auch neue Nachfrager an.5 Waren es in den 60er und 70er Jahren noch ← 1 | 2 → vergleichsweise wenige Sammler, die sich ernsthaft für Gegenwartskunst interessierten, ist es heutzutage weltweit eine Vielzahl.6 Und auch Banken haben Kunst längst in ihr Portfolio übernommen: Sie unterhalten eigene Sammlungen, veröffentlichen Kunstmarkt-Newsletter, unterstützen Ausstellungen und große Kunstmessen durch Sponsoring und beraten ihre Klientel, welche Künstler sich wohl als Wertanlage empfehlen.7 Doch Kunst ist heutzutage nicht nur deshalb als Anlageform so attraktiv, da sie als womöglich lukrative Investition angesehen wird, sondern auch weil der Kauf eines Kunstwerks einen erheblichen Prestigezuwachs mit sich bringt. Kein Objekt verleiht dem Besitzer mehr Ansehen, denn neben Wohlstand und Status wird auch Kultiviertheit und Intellektualität mit dem Umgang mit der Kunst verbunden.8

Zeitgenössische Kunst erreicht mittlerweile immer mehr Teile der Gesellschaft. Museumsausstellungen von weltberühmten Künstlern wie Gerhard Richter oder Marina Abramovic erreichen riesige Besucherzahlen9 und Kunstmessen wie die Art Basel Miami Beach sind längst zu gesellschaftlichen Ereignissen geworden, die Besucher nicht nur alleine wegen der Kunst anziehen.10 Dadurch rücken auch die Kunstmarktvertreter immer mehr in den gesellschaftlichen Fokus, denn nicht nur Künstler, sondern vor allem auch Kunsthändler und sogar Sammler werden mit großer Aufmerksamkeit bedacht und somit zu prominenten Personen des öffentlichen Lebens. Verschiedene Kunstmagazine küren dabei regelmäßig nach verschiedensten Kriterien die mächtigsten Kunstmarktteilnehmer11 und überhaupt ist Macht ← 2 | 3 → mit zunehmender finanzieller Bedeutung des Kunstmarktes ein in diesem Zusammenhang immer häufiger verwendeter Begriff. Der Kunstmarkt ist dabei zu einem wahrhaft globalen Markt herangewachsen, auf dem Künstler weltweit gehandelt werden und zu Großereignissen wie Kunstmessen oder Kunstbiennalen wie in Venedig zusammenkommen.12 Zwar handelt es sich bei den aktiven Marktteilnehmern aufgrund der hohen Preise der Ware Kunst um einen relativ elitären Zirkel, jedoch erreicht der Kunstmarkt einen weitaus größeren Kreis an Interessenten:

„(…) the [art] market generates interest far beyond its size because it brings together great wealth, enormous egos, greed, passion and controversy in a way matched by few other industries.“13

Nicht zuletzt tragen der kulturelle Auftrag der Kunst und das damit einhergehende Spannungsfeld zwischen Kunst und Markt, in dem sich der Kunsthandel befindet, zu dieser großen Faszination bei.14 In kaum einem anderen Markt wird derartig vermieden, offen über Preise und ökonomische Vorgänge zu reden. So sagt Dossi: „Kunst gilt nicht als Geldberuf, sondern als Berufung, der Galerist nicht als Kaufmann, sondern als Mentor, der Sammler nicht als Käufer, sondern als Liebhaber.“15 Gleichzeitig können die auf dem Kunstmarkt aufgerufenen Preise jedoch in schwindelerregende Höhen gehen. Beide Sphären, Kunst und Markt, befinden sich dabei in einer „dynamischen und konfliktreichen Wechselbeziehung“16.

Die praktische Relevanz, sich mit dem Thema Kunstmarkt auseinanderzusetzen, kann also mit der wachsenden Bedeutung von zeitgenössischer Kunst nicht nur im gesellschaftlichen Kontext, sondern auch als finanzielle Anlageform begründet werden. Doch auch aus marketingwissenschaftlicher Sicht ist das Themenfeld interessant: Der Kunstmarkt ist zweistufig aufgebaut, denn während auf dem Primärmarkt Künstler ihre Ware direkt aus dem Atelier über Kunsthändler an Käufer absetzen, existiert durch das Wertsteigerungspotenzial ebenfalls ein ← 3 | 4 → Sekundärmarkt, auf dem vor allem die Auktionshäuser agieren.17 Aufgrund der vielseitigen Ausprägungen der zeitgenössischen Kunst herrscht geradezu ein Höchstmaß an Unsicherheit über die Qualität und spätere Wertentwicklung von zeitgenössischen Künstlern und ihren Werken.18 Denn nicht nur Kunstmarktlaien stellen sich oft die Frage „und das soll Kunst sein?“, auch die Vertreter der Kunstwelt stehen häufig vor dem gleichen Problem.19 Einem minimalen Materialwert, bestehend aus Leinwand und Farbe, zuzüglich der Arbeitskraft und Unterschrift des Künstlers, kann ein Marktwert von mehreren Millionen Euro gegenüberstehen. Dies macht vor allem die Preisbildung auf dem Kunstmarkt für viele Außenstehende zu einem undurchsichtigen Vorgang und stellt gleichzeitig die Frage, ob der Marktwert eine direkte Funktion des ästhetischen, qualitativen Wertes eines Kunstwerkes ist.20 Gleichzeitig ist der Kunstmarkt ein relativ exklusiver und geschlossener Netzwerkmarkt. Graw bezeichnet den Kunstmarkt als „(…) Modellfall einer informellen Ökonomie (…), die von persönlichen Absprachen, ungeschriebenen Gesetzen und beiläufigen Unterhaltungen lebt.“21 Fast gänzlich unreguliert gelten dort eigene Regeln und Rituale, die meist auf Handschlag und Vertrauen beruhen.22 Öffentliche Marktinformationen sind besonders auf dem Primärmarkt schwer zu ermitteln, da der Markt stark fragmentiert ist, Galerien nicht zur Offenlegung ihrer Zahlen verpflichtet sind und oftmals nur versteckt über ihre Preise kommunizieren.23 Lediglich Auktionsergebnisse auf dem Sekundärmarkt sind öffentlich beobachtbar24 und werden mittlerweile von Informationsdienstleistern wie Artnet für zahlende Kunden zusammengestellt.25

← 4 | 5 → In dieser von großer Unsicherheit geprägten Marktumgebung kommt vor allem dem Kunsthändler bzw. Galeristen26 als Intermediär eine besondere Bedeutung zu, die im Laufe dieser Arbeit analysiert und beleuchtet werden soll. Der Kunsthändler ist nicht einfach nur ein reiner Vertriebskanal des Künstlers. Vielmehr ist bereits seit dem 19. Jahrhundert zwischen Künstlern und Händlern eine tiefgreifende Partnerschaft entstanden, im Zuge derer der Galerist den Künstler entwickelt und fördert, ihm eine Plattform zur Ausstellung seiner Werke bietet und langfristig dessen Markt entwickelt und bearbeitet.27 Einige berühmte Kunsthändler werden dabei sogar für den Erfolg ganzer Kunstströmungen verantwortlich gemacht, so wie beispielsweise die Sammlerin und Händlerin Peggy Guggenheim für die Vertreter des Surrealismus oder die Galeristenlegende Leo Castelli für die Pop-Art.28 Viele Künstler sind daher untrennbar mit dem Namen eines Galeristen verbunden. Mit der steigenden Bedeutung des Kunstmarktes wächst jedoch auch die Anzahl der Markteintritte. Kunst der Gegenwart muss sich schon lange nicht mehr durchsetzen und nur von einigen visionären Galeristen und Sammlern getragen werden, bis Jahre später auch die restliche Kunstwelt deren Bedeutung erkennt. Eine Vielzahl von Künstlern konkurriert deshalb um künstlerische Anerkennung und letztendlich auch um finanzielle Entlohnung ihrer Arbeit.29 Hierbei fällt den Galeristen eine immer größere Machtposition zu, da sie in einer Schlüsselrolle agieren und den Künstlern meist überhaupt erst den Zugang zum Kunstmarkt ermöglichen.30 ← 5 | 6 → Und auch die Bindung des Intermediärs an die Letztnachfrager, die Sammler, ist von einer besonderen Intensität gekennzeichnet. Die Rolle des Intermediärs und seine Beziehungen zu Absatz- und Beschaffungsmarkt, also zu Künstlern und Sammlern, scheinen deshalb essentiell für das Verständnis des Kunstmarktes zu sein. Denn nur durch die Vorgänge des Primärmarktes kann es überhaupt erst zum Aufbau von angesehenen Künstlern kommen, deren Bedeutung dann wiederum auf dem Sekundärmarkt durch Auktionen monetär belegt wird.

1.2 Behandlung in der Forschung

In der betriebswirtschaftlichen Forschung wird der Kunstmarkt in der Regel unter dem Themengebiet der Kulturökonomie subsumiert, die sich mit allen kulturellen Märkten, also nicht nur mit der bildenden Kunst wie der Malerei, sondern beispielsweise auch mit Theater, Musik oder Museen beschäftigt. Als Ausgangspunkt für die Begründung des Feldes der Kulturökonomie wird das Buch „Performing Arts – The Economic Dilemma“ von Baumol /Bowen aus dem Jahre 1966 angesehen, in dem zum ersten Mal ökonomische Theorien systematisch auf den Bereich der darstellenden Kunst angewandt wurden.31 Von dort aus entwickelte sich das Feld der Kulturökonomie weiter: Seit den 70er Jahren existiert auch das Journal of Cultural Economics, das heute von der Association of Cultural Economics International herausgegeben wird.32 Als Grundsatzwerke mit hoher Relevanz für den Kunstmarkt im Besonderen seien hier vor allem die Arbeiten von Grampp (1989), Pommerehne/Frey (1993), Throsby (1994), Heilbrunn/Gray (2001) und Towse (2010) erwähnt.33 Der Großteil dieser Beiträge beschäftigt sich mit den ← 6 | 7 → Basiskomponenten des Marktes, wie Angebot und Nachfrage von Kulturgütern, wobei ein großer Fokus hierbei auch auf der Frage der öffentlichen Unterstützung des Staates und der Subvention für die Künste liegt. Der zeitgenössische Markt für Kunst wird hierbei nur gestreift. Weiterhin haben TOWSE (2003) und Ginsburgh/Throsby (2006) in Handbüchern Aufsätze zu vielfältigen Themen der Kulturindustrie zusammengetragen.34 CAVES (2000) behandelt ebenfalls mehrere Kulturmärkte, befasst sich allerdings konkreter mit der Vertragstheorie zwischen Herstellern und Intermediären und damit auch mit Prinzipal-Agenten-Problematiken.35 Auch Soziologen haben sich mit dem Kulturmarkt und hier insbesondere mit dem kulturellen Wert der Kunst und dem Spannungsfeld zur Marktseite auseinandergesetzt, wie beispielsweise BOURDIEU (1993) oder MOULIN (1995).36

Betrachtet man empirische wissenschaftliche Arbeiten zum Kunstmarkt, liegt ein weiterer Fokus auf der Beurteilung von Kunst als Investition, wobei aufgrund der Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit der Informationen in erster Linie Transaktionen auf dem Sekundärmarkt, also Auktionsergebnisse, herangezogen wurden, so vor allem bei BAUMOL (1986) und MEI/MOSES (2002). Das Datenset beider Arbeiten beschränkt sich allerdings auf Kunstwerke, die mindestens zweimal auf Auktionen verkauft wurden, und betrifft deshalb kaum Werke des zeitgenössischen Kunstmarktes.37 Diese Studien weisen bereits auf eines der großen Probleme aus wissenschaftlicher Sicht bei der Betrachtung des Kunstmarktes hin: das Fehlen von öffentlich quantifizierbaren Informationen. Andere Beiträge haben den gesamten Kunstmarkt durch ausgewählte ökonomische Theorien betrachtet, wie z.B. TALKENBERG (1992) und LANDWEHR (1998), die beide unter anderem auch Theorien aus der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) heranziehen.38 Darüber hinaus existiert eine große Reihe ← 7 | 8 → an allgemeinen Büchern über den Kunstmarkt, die zwar auch teilweise in Ansätzen ökonomische Theorien streifen, jedoch dabei eher die praktische Wissensvermittlung über den Markt zur Zielsetzung haben. Zu erwähnen sind hier beispielsweise ROBERTSON (2005), DOSSI (2007), GRAW (2008), THOMPSON (2008) oder BOLL (2009).39 Vergleichsweise wenige wissenschaftliche Arbeiten haben sich bisher konkret und fokussiert mit dem Primärmarkt für zeitgenössische Kunst auseinandergesetzt, die wichtigsten Beispiele seien hier erwähnt: KLEIN (1993) stellt die Frage, inwieweit ästhetische oder ökonomische Überlegungen das Handeln von Kunsthändlern beeinflussen.40 VELTHUIS (2007) legt in einer vielseitigen Analyse den Fokus auf die Preisbildung im Kunstmarkt, indem er nicht nur empirische Daten vom New Yorker Kunstmarkt mit dem holländischen Kunstmarkt vergleicht und somit versucht, Preise für bestimmte Werke zu prognostizieren, sondern auch in einer Diskursanalyse den narrativen Elementen des Preises nachgeht. Schlussendlich wird auch die Frage erörtert, wie Kunsthändler durch die Preisgestaltung Sinn stiften können.41 RESCH (2011) beschäftigt sich schließlich mit den Erfolgsfaktoren des Galeriemanagements und der Anwendung des Business-Modell-Konzepts auf den Kunstmarkt.42

Es bleibt jedoch festzustellen, dass der primäre zeitgenössische Kunstmarkt aus wissenschaftlicher Sicht noch vergleichsweise wenig behandelt wurde. Hier kann insbesondere eine Forschungslücke im Hinblick auf die Distribution aus marketingwissenschaftlicher Sicht identifiziert werden, die sich mit dem Absatzkanal des Kunstmarktes beschäftigt: Kunstwerke werden von Künstlern geschaffen und anschließend über Intermediäre an die Nachfrager vertrieben. Die Rolle des Intermediärs und seine Beziehungen zum Absatz- und Beschaffungsmarkt sind essentiell, um den Kunstmarkt, seine Wertbildung und die von ihm ausgehende Faszination zu verstehen. An dieser identifizierten Forschungslücke soll die vorliegende Arbeit ansetzen.

← 8 | 9 → Tabelle 1: Übersicht über die wichtigste Literatur zum Kunstmarkt43

Themen Wichtigste Autoren

Kulturökonomie

- Eigenschaften von Kulturgütern

- Angebot und Nachfrage von Kulturgütern, Marktverhalten

- Öffentliche Unterstützung

- Verträge in Kulturmärkten

Baumol/Bowen (1966), Grampp (1989), Pommerehne/Frey (1993), Throsby (1994), Caves (2000), Towse (2003), Heilbrun/Gray (2001), Ginsburgh/Throsby (2006), Towse (2010)
Soziologische Betrachtung des kulturellen Wertes der Kunst Bourdieu (1993), Moulin (1995)
Rentabilität von Kunstwerken Stein (1977), Baumol (1986), Goetzmann (1993), Pesando (1993), Mei/Moses (2002)
Kunst und ökonomische Theorie Talkenberg (1992), Landwehr (1998)

Primärmarkt

- Interaktion von Ästhetik und Ökonomik

- Preisbildung

- Erfolgsfaktoren des Galeriemanagements

Klein (1993), Velthuis (2007), Resch (2011)
Kunstmarkt allgemein Robertson (1995), Dossi (2007), Graw (2008), Moulin (1997), Thompson (2008), Boll (2009)

1.3 Zielsetzung der Arbeit und Herleitung der Forschungsfragen

Das übergeordnete Erkenntnisziel dieser Arbeit besteht in der Analyse der Machtbeziehungen zwischen Künstler, Kunsthändler und Sammler im Distributionssystem des Kunstmarktes, um anschließend die Position des Künstlers zu beziehen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Wie schon bei der Darstellung des Problemhintergrundes aufgezeigt, zeichnet sich der Kunstmarkt durch eine Reihe von Marktbesonderheiten aus: Durch das große Spannungsfeld zwischen Kunst und Markt, den informellen Netzwerkmarkt und die undurchsichtige Preisfindung ist ein Markt voll impliziter Kommunikation entstanden, der sich durch große Unsicherheit und Informationsasymmetrien auszeichnet. Das erste, deskriptive Erkenntnisziel dieser Arbeit besteht deshalb in der Abgrenzung des Kunstmarktes und der Charakterisierung seiner Marktteilnehmer und wichtigsten Marktmechanismen. Aus dieser ersten Darstellung der Besonderheiten ← 9 | 10 → des Kunstmarktes ergibt sich die Frage, ob andere Märkte existieren, die eine ähnliche Konstellation besitzen und sich somit zu einem Vergleich der Distributionssysteme eignen könnten. Als zweites, explikatives Erkenntnisziel dieser Arbeit sollen deshalb der Kunstmarkt und die Beziehungen vom Kunsthändler zu Künstlern und Sammlern, also die Beziehungen des Intermediärs zum Beschaffungs- und Absatzmarkt, mit ähnlichen Märkten verglichen werden, um die besondere Stellung des Intermediärs herauszuarbeiten. Hierbei soll das Grundgerüst der Neuen Institutionenökonomik zum Vergleich herangezogen werden, wie die Informationsökonomik und die Transaktionskostentheorie. Als drittes, praktisch-normatives Erkenntnisziel sollen auf Basis des erstellten Vergleichs die Machtverhältnisse im Kunstmarkt genauer betrachtet werden, die oftmals zu Gunsten des Kunsthändlers ausfallen. Hierbei soll untersucht werden, wie die Machtverhältnisse ausgestaltet sind, unter welchen Voraussetzungen sich diese verschieben können und welche konkreten Handlungsempfehlungen dabei für den Künstler im Umgang mit dem Intermediär gegeben werden können, um seine eigene Machtposition zu verbessern. Hierbei soll auch auf die Rolle der Abnehmer im Machtgefüge eingegangen werden. Um das Machtkonstrukt zu operationalisieren, sollen auch die verhaltenswissenschaftlichen Ansätze der Sozialen-Austauschtheorie und der Ressourcenabhängigkeitstheorie als Ergänzung zur Neuen Institutionenökonomik herangezogen werden.

Aus diesen drei Erkenntniszielen lassen sich die folgenden konkreten Forschungsfragen identifizieren, die zur Erreichung des Forschungsvorhabens beantwortet werden müssen:

Wie kann der zeitgenössische Kunstmarkt abgegrenzt werden und wie können seine wichtigsten Marktteilnehmer und Marktmechanismen charakterisiert werden?

Mit welchen anderen Märkten oder Distributionsformen kann sowohl die Hersteller-Händler-Beziehung als auch die Händler-Abnehmer-Beziehung im Kunstmarkt sinnvoll verglichen werden?

Was sind die Besonderheiten des Kunstmarktes im Vergleich zu diesen Märkten, insbesondere im Hinblick auf die Stellung des Intermediärs?

Wie können die Machtverhältnisse im Beziehungsgefüge des Kunstmarktes zwischen Künstler, Kunsthändler und Sammler modelliert werden und was sind die Einflussfaktoren auf diese Machtverhältnisse?

Welche praktisch-normativen Handlungsempfehlungen lassen sich insbesondere für den Künstler ableiten, um seine Position im Machtgefüge gegenüber dem Kunsthändler zu verbessern?

Details

Seiten
XXIV, 346
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653042078
ISBN (ePUB)
9783653992892
ISBN (MOBI)
9783653992885
ISBN (Hardcover)
9783631646854
DOI
10.3726/978-3-653-04207-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Juni)
Schlagworte
Kunstmarkt Kulturmarkt Kulturökönomie Distributionskanal
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XXIV, 346 S., 6 Tab., 29 Graf.

Biographische Angaben

Katharina Kurz (Autor:in)

Katharina Kurz studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre an der EBS Business School in Oestrich-Winkel, dem Indian Institute of Management in Bangalore und der Universidad Argentina de la Empresa in Buenos Aires. Berufsstationen folgten für ein großes deutsches Medienunternehmen in New York, Shanghai, Berlin und Paris.

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Titel: Der Kunsthändler als Intermediär
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