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Das nachklassische Drama im Lichte Schopenhauers

Eine Interpretationsreihe- Schiller: "Die Jungfrau von Orléans", Hebbel: "Judith", Grabbe: "Hannibal", Büchner: "Dantons Tod"

von Dirk Haferkamp (Autor:in)
©2014 Dissertation 260 Seiten

Zusammenfassung

Die Arbeit wirft ein neues Licht auf prominente Dramen aus Biedermeier und Vormärz. Ausgehend von Schillers Jungfrau von Orléans werden Dramen von Hebbel, Grabbe und Büchner auf Prozesse des Willens und der Willensverneinung untersucht. Dabei wird deutlich, dass die genannten Autoren in ihren Dramen Handlungsstrukturen entwerfen, die der Philosophie Schopenhauers sehr verwandt sind. So entsteht in der Gattung Drama ein pessimistisches Weltbild, das bis in Wortentsprechungen hinein der Weltdeutung Schopenhauers gleicht – und dies, ohne dass eine positive Rezeption der Philosophie Schopenhauers durch die Autoren nachweisbar wäre.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Einleitung
  • Interpretationen
  • Schiller: „Die Jungfrau von Orléans“
  • I. Voraussetzungen des Handelns
  • a) Form und Symbol
  • b) Dualismus
  • c) Schopenhauer
  • d) Schiller und Schopenhauer
  • e) Wunder und Wille der Geschichte
  • II. Der Weg bis zur Lionel-Szene
  • a) Transzendenz und Resignation
  • b) Auge und Pathos
  • c) Auge und Wille der Sinne
  • d) Talbots rationaler Wille
  • e) Isabeau (Naturwille) und Sorel (Herz)
  • III. Schuld und Läuterung
  • a) Auge und Sendung
  • b) Raoul und Montgomery
  • c) Auge und Schuld
  • d) Klagemonolog, Prüfung, Apotheose
  • Von Schiller zu Hebbel
  • Hebbel: „Judith“
  • Zur Einführung in das Hebbelsche Denken
  • I. Wille und Individuation
  • a) Notwendigkeit tragischer Entwicklung
  • b) Tragödie und Weltwille
  • c) Wille als Schicksal
  • d) Wille und Opfer
  • e) Individuation und Schuld
  • f) Tragödie als Medium des Willens
  • g) Verdinglichung und Erkenntnis
  • h) Holofernes’ Allgemeinsetzung des Willens
  • II. Auge und Form
  • a) Die Visionen des Holofernes
  • b) Gottprojektion und Gott der Hebräer
  • c) Die Volksszene (III)
  • d) Auge und Schmerz
  • Von Hebbel zu Grabbe
  • Grabbe: „Hannibal“
  • Zur Einführung
  • I. Grundlagen des Handelns
  • a) Hannibals Einäugigkeit
  • b) Prädetermination des Handelns
  • c) Kreisstruktur des Willens
  • d) Der fechtende Satan
  • e) Die heroische Gruppe
  • f) Nichtheroische Strukturen
  • II. Ambivalenz-Struktur
  • a) Wechsel zur Nachdenklichkeit über Komik
  • b) Terenz
  • c) Das Verhältnis von Tragik, Komik und Geschichte
  • d) Vorstellung und Liebe
  • III. Ohnmacht des Handelns
  • a) Schlacht von Zama
  • b) Cajeta-Szene
  • c) Erinnerung und Anschauung: Alpen-Erinnerung und Hasdrubals Haupt
  • d) Komik und Vorstellung
  • IV. Tragikomisches Ende Hannibals
  • Von Grabbe zu Büchner
  • Büchner: „Dantons Tod“
  • Zur Einführung
  • I. Individuation und Vorstellung
  • II. Wille und Vorstellung
  • a) Robespierres Vorstellung
  • b) „qualitas occulta“ als Kern der Vorstellung
  • c) Dantons „Muß“ des Handelns
  • d) Das Gleiche im Verschiedenen bei Danton und Robespierre
  • III. Dantons Dialektik von Ja und Nein
  • a) Marions Naturwollen
  • b) Das „palais royal“ und die „Gasse“
  • IV. Das Auge und die Dialektik von Wille und Vorstellung
  • a) Das Sehen hat zentrale Bedeutung
  • b) Leid
  • c) Liebe
  • Fazit
  • Literaturverzeichnis

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Vorwort

Ein ganz herzlicher Dank geht an meinen Doktorvater, Prof. Dr. Herbert Kaiser, der die Entstehung der Arbeit mit Herzblut begleitet hat.

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Einleitung

Die Dissertation untersucht Dramen aus der Zeit des Biedermeier und des Vormärz auf Prozesse des Willens und der Willensverneinung. Die Interpretationen zeigen den Geist Schopenhauers, den „Schleier des Truges“1 zu heben, bereits bei Grabbe („Hannibal“), Büchner („Dantons Tod“) und Hebbel („Judith“) wirksam, obwohl Schopenhauers Philosophie im Wesentlichen erst nach 1848 ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist. Dieser „Schleier des Truges“ ist nach Schopenhauer ein Wahn, dem der Handelnde unterliegt, eine Schimäre, vom Willen des Einzelnen erzeugt, welche eine Realität vorgaukelt, die so nicht existiert. Erst nachdem die Tat vollzogen ist, bemerkt der Täter seine Täuschung durch den Willen und findet Einsicht in die eigentlichen Beweggründe des Handelns. Die Arbeit ordnet sich zu Beginn mit Schillers „Jungfrau von Orléans“ in einen Orientierungshorizont ein, der über Hebbels „Judith“ hinaus eine grundsätzliche geschichtliche Beurteilung des Verhältnisses von klassischem und nachklassischem Drama ermöglicht. Sie geht dabei auch über die Einzelinterpretationen der genannten Autoren hinaus und gibt epochentypische Grundzüge der Gattung zu erkennen.

Damit eröffnen sich Möglichkeiten, die gängige Weltschmerz-Sicht, wie sie beispielsweise von Sengle in seiner großen Darstellung vertreten wird (Sengle „Biedermeierzeit“, Stuttgart 1973–1980), um eine andere Perspektive zu ergänzen. Die Dissertation versteht sich nicht als Beitrag zur Einflussforschung, will keine positive Rezeption Schopenhauers durch die Autoren nachweisen. Vielmehr geht es darum, Analogien zwischen Drama und Philosophie aufzuzeigen, die sich in gleichgearteten Mustern der Einbildungskraft offenbaren und damit auf eine Gleichheit tragischen Weltverständnisses verweisen. Dass die Dramenautoren hierbei keine Kenntnis ← 13 | 14 → des Schopenhauerschen Werkes hatten, macht ferner auch auf die bewusstseinsgeschichtliche Dimension der Entstehung der Texte aufmerksam.

Die Arbeit blickt von Schopenhauers Willensmetaphysik aus auf die Dramen. Hierbei werden die zentralen Werke „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1819) und „Über den Willen in der Natur“ (1836) herangezogen. In seinen zentralen Werken entwickelt Schopenhauer die These, dass die Welt als sichtbare Erscheinung nur ein Produkt der „Vorstellung“ des Subjekts ist. In der vorgestellten Welt wiederum wirkt der Wille als die Vorstellung bestimmendes, maßgebliches Prinzip; ein im Ursprung „blinde[r] Drang, ein finsteres, dumpfes Treiben, fern von aller unmittelbaren Erkennbarkeit.“ (WWV I, § 27, S. 211). Der Wille bildet sowohl das „innere Wesen der Welt“ (§ 22, S. 166) wie des „Charakters“. Dieser Wille tritt über das „Handeln“ (§ 23, S. 168) in Erscheinung. Dabei ist die Welt ganz auf das Subjekt bezogen: „[D]enn [die Welt] ist schlechthin Vorstellung, und bedarf als solche des erkennenden Subjekts, als Träger ihres Daseyns […]“ (§ 7, S. 64).

Da die Schopenhauersche Philosophie zentral vom Moment der Tat bestimmt ist, sind die Strukturen des Dramas besonders geeignet, die vom Willen geprägte Welt darzustellen. Das Drama als Gattung ist per definitionem an das Handeln gebunden. Drama heißt übersetzt Handlung. In Schopenhauers Philosophie steht das „Leiden“ (§ 27, S. 207) im Zentrum. Deshalb kann nach Schopenhauers Ansicht insbesondere das Trauerspiel die vom Willen geprägte Welt abbilden. So bezeichnet er das Trauerspiel als den „Gipfel der Dichtkunst […]. Es ist […] der Zweck dieser höchsten poetischen Leistung die […] schrecklichen Seite[n] des Lebens [darzustellen]. […] Es ist der Widerstreit des Willens mit sich selbst, welcher hier, auf der höchsten Stufe seiner Objektität, am vollständigsten entfaltet, furchtbar hervortritt.“ (§ 51, S. 335).2

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In dieser leiddeterminierten Welt führt die Dominanz des Willens in der Vorstellung und im Handeln der Person dazu, dass die Tatbedingungen für das handelnde Subjekt nicht einsehbar sind. Die Handelnden glauben, Herr ihrer Handlungen zu sein. In Wirklichkeit aber werden sie zum „blinden Agenten [ihres] Schicksals“ (Kaiser 1983, S. 9)3, das durch ihren Willen bestimmt wird. Sie merken erst „a posteriori, aus der Erfahrung […], daß [ihr] Handeln ganz nothwendig hervorgeht aus dem Zusammentreffen des Charakters mit den Motiven.“ (§ 55, S. 379). Die Bilder der Vorstellung, welche das Handeln initiieren, sind ganz subjektiven Ursprungs. Daher bleiben die Beweggründe des Handelns zunächst undurchschaubar. Das Ergebnis des Handelns stellt für die vom blinden Willen determinierte Person stets eine einschneidende Zäsur dar. Es unterscheidet sich völlig von der ursprünglichen Handlungsabsicht. Der Handelnde steht vor dem Scherbenhaufen seines Daseins.

Insbesondere in Hebbels „Judith“ werden diese Phänomene ersichtlich. Hebbels Drama zeigt die enge Verbindung von Wille und Tragödie und macht deutlich, weshalb Schopenhauer das Tragische als Abbild seiner Metaphysik begreift. Auch Hebbels Tragödie entspringt „unmittelbar aus dem Willen selbst […]“.4 Dies zeigt sich zum einen am Charakter der Heldin, in der alles auf das Handeln fixiert ist: „That“ (II, 1; S. 23) und „Nothwendigkeit“ (ebd.)5 sind für Judith untrennbar miteinander verbunden. Zum anderen wird es am Moment des Opfers verdeutlicht. In ihrem antiken Ursprung ist die Tragödie kultisch eng mit dem Opfer verbunden. Nicht ohne Grund spricht Zimmermann der Übersetzung „Gesang anlässlich eines Bocksopfers“ (Zimmermann 1986, S. 13) die größte Bedeutung zu. In der Forschung ← 15 | 16 → ist bisher die Tragweite des Opfermotivs in der „Judith“ vollkommen übersehen worden. Am Opfer ist praktisch der gesamte Bedeutungsspielraum der Tragödie festgemacht. Die Hebbelsche Tragödie ist nicht nur etymologisch, sondern auch von den Handlungsstrukturen her aufs engste mit dem Opfermotiv verwoben. Hebbels Text beginnt mit dem Wort „Opfer“ (5) und endet mit dem Selbstopfer der Heldin.

Dabei wird ersichtlich, dass Judith sich nicht allein für ihr Volk opfert, sondern auf einer Metaebene auch für ihre Gattung. Judiths Opfer verhilft so der Tragödie zur Einsicht über sich selbst. Schopenhauers Gedanke der Vorstellung erscheint hier in einer neuen Dimension. Die Gattung öffnet ihr Auge für die „Vorstellung“6, die sie selbst ist. Die Tragödie gebiert Judith, wie Judith die Tragödie hervorbringt. Und erst die Vernichtung der Heldin ermöglicht Tragödie. Denn das Erkennen der eigenen Tatschuld vollendet die Handlung. Daraus lässt sich der zirkelhafte Immanenzaufbau des Dramas erkennen. Die Tragödie entspringt aus dem Willen, der die Schuld von vornherein setzt, und mündet auch wieder in ihn ein. Nach Schopenhauer liegt die Schuld im Willen selbst, der das „Esse“ (WWV II, Kap. 25, S. 375) des Charakters begründet. Das Handeln indes, das „Operari“ (ebd.), führt notwendig in die Schuld, weil das Operari immer nur Ausdruck des Esse sein kann, welches den handelnden Charakter allumfassend determiniert.

Für Schopenhauer wie für Hebbel ist das Dasein von vornherein schuldbehaftet: „[D]as Leben [ist eine] Vereinzelung, die nicht Maaß zu halten weiß, [welche] die Schuld nicht bloß zufällig erzeugt, sondern sie nothwendig und wesentlich mit einschließt und bedingt […]“ (MWD, S. 4). Da die Tragödie ein derartiges Dasein am eindringlichsten zeigen kann, ist auch die Gattung selbst zentral vom Moment der Schuld geprägt: „Der wahre Sinn des Trauerspiels ist die tiefere Einsicht, daß was der Held abbüßt nicht seine Partikularsünden sind, sondern die Erbsünde, d. h. die Schuld des Daseyns selbst […]“ (WWV I, § 51, S. 336). Wesentlich verbunden mit der Schuld ist das Moment der Erkenntnis. Erst wenn der Handelnde seine Schuld erkennt, werden die letzten Dimensionen der Tragödie erreicht. Nur durch ← 16 | 17 → Erkenntnis kommt die „Welt als Wille“ zur Anschauung, wird als „Welt als Vorstellung“ erfahrbar.

In Grabbes „Hannibal“ hat der Held die Erkenntnis zwar nicht von Beginn an verinnerlicht wie in Büchners „Danton“. Aber Hannibals Ambivalenz, sein Schwanken zwischen reinem blinden Willen zur Tat und schwermütiger Gesinnung, macht Grabbes Drama zu einem wichtigen Bindeglied der untersuchten Dramenkette. Obwohl der Wille in diesem Stück sich für den Helden als unentrinnbares Schicksal darstellt, das ihn immer wieder zur Tat treibt, gibt es in der Zentralfigur resignative Momente, die gegen den blinden Willen stehen: „HANNIBAL Italia! Herrliche, um die ich siebzehn Jahr warb […] so muß ich dich verlassen?“ (III, 5, S. 121).7 Diese Momente können sich allerdings nicht in der gleichen Weise zu einer nachhaltigen Resignation verdichten, wie es in der Zentralfigur von Büchners Stück „Dantons Tod“ geschieht. Bevor eine solche Tiefe erreicht werden könnte, werden die schwermütigen Momente bei Grabbe durch Komik gebrochen: „HANNIBAL […] Beim Satan, ich kann noch lachen!“ (II, 2; S. 110). Komik und Tragik zu einer spezifischen tragikomischen Mischung zu verbinden, macht die besondere Qualität der Grabbeschen Dramatik aus und kennzeichnet darüber hinaus den Autor selbst, der sich nicht eindeutig einer Gattung zuordnen lassen will.

Die Tragikomik weckt in den wenigen Kontemplationsmomenten des Stücks, in denen sich die Figuren ihres Rollendaseins bewusst werden, den Schlaf der Gattung über sich selbst. Diese Metaebene ist Kennzeichen der postidealistischen Tragödie wie auch des Schopenhauerschen Philosophems. Der Schauspielgedanke dringt in nahezu jede Einzelabhandlung Schopenhauers. Insbesondere im zweiten Teil seines Hauptwerkes ist dies wahrnehmbar. Auch der Philosoph sieht in der Anschauung „des großen Schauspiels der Objektivation des WILLENS ZUM LEBEN8 […]“ (WWV II, Kap. 28, S. 416) eine „Tragikomödie“ (ebd.) am Werk und kann selbst die Geschichte nur als „tragikomische Weltgeschichte“ (ebd., S. 417) begreifen.

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Die tragikomische Anlage des Stücks führt dazu, dass Grabbes Akteuren zu Bewusstsein gerät, dass sie nur Figuren in einer Welt als Theater sind, die von ihnen im Grunde nicht wesentlich beeinflusst werden kann. Formgesetze des Dramatischen finden Einzug in die Handlung, die normalerweise ihre eigenen Kategorien nicht zu Bewusstsein bekommt: „HANNIBAL Gut! Das Schauspiel endet, wie es muß! Mit einem Theaterstreich!“ (III, 3; S. 118). Diese Schaffung einer Distanz zum dramatischen Geschehen zeigt den Gedanken der Vorstellung, wie sie Schopenhauer versteht, auf besondere, das Ästhetische selbst diskutierende Weise. Das Drama spricht durch seine Figuren zu sich selbst. Die Figuren sind dabei, mit Schopenhauer gesprochen, „Puppen, […] welche ein inneres Uhrwerk in Bewegung setzt.“ (WWV II, Kap. 28, S. 417).

Dieses innere Uhrwerk ist der Wille, der bewirkt, dass die Figuren wie „von hinten getrieben“ (ebd., S. 413) erscheinen. Das Getriebensein geht jeder Erkenntnis stets voran. Das Muss der Tat steht wie ein Fatum über allen Dingen: „ALITTA […] Du sprichst von dem Schwarzgelben vor Rom? Was aber tust Du?“ (I 1, S. 89).9 Die Erkenntnis wiederum ist in allen Dramen vom „Schmerz“ (WWV I, § 57, S. 410) verursacht, der durch seine physische Dimension unmittelbar gegen den Willen gerichtet ist, welcher sich immer über die Handlungen des Leibes zum Ausdruck bringt. Besonders in „jenem treuen Spiegel des Wesens der Welt und des Lebens, in der Kunst […]“ (§ 58, S. 417) werden der Schmerz und sein anhaltender Zustand, das „Leiden“ (§ 58, S. 416) als die Signa des vom Willen determinierten Daseins deutlich. Die „KUNST, das Werk des Genius [,welche] die durch reine Kontemplation aufgefaßten ewigen Ideen“ (§ 36, S. 251) wiederholt, blickt unmittelbar in den Leidensabgrund der Welt. Denn „Genialität [ist] die Fähigkeit, sich rein anschauend zu verhalten, sich in die Anschauung zu verlieren […].“ (§ 36, S. 253). Dann indes sieht das Auge bloß noch Leid und Schmerz. Aus diesem Grund ist der Schmerz sowohl bei Schopenhauer als auch in den Dramen ein zentraler Aspekt, der die dramatischen Strukturen und das Philosophem eng miteinander verkettet.

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Der Schmerz reißt den Wollenden aus dem immanenten Willenszirkel heraus und führt ihm die eigene Verblendung vor Augen, die „Negativität alles Glückes“ (§ 58, S. 418) und jede „Lebensgeschichte [als] Leidensgeschichte“ (§ 59, S. 422), was zeigt, dass das „Leben jedes Einzelnen […] eigentlich immer ein Trauerspiel [ist]; aber im Einzelnen durchgegangen, hat es den Charakter des Lustspiels.“ (§ 58, S. 419). Eben dies veranschaulicht Grabbes „Hannibal“. Aufs große Ganze betrachtet, ist der Held Hannibal in eine Tragödie eingebunden. Wichtige einzelne Szenen aber haben den Charakter des Lustspiels, sind betont komisch, indem sie verfremden und vom Leid distanzieren: „HANNIBAL Gaul, solltest Du verstehen, wie ein lang niedergedrückter Schmerz sich lüftet, so wiehere es nicht aus, oder ich schlage Dich nieder!“ (III, 5; S. 121). Insbesondere aufgrund der tragikomischen Substanz der Tragödie, haben die Erkenntnis- und Leidensszenen für den Helden keine wirklich nachhaltigen Folgen. Sobald resignative Ernsthaftigkeit sich im zentralen Charakter festzusetzen droht, wird dies durch Komik aufgefangen.

Details

Seiten
260
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653041958
ISBN (ePUB)
9783653993011
ISBN (MOBI)
9783653993004
ISBN (Hardcover)
9783631646779
DOI
10.3726/978-3-653-04195-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
Wille und Tragödie (Hebbel) Wille und Geschichte Schuld und Schicksal Wille und Tragikomödie (Grabbe) Willensverneinung Resignation Transzendenz von Leid und Schmerz (Schiller)
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 260 S.

Biographische Angaben

Dirk Haferkamp (Autor:in)

Dirk Haferkamp studierte an der Universität Duisburg-Essen Germanistik, Anglistik und Neueste Geschichte. Er promovierte dort und ist zurzeit als Lehrbeauftragter für Germanistik / Literaturwissenschaft tätig.

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