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Der Transaktionsprozess des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out gemäß § 62 Absatz 5 UmwG

Unter besonderer Berücksichtigung spezifischer Durchführungsrisiken

von Sebastian Biller (Autor:in)
©2014 Dissertation XII, 253 Seiten

Zusammenfassung

Aufgrund europäischer Richtliniengesetzgebung hat der deutsche Gesetzgeber auf der Grundlage des Dritten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes in § 62 UmwG einen neuen Absatz 5 eingefügt und damit eine weitere Möglichkeit des Hinausdrängens von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft geschaffen. Der neu geschaffene verschmelzungsrechtliche Squeeze-out weist dabei, neben der Verknüpfung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre mit einer Konzernverschmelzung zweier Aktiengesellschaften, die Besonderheit eines erniedrigten Beteiligungsquorums von lediglich 90% des Aktieneigentums auf, woraus nicht zuletzt seine gesteigerte praktische Bedeutung gegenüber den bisherigen Ausschlussverfahren des aktienrechtlichen und übernahmerechtlichen Squeeze-out resultiert.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsübersicht
  • Vorwort
  • § 1 Einleitung
  • § 2 Zielsetzung und Gang der Untersuchung
  • § 3 Entstehung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
  • A. Inhaltliche Bestimmung des Squeeze-out-Begriffs
  • I. Terminologie
  • II. Rechtsnatur
  • B. Rechtssetzungsgeschichte
  • I. Europäische Verschmelzungsrichtlinie
  • 1. Gesetzgebungsgeschichte
  • 2. Regelungszwang des nationalen Gesetzgebers
  • a) Meinungsstand
  • b) Stellungnahme
  • II. Umsetzung des deutschen Gesetzgebers
  • 1. Drittes Gesetz zur Änderung des UmwG
  • 2. Andienungsrecht als alternatives Konzept
  • a) Meinungsstand
  • b) Stellungnahme
  • aa) Bestehende Andienungsrechte
  • bb) Mögliche Umsetzung eines Andienungsrechts
  • cc) Fremdkörper im System der Andienungsrechte
  • 3. Vereinheitlichung der Squeeze-out-Beteiligungsschwellen
  • a) Meinungsstand
  • b) Stellungnahme
  • § 4 Motive und rechtliche Alternativen
  • A. Zielsetzung eines verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
  • I. Motive für eine Konzernverschmelzung
  • 1. Äußere Einflussfaktoren
  • 2. Unternehmensinterne Motive
  • a) Vorteile einer Konzernverschmelzung
  • aa) Kostendegression und Verbundeffekte
  • bb) Konzernstraffung
  • cc) Einheit der haftenden Vermögensmassen
  • b) Nachteile einer Konzernverschmelzung
  • II. Motive für ein vorgeschaltetes Squeeze-out-Verfahren
  • 1. Deregulierung von Hauptversammlungsbeschlüssen
  • 2. Entfall minderheitsschützender Rechtsvorschriften
  • 3. Vereinfachung der Konzernverschmelzung
  • 4. Wegfall der Börsennotierung (Cold-Delisting)
  • B. Alternativen zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
  • I. Aktienrechtlicher Squeeze-out
  • II. Übernahmerechtlicher Squeeze-out
  • III. Übertragende Auflösung – Sale-of-Assets-Squeeze-out
  • IV. Aktienrechtliche Eingliederung
  • V. Verschmelzung auf dritte Gesellschaft zur Neugründung
  • VI. Bagatellverschmelzung nach § 62 Abs. 1 UmwG
  • C. Zusammenfassende Würdigung
  • § 5 Ausschluss der Minderheitsaktionäre
  • A. Ausschlussvoraussetzungen
  • I. Beteiligungsfähige Rechtsträger
  • 1. Übertragender Rechtsträger
  • a) Relevanter Zeitpunkt der Rechtsform
  • b) Sitz in einem EU/EWR-Mitgliedstaat
  • 2. Übernehmender Rechtsträger (Hauptaktionär)
  • a) Relevanter Zeitpunkt der Rechtsform
  • b) Sitz in einem EU/EWR-Mitgliedstaat
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • 3. Erweiterung auf GmbH de lege ferenda?
  • a) GmbH als übernehmender Rechtsträger
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • b) GmbH als übertragender Rechtsträger
  • aa) Recht zur Zwangseinziehung
  • bb) Ausschluss aus wichtigem Grund
  • cc) Personalistische Gesellschaftsstruktur der GmbH
  • dd) Konsequenz für das Verfahren nach § 62 Abs. 5 UmwG
  • II. Erforderliche Beteiligungshöhe
  • 1. Berechnung der Kapitalbeteiligung von 90 %
  • 2. Keine Zurechnung von Aktien gemäß § 16 Abs. 4 AktG
  • a) Meinungsstand
  • b) Stellungnahme
  • 3. Zeitpunkt des Vorliegens der notwendigen Kapitalbeteiligung
  • a) Zeitpunkt im Rahmen des aktienrechtlichen Squeeze-out
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • cc) Konsequenzen für § 62 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UmwG
  • b) Privilegierungsreichweite von § 62 Abs. 4 Satz 2 UmwG
  • III. Zusammenfassende Würdigung
  • B. Ausschlussverfahren
  • I. Einleitung des Ausschlussverfahrens – Übertragungsverlangen?
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Stellungnahme
  • a) Vorläufiges Übertragungsverlangen
  • b) Konkretisierendes Übertragungsverlangen
  • II. Barabfindung der Minderheitsaktionäre
  • 1. Ertragswertverfahren
  • 2. Besonderheit bei börsennotierter Aktiengesellschaft
  • 3. Gewährleistung und Verzinsung der Barabfindung
  • III. Squeeze-out-Hauptversammlung
  • 1. Einberufung der Hauptversammlung
  • 2. Aktienrechtliche Vorabinformationen
  • a) Bekanntmachung der Tagesordnung
  • b) Übertragungsbericht des Hauptaktionärs
  • c) Prüfung der Barabfindung durch einen Sachverständigen
  • d) Auslage von Dokumenten
  • 3. Durchführung der Hauptversammlung
  • a) Auslage und Erläuterung der Unterlagen
  • b) Auskunftsrecht der Aktionäre
  • c) Übertragungsbeschluss
  • aa) Inhalt, Form und Frist
  • bb) Sachliche Rechtfertigung
  • IV. Handelsregisterverfahren
  • 1. Anmeldung
  • 2. Eintragung
  • 3. Registerrechtliche Lösung
  • a) Materiell-rechtliche Wirkung des Vorläufigkeitsvermerks?
  • b) Rechtswirkungen des Vorläufigkeitsvermerks
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • V. Zusammenfassende Würdigung
  • § 6 Konzernverschmelzung
  • A. Verschmelzungsvertrag
  • I. Form und Wirksamkeit des Verschmelzungsvertrags
  • 1. Vollmachtloser Vertreter
  • 2. Aufschiebende Bedingung
  • II. Inhalt des Verschmelzungsvertrags
  • 1. Mindestinhalt des Verschmelzungsvertrags
  • 2. Anwendbarkeit der Privilegierung nach § 5 Abs. 2 UmwG
  • a) Meinungsstand
  • b) Stellungnahme
  • 3. Barabfindungsangebot nach § 29 UmwG
  • III. Zeitpunkt des Abschlusses des Verschmelzungsvertrags
  • 1. Nach Fassung des Übertragungsbeschlusses
  • 2. Nach Einberufung der Squeeze-out-Hauptversammlung
  • 3. Einen Monat vor der Einberufung – tauglicher Praxishinweis?
  • IV. Zusammenfassende Würdigung
  • B. Verschmelzungsbeschlüsse
  • I. Grundsatz der beschlusslosen Konzernverschmelzung
  • II. Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten
  • 1. Holzmüller/Gelatine-Grundsätze
  • 2. Konsequenzen für den übernehmenden Rechtsträger
  • 3. Konsequenzen für den übertragenden Rechtsträger
  • III. Abschließender Charakter der Privilegierungen
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Stellungnahme
  • IV. Einberufung einer Hauptversammlung nach § 62 Abs. 2 UmwG
  • 1. Übernehmender Rechtsträger
  • 2. Übertragender Rechtsträger
  • V. Beschlusslosigkeit trotz sonstiger Zustimmungserfordernisse?
  • 1. Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags
  • 2. Rechtsstellung der Komplementärin bei der KGaA
  • VI. Freiwillige Fassung eines Verschmelzungsbeschlusses?
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Stellungnahme
  • VII. Zusammenfassende Würdigung
  • C. Verschmelzungsbezogene Unterrichtung der Anteilsinhaber
  • I. Informationspflichten gemäß § 63 Abs. 1 UmwG
  • 1. Auszulegende Unterlagen
  • 2. Anwendbarkeit von Konzernprivilegien
  • a) Meinungsstand
  • b) Stellungnahme
  • aa) Verschmelzungsprüfung und Prüfbericht
  • bb) Verschmelzungsbericht
  • c) Zusammenfassende Würdigung
  • II. Hinweisbekanntmachung gemäß § 62 Abs. 3 Satz 2 und 3 UmwG
  • III. Anknüpfungspunkt der Monatsfrist
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Stellungnahme
  • 3. Rückwärtsfrist als alternatives Konzept de lege ferenda?
  • IV. Entbehrlichkeit der Informations- und Bekanntmachungspflichten beim übertragenden Rechtsträger
  • V. Zusammenfassende Würdigung
  • D. Beteiligung der Betriebsräte
  • E. Verschmelzungsbezogene Handelsregisterverfahren
  • I. Übertragender Rechtsträger
  • 1. Anmeldung
  • a) Form und Inhalt
  • b) Auswirkungen von § 62 Abs. 4 Satz 2 UmwG
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • 2. Eintragung
  • II. Übernehmender Rechtsträger
  • 1. Anmeldung
  • 2. Eintragung
  • III. Zusammenfassende Würdigung
  • § 7 Risiken für die Transaktionssicherheit
  • A. Fehlerhaftigkeit des Übertragungsbeschlusses
  • I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
  • 1. Prüfungsmaßstab Grundgesetz oder europäisches Primärrecht?
  • 2. Rechtsprechung des BVerfG
  • 3. Konsequenzen für § 62 Abs. 5 UmwG
  • II. Rechtsmissbräuchliche Gestaltungsformen
  • 1. Institut des Rechtsmissbrauchs in der Abgrenzung
  • 2. Gesetzgeberische Zwecksetzung für § 62 Abs. 5 UmwG
  • 3. Fallgruppen des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
  • a) Wertpapierleihe
  • b) Formwechsel
  • aa) Übertragender Rechtsträger
  • bb) Übernehmender Rechtsträger (Hauptaktionär)
  • c) Zwischenholding und Umhängen von Anteilen
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • III. Verstoß gegen Meldepflichten
  • 1. Rechtsverlust und mangelnde Beteiligungshöhe
  • 2. Unzulässige Mitwirkung im Rahmen der Hauptversammlung
  • B. Zeitliche Risiken für den Transaktionsabschluss
  • I. Registereintragung und Freigabeverfahren
  • II. Bestandsschutz
  • 1. Bestandsschutz durch Freigabeverfahren
  • 2. Klagebefugnis nach Verlust der Aktionärsstellung
  • 3. Bestandsschutz der Verschmelzung
  • 4. Bestandsschutz des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre
  • C. Kostenrelevante Risikofaktoren
  • I. Unangemessene Barabfindung
  • II. Verfahrenskosten
  • III. Vergleichskosten
  • IV. Sanktionen wegen des Verstoßes gegen die Ad-hoc-Publizität
  • 1. Übertragender Rechtsträger
  • 2. Übernehmender Rechtsträger (Hauptaktionär)
  • D. Zusammenfassende Würdigung
  • § 8 Schlussbetrachtung
  • Literaturübersicht

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§ 1   Einleitung

Bereits vor mehr als 55 Jahren prägte Mestmäcker für die Rechte der Aktionäre die Feststellung: „Der Aktionär muss dulden, aber er kann liquidieren”.1

Diese Feststellung pointiert das auch heute noch herrschende Spannungsverhältnis des (oftmals) gegenläufigen Gesellschafts- und Mehrheitsinteresses sowie des Minderheiteninteresses in der Aktiengesellschaft zutreffend. Die Aktionärsstellung ist von der grundsätzlichen Vorstellung des Gesetzgebers des AktG–1965 geprägt, wonach der Aktionär im Sinne einer Doppelrolle sowohl als Verbandsmitglied als auch als Kapitalanleger zu betrachten ist.2 Allerdings kam es im Laufe der Jahre infolge immer wiederkehrender Änderungen des Aktiengesetzes zu einer stetigen Verschiebung der Gewichtung dieser beiden Komponenten zueinander. Dabei war es für eine lange Zeit geübte gesetzgeberische Praxis, die Rechte der Minderheit gegenüber der Mehrheitsmacht im Aktienrecht zu stärken und auf diese Weise die Komponente der Verbandsmitgliedschaft in den Vordergrund rücken zu lassen. Im Hinblick darauf fallen insbesondere die Änderungen des Gesetzgebers von 1994 auf, wonach mit dem Erlass des heutigen Umwandlungsgesetzes zur Stärkung des Minderheitenschutzes auch zahlreiche Änderungen des Aktiengesetzes beschlossen wurden und i.E. der Anleger- und Minderheitenschutz aufgewertet wurde.3 Diese Schlussfolgerung ist nicht zuletzt auf die endgültige Abschaffung der Möglichkeit der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft zurückzuführen, wonach diese die Übertragung des gesamten Vermögens auf einen Gesellschafter beschließen konnte, wenn sich mehr als 90% des Grundkapitals in der Hand des Hauptgesellschafters befanden. Die ausscheidenden Aktionäre hatten in diesem Fall lediglich einen Anspruch auf eine angemessene (Bar-)Abfindung. Diese Möglichkeit der sogenannten Mehrheitsumwandlung sah bereits das Umwandlungsrecht aus dem Jahre 1956 vor, wobei anfangs sogar 75% des Grundkapitals ausreichten, bevor der Gesetzgeber die Regelungen im Sinne einer Stärkung der Rechte der Minderheitsaktionäre verschärfte.4← 1 | 2 →

Erst im Jahre 2002 kam es mit der Einführung des aktienrechtlichen Squeeze-out5 zu einer Kehrtwende, die mit dem übernahmerechtlichen Squeeze-out6 im Jahre 2006 fortgesetzt wurde. Mit der Einführung dieser Rechtsinstitute wurde dem Bedürfnis entsprochen, wonach dem Gesellschaftsinteresse beziehungsweise Mehrheitsinteresse gegenüber dem Interesse des (Minderheits-)Aktionärs ein höheres Gewicht zuzusprechen ist, wenn die Beteiligung von Minderheitsaktionären außer Verhältnis zu ihrem Anteil an der Finanzierung der AG steht, um auf diese Weise insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken.7 Die „hybride Aktionärsstellung“8 der Minderheitsaktionäre wurde von nun an auch aus der Sicht des Gesetzgebers mehr als Kapitalanlage und weniger als Verbandsmitgliedschaft betrachtet.

Diese Entwicklung setzt sich mit der Implementierung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out infolge europarechtlicher Vorgaben nunmehr fort. Besondere Aufmerksamkeit erregt dabei die Erkenntnis, dass sich der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out, jedenfalls in seiner gesetzlichen Grundstruktur, als Renaissance der ehemals möglichen und durch den Gesetzgeber seinerzeit [sic des Jahres 1994] aufgrund von Erwägungen des Minderheitenschutzes abgeschafften Mehrheitsumwandlung darstellt.9 Denn nun besteht seit dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des UmwG10 abermals die Möglichkeit zum Ausschluss von Minderheitsaktionären gegen Barabfindung im sachlichen Zusammenhang mit einer Umwandlungsmaßnahme und damit im Zuge der Vermögensübertragung durch Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers auf einen anderen. Anders als die bislang bekannten Ausschlussverfahren des aktienrechtlichen Squeeze-out gemäß §§ 327a ff. AktG und des übernahmerechtlichen Squeeze-out gemäß §§ 39a ff. WpÜG, verlangt der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out dabei keine Beteiligungshöhe von 95%, sondern ist ebenso wie der Sondertatbestand des § 12 Abs. 4 FMStBG bereits ab einer Beteiligungshöhe von 90% möglich. Gerade aufgrund dieses erniedrigten Beteiligungsquorums ← 2 | 3 → wird ihm aus Sicht der Praxis eine enorme Relevanz prophezeit. Vor diesem Hintergrund ist es als durchaus treffend zu erachten, wenn er als der kleine „große“ Wurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des UmwG bezeichnet wird.11

1    Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 352.

2    Vgl. Kropff, AktG–1965, S. 14; Vetter, AG 2002, 176, 177.

3    Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865; Vetter, AG 2002, 176, 177.

4    Vgl. hierzu § 19 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften, BGBl. I, 1956, Nr. 48 v. 17.11.1956, S. 844 ff. und dessen Neufassung v. 6.11.1969, BGBl. I, 1969, Nr. 119 v. 11.11.1969, S. 2081 ff.; vgl. auch Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG), BR-Drs. 75/94, S. 144.

5    Eingeführt durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BGBl. I, 2001, Nr. 72 v. 22.12.2001, S. 3822.

6    Eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I, 2006, Nr. 31 v. 13.7.2006, S. 1426.

7    Vetter, AG 2002, 176, 178.

8    Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 101.

9    Begr. RegE UmwBerG, BR-Drs. 75/94, S. 144.

10  Drittes Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, BGBl. I, 2011, Nr. 35 v. 14.7.2011, S. 1338.

11  So Drinhausen, BB 2010, 1865.

← 4 | 5 →

§ 2   Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit nimmt sich zum Ziel, den verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out in seiner gültigen Fassung gemäß § 62 Abs. 5 UmwG umfassend zu untersuchen, auf die mit ihm verbundenen Rechtsfragen einzugehen und sie einer praxisorientierten aber gleichwohl dogmatisch fundierten Lösung zuzuführen, um ihn letztlich auf diese Weise in das bestehende aktien- und umwandlungsrechtliche Normgefüge einzuordnen. Von besonderem Interesse ist dabei die Untersuchung der Auswirkungen, die sich aufgrund des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre auf die mit ihm verbundene (anschließende) Konzernverschmelzung ergeben. Es soll zudem auf mögliche Umsetzungsalternativen des konkreten Ausschlussverfahrens, aber auch der europarechtlichen Vorgaben eingegangen werden, um auf diese Weise letztlich eine Bewertung der gesetzgeberischen Umsetzung zu ermöglichen. Entsprechend ist es zur Erfüllung dieser Zielsetzung zunächst erforderlich, die Entstehung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out anhand der europäischen Grundlagen und der Umsetzung des deutschen Gesetzgebers zu untersuchen (§ 3).

Sodann soll die prophezeite hervorgehobene Praxisrelevanz zum Anlass genommen werden, um im nächsten Abschnitt (§ 4) die ökonomische Zielsetzung, d.h. die Gründe für die Durchführung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out zu untersuchen und zu erläutern. Hierbei gilt es zwischen den Motiven für eine Konzernverschmelzung und denen für einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre zu unterscheiden, wobei es vor allem auf die jeweiligen (Rechtsfolgen-)Reflexe ankommen wird, bevor nachfolgend eine Abgrenzung des Ausschlussverfahrens nach § 62 Abs. 5 UmwG gegenüber weiteren konkurrierenden und alternativen Rechtsinstituten erfolgt.

Der sich daran anschließende Abschnitt (§ 5) widmet sich sodann dem eigentlichen Verfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre gemäß § 62 Abs. 5 UmwG. Ausgehend von den mit den Ausschlussvoraussetzungen verbundenen Rechtsfragen, wird sich im Weiteren der Deskription des eigentlichen Ausschlussverfahrens zugewandt, das in weiten Teilen an das des aktienrechtlichen Squeeze-out angelehnt ist, so dass ein detailliertes Eingehen auch nur dort erfolgen soll, wo es der verschmelzungsrechtliche Kontext aufgrund der durch ihn bedingten Besonderheiten verlangt.

Neben dem eigentlichen Verfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre verlangt der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out zwingend nach der Durchführung einer Konzernverschmelzung. Der folgende Abschnitt (§ 6) widmet sich daher eingehend dem Konzernverschmelzungsverfahren. Dabei wird es ← 5 | 6 → auf die Untersuchung ankommen, welche Auswirkungen der Ausschluss der Minderheitsaktionäre auf das (anschließende) Konzernverschmelzungsverfahren hat und welche Besonderheiten sich gegenüber einer isolierten Konzernverschmelzung hieraus ergeben.

Im darauffolgenden Abschnitt (§ 7) nimmt sich die Arbeit die hervorgehobene Praxisrelevanz erneut zum Anlass, um auf besondere Risiken in der Transaktionsplanung einzugehen. Neben den Risiken durch die mögliche Fehlerhaftigkeit des Übertragungsbeschlusses wird der Blick dabei insbesondere auf zeitliche und kostenrelevante Risikofaktoren zu richten sein, die es im Rahmen einer sorgfältigen Transaktionsplanung zu beachten gilt.

Abschließend erfolgt in Abschnitt (§ 8) eine Schlussbetrachtung zu den Ergebnissen der Untersuchung.

← 6 | 7 →

§ 3   Entstehung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out

Mit der Einführung eines weiteren Ausschlussverfahrens von Minderheitsaktionären gemäß § 62 Abs. 5 UmwG setzt sich eine Entwicklung im deutschen Gesellschaftsrecht fort, die seit dem Jahre 2002 und der Einführung des aktienrechtlicheAn Squeeze-out eingesetzt hat. Wie bereits die Einführung des übernahmerechtlichen Squeeze-out, basiert auch die Einführung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out wesentlich auf europäischer Richtliniengesetzgebung. Dass es sich dennoch um eine maßgeblich von deutscher Seite geprägte Möglichkeit zum Ausschluss von (unliebsamen) Minderheitsaktionären handelt, offenbart der vertiefende Blick in die Rechtssetzungsgeschichte des § 62 Abs. 5 UmwG. Für besonderes Interesse sorgt der Umstand, dass es sich im Grunde um ein zusammengesetztes Verfahren aus aktienrechtlichem Squeeze-out einerseits und der vereinfachten Konzernverschmelzung andererseits handelt. Die sich hieraus ergebenen Folgen betreffen sowohl die verwendete Terminologie als auch die Einordnung der Rechtsnatur.

A.   Inhaltliche Bestimmung des Squeeze-out-Begriffs

I.   Terminologie

Mit dem anerkannten Begriff des „Squeeze-out“ wird im deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht ein Verfahren umschrieben, im Rahmen dessen Minderheitsaktionäre aus der Korporation gegen Barabfindung und ohne Berücksichtigung ihres u.U. gegenteiligen Willens ausgeschlossen werden. Auch wenn der Begriff wörtlich übersetzt so viel wie „Hinausquetschen“ bedeutet, weisen Teile der Literatur darauf hin, dass die Anlehnung an die US-amerikanische Begrifflichkeit insoweit missglückt sei, als diese unter einem Squeeze-out das faktische Hinausdrängen verstehe. Den juristisch-technischen Ausschluss bezeichne man hingegen als „Freeze-out“.12 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass damit grundsätzlich auf indirekte Formen des Ausschlussverfahrens hingewiesen werde, so dass sich dieser Begriff auch deshalb in der deutschen Rechtspraxis nicht habe durchsetzen können.13 Da der deutsche Gesetzgeber auch im Rahmen der Einführung des Ausschlussverfahrens von Minderheitsaktionären gemäß § 62 Abs. 5 UmwG und insbesondere in den diesbe ← 7 | 8 → züglich einschlägigen Gesetzgebungsmaterialien ebenfalls den Begriff des Squeeze-out zugrunde legte, soll dieser Terminologie auch im Folgenden treu geblieben werden.14

Darüber hinaus ist die spezielle Bezeichnung des in § 62 Abs. 5 UmwG kodifizierten Ausschlussverfahrens in der Literatur ebenfalls uneinheitlich. So wird das Verfahren teils als „umwandlungsrechtlicher“15 Squeeze-out bezeichnet, während andere von einem „verschmelzungsspezifischen“16 oder „verschmelzungsrechtlichen“17 Squeeze-out sprechen. Teilweise lässt sich der verschmelzungsrechtlichen Literatur auch der Begriff des „Verschmelzungs-Squeeze-out“18 beziehungsweise die englischsprachige Übersetzung des „Pre-Merger-Squeeze-out“19 entnehmen.

Für die bisher hauptsächlich bekannten Squeeze-out-Verfahren des deutschen Rechts haben sich die Attribute in Anlehnung und Bezeichnung des sie jeweils regelnden Gesetzes eingebürgert. So wird der im AktG geregelte Ausschluss von Minderheitsaktionären gemäß §§ 327a ff. AktG hauptsächlich als „aktienrechtlicher“ Squeeze-out beschrieben, während der im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz geregelte Ausschluss nach §§ 39a ff. WpÜG als „übernahmerechtlicher“ Squeeze-out bezeichnet wird. So betrachtet, scheint die Bezeichnung „umwandlungsrechtlicher“ Squeeze-out aufgrund der Normierung im UmwG die logische Fortführung der bereits für andere Verfahren gewählten Terminologie zu sein. Dennoch bietet es sich, vor dem Hintergrund, dass in sonstigen Fällen der bekannten Squeeze-out-Verfahren bereits in der Begrifflichkeit zumindest der grobe Anwendungsbereich zum Ausdruck gebracht wird, an, dass konkret auf die einschlägige Umwandlungsmaßnahme Bezug genommen wird. Da das UmwG neben der Verschmelzung noch weitere Umwandlungsmaßnahmen wie den Formwechsel, die Spaltung oder die Vermögensübertragung kennt, der Squeeze-out aber nur im Rahmen der Verschmelzung durchgeführt werden kann, sollte dieses Spezialitätsverhältnis auch in der verwendeten Terminologie zum Ausdruck gebracht werden. Da zudem die Gesetzesbegründung von einer „verschmelzungsrechtlichen“ Sonderlösung spricht, soll im ← 8 | 9 → Folgenden der im Schrifttum – soweit ersichtlich – vorherrschenden Terminologie von dem „verschmelzungsrechtlichen“ Squeeze-out gefolgt werden.20

II.    Rechtsnatur

Der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out gemäß § 62 Abs. 5 UmwG beruht konzeptionell auf der engen zeitlichen und vor allem sachlichen Verknüpfung eines aktienrechtlichen Squeeze-out gemäß §§ 327a ff. AktG mit einer Konzernverschmelzung nach § 62 UmwG. Die daraus resultierenden Besonderheiten des Verfahrens schlagen sich auch hinsichtlich der Frage nach der Rechtsnatur des Verfahrens nieder. Sofern etwa der Squeeze-out-spezifische Teil des Verfahrens nach § 62 Abs. 5 UmwG eigenständig betrachtet würde, müsste seine dogmatische Verortung grundsätzlich derjenigen des aktienrechtlichen Squeeze-out nachfolgen. Dieser wird – wie Kießling zutreffend feststellt21 – größtenteils ohne nähere Begründung in die Kategorie der Grundlagen- oder Strukturgeschäfte der Gesellschaft eingeordnet.22 Einzig Kiem begründet seine gleichlautende Ansicht damit, dass auf diese Weise den Minderheitsaktionären – gerade im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses – das gleiche Schutzniveau zukäme, das auch im Falle anderer Grundlagenentscheidungen zu gelten habe.23 Dennoch wird die Einordnung als Strukturentscheidung partiell in Zweifel gezogen.

Für den aktienrechtlichen Squeeze-out wird insofern vertreten, dass streng genommen nur ein Wechsel von Aktionären beziehungsweise die Übernahme aller Aktien der Gesellschaft durch einen Aktionär stattfinde. Es werde weder die Identität noch die Rechtsform oder der Gesellschaftszweck der Kapitalgesellschaft berührt und außerdem ändere der Wechsel der Aktionäre nichts an der Kapitalstruktur der Gesellschaft.24 Unangetastet bleibe zudem die Organzuständigkeit.25 Fleischer zieht sodann den Schluss, dass die §§ 327a ff. AktG aufgrund ihrer Annäherung an die Mehrheitseingliederung gemäß §§ 319 ff. AktG ← 9 | 10 → vielmehr nur in das Gewand einer Strukturmaßnahme gekleidet seien, selbst aber keine im eigentlichen Sinne darstellten.26 Dem entspricht letztlich auch die abschließende Aussage von Kiem, dass sich jedenfalls der aktienrechtliche Squeeze-out nicht in ein bestehendes Rechtsinstitut einordnen lasse und es sich daher vielmehr um ein Rechtsinstitut sui generis handele.27

Würde man daher hinsichtlich des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out primär auf den Ausschluss der Minderheitsaktionäre abstellen, so wäre die Rechtsnatur des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out in Analogie zur Rechtslage beim aktienrechtlichen Squeeze-out fraglich. Da der Ausschluss der Minderheitsaktionäre zwangsläufig in ein Konzernverschmelzungsverfahren nach § 62 UmwG eingebettet ist und ohne dessen Durchführung auch nicht zur Wirksamkeit gelangen kann, wird man die Einordnung als Strukturmaßnahme kaum anzweifeln können. Letztlich handelt es sich auch trotz der grundsätzlichen Zweigliedrigkeit des Verfahrens i.E. um eine einheitliche Strukturmaßnahme, die nach einer einheitlichen dogmatischen Einordnung verlangt.

Details

Seiten
XII, 253
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653041811
ISBN (ePUB)
9783653993073
ISBN (MOBI)
9783653993066
ISBN (Paperback)
9783631646748
DOI
10.3726/978-3-653-04181-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (August)
Schlagworte
Umwandlungsrecht Konzernverschmelzung Aktienrecht Umwandlungsgesetz
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XII, 253 S.

Biographische Angaben

Sebastian Biller (Autor:in)

Sebastian Biller studierte Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlichem Zusatzstudium an der Universität Bayreuth.

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