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Interkulturalität und Transkulturalität in Drama, Theater und Film

Literaturwissenschaftliche und didaktische Perspektiven

von Christian Dawidowski (Band-Herausgeber:in) Anna Rebecca Hoffmann (Band-Herausgeber:in) Benjamin Walter (Band-Herausgeber:in)
©2015 Sammelband 341 Seiten

Zusammenfassung

Inwiefern spielen inter- und transkulturelle Phänomene in Drama, Theater und Film eine Rolle und welche Funktionen nehmen sie dort ein? Diesen Fragen gehen die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Beiträge des vorliegenden Bandes nach. Das Buch gliedert sich in drei Bereiche: Im ersten Teil werden im Rahmen von Grundlagenbeiträgen die Konzepte von Inter- und Transkulturalität verhandelt sowie Drama/Theater und Film in inter- und transkultureller Perspektive sowohl literaturwissenschaftlich als auch -didaktisch beleuchtet. Der zweite und dritte Teil widmen sich spezifischen Beispielen aus den Bereichen Drama und Theater sowie Film. Hier werden einzelne (mediale) «Texte» analysiert und konkrete Vorschläge für deren Einbezug in den Deutschunterricht gemacht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Zu diesem Band
  • Grundlagenbeiträge
  • Inter-, Transkulturalität und Literaturdidaktik. Einführender Forschungsüberblick
  • Inter- und Transkulturalität in Drama und Theater
  • Transkulturelle Bildung mit Film im Deutschunterricht. Eine kulturwissenschaftliche Ergründung des Handlungsfelds
  • Inter- und Transkulturalität in Drama und Theater
  • Überlegungen zum postmigrantischen Theater
  • „Wahnprediger“. Zur Ambivalenz religiöser Figuren bei Feridun Zaimoglu
  • Interkulturalität als Versuchsanordnung. Das Jugendstück Türkisch Gold von Tina Müller
  • „Ich bin ein Mensch.“ – Zur interkulturell-politischen Dimension von Björn Bickers Deportation Cast
  • Zum Scheitern transkultureller Identität in Joshua Sobols Die Palästinenserin
  • Inter- und Transkulturalität im Film
  • Culture-Clash-Komödien im Literaturunterricht der Sekundarstufen
  • Transkulturalität im Deutschunterricht. Zur Arbeit mit Fatih Akins Filmen
  • Die Simpsons: Differenzen in der gelben Welt. Einblicke in interkulturelle Konstellationen und Konflikte
  • „Reflecting Absence“. Der 11. September als (transkultureller) Ausgangspunkt filmischer Reflexionen über die (Un-)Möglichkeiten von Erkenntnis und Erinnerung
  • „… nur ganz wenig ich kann sagen…“ Fremdenfiguren in Kinderfilm-Klassikern. Ein kritischer Blick auf Verfilmungen populärer Kinder- und Jugendromane
  • „Der Blick von außen“ – nationale Identitätskonstruktion im interkulturellen Diskurs am Beispiel von Srđan Dragojevićs Parada
  • Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Zu diesem Band

Die Konzepte ‚Interkulturalität‘ und ‚Transkulturalität‘ haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten sowohl in der Germanistik als auch in anderen wissenschaftlichen Fachdisziplinen zu regen Forschungsaktivitäten geführt. Fast unüberschaubar ist seither die Fülle der zu verzeichnenden Publikationen, die sich etwa aus historischer, empirischer, ästhetischer oder theoretischer Perspektive mit ihnen und damit zusammenhängenden Phänomenen befassen. Die Konjunktur beider Konzepte scheint dabei trotz der zuweilen energisch verfolgten Abgrenzungsversuche bis heute ungebrochen, überblickt man allein die Veröffentlichungen der jüngsten Vergangenheit.

Dass Interkulturalität und Transkulturalität derart hoch im Kurs stehen, lässt sich sicherlich nicht ohne Bezugnahme auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen erklären. So ermöglichen die Konzepte Inter- und Transkulturalität Phänomene in den Blick zu nehmen und beschreibbar zu machen, die sich beispielsweise im Zuge der gesellschaftlichen Transformationsprozesse im Zeichen weltweiter Migration und Globalisierung zeigen. In Deutschland und Europa wird die Vorstellung eines friedvollen Miteinanders in Vielfalt gegenwärtig durch islamistischen Terror konterkariert, der rechtspopulistische Strömungen und Sorgen um den Untergang der abendländisch-westlichen Kultur zu nähren weiß. Wie wenig dabei zwischen Islamismus, der wie jede Form des Terrors zu missbilligen ist, und friedlichem Islam unterschieden wird, ja wie soziale zu kulturellen resp. religiösen Konflikten umgedeutet werden, zeigen die jüngsten Debatten im Anschluss an die Ereignisse um das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo einmal mehr. Leider tritt damit auf höchst unerfreuliche Weise auch zutage, wie die soziale Konstruktion des Anderen sowie die Aushandlung von Differenzen und Identitäten u. a. unter Rekurs auf kulturelle Kategorien bis auf den heutigen Tag in unseren Alltag eingeschrieben sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es zwar umso nötiger, auf Fluidität, Dynamik und Entgrenzung von Kultur zu verweisen; faktisch vorliegende und literarisch-ästhetisch bearbeitete Aushandlungsprozesse und Bedeutungszuschreibungen, die auf Differenzkategorien fußen, lassen sich damit aber nicht einfach hinweg wünschen. Deshalb halten wir Interkulturalität und Transkulturalität für gleichermaßen fruchtbare Forschungskonzepte.

Mit dem Titel und der Konzeption unseres Bandes möchten wir darüber hinaus der Tatsache Rechnung tragen, dass sowohl Interkulturalität als auch Transkulturalität in den relevanten Bezugswissenschaften weiterhin Verbreitung ← 7 | 8 → finden und dass keineswegs ein Konzept das andere vollständig abgelöst hat. Wir sind zudem der Auffassung, dass es wenig hilfreich ist, beide Konzepte gegeneinander auszuspielen oder eine Frontstellung zu perpetuieren. Denn je nachdem, welche Aspekte und Fragestellungen in den Blick genommen oder in den Vordergrund gestellt werden sollen, leisten beide Konzepte Unterschiedliches. Unverkennbar ist jedoch, dass beide auf einen wie auch immer zu beschreibenden Kulturbegriff rekurrieren. Sich diesbezüglich zu positionieren, überlassen wir den jeweiligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zu diesem Band beitragen.

In der Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik, in deren disziplinärem Horizont der vorliegende Sammelband maßgeblich zu verorten ist, kann das Forschungsfeld zwar als weitgehend vermessen gelten, und zahlreiche Forschungsgegenstände wurden bis dato unter inter- und transkultureller Perspektive beleuchtet. Mit der Verknüpfung von Inter- und Transkulturalität mit den Bereichen Drama, Theater und Film greifen wir allerdings ein Desiderat auf, welches angesichts der Fülle an Veröffentlichungen, die sich vor allem mit erzählender Literatur beschäftigen, überrascht. Denn wie die in diesem Band versammelten Beiträge zeigen, mangelt es an Produktionen von Dramen, Theaterstücken und Filmen, die inter- und transkulturelle Zugriffe nicht nur erlauben, sondern teils geradezu herausfordern, keineswegs. Darüber hinaus bieten der Film als visuelles und „transkulturelles Medium“ sowie das Theater aufgrund seines Inszenierungscharakters – mehr noch vielleicht als der geschriebene Text – ebenso große Möglichkeiten zur Reflexion inter- und transkultureller Fragestellungen. Ziel des vorliegenden Bandes ist es daher, die überaus produktive künstlerische Auseinandersetzung, insbesondere der letzten Jahre, sowie die sich hiermit verbindende Vielfalt der Perspektiven stärker in den Fokus zu rücken.

Die Struktur des Bandes folgt im Wesentlichen der Zweiteilung in die Bereiche Drama/Theater und Film, denen jeweils Beiträge zugeordnet wurden, die sich entweder vorrangig literaturwissenschaftlich oder literaturdidaktisch einzelnen oder mehreren Theaterstücken und Filmen widmen. Diesen beiden Schwerpunkten vorangestellt sind drei einführende Grundlagenbeiträge, die aus literaturdidaktischer sowie theater- und filmwissenschaftlicher Perspektive den Zusammenhang von Literaturdidaktik, Drama/Theater, Film und Inter- und Transkulturalität in den Mittelpunkt stellen. Im Gegensatz zu den erstgenannten Beiträgen, wird hier folglich kein exemplarischer Gegenstand verhandelt, sondern ein grundlegender Überblick zum jeweiligen Diskussionsstand angestrebt. ← 8 | 9 →

Zu den Beiträgen des Bandes

Christian Dawidowski versammelt in seinem Beitrag Informationen zum derzeitigen Diskussionsstand zu den Themen Interkulturalität und Transkulturalität in der Literaturdidaktik. Dementsprechend bietet er einen grundlegenden und raffenden Forschungsüberblick über die wichtigsten Bereiche, beginnend mit den Ergebnissen der empirischen und historischen Forschung im Horizont der Themen „Lesen – Literatur – Medien – Migration“, ferner mit dem Status quo der Theoriebildung (Ziele, Kanon), schließlich übergehend zu den handlungswissenschaftlichen Elementen (Forderungen für die Praxis, Phasen, Methoden).

In den folgenden beiden Beiträgen wird das Augenmerk auf die Erscheinungsformen inter- bzw. transkultureller Phänomene in Drama und Theater bzw. Film gerichtet. Anna R. Hoffmann und Benjamin Walter legen dabei zunächst dar, inwieweit inter- und transkulturelle Phänomene innerhalb des Dramas und Theaters eine Rolle spielen und welche besondere Bedeutung diese für das Gegenwartstheater haben. Dass Drama und Theater in inter- bzw. transkultureller Perspektive weiterhin nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im praktischen Bereich unterbeleuchtet sind, wird im zweiten Abschnitt deutlich, der sich dem kulturpolitischen Zusammenhang von Theaterpraxis und Einwanderungsgesellschaft widmet. Im dritten Teil werden schließlich gegenstandsübergreifende didaktisch-methodische Ansätze zur Behandlung von Dramen und theatralen Inszenierungen im Literaturunterricht sowie ein auf inter- bzw. transkulturelle Aspekte hin ausgerichtetes Analyseschema vorgestellt, das eine Hilfestellung für die Untersuchung von Inszenierungen bietet.

Matthis Kepser fokussiert in seinem Grundlagenbeitrag das Medium Film. Aus einer dezidiert kulturwissenschaftlichen Perspektive und für das Transkulturalitätskonzept optierend, beginnt er mit Überlegungen zu transkulturellen Bildungsprozessen, die im Gesamtkontext der „sprachlichen Fächer“ diskutiert werden. Daran anschließend gibt Kepser im zweiten Abschnitt einen umfassenden filmgeschichtlichen Überblick, wobei er die zahlreichen internationalen Verflechtungen des Films beleuchtet, was diesen als „transkulturelles Medium“ erscheinen lässt. Im folgenden Abschnitt wird Transkulturalität dann in Hinblick auf die filmische Handlungsebene sowie die Produktionsbedingungen und Rezipienten und Rezipientinnen beleuchtet. Hier geht es etwa um die Frage, „wer mit welchem Blick für wen eine Kultur in Szene setzt“ oder ob es kulturell unterschiedlich geprägte Rezeptionsweisen gibt und wovon dies ggf. abhängig ist. Abschließend diskutiert Kepser didaktische Konsequenzen, indem aufgezeigt wird, wie der Film im Deutschunterricht für transkulturelle Lernprozesse eingesetzt und fruchtbar gemacht werden kann. ← 9 | 10 →

Im ersten gegenstandsspezifischen Beitrag geht Anne Steiner auf gegenwärtige Tendenzen eines „postmigrantischen Theaters“ ein. Nach einem einleitenden Definitionsversuch zeigt Steiner im nächsten Abschnitt, dass das postmigrantische Theater zunehmend Fragen der Migration und Interkulturalität reflektiert und auch durch die Besetzung der Ensembles versucht, stärker auf die gesellschaftliche Diversität zu reagieren, die sich bislang vorrangig in der freien Theaterszene widerspiegelte. Am Beispiel der Stücke ArabQueen und Verrücktes Blut zeigt sie sodann, wie im postmigrantischen Theater durch „Strategien der Selbstethnisierung“ auf künstlerische Weise die „(De-)Konstruktion von Stereotypen“ inszeniert werden kann. Abschließend empfiehlt die Autorin das postmigrantische Theater für gattungsbezogenes, theaterhistorisches und theaterästhetisches Lernen im Deutschunterricht. Dabei sei die inhaltliche Auseinandersetzung dringend um die Freilegung des Inszenierungscharakters und theatraler Zeichen zu ergänzen, um Stereotype und Klischees nicht bloß zu reproduzieren, sondern sie zu durchbrechen und auf die „Gemachtheit von Identitäten“ zu verweisen.

Mit deutsch-türkischem Drama und Theater befassen sich auch die beiden folgenden Beiträge. Maha El Hissy untersucht dramatische Texte Feridun Zaimoglus auf die Präsenz und Funktion von Predigern und Predigerinnen hin. Durch den Beitrag leitet die These, dass Facetten des Religiösen auch gegenwärtig noch oftmals mit Elementen des Komischen und Skurrilen verbunden werden. Mit Blick auf Nathan Messias zeigt El Hissy, dass der „selbsternannte Messias“ hier als Hass-Prediger auftritt, für die Jungfrauen in Schwarze Jungfrauen weist sie hingegen nach, inwiefern diese ihre Religion auf obszöne und erotische Weise lobpreisen. Durch diese kontrastreichen, widersprüchlichen Verbindungen entstehen der Autorin zufolge paradoxe Bilder von Religiosität, die in den Stücken allerdings keineswegs aufgelöst, sondern als widerspenstige, Reibung erzeugende Unsicherheiten bestehen bleiben und auf den Problem belasteten Zusammenhang von Religion und Moderne verweisen.

Gabriela Paule greift mit dem Jugendstück Türkisch Gold, welches das Thema der ersten Liebe an eine interkulturelle Figurenkonstellation knüpft, ein bereits vielfach aufgeführtes Theaterstück auf. In ihrer Analyse stellt Paule zahlreiche Aspekte heraus, die das Stück aus ihrer Sicht für eine Auseinandersetzung im Deutschunterricht der Mittelstufe prädestinieren. Hierzu zählt neben der Komik, die eine Verortung als „Betroffenheitstheater“ unterlaufe, vor allem die dramaturgische Gestaltung. Ein Spiel im Spiel führt nämlich dazu, dass kulturelle Stereotype und Klischees ausphantasiert und spielerisch in „Bewegung gehalten“ werden. Hierdurch werde sogleich eine „Lese- bzw. Sehanleitung“ für das ganze Stück gegeben und der Spielcharakter deutlich ausgestellt. Dies hält Paule für ← 10 | 11 → eine geeignete Grundlage, um im Deutschunterricht Vorurteile der Diskussion und Reflexion zugänglich zu machen.

André Barz greift in seinem Beitrag mit der Behandlung des Jugendtheaterstücks Deportation Cast, welches mit dem Deutschen Jugendtheaterpreis der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde, ein äußerst tagesaktuelles und politisch brisantes Beispiel für die deutsche Flüchtlingspolitik auf. Dabei verortet er das Stück zum einen gesellschaftspolitisch, zum anderen zeigt er dessen interkulturell-politische Konsequenzen auf. Abschließend gibt der Verfasser didaktisch-methodische Hinweise für eine Behandlung des Stücks, die gemäß der politischen Dimension des Beitrags sowohl fachspezifische Fähigkeiten schulen als auch der Ausbildung eines historisch-politischen Bewusstseins dienen.

Auch Manuel Junges Beitrag weist eine deutliche Bezugnahme zum tagesaktuellen Geschehen in Israel und Palästina auf, wenngleich das Stück Die Palästinenserin von Joshua Sobol bereits in den 1980er Jahren entstanden ist. In diesem Stück mit mehreren Spiel- und Handlungsebenen geht es im Kern um das Scheitern einer israelisch-palästinensischen Beziehung und damit das Scheitern ‚transkultureller Identitäten‘. Theoretische Grundlage für Junges analytische Beschäftigung mit dem Stück ist Wolfgang Welschs Konzept der Transkulturalität, das er allerdings unter Einbezug kritischer Einwände gegenüber diesem reflektiert und weiterentwickelt. Dazu formuliert er drei Thesen zu einem darüber hinausgehenden Transkulturalitätskonzept, das Hybridität und Transkulturalität begrifflich voneinander trennt, „Transkulturelles als über vorgestellte nationalkulturelle Grenzen hinausgehende Gemeinsamkeit“ definiert und das dekonstruierende Potential von Transkulturalität in Hinblick auf vorgestellte Nationalkulturen betont.

Der Beitrag von Heidi Rösch eröffnet den Abschnitt zum Medium Film. In den Mittelpunkt ihrer Ausführungen stellt die Autorin Culture-Clash-Komödien und deren Einsatz im Literaturunterricht der Sekundarstufen. Ausgehend von terminologischen Klärungen gibt der Beitrag zunächst einen Überblick zu aktuellen deutschen Culture-Clash-Komödien. Daran anschließend wird mit der Diskussion von verschiedenen Kulturbegriffen und karikativ illustrierten Beschreibungsansätzen von Kulturbegegnungen die Grundlage für die im nächsten Abschnitt folgende Analyse der Komödie Salami Aleikum gelegt. Im nächsten Kapitel legt Rösch ihr Verständnis einer Interkulturellen Literaturdidaktik sowie Zielstellungen derselben dar, um dann besonders auf didaktische Potentiale literarischer Gespräche zu kommen. Deren Bedeutung für interkulturelles Lernen wird schließlich an empirischen Projektdaten zur schulischen ← 11 | 12 → Auseinandersetzung mit der Culture-Clash-Komödie Kebab Connection aus dem Raum Karlsruhe exemplifiziert.

Im Anschluss an eine einleitende komparative Betrachtung inter- und transkultureller Ansätze in der Kulturvermittlung untersucht Irmgard Honnef-Becker in ihrem Beitrag, wie Kulturen übergreifende Begegnungen innerhalb der Filme Fatih Akins – konkret in: Solino, Auf der anderen Seite, Gegen die Wand und Soul Kitchen – inszeniert werden. Mit Blick auf diese zeichnet sie nach, inwiefern das Konzept von Transkulturalität in Akins Filmen auftaucht und welche Funktion es innerhalb dieser einnimmt. Unter Bezugnahme auf einen der untersuchten Filme, Soul Kitchen, geht die Autorin schließlich auf die Beschäftigung mit dem Film unter transkultureller Perspektive ein, daneben macht sie Vorschläge, wie mit dem Film in mediendidaktischer Hinsicht im Unterricht zu verfahren sei.

Dieter Wrobel wählt mit seinem Beitrag zu der erfolgreichen TV-Serie Die Simpsons einen äußerst populären Gegenstand und gibt hieran „Einblicke in interkulturelle Konstellationen und Konflikte“. Seine Untersuchung geht von der These aus, dass Springfield, Mittelpunkt der Simpsons-Welt, als „melting pot“ die Komplexität der amerikanischen Gegenwart durchaus in wichtigen Facetten widerspiegele, so auch in jener als „prototypische Immigrationsgesellschaft“. Die Analysen konzentrieren sich entsprechend auf unterschiedliche Episoden, deren an der Oberfläche zumeist funktionierendes Narrativ eines harmonischen Miteinanders in Vielfalt jedoch bei genauerem Hinsehen an verschiedenen Stellen bröckelt. Reflexionen auf Interkulturalität ermögliche eine schulische Auseinandersetzung mit den Simpsons damit ebenso wie es zahlreiche Anknüpfungspunkte für „media literacy“ in einem „medienintegrativen Literaturunterricht“ gebe.

Mit dem Anthologiefilm 9’11’’01 – September 11 nehmen Nicola Mitterer und Hajnalka Nagy einen Gegenstand von aktueller zeitgeschichtlicher Bedeutung in den Fokus. In ihrem Beitrag untersuchen die Autorinnen anhand zweier Kurzfilme, die nur einen Teil des 11 Beiträge umfassenden Gesamtprojektes darstellen, wie mittels filmästhetischer Mittel das „Verhältnis zwischen individuellem und kollektivem Ereignis und die Konstruktion von ‚Erinnerungsräumen‘“ gestaltet wird. Dabei gehen sie von erinnerungstheoretischen Überlegungen aus und diskutieren zunächst, inwieweit die Geschehnisse des 11. Septembers in ihrer globalen Wirkmächtigkeit eine transkulturelle Konzeption von kollektiver Erinnerung notwendig und möglich erscheinen lassen. Abschließend stellen die Beiträgerinnen didaktische Überlegungen zum Umgang mit dem Film im Deutschunterricht an. Neben Reflexionen zu filmästhetischen Mitteln und Genrefragen bietet sich 9’11’’01 – September 11 aufgrund seiner Konzeption aus Sicht ← 12 | 13 → der Autorinnen vor allem auch für solche Fragen an, die auf die „Auseinandersetzung mit der Annahme kulturell geprägter Lesarten“ und die „Infragestellung kultureller Deutungsmuster“ abzielen.

Axel Diller wendet sich in seinem Beitrag den Kinderfilmklassikern Pippi Langstrumpf in Taka-Tuka-Land (1969/79), Momo (1986) und Tintenherz (2008) zu. Als Ziel setzt sich der Beitrag, unter anderem in mediendidaktischer Hinsicht die Konstruktionsweisen problematischer Stereotype zu identifizieren und deren Funktionen innerhalb des Films zu reflektieren. Wie Diller nachweist, kommen sowohl in den älteren Verfilmungen klassischer Kinderliteratur stereotype Figuren (wie Marko in Pippi oder Momo in Momo) vor, als auch in neueren wie Tintenherz, bei dem die Fremdheitskonstruktion einerseits über phantastische, andererseits über orientalisierende Elemente funktioniert. Im Zuge seiner Analysen zeigt Diller jedoch auf, warum und inwiefern sich eine Beschäftigung mit diesen Klassiker-Verfilmungen gerade aufgrund der genannten Problematiken lohnen kann.

Der abschließende Beitrag des Bandes von Thomas Möbius und Tihomir Engler stellt Ergebnisse eines internationalen Projektes deutscher und kroatischer Studierender vor, das am Beispiel der Filmkomödie Parada untersucht, wie sich „nationale Identitätskonstruktion im interkulturellen Diskurs“ vollzieht. Ziel war es dabei nicht nur, die auf der Filmebene situierten Stereotype zu reflektieren und diesbezüglich auf unterschiedliche Rezeptionsweisen zu fokussieren, sondern in der Konfrontation mit dem „Blick von außen“ seitens der jeweils anderen Studierendengruppe einen „angemessenen Perspektivwechsel“ zu initiieren. Die Darstellung der Projektergebnisse, die auf der empirischen Auswertung von schriftlichen Analysen der Studierenden zum Film und darin präsentierten Stereotypen „nationaler Identitätskonstrukte“ basieren, wird von einer detailreichen filmwissenschaftlichen Analyse sowie einem abschließenden didaktischen Kommentar gerahmt.

Osnabrück 2015

Details

Seiten
341
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653041804
ISBN (ePUB)
9783653993097
ISBN (MOBI)
9783653993080
ISBN (Hardcover)
9783631646731
DOI
10.3726/978-3-653-04180-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Literaturdidaktik Deutschunterricht interkulturelle Phänomene transkulturelle Phänomene
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 341 S., 11 s/w Abb., 2 Tab.

Biographische Angaben

Christian Dawidowski (Band-Herausgeber:in) Anna Rebecca Hoffmann (Band-Herausgeber:in) Benjamin Walter (Band-Herausgeber:in)

Christian Dawidowski ist Professor für Literaturdidaktik an der Universität Osnabrück. Anna R. Hoffmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Literaturdidaktik an der Universität Osnabrück. Benjamin Walter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Literaturdidaktik an der Universität Osnabrück.

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Titel: Interkulturalität und Transkulturalität in Drama, Theater und Film
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