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Stimmen hinter der Tür

Übersetzen des polyphonen Romans «A Prisioneira de Emily Dickinson» in Projektarbeit

von Anne Burgert (Band-Herausgeber:in) Ângela Maria Pereira Nunes (Band-Herausgeber:in)
©2014 Sammelband 176 Seiten

Zusammenfassung

Im Rahmen eines innovativen Lehrprojektes der Johannes Gutenberg-Universität Mainz übersetzten Studierende des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft in Germersheim den Roman A Prisioneira de Emily Dickinson von Ana Nobre de Gusmão ins Deutsche. Die Übersetzung erschien 2013 unter dem Titel Die Gefangene von Emily Dickinson im Weidle Verlag. Erzähltechnisch erinnert die Romanstruktur an das Öffnen und Schließen von Türen: Türen, hinter denen Stimmen hervortreten und wieder verschwinden. Die in diesem Sammelband dokumentierte Reflexion über die Projekterfahrungen knüpft an die Polyphonie des Romans und an das methodisch-didaktische Erarbeiten einer Übersetzerstimme an. Der Band dient der Darstellung der Konzeption des Lehrprojektes und der hieraus gewonnenen Erkenntnisse und leistet somit einen Beitrag zur Translationswissenschaft.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Einleitung
  • I Didaktische Gestaltung des Lehrprojektes
  • Konzeption und Realisierung eines literarischen Übersetzungsprojektes: Übersetzungsdidaktische Überlegungen
  • Die Überwindung der Vielstimmigkeit. Zur Aushandlung von Übersetzungsentscheidungen im Team
  • Qualitätssicherung bei Übersetzungen in Projektarbeit: Einige Erfahrungen und Überlegungen
  • II Der Romantext im literatur- und translationswissenschaftlichen Fokus
  • They shut me up in Prose – Zur Übersetzung von Dickinson-Gedichten: Portugiesisch – Englisch – Deutsch
  • Zwischen Mimikry und Transkulturalität: Emílias kulturelle Übersetzung Emily Dickinsons als Herausforderung für die Romanübersetzung
  • O olhar do tradutor sobre o texto literário de partida: do tradutor/leitor qualificado
  • Die Verarbeitung von Emily Dickinson im Roman A Prisioneira de Emily Dickinson
  • Vergleich ausgewählter Übersetzungsmöglichkeiten für Ana Nobre de Gusmãos Romane Delito sem Corpo und A Prisioneira de Emily Dickinson ins Deutsche
  • III Herausforderung Polyphonie: Die Arbeit an den Übersetzungssträngen
  • Übersetzungsstränge als Revisionseinheit narrativer Texte: Zur Arbeit am Strang „Emily Dickinson“
  • Reflexion über das Übersetzen der Romanfragmente „Emília – Kindheit / Jugend“
  • „e.d. hat geschriebn ,Die Augen zu schließen ist wie Reisen'.
  • Die Autorinnen und Autoren

Einleitung

Anne Burgert, Ângela Maria Pereira Nunes

Die Idee eines in die reguläre Lehre des Faches Portugiesisch integrierbaren literarischen Übersetzungsprojektes am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim entstand im Sommer 2011 und ging aus einem Gespräch zwischen der portugiesischen Schriftstellerin Ana Nobre de Gusmão, der Leiterin der Abteilung Spanische und Portugiesische Sprache und Kultur des FTSK Cornelia Sieber und den Herausgeberinnen des vorliegenden Bandes hervor. Ana Nobre de Gusmão war im Mai desselben Jahres zu einer Lesung ihrer Romane an den FTSK nach Germersheim gekommen und unterstützte die Idee einer Romanübersetzung in Projektarbeit mit Studierenden des Faches Portugiesisch von Beginn an. Sie warnte allerdings vor den vielen „Tücken“ des Romans, die das Übersetzen sicherlich erschweren würden, und schlug uns sogar einen ihrer anderen, noch nicht ins Deutsche übersetzten Romane vor. Gerade diese „Tücken“ versprachen jedoch für ein innovatives Lehrprojekt im Bereich des literarischen Übersetzens besonders interessant zu sein. Davon zeugen nun auch die im vorliegenden Band publizierten Artikel über den im Rahmen des Lehrprojektes erfolgten translatorischen Prozess.

Ein solch umfangreiches innovatives Lehrprojekt war am FTSK noch nicht durchgeführt worden und versprach, eine übersetzungsdidaktische Herausforderung zu werden. Die Rahmenbedingungen bildeten die Bereitschaft von Ana Gusmãos deutschem Verleger, die Übersetzung im Weidle-Verlag zu veröffentlichen, sowie das Angebot der Autorin, das Manuskript von A Prisioneira de Emily Dickinson als Word-Datei sowie eine Liste der im Roman verwendeten Emily Dickinson-Zitate mit Quellenangabe bereitzustellen.

Für die konkrete Umsetzung wurde eine Modulstruktur mit polyvalenten Modulen erarbeitet, die die Integrierbarkeit des Projektes und etwaiger Folgeprojekte innerhalb der modularisierten Studiengänge ermöglichte. Ein didaktisches Novum stellte dabei die Beteiligung aller Lehrkräfte des Faches Portugiesisch (einschließlich der ehemaligen Dozentin Angela Wodtke) dar. Als zeitlicher Rahmen für das Lehrprojekt wurden das Wintersemester 2011/12 und das Sommersemester 2012 festgelegt. Eine druckreife deutsche Übersetzung des Romans sollte noch im Jahr 2012 an das Verlagslektorat geliefert werden.

So startete das Fach Portugiesisch zu Beginn des Wintersemesters 2011/12 ein innovatives, vollständig in die modulare Lehre der neuen Bologna-Studiengänge integriertes Lehrprojekt: „Übersetzen des Romans A Prisioneira de Emily Dickinson von Ana Nobre de Gusmão aus dem Portugiesischen ins ← 9 | 10 → Deutsche“1, das didaktisch im Kontext zweier Übersetzungsübungen und eines Seminars umgesetzt wurde.

Im literatur- und kulturwissenschaftlichen Seminar (Cornelia Sieber) wurde den Studierenden ein kompakter Überblick über das Werk von Emily Dickinson (Gedichte, Briefe) und eine Einführung in die literarischen Stile und Strategien von Ana Nobre de Gusmão geboten. Das Seminar und die Übung zur Erstellung der ersten Fassung der Übersetzung (Anne Burgert und Ângela Nunes) waren zeitlich besonders eng verzahnt, da sich die Sitzungen im 14-tägigen Rhythmus abwechselten. Auf Grundlage der im Seminar erarbeiteten Ausgangstextanalyse sowie einer eigens erstellten Konkordanz des Ausgangstextes entstanden zunächst erste Übersetzungsrohfassungen in Einzelarbeit, die in kleinen Arbeitsgruppen besprochen, zusammengeführt und protokolliert wurden. Durch eine koordinierte Rotation bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen sowie mit Hilfe systematisch geführter Übersetzungsprotokolle und eines Glossars auf der E-Learning-Plattform ILIAS konnte eine erste Gesamtfassung erstellt werden.2

Parallel zur Entstehung dieser ersten Gesamtfassung recherchierte Angela Wodkte, inwieweit die im Roman enthaltenen Emily Dickinson-Zitate in deutscher Übersetzung vorlagen bzw. inwieweit sich diese Übersetzungen für die Verwendung im Projekt eigneten. Strategische Überlegungen zum übersetzerischen Umgang mit diesen Zitaten sollten daher erst zu einem späteren Zeitpunkt angestellt werden.

An die Ausgangstextanalyse und die Erstellung einer ersten gemeinsamen Gesamtfassung schloss ein einwöchiger Übersetzerworkshop unter Teilnahme des gesamten Lehrprojektteams am Ende der vorlesungsfreien Zeit des WS 2011/12 an, zu dem auch die Autorin des Romans, Ana Nobre de Gusmão, ihr Eheman Michael Biberstein, der Literaturübersetzer und spätere Lektor der Übersetzung, Michael Kegler, sowie der Verleger Stefan Weidle anreisten.

Die dritte Lehrveranstaltung des Moduls (Übersetzungsübung) des Sommersemesters (Wiebke Augustin und Marcel Vejmelka) widmete sich der Revision der Gesamtfassung im Hinblick auf Textkohärenz bzw. -konsistenz sowie der Fortführung der Qualitätssicherung durch Überprüfung der Einhaltung der Formatvorgaben u.v.a.m. Erkenntnisse aus dem vorangegangenen Übersetzer ← 10 | 11 → workshop sollten hier eingearbeitet werden. In Einzel- und Gruppenarbeit wurde die vorliegende erste Gesamtfassung der Übersetzung in mehreren Korrekturschritten durchgesehen, besprochen und überarbeitet. Auch die Emily Dickinson-Zitate wurden in dieser Phase ins Deutsche übersetzt.3

In der Revisionsphase arbeiteten die Projektteilnehmer besonders eigenständig: In den ersten Sitzungen des Sommersemesters wurde eine Aufteilung des Romans in vier zu überprüfende Textpassagen vorgenommen, für die auf Anregung der Studierenden zunächst der Terminus Handlungsstrang bemüht wurde. Diese Aufteilung erwies sich für die Revision als außerordentlich hilfreich, um ungewollt entstandene Varianz auf mikrostruktureller Ebene auszumachen, die im Falle einer nach anderen Kriterien vorgenommenen Aufteilung in Gruppenarbeit nur schwer zu erkennen gewesen wäre. Im Verlauf der Reflexion über den Übersetzungsprozess erwies sich der Terminus jedoch als nicht besonders treffend, da der Aufteilung weniger literaturwissenschaftliche als vielmehr übersetzungstechnische Überlegungen, die nur zum Teil durch erzähltechnische Kategorien zu beschreiben sind, zugrunde lagen. Nach einer gemeinsamen Reflexion von Herausgeberinnen und Beitragenden ist es der Studentin Lisa Schwesinger gelungen, die Aufteilung mit dem Begriff Übersetzungsstränge präziser zu bezeichnen. Einige Verfasser der hier publizierten Beiträge haben diesen Terminus nachträglich übernommen, andere nicht.

Die im Lehrprojekt entstandene Übersetzung des Romans wurde ab Oktober 2012 von Michael Kegler lektoriert, weitere Veränderungen wurden anschließend vom Verleger vorgenommen. Diese bildeten daher nicht mehr Gegenstand des Lehrprojekts, so dass es Abweichungen zwischen dem Translat der Projektgruppe und dem im Weidle Verlag erschienenen Endprodukt gibt. Somit beziehen sich die Beiträge dieses Bandes in aller Regel auf im Laufe des Übersetzungsprozesses entstandenen Versionen und nicht auf die im Juli 2013 vom Weidle Verlag veröffentlichte Fassung. Für die Publikation war von Beginn an mit dem Verlag vereinbart worden, dass alle ProjektteilnehmerInnen namentlich als ÜbersetzerInnen des Romans erwähnt wurden.

Die hier vorliegenden Artikel gingen aus einem forschungsorientierten Workshop zur Reflexion über den komplexen Übersetzungsprozess in Projektarbeit hervor, der zu Beginn des Wintersemesters 2012/13 stattfand und an dem die meisten ProjektteilnehmerInnen mitwirkten. Die vorliegenden studentischen Beiträge sind darüber hinaus das Ergebnis eines regen und erkenntnisreichen Austausches mit den Herausgeberinnen dieses Bandes, wobei unsere Vorschläge naturgemäß nicht immer in die Tat umgesetzt wurden. Die Reflexionen reichen ← 11 | 12 → von der Erörterung literatur- und kulturwissenschaftlicher Aspekte des bearbeiteten Romantextes bis zur Behandlung von didaktischen und translationswissenschaftlichen Besonderheiten des Lehrprojekts. Die hier publizierten Erkenntnisse sind somit ein deutlicher Beleg für die Förderung der Kreativität und Wissenschaftlichkeit der praxisorientierten Lehre im Bereich der Module zur Translatorischen Kompetenz des Studienfachs Portugiesisch am FTSK Germersheim.

1    Das Projekt wurde als innovatives Lehrprojekt vom Gutenberg Lehrkolleg der Universität Mainz gefördert. Siehe darum auch den Beitrag des Lehrteams im vom Gutenberg Lehrkolleg herausgegebenen Band Gute Lehre – von der Idee zur Realität. Innovative Lehrprojekte an der JGU, erschienen in der Reihe „Motivierendes Lehren und Lernen in Hochschulen: Praxisanregungen“, Bielefeld, 2013.

2    Zur didaktischen Vorgehensweise bei der Erstellung der ersten Gesamtfassung im Wintersemester 2011/12 ist ein im vorliegenden Sammelband publizierter Artikel der Übersetzungsdozentinnen Anne Burgert und Ângela Nunes entstanden.

3    Zur didaktischen Vorgehensweise bei der Revision im Sommersemester 2012 siehe auch den im vorliegenden Sammelband publizierten Artikel des Dozenten Marcel Vejmelka.

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Details

Seiten
176
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653041491
ISBN (ePUB)
9783653993318
ISBN (MOBI)
9783653993301
ISBN (Hardcover)
9783631646618
DOI
10.3726/978-3-653-04149-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (August)
Schlagworte
literarischer Übersetzen Translationsdidaktik Übersetzungsdidaktik
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 176 S., 1 Graf.

Biographische Angaben

Anne Burgert (Band-Herausgeber:in) Ângela Maria Pereira Nunes (Band-Herausgeber:in)

Anne Burgert studierte in Lissabon und Mainz/Germersheim. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Portugiesisch am FTSK Germersheim der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ângela Maria Pereira Nunes studierte in Coimbra und Mainz/Germersheim. Sie ist promovierte Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Studienfachbeauftragte für Portugiesisch am FTSK Germersheim der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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