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Bilanzierung von Immaterialgüterrechten nach HGB und IFRS

von Patrick Andrä (Autor:in)
©2015 Dissertation XIV, 276 Seiten

Zusammenfassung

Immaterialgüterrechte wie Patente, Marken oder Urheberrechte stellen in der heutigen Wissensgesellschaft elementare Werte dar. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie dieses verrechtlichte Wissen in der Bilanz angesetzt und bewertet werden kann, darf und muss. Der Autor geht dieser Frage anhand der für den deutschen Rechtskreis maßgeblichen Rechnungslegungssysteme des Handelsgesetzbuches (HGB) und der International Financial Reporting Standards (IFRS) nach, die er ausführlich und kritisch vergleicht und bewertet. Hierauf aufbauend folgen konkrete Vorschläge für gesetzliche Änderungen, die auch ein selbst entwickeltes Bewertungssystem umfassen. Neben der Auseinandersetzung mit den Neuerungen im HGB durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) steht dabei insbesondere die Vereinfachung und weitere Objektivierung der Bilanzierung von Immaterialgüterrechten im Vordergrund.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Bedeutung des Themas und Problemstellung
  • II. Gang der Untersuchung
  • B. Grundlagen
  • I. Immaterialgüterrechte
  • 1.Begriffliche Eingrenzung
  • 2.Bilanzrechtliche Abgrenzung
  • a. Materielle, immaterielle und finanzielle Güter
  • b. Immaterialgüterrechte
  • aa. Allgemein
  • bb. Abgrenzung zu wirtschaftlichen Werten und rein wirtschaftlichen Vorteilen
  • 3.Die Untersuchungsobjekte
  • a. Gewerbliche Schutzrechte
  • aa. Überblick
  • bb. Patent- und Geschmacksmusterrecht
  • (1) Patentrecht
  • (2) Gebrauchsmusterrecht
  • (3) Sonderfall: Erfindungen von Arbeitnehmern
  • cc. Geschmacksmusterrecht
  • dd. Markenrecht
  • b. Urheberrecht und urheberrechtliche Leistungsschutzrechte
  • c. Lizenzen
  • II. Die Rechnungslegungssysteme
  • 1.Das HGB
  • a. Einführung
  • b. Bedeutung der nationalen Rechnungslegungsvorschriften
  • c. Aufbau des Regelungssystems
  • d. Zweck der Rechnungslegung
  • e. Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB)
  • f. Vorschriften für die Bilanzierung von Immaterialgüterrechten
  • 2.Die IFRS
  • a. Einführung
  • b. Bedeutung der IFRS
  • c. Aufbau des Regelungssystems
  • aa. Grundlagen
  • bb. Framework
  • cc. IFRS-Standards
  • dd. Interpretationen
  • ee. Weitere Verlautbarungen
  • ff. Füllung von Regelungslücken
  • d. Zweck der Rechnungslegung
  • e. Rechnungslegungsgrundsätze
  • f. Vorschriften für die Bilanzierung von Immaterialgüterrechten
  • C. Ansatz von Immaterialgüterrechten („Bilanzierung dem Grunde nach“)
  • I. Ansatz nach dem HGB
  • 1.Überblick
  • 2.Abstrakte Aktivierungsfähigkeit: Erfüllung der Vermögensgegenstandsdefinition
  • a. Grundlagen
  • b. Selbstständige Verkehrsfähigkeit
  • aa. Allgemein
  • bb. Konkrete Einzelveräußerbarkeit
  • cc. Abstrakte Einzelveräußerbarkeit
  • dd. Selbstständige Verwertbarkeit
  • ee. Einzelvollstreckbarkeit
  • c. Gesamtverkehrsfähigkeit, bilanzielle Greifbarkeit und selbstständige Bewertbarkeit (steuerrechtliche Aktivierungskonzeption)
  • d. Kritische Würdigung unter Berücksichtigung des BilMoG
  • aa. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
  • bb. Modifikation des Vermögensgegenstandsbegriffs
  • cc. Erweiterung um zusätzliche Kriterien
  • 3.Konkrete Aktivierungsfähigkeit
  • a. Grundlagen
  • b. Ansatzwahlrecht und Ansatzverbot für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, § 248 Abs. 2 HGB
  • aa. Überblick
  • bb. Anwendungsvoraussetzungen von § 248 Abs. 2 HGB
  • (1) Immaterialität
  • (a) Abgrenzung bei Verbundgütern
  • (aa) Funktion der körperlichen Komponente
  • (bb) Wirtschaftliches Interesse
  • (cc) Wertrelation der Komponenten
  • (dd) Anzahl der Vervielfältigungen
  • (ee) Kombination der Kriterien
  • (b) Besonderheiten bei unmittelbarem Zusammenhang mit der Herstellung, Beschaffung oder Nutzung einer Sachanlage
  • (2) Einordnung als selbst geschaffen
  • (3) Anlagevermögen
  • cc. Anwendungsbereich des neuen Ansatzverbotes in § 248 Abs. 2 S. 2 HGB
  • dd. Besonderheiten des Ansatzes von immateriellen Vermögensgegenständen in der Entstehung
  • (1) Allgemein
  • (2) Abgrenzung Forschung und Entwicklung
  • (3) Festlegung des Aktivierungszeitpunktes
  • (4) Zusammenfassung
  • ee. Ausübung des Ansatzwahlrechts und Ansatzstetigkeit
  • c. Besonderheiten beim Erwerb im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses oder einer Gruppe von Vermögensgegenständen
  • d. Wirtschaftliche Zurechnung des Vermögensgegenstandes
  • 4.Der Ansatz ausgewählter Immaterialgüterrechte
  • a. Gewerbliche Schutzrechte
  • aa. Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster
  • bb. Marken
  • b. Urheberrechte und urheberrechtliche Leistungsschutzrechte
  • aa. Urheberrechte
  • bb. Leistungsschutzrechte
  • c. Lizenzen
  • II. Ansatz nach den IFRS
  • 1.Überblick
  • 2.Abstrakte Aktivierungsfähigkeit: Erfüllung der Definitionskriterien eines immateriellen Vermögenswertes
  • a. Grundlagen
  • b. Nicht monetär und ohne physische Substanz
  • c. Identifizierbarkeit
  • d. Verfügungsmacht des bilanzierenden Unternehmens
  • e. Bestehen eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens
  • 3.Konkrete Aktivierungsfähigkeit
  • a. Allgemeine Ansatzvoraussetzungen
  • aa. Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses
  • bb. Verlässliche Bewertbarkeit der Anschaffungs- oder Herstellungskosten
  • b. Lockerung der allgemeinen Ansatzvoraussetzungen für bestimmte Erwerbsvorgänge
  • aa. Separater Erwerb
  • bb. Erwerb im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses oder einer Gruppe von Vermögenswerten
  • c. Besondere Ansatzvoraussetzungen für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte/Immaterialgüterrechte
  • aa. Einordnung als selbst geschaffen
  • bb. Abgrenzung Forschung und Entwicklung
  • cc. Ansatzverbot für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte in der Forschungsphase
  • dd. Ansatzvoraussetzungen für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte in der Entwicklungsphase
  • ee. Ansatzverbot für bestimmte selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte
  • 4.Der Ansatz ausgewählter Immaterialgüterrechte
  • a. Gewerbliche Schutzrechte
  • aa. Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster
  • bb. Marken
  • b. Urheberrechte und urheberrechtliche Leistungsschutzrechte
  • aa. Urheberrechte
  • bb. Leistungsschutzrechte
  • c. Lizenzen
  • 5.Ansatz von Immaterialgüterrechten in den IFRS-SME im Überblick
  • III. Ansatzvorschriften in zusammenfassender Gegenüberstellung
  • D. Bewertung von Immaterialgüterrechten („Bilanzierung der Höhe nach“)
  • I. Bewertung nach dem HGB
  • 1.Überblick
  • 2.Erstbewertung im Zeitpunkt des Zugangs (Zugangsbewertung)
  • a. Grundlagen
  • b. Derivativer Erwerb von Immaterialgüterrechten
  • aa. Separater entgeltlicher Erwerb
  • bb. Erwerb durch Tausch
  • cc. Unentgeltlicher Erwerb
  • dd. Erwerb im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses oder einer Gruppe von Vermögensgegenständen
  • ee. Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Immaterialgüterrechten
  • (1) Überblick
  • (2) Vorgaben des Gesetzgebers für allgemein anerkannte Bewertungsmethoden i.S.v. § 255 Abs. 4 S. 2 HGB
  • (3) Berücksichtigung der Werttreiber von Immaterialgüterrechten
  • (4) Kritische Würdigung der Eignung von Bewertungsverfahren zur anforderungsgerechten Bewertung von Immaterialgüterrechten
  • (a) Marktpreisorientierte Verfahren
  • (b) Kostenorientierte Verfahren
  • (c) Kapitalwertorientierte Verfahren
  • (aa) Unmittelbare Cashflow-Prognose
  • (bb) Lizenzpreisanalogie
  • (cc) Mehrgewinnmethode
  • (dd) Residualwertmethode
  • (d) Ergebnis und weitere Objektivierung des Ergebnisses
  • c. Selbst geschaffene Immaterialgüterrechte
  • aa. Begriff der Herstellungskosten
  • bb. Zu berücksichtigender Zeitraum
  • cc. Nachträgliche Herstellungskosten
  • 3.Folgebewertung
  • a. Grundlagen
  • b. Planmäßige Abschreibung
  • aa. Begrenzung der Nutzungsdauer
  • bb. Bestimmung der betriebsindividuellen Nutzungsdauer
  • cc. Sonderfall Marken
  • dd. Abschreibungsplan
  • ee. Beginn der Abschreibung
  • c. Außerplanmäßige Abschreibung
  • aa. Ablauf
  • bb. Der niedrigere beizulegende Wert
  • cc. Wertminderungsgründe
  • dd. Dauerhafte Wertminderung
  • ee. Wertaufholung
  • II. Bewertung nach den IFRS
  • 1.Überblick
  • 2.Erstbewertung im Zeitpunkt des Zugangs (Zugangsbewertung)
  • a. Grundlagen
  • b. Derivativer Erwerb von Immaterialgüterrechten
  • aa. Separater entgeltlicher Erwerb
  • bb. Erwerb durch Tausch
  • cc. Unentgeltlicher Erwerb
  • dd. Erwerb im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses oder einer Gruppe von Vermögensgegenständen
  • ee. Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts (fair value)
  • (1) Bis Ende 2012 gültige Vorschriften nach IAS 38.39 ff.
  • (2) Änderungen durch die Einführung von IFRS 13
  • c. Selbst geschaffene Immaterialgüterrechte
  • d. Nachträgliche Aufwendungen
  • 3.Folgebewertung
  • a. Grundlagen
  • b. Anschaffungskostenmodell, IAS 38.74
  • c. Neubewertungsmodell, IAS 38.75 ff.
  • d. Planmäßige Abschreibung
  • aa. Begrenzung der Nutzungsdauer und ihre Bestimmung
  • bb. Planmäßige Abschreibung bei begrenzter Nutzungsdauer eines Immaterialgüterrechts
  • e. Außerplanmäßige Wertminderung – Wertminderungstest nach IAS 36
  • aa. Ablauf im Überblick
  • bb. Wertminderungstest für einzelne Vermögenswerte
  • (1) Bewertungsanlässe
  • (2) Ermittlung des erzielbaren Betrages
  • (a) Zwei Möglichkeiten zur Bestimmung
  • (b) Nettoverkaufswert
  • (aa) Bis Ende 2012 gültige Vorschriften nach IAS 36.25 ff.
  • (bb) Änderungen durch die Einführung von IFRS 13
  • (c) Nutzungswert
  • (aa) Grundsätze
  • (bb) Ermittlung des künftigen Cashflows
  • (cc) Ermittlung des Diskontierungszinssatzes
  • cc. Besonderheiten des Wertminderungstests im Rahmen einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit (ZGE)
  • (1) Anwendungsbereich
  • (2) Abgrenzung einer ZGE
  • (3) Ermittlung des erzielbaren Betrages und des Buchwertes einer ZGE
  • (4) Erfassung des Wertminderungsaufwands einer ZGE
  • dd. Wertaufholung
  • 4.Bewertung von Immaterialgüterrechten nach den IFRS-SME im Überblick
  • III. Bewertungsvorschriften in zusammenfassender Gegenüberstellung
  • E. Ausweis und Angabepflichten
  • I. Ausweis und Angaben im Jahresabschluss nach HGB
  • II. Ausweis und Angaben im Jahresabschluss nach den IFRS
  • F. De lege ferenda Empfehlungen
  • I. Überblick
  • II. Definition eines Vermögensgegenstandes bzw. Vermögenswertes
  • III. Vereinfachung des Ansatzes von Immaterialgüterrechten
  • IV. Abschaffung des Ansatzverbotes für bestimmte selbst geschaffene Immaterialgüterrechte und ihre Bewertung
  • V. Ansatzwahlrecht oder Ansatzpflicht bei selbst geschaffenen immateriellen Gütern
  • 1. HGB
  • 2. IFRS
  • VI. Nachaktivierung von Herstellungskosten bei Selbsterstellung
  • VII. Konkretisierung der Regelungen für die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value)
  • G. Schlussbetrachtung und Ausblick
  • Literaturverzeichnis

← xiv | 1 → A. Einleitung

I. Bedeutung des Themas und Problemstellung

Exklusive Rechte an immateriellen Gütern, sog. Immaterialgüterrechte, sind aus der heutigen Wirtschaftsordnung nicht mehr hinweg zu denken. Hinter den meisten Produkten stehen geistige Leistungen, die durch Immaterialgüterrechte geschützt werden. In technischen Geräten, wie Mobiltelefonen, Computern oder MP3-Playern, verbergen sich mitunter in den einzelnen Bauteilen hunderte Patente. Musiktitel, die auf einen MP3-Player geladen werden, unterliegen dem Urheberrecht genauso wie der Inhalt von Zeitungsartikeln und Büchern. Konsumenten kaufen Produkte einer bestimmten Marke, weil diese für ihre Zuverlässigkeit bekannt ist oder ihr Image den Käufern gefällt und sie sich mit ihr identifizieren können oder wollen.

Immaterialgüterrechte dienen vor allem dem Schutz desjenigen, der Investitionen getätigt hat, um eine immaterielle Leistung zu schaffen.1 Denn geistige Leistungen sind flüchtig: Derjenige der sie hervorgebracht hat, kann mit ihnen viel bewirken; genauso aber auch derjenige, der sie sich aneignet.2 Dem forschenden Unternehmen ermöglicht daher bspw. ein Patent als Belohnung für seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, die aus den Ergebnissen erwachsenden Vorteile für einen bestimmten Zeitraum exklusiv zu nutzen. Zugleich steigt damit der Anreiz für Investitionen in Forschung und Entwicklung.3 Ebenso werden die Investitionen eines Markeninhabers in den Aufbau des Images seiner Marke durch das Markenrecht vor Trittbrettfahrern geschützt. Letztlich dient die Marke aber auch als Orientierungshilfe für den Verbraucher.4

Gerade in Deutschland, wo der Wandel zu einer Technologie- und Wissensgesellschaft schon weit vorangeschritten ist,5 kommt den immateriellen Gütern eine immense Bedeutung zu.6 Um wettbewerbsfähig zu bleiben, bilden geistige Leistungen für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland eine grundlegende ← 1 | 2 → Ressource.7 So werden in Deutschland ca. 45 % der Wertschöpfung durch forschungsintensive Produkte und Dienstleistungen erbracht – weltweit der höchste Wert.8 Die internen Aufwendungen deutscher Unternehmen für Forschung und Entwicklung legten allein im Zeitraum von 2005 bis 2008 um 19 % auf 46,1 Mrd. Euro jährlich zu.9 Global gesehen betrugen diese Ausgaben 2008 1.055 Mrd. Dollar.10 Aber auch die wirtschaftliche Bedeutung geistiger Leistungen auf dem kulturellen Sektor ist nicht zu vernachlässigen. Dies verdeutlicht der Anteil von 2,6 % der Kultur- und Kreativwirtschaft an der deutschen Bruttowertschöpfung 2006.11 Mit 61 Mrd. Euro lag sie 2006 damit nur 10 Mrd. Euro unter dem Anteil der Automobilindustrie an der Gesamtwertschöpfung dieses Jahres.12

Vor allem die gewerblichen Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster, Marken, etc.), Urheberrechte sowie die mit ihnen verwandten Leistungsschutzrechte sind für die Leistungserstellung vieler Unternehmen ein entscheidender Produktionsfaktor. Ihr sinnvoller Einsatz ist häufig Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.13 Andere Unternehmen sind bereit, hohe Lizenzgebühren für die Nutzung einzelner Immaterialgüterrechte zu zahlen. Der wirtschaftliche Wert von Immaterialgüterrechten ist – unabhängig davon, ob sie selbst erstellt oder anderweitig erworben wurden – für viele Unternehmen hoch.14 Aus ihnen und anderen immateriellen Gütern speist sich nicht selten der Großteil eines Unternehmenswertes.15 Mehr und mehr werden sie daher auch als Finanzierungsquelle genutzt – sei es durch Lizenzierung, Beleihung oder Sale-and-lease-back-Geschäfte.16

Dieser Bedeutung muss auch im Rahmen der Bilanzierung Rechnung getragen werden. Denn der weltweite Wettbewerb um Kapital macht die Berichter- stattung über die immateriellen Werttreiber als teilweise primäre unternehmens- ← 2 | 3 → wertbestimmende Komponenten immer wichtiger.17 So bedeutend Immaterialgüterrechte als Teil der immateriellen Güter für Unternehmen sind, so schwierig ist allerdings ihre Abbildung in der Bilanz. Moxter18 bezeichnet immaterielle Güter als die „ewigen Sorgenkinder des Bilanzrechts“.

Immaterielle Güter weisen in der Regel keine physische Substanz auf und sind damit schwerer greifbar als materielle Güter. Sie sind häufig sehr unternehmensspezifisch.19 Ihnen wird daher eine höhere Unsicherheit über das Vorhandensein eines bilanziell fassbaren Vorteils sowie über dessen Werthaltigkeit unterstellt.20 Dies spiegelt sich insbesondere in der Frage wider, welche immateriellen Güter in die Bilanz aufzunehmen sind und unter welchen Voraussetzungen. Auch die Beantwortung der Frage, zu welchem Wert immaterielle Güter zu bilanzieren sind, ist vielfach von subjektiven Einflüssen geprägt. Da aber von der Rechnungslegung vor allem Aussagen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit21 und die Entwicklung des Erfolgspotentials22 eines Unternehmens erwartet werden, müssen Bilanzansatz und Wertzumessung möglichst objektiv erfolgen. Denn Objektivierung ist der Leitgedanke jedweder Rechnungslegung.23

Im Allgemeinen fallen Bilanzierungsvorschriften für immaterielle Güter im Vergleich zu den Vorschriften für materielle Güter daher restriktiver aus.24 Wie weit die Restriktionen gehen, ist vom jeweiligen Rechnungslegungssystem abhängig. Alle Rechnungslegungssysteme stehen vor dem Problem, dass eine zu zurückhaltende Berücksichtigung immaterieller Güter die Aussagekraft des Jahresabschlusses beeinträchtigen kann. Fällt die Bilanzierung hingegen zu großzügig aus, besteht die Gefahr Vermögen auszuweisen, das gar nicht besteht, was ebenso die Aussagekraft verringert und Gläubiger gefährdet.

Für die Rechnungslegung in Deutschland sind insbesondere das Handelsgesetzbuch (HGB) und die International Financial Reporting Standards (IFRS), die mittlerweile direkt oder indirekt in über 110 Staaten weltweit Anwendung ← 3 | 4 → finden,25 von Bedeutung. In Deutschland sind seit dem 01.01.2005 die HGB-Vorschriften vorrangig nur noch für den Einzelabschluss und für den Abschluss nicht-kapitalmarktorientierter Konzerne relevant. Seit diesem Datum müssen Konzernabschlüsse von börsennotierten Unternehmen aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 verpflichtend nach den IFRS aufgestellt werden, § 315a HGB. Beiden Rechnungslegungssystemen liegen verschiedene Herangehensweisen zugrunde. Ist das HGB auch auf die Sicherheit der Gläubiger eines Unternehmens bedacht,26 so liegt der Schwerpunkt der IFRS auf dem möglichst hohen Informationsnutzen eines Jahresabschlusses,27 insbesondere für Investoren.28

Bis zur Reformierung des HGB durch das Bilanzierungsmodernisierungsgesetz (BilMoG) 2009 lag der wesentliche Unterschied zu den IFRS im Bereich der Bilanzierung von Immaterialgüterrechten in der Behandlung selbst geschaffener immaterieller Güter. Entgeltlich erworbene immaterielle Güter waren nach beiden Rechnungslegungssystemen in der Bilanz ansetzbar. Für selbst geschaffene galt dies nur nach den IFRS. Die mit dem BilMoG intendierte maßvolle Annäherung an die IFRS hat dies nun auch für das HGB geändert, u.a. um die Vergleichbarkeit von HGB- und IFRS-Abschlüssen zu verbessern.29 Durch die Neuerungen des BilMoG sind aber gleichzeitig neue Fragestellungen entstanden.

Bislang liegen in der deutschsprachigen Literatur vorrangig Arbeiten zur Bilanzierung von immateriellen Gütern in ihrer Gesamtheit30 oder von spezifischen einzelnen Gütern31 oder Immaterialgüterrechten32 vor. Eine zusammenhängende tiefergehende Betrachtung ausschließlich der Immaterialgüterrechte und ihrer bei der Bilanzierung auftretenden Besonderheiten gibt es bislang nicht.33 Der ← 4 | 5 → Großteil34 dieser Darstellungen greift zudem bei der bilanziellen Bewertung als einem der zentralen Probleme der Bilanzierung von immateriellen Gütern bzw. Immaterialgüterrechten zu kurz und zieht sich auf die teilweise sehr spärlichen Angaben in den Rechnungslegungssystemen zurück.

Diese Lücken soll die vorliegende Arbeit schließen. Den Schwerpunkt bildet die vergleichende Analyse und Diskussion der Bilanzierung und Bewertung von Immaterialgüterrechten nach geltendem deutschen HGB und geltenden IFRS. Dabei sollen vor allem die Fragen, die die Änderungen des HGB durch das 2009 erlassene BilMoG aufgeworfen haben, beantwortet werden. Unter Berücksichtigung des durch die IFRS und das HGB gesteckten Rahmens soll daneben die bilanzielle Bewertung von Immaterialgüterrechten zum Zeitwert (fair value) konkretisiert werden. Die sich aus diesen Untersuchungen ergebenden spezifischen Optimierungspotentiale für die Bilanzierung von Immaterialgüterrechten nach HGB und IFRS werden abschließend in einer Reformempfehlung erörtert.

Die Darstellung erfährt allerdings in zweierlei Hinsicht eine Begrenzung: Zum einen wird sich die Betrachtung vorrangig auf die wirtschaftlich besonders wichtigen35 gewerblichen Schutzrechte sowie die Urheberrechte und die mit ihnen verwandten Leistungsschutzrechte konzentrieren. Zum anderen wird der Schwerpunkt von bilanzieller Seite her auf der Behandlung von Immaterialgüterrechten liegen, die durch ein Unternehmen zur dauerhaften Nutzung vorgesehen sind. Also auf solchen, die dem Anlagevermögen zuzuschreiben sind und damit eine zentrale Rolle im Unternehmen spielen.

II. Gang der Untersuchung

Im Rahmen der Untersuchung werden zunächst im folgenden zweiten Kapitel die Immaterialgüterrechte und die beiden zu betrachtenden Rechnungslegungssysteme charakterisiert und vorgestellt.

Im dritten und vierten Kapitel wird der Ansatz bzw. die Bewertung von Immaterialgüterrechten nach deutschem HGB und nach den IFRS untersucht. Hierbei liegt das besondere Augenmerk auf den Neuerungen und Fragestellungen, die sich durch das BilMoG für die Bilanzierung von Immaterialgüterrechten nach ← 5 | 6 → HGB ergeben haben. Das dritte Kapitel zum Ansatz beantwortet dabei die Frage danach, ob bestimmte Immaterialgüterrechte überhaupt aktiviert werden können oder müssen. Im vierten Kapitel erfolgt mit der Bewertung die Beantwortung der Frage nach der Höhe mit der die aktivierungsfähigen Immaterialgüterrechte angesetzt werden können. Im Rahmen der Untersuchung zur Bewertung wird unter Berücksichtigung der Spezifika der betrachteten Immaterialgüterrechte und des durch die IFRS und das HGB gesteckten Rahmens die bilanzielle Bewertung von Immaterialgüterrechten zum beizulegenden Zeitwert (fair value) konkretisiert.

Im fünften Kapitel wird auf den Ausweis und die Angabepflichten für Immaterialgüterrechte in Bilanz und Jahresabschluss eingegangen.

Ausgehend von den Ergebnissen der vorangegangen Untersuchungen werden im sechsten Kapitel Reformvorschläge für die zukünftige Gestaltung der Bilanzierung von Immaterialgüterrechten nach HGB und IFRS gemacht, bevor im letzten Kapitel eine abschließende Schlussbetrachtung erfolgt.

__________

1 Pierson/Ahrens/Fischer, S. 41 ff.

2 Depenheuer/Peifer, S. 1.

3 Leupold/Glossner/Wiebe, Teil 3, Rn. 3.

4 Vgl. Fezer, Einl. D., Rn. 1 ff.

5 BT-Drs. 16/10067, S. 49

6 Ausführlich hierzu Dawo, S. 6 ff.

7 Depenheuer/Peifer, S. 1.

8 BMBF, S. 20.

9 BMBF, S. 19.

10 Jaruzelski/Dehoff, strategy+business 57, 1 (5).

11 BMWi, S. 4.

12 BMWi, S. 4.

13 Rebel, S. 1.

14 Vgl. Schmidbauer, DStR 2003, 2035 (2035); Depenheuer/Peifer, S. 1; zum Ganzen auch Blair/Wallmann.

15 Haunerdinger/Probst, S. 42; Grünewald/Köllner/Petersen/Wurzer/Zwirner, S. 61; Blasius, S. 2.

16 Borchardt, S. 19.

17 Küting/Dürr, StuB 2003, 1 (1).

18 Moxter, BB 1978, 1102 (1102).

19 Schmidbauer, DStR 2003, 2035 (2035).

20 Baetge/Kirsch/Thiele/Hömberg/König, § 248 HGB, Rn. 31; vgl. auch BT-Drs. 16/10067, S. 49 f.

21 Grünewald/Köllner/Petersen/Wurzer/Zwirner, S. 61.

22 Dawo, S. 1.

23 Beisse, S. 83; Moxter, DB 2008, 1514 (1515).

24 Lutz-Ingold, S. 2 f.

25 Wagenhofer, S. 104.

Details

Seiten
XIV, 276
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653047363
ISBN (ePUB)
9783653993516
ISBN (MOBI)
9783653993509
ISBN (Hardcover)
9783631646496
DOI
10.3726/978-3-653-04736-3
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Rechnungslegung Immaterielle Güter Gewerbliche Schutzrechte Urheberrechte
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XIV, 276 S., 2 Tab.

Biographische Angaben

Patrick Andrä (Autor:in)

Patrick Alexander Andrä studierte Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre in Würzburg und Göttingen. Er forschte an den Universitäten Münster und Oxford.

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