Modelltransfer im Schatten des Krieges
«Deutsche» Bildungs- und «Preußische» Militärreformen in Chile, 1879–1920
Series:
Cristina Alarcón López
VI. REFERENZGESELLSCHAFTEN: KONTINGENZ UND WANDEL
Extract
Die Auswirkungen der Reformen in Schule und Armee sollten im frühen 20. Jahrhundert geradezu paradoxe Formen annehmen. Einerseits schien Chile von der „Peripherie“ des Kontinents in dessen „Zentrum“ gerückt zu sein. Als Referenzgesellschaft für andere lateinamerikanische Länder, ähnlich wie im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert Japan, das eine wichtige Vermittlerrolle spielte, wenn es um die Rezeption westlicher Leitmodelle (in Schule, Bildung, Universität, Industrie etc.) in China ging, vermittelte Chile europäische und insbesondere deutsche „Erfolgsmodelle“ an andere lateinamerikanische Länder, die sich derart den weiten Weg nach bzw. über Deutschland ersparen konnten. Andererseits aber unterlagen die Bezugnahmen auf Deutschland und dessen Militär – und auch Bildungsverfassung – ihrerseits einem Wandel und dies insbesondere im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg und der deutschen Niederlage. Andere Argumente rückten jetzt in den Vordergrund und begünstigten die Umbildung von Referenzmodellen. Dieses Schlusskapitel bezieht vornehmlich auf die Internalisierungsphase des Rezeptionsprozesses. Im Rahmen dieser Phase werden einerseits die angeeigneten und transformierten preußischdeutschen Leitprinzipien nicht nur an Neuartigkeit verlieren, sondern sogar als chilenische ‚Exportprodukte‘ verkauft. Anderseits werden zugleich die Grundsätze der Reformen als veraltet und rückständig visualisiert und für neue Reformagenden geworben.
You are not authenticated to view the full text of this chapter or article.
This site requires a subscription or purchase to access the full text of books or journals.
Do you have any questions? Contact us.
Or login to access all content.