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Hochqualifizierte externe Mitarbeiter in gemischten Projektteams

Interaktionsparameter, Diversitätseffekte und Führungsherausforderungen

von Inga Rössing (Autor:in)
©2015 Dissertation XXII, 358 Seiten

Zusammenfassung

Seit vielen Jahren spiegelt sich der Trend vieler Unternehmen zu mehr Flexibilität und Innovation auch in einem zunehmenden Einsatz externer Ressourcen wider: Hochqualifizierte externe Mitarbeiter werden auf Projektbasis eingekauft und arbeiten mit internen Beschäftigten in gemischten Teams auf Zeit zusammen. Diesem Praxisphänomen, das v.a. im wissensintensiven Dienstleistungsbereich wie etwa der Softwareentwicklung relevant ist, wurde bislang geringe Aufmerksamkeit aus dem Blickwinkel von Führung und Teamdiversität geschenkt. Diese Arbeit zeigt die Besonderheiten intern-extern gemischter Projektteams auf. Anhand einer zweistufigen empirischen Studie mit realen Projektteams unterschiedlicher Branchen identifiziert sie wesentliche Parameter der Interaktion zwischen externen und internen Mitarbeitenden und zeigt funktionale und dysfunktionale Effekte der Externalität auf die Zusammenarbeit im Team auf. Hieraus lassen sich konkrete Gestaltungsempfehlungen für die Führung von Projektteams sowie wertvolle Erkenntnisse für die weitere wissenschaftliche Diskussion ableiten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Geleitwort
  • Management Summary
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einführende Bemerkungen
  • Problemstellung
  • Forschungslücke und Erkenntnisinteresse
  • Zielsetzung und Forschungsfragen
  • Reflexion über Forschungsmethodik und -perspektive
  • Aufbau der Arbeit
  • 1. Theoretische Grundlegung: Gemischte Projektteams im Kontext des Phänomens hochqualifizierter externer Mitarbeiter
  • 1.1 Zusammenarbeit in und Führung von Projektteams
  • 1.1.1 Zusammenarbeit im Team als Ausgangspunkt
  • 1.1.1.1 Der Begriff des Teams
  • 1.1.1.2 Zusammenarbeit als Maß der Interaktion im Team
  • 1.1.1.3 Phasen der Zusammenarbeit
  • 1.1.2 Teameffektivität und Interaktionsprozesse in der Teamarbeit
  • 1.1.2.1 Effektivität als Leistungsmerkmal und das Input-Prozess-Output-Modell nach McGrath (1964)
  • 1.1.2.2 Inputebene: Struktur, Zusammensetzung und Kontext
  • 1.1.2.3 Prozessebene: Gruppenprozesse als Prozesse der sozialen Interaktion
  • 1.1.2.3.1 Rollenverteilung im Team
  • 1.1.2.3.2 Zentrale Komponenten der Teaminteraktion nach Högl 1998
  • 1.1.2.3.3 Zusammenarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Konflikt
  • 1.1.3 Führung von Teams
  • 1.1.3.1 Reflexion über das generelle Verständnis von Führung
  • 1.1.3.2 Situative Führung im Rahmen der personalen Führung
  • 1.1.3.3 Funktionen und Aktivitäten der Führung von Teams
  • 1.1.4 Projektteams als Zusammenarbeit in Teams auf Zeit
  • 1.1.4.1 Projekte und Projektteams
  • 1.1.4.2 Projektmanagement
  • 1.1.4.3 Projekterfolg und Erfolgsfaktoren
  • 1.1.4.4 Relevanz und Besonderheiten der Führung von Projektteams
  • 1.2 Hochqualifizierte externe Mitarbeiter als aktuelles Phänomen der wissensbasierten Arbeitswelt
  • 1.2.1 Neue Beschäftigungsformen als unternehmerische Tendenz zur Flexibilisierung
  • 1.2.1.1 Trend zu wissensbasierter Arbeitswelt
  • 1.2.1.2 Flexibilisierung von Arbeits- und Organisationskonzepten als Reaktion und neue Kopplung von Organisation und Individuum
  • 1.2.1.3 Vielfalt neuer Beschäftigungsformen
  • 1.2.2 Annäherung an das Phänomen des hochqualifizierten externen Mitarbeiters
  • 1.2.2.1 Externalität und Professionalität als zentrale Charakteristika
  • 1.2.2.2 Ergänzung des Profils: Wissens- und Persönlichkeitsbezogene Besonderheiten
  • 1.2.3 Der Einsatz hochqualifizierter externer Mitarbeiter im Unternehmen
  • 1.2.3.1 Externe Mitarbeiter als professionelle Dienstleister
  • 1.2.3.2 Einsatzphasen
  • 1.3 Intern-extern gemischte Projektteams aus der Perspektive der Teamdiversität
  • 1.3.1 Das Konzept der Diversität in der Teamarbeit: Begriff, Formen und Dimensionen
  • 1.3.1.1 Definition und Dimensionen von Teamdiversität
  • 1.3.1.2 Organisationale Zugehörigkeit als spezifische Form struktureller Diversität
  • 1.3.2 Wirkung von Teamdiversität
  • 1.3.2.1 Funktionale Effekte
  • 1.3.2.2 Dysfunktionale Effekte
  • 1.3.3 Das Categorization-Elaboration-Modell als integrierendes Erklärungsmodell von Diversitätseffekten im Team
  • 1.4 Zwischenfazit: Entwicklung eines konzeptionellen Denkrahmens
  • 2. Empirische Studie zum Einsatz hochqualifizierter externer Mitarbeiter in gemischten Projektteams
  • 2.1 Untersuchungsziele und Überlegungen zur Forschungskonzeption
  • 2.2 Untersuchungsgegenstand
  • 2.3 Quantitative Online-Befragung
  • 2.3.1 Spezifisches Untersuchungsziel
  • 2.3.2 Datenerhebung und Stichprobe
  • 2.3.3 Datenauswertung
  • 2.4 Ergebnisse der quantitativen Online-Befragung
  • 2.4.1 Allgemeine Befunde zum Einsatz hochqualifizierter externer Mitarbeiter
  • 2.4.2 Hochqualifizierte externe Mitarbeiter als Teammitglieder
  • 2.4.2.1 Beschreibung der Zusammenarbeit
  • 2.4.2.2 Zentrale Einflussfaktoren der Zusammenarbeit
  • 2.4.3 Beurteilung der Vorteilhaftigkeit und potenzieller Spannungsfelder beim Einsatz hochqualifizierter externer Mitarbeiter im Team
  • 2.4.3.1 Produktivitätsvorteil und Wahrnehmung der Innovationskraft und Entscheidungseffizienz
  • 2.4.3.2 Motivation, Integration und Neid
  • 2.4.3.3 Konflikte in gemischten Teams
  • 2.4.4 Zwischenfazit: Zusammenführung der zentralen Erkenntnisse und offene Fragen
  • 2.5 Qualitative Interviewstudie
  • 2.5.1 Spezifisches Untersuchungsziel
  • 2.5.2 Datenerhebung und Stichprobe
  • 2.5.3 Datenauswertung
  • 2.5.4 Gütekriterien
  • 2.6 Ergebnisse der qualitativen Interviewstudie
  • 2.6.1 Ergebnisse auf der Makroebene
  • 2.6.1.1 Beschreibung der Zusammensetzung der Teams
  • 2.6.1.2 Erwartungen, Projektstart und Teamentwicklung
  • 2.6.1.3 Zusammenarbeit und Interaktion in gemischten Teams
  • 2.6.1.4 Beziehungen zwischen Intern und Extern und Gleichbehandlung
  • 2.6.2 Ergebnisse auf der Individualebene
  • 2.6.2.1 Besonderheiten hochqualifizierter externer Mitarbeiter
  • 2.6.2.2 Besonderheiten interner Mitarbeiter und zentrale Unterschiede
  • 2.6.3 Ergebnisse auf der Interaktionsebene
  • 2.6.3.1 Kritische Teamsituationen
  • 2.6.3.1.1 Positive Teamsituationen und erlebte Synergien
  • 2.6.3.1.2 Negative Teamsituationen und Konflikte
  • 2.6.3.2 Effekte durch hochqualifizierte externe Mitarbeiter im Team
  • 2.6.3.2.1 Funktionale Diversitätseffekte und Synergien
  • 2.6.3.2.2 Dysfunktionale Diversitätseffekte und Konflikte
  • 2.6.3.3 Führungsherausforderungen
  • 2.7 Limitationen
  • 3. Diskussion der Ergebnisse und Implikationen
  • 3.1 Diskussion der zentralen Ergebnisse
  • 3.1.1 Besonderheiten und zentrale Parameter der Zusammenarbeit in gemischten Teams
  • 3.1.1.1 Relevante Parameter des Kontextes der Zusammenarbeit
  • 3.1.1.2 Spezifika der Zusammensetzung
  • 3.1.2 Funktionale und dysfunktionale Effekte unterschiedlicher organisationaler Zugehörigkeit
  • 3.1.2.1 Funktionale Effekte
  • 3.1.2.2 Dysfunktionale Effekte
  • 3.1.3 Herausforderungen für die Führung gemischter Teams
  • 3.1.3.1 Ebenen der Führung
  • 3.1.3.2 Inhaltliche Schwerpunkte
  • 3.2 Implikationen für die Praxis
  • 3.2.1 Phasenbezogenes, professionelles Projektmanagement
  • 3.2.2 Gestaltung der Zusammenarbeit durch eine situationsangepasste Führung
  • 3.3 Implikationen für die Wissenschaft
  • 3.3.1 Hochqualifizierte externe Mitarbeiter und Blended Teams im Rahmen der „Neuen Beschäftigungsformen“
  • 3.3.2 Organisationale Zugehörigkeit im Rahmen der Teamdiversität
  • 3.3.3 Erweiterung des Führungsverständnisses als situationsbasierte und individualisierte Steuerung
  • Schlussbetrachtung
  • Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse
  • Ausblick
  • Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Anm. d. V.Anmerkung der Verfasserin
ANOVAEinfaktorielle Varianzanalyse
BGBBundesgesetzbuch
CEMCategorization-Elaboration-Model
CITCritical-Incident-Technique
Herv. i. O.Hervorhebung im Original
EXTExterner Mitarbeiter
FKFührungskraft
Gem.Gemäß
HRHumanressourcen
INTInterner Mitarbeiter
MWMittelwert
LMXLeader-Member-Exchange
NAVNormalarbeitsverhältnis
NIHNot invented here
PLProjektleiter
SESoftwareentwicklung
SITSocial Identity Theory/ Theorie der sozialen Identität ← XXI | XXII →

← XXII | 1 →

Einführende Bemerkungen

Problemstellung

„Mixed Teams sind ein eindeutiger Produktivitätstreiber“
(Hays AG 2007, S. 8)

Fach- und Methodenwissen transferieren, teaminterne Probleme erkennen und tragfähige Lösungsansätze entwickeln – „Mixed Teams“ zeichnen sich durch besondere, produktivitätsrelevante Stärken gegenüber ihren rein intern besetzten Pendants aus.1 Dies postuliert zumindest eine deutschlandweite Studie des Personaldienstleisters Hays aus dem Jahr 2007: In ihrem Mittelpunkt standen gemischte Projektteams, in denen festangestellte interne Mitarbeiter eines Unternehmens gemeinsam mit hochqualifizierten externen Spezialisten an innovativen Projekten arbeiten.

Die Kernaussagen der Studie spiegeln dabei den Trend vieler Unternehmen wider, dem allgegenwärtigen Imperativ nach Flexibilität, Innovation und Kreativität zu entsprechen, indem sie ihre internen Strukturen, Beschäftigungskonzepte und Kooperationsformen flexibler gestalten. Flexiblere Beschäftigungsverhältnisse und projekt- wie teambasierter Arbeitsmodelle2 werden auf diese Weise zu branchenübergreifend eingesetzten Konzepten, um komplexe und innovative Aufgaben besser bewältigen zu können.3 Eine Reaktion auf die gestiegenen Arbeitsanforderungen im 21. Jahrhundert ist auch eine stärkere Nutzung hochqualifizierter externer Mitarbeiter. Denn auf der Suche nach neuartigem Wissen erschließen Unternehmen zunehmend innovative Ressourcenpotenziale ← 1 | 2 → außerhalb der vormals eng definierten Unternehmensgrenzen. Die Relevanz unternehmensexterner Ressourcen wird dabei vor allem im Wissensmanagement unter dem Begriff der „absorptive capacity“4 als unternehmerische Fähigkeit zur Identifizierung und Nutzung externen Wissens diskutiert, oder im strategischen Management bzgl. der verstärkten Einbindung externen Wissens in Innovationsaktivitäten.5 Insofern konstatiert Picot, dass die klassischen Unternehmensgrenzen nicht nur zu verschwimmen begännen, sondern grundsätzlich durchlässiger würden6– sowohl für Produkte und Personen als auch für Wissen, Ideen und individuelle Fähigkeiten.7 Auf organisationsweiter Ebene äußert sich dies etwa in strategischen Allianzen mit Wettbewerbern, Forschungsnetzwerken und unternehmensübergreifenden Kooperationen.8

Diese Entwicklung zu einer zunehmend wissensbasierten und grenzpermeablen Perspektive von Unternehmen führt zu tiefgreifenden Veränderungen in der Personalstruktur. Das feste Stammpersonal wird reduziert und durch eine größere Peripherie flexibler Formen der Beschäftigung und externer Personalressourcen ergänzt.9 Zu dieser häufig auch als atypische oder „Neue Beschäftigungsformen“10 bezeichneten Peripherie zählen z. B. Teilzeit-Beschäftigte, Subunternehmer, Leiharbeiter oder Freelancer.11 Die empirisch ← 2 | 3 → beobachtbare Ausbreitung flexibler Beschäftigungsverhältnisse markiert gleichermaßen die kontinuierliche Abkehr vom sog. „Normalarbeitsverhältnis“ i. S. einer dauerhaften Bindung zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen.12 Ihre steigende Relevanz in den letzten Jahren ist Ausdruck einer von vielen Unternehmen verfolgten Strategie der externen Flexibilisierung, durch welche die unternehmerische Anpassungsfähigkeit erhöht, Kosten reduziert und Strukturen verschlankt werden sollen.13 Diese flexiblen Beschäftigungsformen ermöglichen einen bedarfsgerechten Zugriff auf i.d.R. zeitlich begrenzte und zunehmend externe Leistungspotenziale, so dass Unternehmen, wie Kaiser 2011 betont, zu offenen und atmenden Organisationen werden.14 Vor allem auch im immer häufigeren Einsatz von externen Spezialisten, die projektbezogen für Unternehmen tätig werden, manifestiert sich die temporäre, flexible Arbeitswelt. Nicht zuletzt das laut Medienberichten15 jüngst geplante Konzept des internationalen IT-Konzerns IBM – die als revolutionäres Beschäftigungsmodell „Liquid Challenge“ kontrovers diskutierte Idee eines Minimalkerns an Festangestellten mit einem Heer sich auf einer Online-Plattform um Projekte bewerbenden freier Mitarbeiter – zeigt die neue Dimension gelockerter Bindungen zwischen Organisation und Individuum.16

Bereits derzeit besetzen Unternehmen vor allem in wissensintensiven Bereichen wie der IT-Branche, in denen die Halbwertszeit von Wissen besonders gering ist und Innovationen von externen Ressourcenlieferanten abhängen17, innovative Projektteams mit hochqualifizierten externen Mitarbeitern.18 Dies können bspw. selbstständig tätige Freelancer oder auch bei einem externen Dienstleister beschäftigte Spezialisten sein. Diese hochqualifizierten Externen ← 3 | 4 → sind zwar ein zahlenmäßig kleiner, jedoch äußerst zentraler Teil der neuen Beschäftigungsformen. Storey et al. 2002 konstatieren bspw., dass „the most rapidly increasing component part of the trend to contingent work is that comprised of professional and technical labor“.19 Durch das „workforce blending“, also die Durchmischung interner und externer Humanressourcen, entstehen intern-extern gemischte Projektteams: interne, i.d.R. festangestellte Mitarbeiter arbeiten dann temporär mit hochqualifizierten externen Mitarbeitern gemeinschaftlich an der Leistungserstellung. Dies können z. B. innovative Aufträge wie die Entwicklung einer Software und ihre Anpassung an unternehmensspezifische Bedürfnisse sein. Externe Mitarbeiter werden projektbezogen für ihre Auftraggeber tätig und sind – im Gegensatz zu „Normalbeschäftigten“ – nicht zu einem arbeitsvertraglich geregelten Fixgehalt festangestellt.20 Ungeachtet unterschiedlicher Unternehmenshintergründe und Praxiserfahrungen haben Externe i. d. S. gemein, dass sie mit ihrem meist spezialisierten, unternehmensintern nicht verfügbaren Wissen21 ein Projektteam verstärken sollen. Die hohe Komplexität und Interdependenz, die derartigen innovativen Projekten immanent ist, erfordert dabei einen intensiven Informationsaustausch und eine regelmäßige, enge Interaktion zwischen internen und externen Mitarbeitern.22

Die Zusammenarbeit und Führung dieser gemischten Projektteams hat in der betriebswirtschaftlichen Forschung bislang erst geringe Aufmerksamkeit erlangt. Eine der wenigen empirischen Studien, die explizit die Produktivität von sog. „Mixed Teams“ im Vergleich zu rein intern besetzten Teams belegen konnte, ist die bereits angeführte Studie des Personaldienstleisters Hays.23 Fraglich bleibt allerdings, wie genau diese postulierte Vorteilhaftigkeit zu erklären ist. ← 4 | 5 →

Unter Rückgriff auf die lange Tradition der Diversitätsforschung lässt sich die Annahme stützen, dass divers zusammengesetzte Teams mit einem breiteren Spektrum an unterschiedlichem Wissen und speziellen Fähigkeiten ausgestattet sind, deren synergetische Zusammentragung zu einer erhöhten Kreativität und Innovationskraft beitragen kann. Dies ist kongruent mit der weit verbreiteten „value in diversity“-Annahme, d. h. der Annahme eines Mehrwerts durch Verschiedenartigkeit.24 Insofern könnte aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften und Fähigkeiten von einem positiven Beitrag Externer zur gemischten Teamarbeit ausgegangen werden.

Doch der heterogene Charakter dieser Mixed Teams stellt das Management vor besondere Herausforderungen. So erscheint es denkbar, dass gemischte Teams ihr Potenzial nicht zur Gänze ausnutzen können, da unterschiedliche Störfaktoren auftreten können. Zum einen ist denkbar, dass Externe spezifische kompetenzbasierte und motivationale Eigenschaften aufweisen, so dass herkömmliche Managementmethoden u.U. nur unzureichenden Zugriff gewährleisten können. Gemäß einer Studie von Kunda et al. 2002 bspw. wählen hochqualifizierte Freelancer den Weg in die Selbstständigkeit auch aufgrund eines Bedürfnisses nach Autonomie und Zeitsouveränität und zur Vermeidung bestimmter als negativ empfundener Aspekte abhängiger Beschäftigung (z. B. Kontrollmechanismen oder „politische Spielchen“).25 Eine Kontrolle von Arbeitsweise oder Anwesenheitszeiten zur Motivation von Seiten des Managements dürfte insofern erschwert sein. Damit wird auch deutlich, dass sich die Teammitglieder in intern-extern gemischten Teams in wesentlichen Aspekten unterscheiden können, insbesondere hinsichtlich einer anderen organisationalen Zugehörigkeit (unternehmensintern versus –extern) und den damit ggf. auch verbundenen Persönlichkeits- und Verhaltensunterschieden. Die aus der Teamforschung bekannten Phänomene der sozialen Kategorisierung, Angst vor Fremden oder Vorurteile der jeweiligen Teammitglieder, die auf (wahrgenommenen) Unterschieden basieren, dürften eine konstruktive Zusammenarbeit erheblich erschweren.26 Wenn Teammitglieder bspw. ihre Kollegen als „fremdartig“ wahrnehmen, könnte dies ihre Bereitschaft, zu kooperieren und Wissen weiterzugeben, reduzieren und damit den interaktiven Prozess der Leistungserstellung ← 5 | 6 → insgesamt behindern. Insofern dürfte der Aspekt der temporären versus permanenten Mitgliedschaft der Teammitglieder in der Interaktion eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Hinzu kommt noch die zeitliche Begrenzung von ebendiesen Projekten, sodass gewöhnliche Methoden des Managements den Spezifika gemischter Projektteams nur unzureichend gerecht werden können.

Die Ausführungen lassen deutlich werden, dass intern-extern gemischte Projektteams ein betriebswirtschaftlich relevantes, bislang wenig erforschtes Praxisphänomen sind, das sich in einem Spannungsfeld von besonderen Leistungspotenzialen und gleichermaßen dysfunktionalen Effekten bewegt. Dieses Spannungsfeld erfordert neue Führungsperspektiven. Daher ist eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem Phänomen erforderlich, um sowohl das Verständnis des Phänomens gemischter Projektteams theoretisch fundiert zu erweitern als auch mittels empirisch gewonnener Erkenntnisse Handlungsempfehlungen für die adäquate Führung solcher Teams zu extrahieren.

Forschungslücke und Erkenntnisinteresse

Das Explorationspotenzial intern-extern gemischter Projektteams lässt sich insbesondere aus drei zentralen Forschungslücken ableiten: Die Betrachtung hochqualifizierter externer Mitarbeiter (a), eng damit verknüpft ihr Einsatz im Team und damit die gruppendynamische Betrachtung dieser Blended Teams (b) sowie die Berücksichtigung der Externalität als Diversitätsvariable (c).

(a) Im Rahmen der neuen Beschäftigungsformen kann der Untersuchungsgegenstand „hochqualifizierter externe Mitarbeiter“ als ein noch relativ junges Forschungsfeld angesehen werden. Vor allem mit Blick auf numerische Flexibilisierungsaktivitäten von Unternehmen standen tendenziell eher Geringqualifizierte im Mittelpunkt: Leiharbeit oder befristete Beschäftigung („temporary“) als generische Strategie zur Erhöhung unternehmerischer Flexibilität und Kostensenkung, oder grundsätzliche Entscheidungsprozesse bzgl. der Externalisierung von Aufgaben („Make-or-Buy“).27

Dabei gilt mittlerweile ein wachsender Teil der neuen Beschäftigungsformen als hochqualifiziert.28 Dieser wird zwar verstärkt wissenschaftlich reflektiert29, ← 6 | 7 → die explizite Betrachtung hochqualifizierter Externer erfolgt jedoch häufig sehr selektiv bzgl. einzelner Gruppen von Externen und singulären Aspekten. Eine ganzheitlichere Betrachtung fehlt. So thematisieren Beiträge einzelne Gruppen von Externen und spezifische Verhaltens- oder Persönlichkeitsaspekte, z. B. Typologien von IT-Freelancern30 oder ihr Commitment zu Arbeitgebern und Kunden.31 Im Besonderen wird auch auf (z. B. verhaltensbezogene oder motivationale) Unterschiede zwischen den einzelnen flexiblen Beschäftigungsformen und Festangestellten abgestellt. Wie etwa in der Studie von Felfe et al. 2008 erfolgt dies auf Basis der vertraglichen Grundlage, weniger hingegen der Qualifizierung als Unterscheidungsmerkmal. Mallon/ Duberley 2000 fokussieren als eine der ersten in ihrer Studie Hochqualifizierte als „the elite of the contingent workforce“ (S. 33) und rücken explizit die Berücksichtigung der Wahrnehmungen von Externen als Notwendigkeit für das Personalmanagement in den Mittelpunkt.

(b) Die bereits skizzierte unternehmerische Realität einer „blended workforce“, d. h. der Mischung der Belegschaft in Form unterschiedlicher Beschäftigtengruppen32, manifestiert sich auch auf Teamebene in sog. „blended teams“. So wird in IT-Großprojekten die Bearbeitung standardisierter Teilmodule offshore an „subcontractors“ ausgelagert;33 Teams in der Unternehmensberatung oder Kundenbetreuung können in „client-service provider projects teams“ (Webber 2008), in denen Mitarbeiter von Kunden- wie Anbieterseite in ein Team integriert sind, gemeinsam eine Leistung ko-produzieren.34 Vor diesem Hintergrund erstaunt eine bislang geringe Forschungsaufmerksamkeit für den Einsatz hochqualifizierter externer Mitarbeiter im „interesting ‚hybrid model‘“ (Pearce 1993, S. 1083)35 intern-extern gemischter Projektteams. ← 7 | 8 →

Im Kontext der Neuen Beschäftigungsformen spiegelt sich zwar ein steigendes Forschungsinteresse in Studien zu (häufig negativen) Effekten flexibler Beschäftigung auf Festangestellte sowie Verhaltens- und Einstellungsunterschieden zwischen traditionellen und neuen Beschäftigungsformen auf organisationsweiter Ebene.36 Jedoch kann mit Ang/ Slaughter 2001 konstatiert werden, dass bisher nur vereinzelt empirische Ergebnisse zu Aspekten des organisationalen Verhaltens im Zusammenhang mit dem Einsatz von hochqualifizierten Externen existieren.37 Im Vordergrund stehen häufig eher geringqualifizierte Externe und spezifische psychologische Auswirkungen ihres Einsatzes auf die Stammbelegschaft, z. B. hinsichtlich Loyalität und Fluktuation38 oder Einstellungen und Verhalten von Festangestellten.39 Thematisiert werden auch Schwierigkeiten der Zusammenarbeit, z. B. aufgrund interner Zurückhaltung oder Widerstände,40 oder die Wahrnehmung von temporär Beschäftigten als Bedrohung.41 Insgesamt bleibt die Unterscheidung von temporär und permanent Arbeitenden im Gesamtunternehmen im Vordergrund42, weniger das konkrete Beziehungsgefüge, Interaktionen und Effekte durch hochqualifizierte Externe in Blended Teams. Als eine der wenigen Ausnahmen43 untersuchen Broschak/ Davis-Blake 2006 Konsequenzen des Einsatzes von temporär und Teilzeitbeschäftigten für die Beziehung von Teammitgliedern zu ihren Führungskräften und Kollegen. Im Bereich Hochqualifizierter untersuchen Ang/ Slaughter 2001 die Effekte gemischt zusammengesetzter Teams auf intern Angestellte und beschäftigen sich mit der Frage, welche Unterschiede hinsichtlich Arbeitseinstellungen, Verhalten und Leistung zwischen temporär und permanent Beschäftigten bestehen. Blended Teams in Form einer Mischung interner und hochqualifizierter externer Projektmitarbeiter im Sinne dieser Arbeit sind in praxisorientierter Hinsicht durch die o.g. Hays-Studie44 in den Fokus ← 8 | 9 → gerückt worden. Eine wissenschaftlich-empirische Spezifizierung der konkreten Interaktion zwischen Intern und Extern steht noch aus. Derzeit erscheinen Prozesse der gemeinsamen Leistungserstellung, die Führung gemischter Teams und die Effekte der Präsenz Externer im Team noch häufig als eine Art „black box“.45 Gemischte Teams als Schnittstelle zwischen Intern und Extern werfen jedoch insbesondere Fragen nach einer wechselseitigen Beeinflussung der Teammitglieder im Prozess der Zusammenarbeit auf. Fragen nach einer psychologischen Grenzziehung zwischen den Beschäftigtengruppen in einem Team werden damit zum zentralen Thema im Personalmanagement.46 Kaiser et al. 2007 skizzieren die Zusammenarbeit in gemischten Projektteams als eines der zentralen Spannungsfelder des Managements externer Mitarbeiter. Die Betrachtung bleibt jedoch auf eher generischer Ebene, ohne den dynamischen Prozess der Teamarbeit zwischen Intern und Extern genauer zu spezifizieren. Eine ganzheitlichere Auseinandersetzung mit der Thematik, auch auf Teamebene, fehlt.

Mehr Aufmerksamkeit, insbesondere im betriebswirtschaftlichen Kontext, wird Fragen der unternehmensübergreifenden Projekt- und Teamarbeit gewidmet. Im Kontext der „Boundary Spanning“-Literatur erfolgt die Betrachtung von Individuen, die in grenzüberschreitenden Projekten zu innovativen Kooperationen beitragen, z. B. im Rahmen strategischer Allianzen auf unternehmensweiter Ebene.47 Auf der Teamebene hat Stock 2003 den Begriff der „Interorganisationalität“ von Teams geprägt: Unter gemischten Projektteams, die aus Mitgliedern von Kunden- und Anbieterunternehmen bestehen, subsumiert sie neben innovativen, kundenbezogenen Projektteams allerdings auch permanente Kundenbetreuungsteams und schließt die Möglichkeit, dass auch einzelne hochqualifizierte Spezialisten und Freelancer in gemischten Teams auftreten können, aus ihrer Betrachtung aus.48

(c) Die Erkenntnis, dass eine der größten Managementherausforderungen die zunehmend heterogen zusammengesetzte Belegschaft ist, spiegelt sich in der Erforschung von Diversität aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln wieder. Der Diskurs um Teamdiversität ist bereits fortgeschritten und beinhaltet eine Vielzahl an konzeptionell wie empirisch überprüften Konstrukten, Dimensionen ← 9 | 10 → und funktionalen wie dysfunktionalen Wirkzusammenhängen.49 Jedoch scheint die zunehmende praxisrelevante Unterschiedlichkeit von Teammitgliedern – auch jenseits detailliert erforschter Einflussvariablen wie Alter, Geschlecht oder interkulturellen Faktoren – noch in geringem Maße Eingang in die Forschung gefunden zu haben. Dies verwundert angesichts der Tatsache der bereits skizzierten starken Zunahme flexibler Beschäftigungsmodelle ebenso wie der Nutzung organisationsexterner Ressourcen. Entsprechend stellen Broschak/ Davis-Blake 2006 fest:

“Despite the prevalence of nonstandard work arrangements and the conceptual potential for heterogeneity in employment arrangements to affect group members’ attitudes and behaviors, researchers know relatively little about whether and how heterogeneity in employment arrangements affects members of work groups.” (Broschak/ Davis-Blake 2006, S. 372)

Ein zunehmendes Forschungsinteresse im Hinblick auf die „organisationale Zugehörigkeit“ von Teammitgliedern steckt noch in den Kinderschuhen. Im Top-Management-Bereich konnten positive Effekte unterschiedlicher Board-Zusammensetzung gezeigt werden.50 Cummings 2004 fokussierte auf strukturelle Diversität und konnte positive Wirkungen auf Zusammenarbeit und Wissensteilung unter Teammitgliedern nachweisen, die sich bzgl. organisationaler Zugehörigkeit (z. B. zu einer Abteilung) unterschieden. Ein zunehmendes Forschungsinteresse an Teams, die aus Mitgliedern von Kunden- und Anbieterunternehmen zusammengesetzt sind, wurde mit Blick auf die Interorganisationalität von Teams bereits angesprochen. Auch in Beratungsorganisationen wurde Teamdiversität kürzlich als „blinder Fleck“ diagnostiziert: Hansen und Kollegen betrachten in ihrem Beitrag die „Doppeldeutigkeit“ von Diversität im spezifisch projektbasierten Kontext und dem Einsatz von Experten.51 Eine differenzierte Kenntnis um die Besonderheiten hochqualifizierter externer Mitarbeiter aufgrund ihrer „Externalität“, Wirkungszusammenhänge interner und externer Mitgliedschaft in gemischten Projektteams, auch mit Blick auf den Aspekt der Temporalität des Einsatzes Externer, und eine tiefergehende Auseinandersetzung mit ihren Effekten auf die Interaktion und Führung steht noch aus. ← 10 | 11 →

Zielsetzung und Forschungsfragen

Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass es noch ein erhebliches Explorationspotenzial im Hinblick auf den Einsatz hochqualifizierter externer Mitarbeiter in gemischten Projektteams gibt. Intern-extern gemischte Projektteams können damit als bedeutsames Phänomen betrachtet werden, für das jedoch bislang nur unzureichend konzeptionelle und empirische Ansätze aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich vorliegen. Die vorliegende Arbeit greift diese Forschungslücke auf und möchte einen Beitrag zu einem ganzheitlicheren Verständnis um die Besonderheiten, Dynamiken und Verhaltensmuster liefern, die im Rahmen der Zusammenarbeit intern-externer gemischter Projektteams auftreten. Dies erscheint in Anbetracht der aufgezeigten Neuigkeit der Thematik und der Notwendigkeit der Schließung der Forschungslücken erforderlich.

Die wachsende Erkenntnis, dass die Zusammenarbeit in und Führung von Projektteams einer der entscheidenden Faktoren für ein erfolgreiches Projekt darstellt52 – und dies insbesondere für Blended Teams gilt53 –, wirft einige tiefergehende Fragen auf. Zum einen ist wenig erörtert, worin konkret die Besonderheiten dieser spezifischen Form der Projektarbeit liegen. Fraglich ist etwa, durch welche Interaktionen und Verhaltensweisen zwischen internen und externen Mitarbeitern die Zusammenarbeit determiniert wird und inwiefern die „Externalität“ hochqualifizierter externer Mitarbeiter bzw. die organisationale Zugehörigkeit der Teammitglieder bei der Teamarbeit tatsächlich eine Rolle spielt. Zum anderen bieten die bisherigen theoretischen wie empirischen Befunde zwar u. a. Erklärungen für Teamarbeit im Allgemeinen, Projektteams oder Effekten von Diversität; Hinweise zu Einzelaspekten gemischter Teams wie die separierte Fokussierung auf „Externe“ oder „Wirkungen von temporär Angestellten auf Festangestellte“ oder „Mischung von Teams“ lassen sich ebenso finden. Jedoch bieten die oben skizzierten Befunde aus der Forschung um Neue Beschäftigungsformen und (Projekt-) Teams kaum greifbare Hilfestellungen dafür, wie intern-extern gemischte Projektteams konkret gestaltet und geführt werden sollten.

Vor diesem Hintergrund lassen sich für das Erkenntnisinteresse vorliegender Dissertation die folgenden drei zentralen Forschungsleitfragen ableiten: ← 11 | 12 →

Forschungsleitfrage 1 – Besonderheiten gemischter Projektteams
Welche zentralen Parameter bestimmen die Zusammenarbeit in intern-extern gemischten Projektteams?

Details

Seiten
XXII, 358
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653040166
ISBN (ePUB)
9783653995688
ISBN (MOBI)
9783653995671
ISBN (Hardcover)
9783631643730
DOI
10.3726/978-3-653-04016-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Neue Beschäftigungsformen Externe Mitarbeiter Führung Projektteams Interaktionen Teamdiversität
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XXII, 358 S.

Biographische Angaben

Inga Rössing (Autor:in)

Inga Rössing studierte Betriebswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und an der EDHEC Business School in Lille (Frankreich). Sie schloss ihre Promotion an der Universität der Bundeswehr München ab. Ihre thematischen Schwerpunkte in internationalen Forschungs- und Praxisprojekten liegen in der Organisationsentwicklung und in Fragen der Führungs- und Managementeffektivität diverser Teams.

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