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«Helfen» oder «töten»? Die Mediendebatte um die Sterbehilfe

Eine diskurslinguistische Kausalitätsanalyse. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Ekkehard Felder

von Anna Mattfeldt (Autor:in)
©2014 Dissertation 114 Seiten

Zusammenfassung

Der Gedanke an das Sterben ist meist von Ängsten und Unsicherheiten geprägt. Dank der Fortschritte in der modernen Medizin ist es in vielen Fällen möglich geworden, die letzte Phase des Lebens künstlich zu verlängern. Gleichzeitig bieten (teils kommerzielle) Organisationen an, beim vorzeitigen Beenden des eigenen Lebens zu assistieren. Die Studie beschäftigt sich mit der Mediendebatte um die sogenannte Sterbehilfe. Sie untersucht diskursanalytisch, wie Akteure mit sprachlichen Mitteln um Deutungshoheit ringen und wie Konzepte in der Debatte medial vermittelt und diskutiert werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der qualitativen Analyse der grammatischen Verknüpfungsmittel (Konnektoren). Diese verbinden Aussagen miteinander und konstituieren damit kausale Zusammenhänge im Diskurs.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1. Einführung
  • 1.1 Korpuszusammenstellung und Kurzzusammenfassung der wichtigsten Ereignisse in den ausgewählten Beiträgen
  • 1.2 Aufbau der Arbeit
  • 2. Theoretische Prämissen und methodische Grundlagen
  • 2.1 Diskursanalytische Grundlagen
  • 2.2 Klassifizierung von Pressetextsorten
  • 2.2.1 Meldung (Siglen mit „M“)
  • 2.2.2 Bericht (Siglen mit „B“)
  • 2.2.3 Kommentar (Siglen mit „K“)
  • 2.2.4 Reportage (Siglen mit „R“)
  • 2.2.5 Leserbrief (Siglen mit „LB“)
  • 2.2.6 Interview (Siglen mit „I“)
  • 2.2.7 Interview-Porträt (Siglen mit „IP“)
  • 2.3 Das Potenzial der Konnektoren für Textanalysen
  • 2.3.1 Kausale Konnektoren im engeren Sinne
  • 2.3.2 Konsekutive Konnektoren
  • 2.3.3 Modal-instrumentale Konnektoren
  • 2.3.4 Finale Konnektoren
  • 2.3.5 Konzessive Konnektoren
  • 2.3.6 Adversative Konnektoren
  • 3. Analyse
  • 3.1 Kausale Konnektoren im engeren Sinne und konsekutive Konnektoren
  • 3.1.1 Charakterisierung
  • 3.1.2 Analyse der Konnexionen
  • 3.1.3 Zwischenfazit zu kausalen Konnektoren im engeren Sinne und zu konsekutiven Konnektoren
  • 3.2 Modal-instrumentale und finale Konnektoren
  • 3.2.1 Charakterisierung
  • 3.2.2 Analyse der Konnexionen
  • 3.2.3 Zwischenfazit zu modal-instrumentalen und finalen Konnektoren
  • 3.3 Adversative und konzessive Konnektoren
  • 3.3.1 Charakterisierung
  • 3.3.2 Analyse der Konnexionen
  • 3.3.3 Zwischenfazit zu adversativen und konzessiven Konnektoren
  • 4. Diskussion der Ergebnisse und Ausblick
  • 4.1 Inhaltliche Ergebnisse: Kausalitätsverhältnisse in der Sterbehilfedebatte
  • 4.1.1 Ebene der Akteure
  • 4.1.2 Ebene der handlungsleitenden Konzepte und agonalen Zentren
  • 4.2 Methodische Ergebnisse zur Diskursanalyse
  • 4.3 Das Analysepotenzial der Konnektoren
  • 5. Konklusion
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang: Übersicht über die verwendeten Pressetexte

← 10 | 11 → 1 Einführung

In einer Zeit der demografischen Veränderung hin zu einer immer älteren Gesellschaft und hochentwickelter medizinischer Möglichkeiten zur Verlängerung des Lebens stellt sich für viele Menschen die Frage, wie sie das Ende ihres Lebens gestalten möchten.1 Angesichts des medizinischen Fortschritts, der es oftmals ermöglicht, Menschen über lange Zeit künstlich am Leben zu erhalten, werden Befürchtungen geäußert, dass dieses Lebensende sich ungewollt über eine lange qualvolle Zeit hinziehen könnte. Forderungen nach mehr Selbstbestimmung – von stärkerer Berücksichtigung des Patientenwillens über bessere Schmerztherapie bis hin zum Recht auf Sterbehilfe – steht der Einwand gegenüber, leidvolles Leben könne bei einer solchen Entwicklung grundsätzlich für lebensunwert erklärt werden. Insbesondere der ärztlich assistierte Suizid und verschiedene Formen der Sterbehilfe sind umstritten (vgl. zur Diskussion allgemein FELDER 2009b, 15f.) .

Die Meinungsbildung des Einzelnen zu diesem kontroversen Thema kann einerseits von persönlichen Erfahrungen geprägt sein. Andererseits spielen im Informationszeitalter auch die Medien, zum Beispiel Print- und Onlinemedien, eine wichtige Rolle, da sie Sachverhalte sprachlich konstituieren, die über die Primärerfahrungen des Einzelnen hinausgehen und von denen der Rezipient teilweise nur über diese Medien erfährt (vgl. FELDER 2009b, 15).

Bei dieser Konstitution mithilfe konkreter sprachlicher Mittel setzt die vorliegende Untersuchung an. Dabei wird ein diskursgrammatischer Ansatz gewählt. Die Verknüpfungen mithilfe von bestimmten Verknüpfungsmitteln, den sogenannten Konnektoren, stehen im Mittelpunkt der Analyse. Welche Deutungshinweise sie geben und wie anhand dieser synsemantischen Mittel die immanente Perspektivität sprachlicher Darstellung (vgl. KÖLLER 2004, 23) deutlich wird, soll hier anhand eines überschaubaren Textkorpus in einer bewusst qualitativ durchgeführten Analyse herausgearbeitet werden.

Diese Studie wurde im Jahr 2011 als Examensarbeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Ekkehard Felder verfasst. Der Text wurde (abgesehen von Aktualisierungen des Literaturverzeichnisses, wenn Publikationen in der Zwischenzeit veröffentlicht wurden) größtenteils wie im Original belassen.

← 11 | 12 → 1.1 Korpuszusammenstellung und Kurzzusammenfassung der wichtigsten Ereignisse in den ausgewählten Beiträgen

Sterbehilfe kann im engeren Sinne als aktive, passive oder indirekte Sterbehilfe oder im weiteren Sinne als umfassender Ausdruck für weitere Formen der Hilfe bei der vorzeitigen Lebensbeendigung, zum Beispiel ärztlich assistierten Suizid, verstanden werden (vgl. dazu auch STEGMEIER 2012). Um die Bandbreite der Debatte, insbesondere die Kontroverse um den ärztlich assistierten Suizid, betrachten zu können, wurde bei der Zusammenstellung des Korpus Sterbehilfe weit gefasst und auch der ärztlich assistierte Suizid miteinbezogen.

Für diese Analyse wurde ein überschaubares, durch selbstständiges Lesen zu erfassendes Korpus zusammengestellt. Ausgewählt wurden Pressetexte aus überregionalen deutschsprachigen Printmedien (zum Beispiel DIE ZEIT, TAZ, DIE WELT, STERN) und deren Onlineausgaben. Das Korpus umfasst 49 Texte, die zwischen 2001 und 2011 erschienen und verschiedenen Textsorten zuzuordnen sind.2 Der Schwerpunkt liegt auf Texten ab 2005. Das erste Auswahlkriterium war der Bezug zu zwei für den Diskurs zentralen Organisationen: die Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas und die deutsche Bundesärztekammer. Zwei Ereignissen galt darüber hinaus bei der Zusammenstellung des Korpus in dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit, weshalb sie hier kurz zusammengefasst werden: zum einen der Tod zweier Deutscher auf einem Parkplatz bei Zürich im November 2007, zum anderen die Diskussion über die Grundsätze der Bundesärztekammer zur Sterbehilfe.3

Am 7. November 2007 erschienen erste Berichte zum Tod eines Bayern und eines Baden-Württembergers, die auf einem Parkplatz bei Zürich Suizid verübten. Die tödlich wirkenden Medikamente wurden von der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas zur Verfügung gestellt, die 1998 vom Schweizer Juristen und ehemaligen SPIEGEL-Journalisten Ludwig Amadeus Minelli gegründet wurde und im Gegensatz zur Sterbehilfeorganisation Exit auch Nicht-Schweizer als Mitglieder akzeptiert. Der Fall wurde von verschiedenen Parteien, Ärzten und Kirchenvertretern kritisiert und führte zu einer Diskussion über eine mögliche Änderung der Rechtslage in Deutschland.

← 12 | 13 → Die Debatte um die Grundsätze der Bundesärztekammer wird ebenfalls untersucht. In einer Umfrage des SPIEGELS im November 2008 gaben 3,3 Prozent der befragten Ärzte an, beim Suizid von Patienten schon assistiert zu haben, obwohl das Standesrecht ihnen das untersagt (vgl. R2_2008). Teile der befragten Ärzteschaft befürworteten eine gelockerte Neuregelung der Gesetzeslage und des Standesrechts. Daraufhin gab die Bundesärztekammer eine eigene Umfrage in Auftrag, der zufolge ein Drittel der Ärzteschaft die Möglichkeit zum assistierten Suizid wünscht. Im Februar 2011 wurden veränderte Leitlinien herausgegeben, welche die Entscheidungskompetenz im Einzelfall stärker den behandelnden Ärzten zusprachen. Nach Protesten, etwa von der Landesärztekammer Westfalen, wurde im Mai 2011 aber ein verschärftes Standesrecht auf dem Ärztetag in Kiel verabschiedet, das ein eindeutiges Verbot der ärztlichen Hilfe beim Patientensuizid beinhaltet. In diesem Zusammenhang sind besonders die Äußerungen von Professor Jörg-Dietrich Hoppe von Interesse, der von 1999 bis 2011 Präsident der Bundesärztekammer war.4 Die Darstellung dieser Diskussion innerhalb der deutschen Ärzteschaft und die Selbstdarstellung der Ärzte werden in der Analyse genau untersucht. Der Zeitraum, für den das Korpus zusammengestellt wurde, endet mit der Berichterstattung zum Ärztetag 2011 am 3. Juni 2011.

Darüber hinaus finden sich in den ausgewählten Texten, insbesondere in den Textsorten „Interview“, „Kommentar“ und „Interview-Porträt“, auch weitergehende Erwägungen zum Thema Sterbehilfe. Auch diese sollen untersucht werden, vor allem im Hinblick auf die Darstellung der Akteure Minelli und Hoppe. Diese sprechen in vielen Fällen jeweils stellvertretend für eine Organisation und werden mit ihren Aussagen auch in anderen Textsorten zitiert. Sie sind somit als Akteure, die sich äußern und über die sich auch andere äußern, von zentraler Bedeutung für diese Analyse.5

1.2 Aufbau der Arbeit

Details

Seiten
114
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653032703
ISBN (ePUB)
9783653996005
ISBN (MOBI)
9783653995992
ISBN (Paperback)
9783631643150
DOI
10.3726/978-3-653-03270-3
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Mai)
Schlagworte
Diskursanalyse Sterbehilfe Konnektoren Mediendebatte ärztlich assistierter Suizid
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 114 S., 1 farb. Abb., 2 Tab.

Biographische Angaben

Anna Mattfeldt (Autor:in)

Anna Mattfeldt studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Heidelberg und schloss ihr Studium 2012 mit Auszeichnung ab. Seitdem arbeitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg.

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Titel: «Helfen» oder «töten»? Die Mediendebatte um die Sterbehilfe
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