Lade Inhalt...

Die Emissionsberichterstattung

Berichtspflichten im internationalen Klimaschutzrecht und ihre Umsetzung in das deutsche Recht

von Julia Schlichting (Autor:in)
©2014 Dissertation XVI, 323 Seiten

Zusammenfassung

Die Arbeit widmet sich einem grundlegenden, wenn auch wenig beachteten Teil der Klimarahmenkonvention und des Kyoto-Protokolls, nämlich der Verpflichtung der Vertragsstaaten, über den Ausstoß von Treibhausgasen zu berichten. Es erfolgt zunächst eine Systematisierung und rechtliche Einordnung der internationalen Vorgaben zur Berichterstattung. Auf dieser Grundlage untersucht die Arbeit die Rechtsfragen, die sich bei der Erfüllung dieser Pflichten im deutschen Recht stellen. Schwerpunkt der Untersuchung ist die Reichweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung juristischer Personen, das auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als abgestufter Grundrechtsschutz entwickelt wird. Schließlich bewertet die Arbeit die hierzu ergangenen statistikrechtlichen Regelungen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Teil 1: Die Berichtspflichten im internationalen Klimaregime
  • A. Der Rechtsrahmen der Emissionsberichterstattung
  • I. Entwicklung des internationalen Klimaregimes
  • a. Verabschiedung der Klimarahmenkonvention
  • b. Erarbeitung und Annahme des Kyoto-Protokolls
  • c. Beschlüsse der Folgekonferenzen
  • d. Verhandlungen über weitere Abkommen
  • e. Fachliche Unterstützung durch den zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen
  • II. Aufbau des Klimaregimes und völkerrechtliche Einordnung seiner Bestandteile
  • a. Abgestufter Aufbau in mehreren Völkerrechtsverträgen
  • b. Weitere Ausgestaltung der Regelungen durch die Vertragsorgane
  • 1. Rechtscharakter und Verbindlichkeit der Beschlüsse der Vertragsorgane
  • 2. Bedeutung und Wirkung von „soft law“
  • c. Berichte zur Festlegung von Methoden des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen
  • d. Zwischenergebnis
  • III. Inhaltliche Ausgestaltung des internationalen Klimaregimes
  • a. Inhalt der Klimarahmenkonvention
  • b. Inhalt des Kyoto-Protokolls
  • 1. Verpflichtungen nach dem Kyoto-Protokoll
  • 2. Instrumente des Kyoto-Protokolls
  • (a) Einführung von Emissionseinheiten als Grundlage für die Nutzung der Instrumente
  • (b) Die flexiblen Mechanismen
  • (1) Die gemeinsame Umsetzung
  • (2) Mechanismus für eine umweltverträgliche Entwicklung
  • (3) Der internationale Emissionshandel
  • (c) Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft
  • 3. Berichterstattung
  • (a) Ergänzung der Berichtspflichten der Klimarahmenkonvention durch das Kyoto-Protokoll
  • (b) Verhältnis des Berichterstattungssystems zu den Instrumenten des Kyoto-Protokolls
  • 4. Überprüfung von Berichten und Erfüllungskontrolle
  • 5. Inkrafttreten
  • IV. Berichterstattung der Europäischen Union
  • a. Unionsrechtliche Umsetzung des internationalen Klimaregimes
  • b. Pflicht der Mitgliedstaaten zur Berichterstattung gegenüber der EU
  • c. Rechtscharakter und Verbindlichkeit der unionsrechtlichen Berichtspflichten
  • B. Das System der Berichterstattung durch die Anlage I-Parteien
  • I. Pflicht zur Einrichtung eines „nationalen Systems Emissionen“ als Rahmen für die Berichterstattung
  • II. Pflicht zur Einrichtung eines „nationalen Registers“ zur Abwicklung der Transaktionen
  • III. Berichtspflichten
  • a. Der Anfangsbericht
  • b. Die nationalen Inventare
  • 1. Grundzüge der Emissionsberechnung
  • 2. Methodische Vorgaben aus den Berichten zur Festlegung von Methoden des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen
  • 3. Vorgaben zu Inhalt und Aufbau der nationalen Inventare
  • c. Bericht über den zusätzlichen Zeitraum
  • d. Zwischenergebnis
  • e. Nationale Mitteilungen
  • 1. Konkretisierung der Berichtspflicht durch Leitlinien
  • 2. Inhalt der nationalen Mitteilungen
  • f. Bericht über nachweisbare Fortschritte
  • g. Der Zweijahresbericht über Fortschritte bei der Erreichung von Emissionsminderungen
  • h. Zwischenergebnis
  • C. Überprüfung der Berichte
  • I. Ziel der Überprüfung
  • II. Rechtsgrundlagen der Überprüfung
  • III. Gemeinsame Grundsätze
  • IV. Ablauf der Überprüfungen durch die sachkundigen Überprüfungsgruppen
  • V. Die Regelungen unter der Klimarahmenkonvention
  • VI. Ergänzung und Erweiterung der Regelungen durch das Kyoto-Protokoll
  • a. Anpassung der nationalen Inventare
  • b. Korrekturen der verfügbaren zugeteilten Menge an Emissionseinheiten
  • VII. Zwischenergebnis
  • D. System der Erfüllungskontrolle des Kyoto-Protokolls
  • I. Der Einhaltungsausschuss
  • a. Unterstützungsabteilung
  • b. Durchsetzungsabteilung
  • II. Fälle der Nichterfüllung
  • a. Nichterfüllung der Emissionsminderungsverpflichtung
  • b. Nichterfüllung der methodischen Pflichten und der Berichtspflichten
  • c. Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Teilnahme an den flexiblen Mechanismen
  • III. Zwischenergebnis
  • E. Pflichten der Nicht-Anlage I-Parteien
  • F. Zusammenfassung und Bewertung
  • Teil 2: Die Umsetzung der internationalen Vorgaben – das Berichtssystem in Deutschland
  • A. Kriterien zur Bestimmung der Anforderungen an die deutsche Emissionsberichterstattung
  • B. Das deutsche nationale System nach Artikel 5 Absatz 1 KP
  • I. Festlegung der Hauptquellgruppen
  • II. Wahl der Berechnungsmethoden
  • III. Auswahl und Erhebung der Ausgangsdaten
  • IV. Übermittlung von Daten als wesentliche Voraussetzung für die deutsche Berichterstattung
  • a. Bundesstatistiken und Daten des Statistischen Bundesamts als Datenquelle
  • b. Weitere Datenquellen
  • V. Zusammenführung der Ausgangsdaten in einer Datenbank
  • VI. Datenverarbeitung und Emissionsberechnung
  • VII. Zusammenstellung der nationalen Inventare und des nationalen Inventarberichts sowie Qualitätskontrolle
  • VIII. Übermittlung der Jahresinventare an die EU-Kommission und das Sekretariat des internationalen Klimaregimes
  • IX. Zwischenergebnis
  • C. Forschungsaufgaben im Rahmen der nationalen Mitteilungen
  • D. Vor- und Nachteile einer Übermittlung von Daten in tatsächlicher Hinsicht
  • E. Prüfungsgegenstand: Übermittlung von Daten des Statistischen Bundesamts an das Umweltbundesamt
  • I. Betroffene Daten des Statistischen Bundesamts
  • II. Weitergehende Verwendungsmöglichkeiten
  • a. Wissenschaftliche Forschung
  • b. Planungsaufgaben und Vorbereitung von Rechtsvorschriften
  • c. Vollzug von Gesetzen
  • Teil 3: Vereinbarkeit einer Übermittlung von Daten mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung juristischer Personen
  • A. Eröffnung des Schutzbereichs im Falle der Übermittlung von Daten juristischer Personen zu Zwecken der Emissionsberichterstattung
  • I. Juristische Personen des Privatrechts als einzig betroffene Grundrechtsträger
  • II. Auslegung der Grundsätze des Artikel 19 Absatz 3 GG mit Blick auf die Emissionsberichterstattung
  • a. Grundrechtsschutz für juristische Personen des europäischen Auslands nach Artikel 19 Absatz 3 GG
  • b. Die Wesensklausel des Artikel 19 Absatz 3 GG
  • c. Die Eigenart des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
  • 1. Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu einem Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • 2. Einzelne Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • 3. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • III. Der Streit um die Einbeziehung juristischer Personen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • a. Die Rechtsprechung des BGH
  • b. Die verschiedenen Positionen der Literatur
  • c. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
  • d. Abwägung der Argumente im Einzelnen
  • 1. Bedeutung des Menschenwürdegehalts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • 2. Vergleichbare Gefährdungslage
  • 3. Kein hinreichender Schutz durch andere Grundrechte
  • 4. Umdeutung zu einem Funktionsschutz?
  • 5. Zwischenergebnis
  • e. Umfang des grundrechtlichen Schutzes juristischer Personen
  • 1. Grundrechtsschutz zur Verwirklichung eines Zwecks
  • 2. Schutz von Unternehmensdaten durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • (a) Beschränkung des Schutzgegenstands auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse?
  • (b) Eingriffsbezogener Schutzgegenstand
  • 3. Schutzniveau des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung juristischer Personen
  • (a) Unantastbarer Intimbereich
  • (1) Grundrechtlicher Schutz von Daten aus dem Wirtschaftsleben
  • (2) Unterschied in der Schutzrichtung
  • (b) Unterschied im Schutzniveau
  • f. Zwischenergebnis
  • g. Übertragung auf die Maßnahmen zur Emissionsberichterstattung
  • IV. Das Datum als Schutzgegenstand des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
  • a. Einordnung der Begriffe Daten und Informationen
  • b. Bedeutung des Einzelbezugs eines Datums
  • c. Einzelangaben
  • 1. Unterscheidung von Hilfsmerkmalen und Erhebungsmerkmalen
  • 2. Das Statistikgeheimnis des § 16 Absatz 1 BStatG
  • 3. Einzelangaben ohne konkreten Einzelbezug
  • 4. Bezug von Einzelangaben zu mehreren Dateninhabern
  • 5. Zwischenergebnis
  • d. Offenkundige Tatsachen und allgemein zugängliche Quellen
  • e. Anonymisierung
  • 1. Vollständige Anonymisierung
  • 2. Formale Anonymisierung
  • 3. Faktische Anonymisierung
  • 4. Terminologie des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil
  • 5. Zwischenergebnis
  • f. Unterscheidung von Innen- und Außenanonymisierung
  • g. Anonymisierungsmethoden
  • 1. Verfahren der Informationsreduktion
  • 2. Verfahren der Informationsveränderung
  • h. Aggregation von Einzeldaten
  • i. Sonderfälle
  • 1. Unterscheidung von metrischen und kategorialen Daten
  • 2. Die so genannte Tabellen-Eins
  • 3. Zusammenfassung von zwei Einzelangaben
  • 4. Dominanzfälle
  • 5. Umgang mit den Sonderfällen
  • 6. Zwischenergebnis
  • j. Besonderheiten in Bezug auf die Anonymisierung wirtschaftsstatistischer Daten
  • k. Einordnung der Daten der Emissionsberichterstattung
  • B. Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung juristischer Personen
  • I. Übermittlung von Daten des Statistischen Bundesamts an das Umweltbundesamt
  • II. Verarbeitungsmaßnahmen
  • C. Rechtfertigung
  • I. Exkurs: Übermittlung statistischer Daten auf der Grundlage der Regelungen des Bundesstatistikgesetzes
  • a. Ausnahmen vom Statistikgeheimnis des § 16 Absatz 1 Satz 1 Bundesstatistikgesetz
  • 1. Datenübermittlung nach § 16 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1-4 Bundesstatistikgesetz
  • 2. Die Ausnahmen des § 16 Absatz 2 Bundesstatistikgesetz
  • 3. Die Ausnahme des § 16 Absatz 3 Bundesstatistikgesetz
  • 4. Die Ausnahmen des § 16 Absatz 4 und 5 Bundesstatistikgesetz
  • 5. Die Ausnahme des § 16 Absatz 6 Bundesstatistikgesetz
  • b. Zwischenergebnis zum Exkurs
  • II. Rechtsgrundlage zur Übermittlung von Daten
  • a. Das Volkszählungsgesetz 1983
  • b. Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil
  • 1. Der Grundsatz der Trennung von Statistik und Vollzug
  • 2. Der Grundsatz der Zweckbindung
  • 3. Vereinbarkeit der Zwecke als zentrales Kriterium
  • 4. Besondere Anforderungen an statistische Tätigkeit
  • 5. Zwischenergebnis
  • c. Übertragung der Grundsätze auf eine Datenübermittlung zu Zwecken der Emissionsberichterstattung
  • 1. Anwendung des Grundsatzes der Zweckbestimmung und Zweckbindung
  • (a) Definition statistischer Zwecke in Abgrenzung zu Verwaltungsvollzugszwecken
  • (b) Emissionsberichterstattung als statistischer Zweck?
  • (1) Erstellung der nationalen Inventare
  • (2) Wissenschaftliche Forschung
  • (3) Zwischenergebnis
  • d. Zweckveränderung
  • 1. Zweckveränderung bei statistischen Daten?
  • 2. Vereinbarkeit der Zwecke
  • (a) Erstellung der nationalen Inventare
  • (b) Wissenschaftliche Forschung
  • (c) Zwischenergebnis
  • 3. § 1 Satz 6 Bundesstatistikgesetz
  • e. Grundrechtliche Schutzvorkehrungen bei statistischer Tätigkeit
  • 1. Geheimhaltung der Daten
  • 2. Frühestmögliche Anonymisierung
  • 3. Abschottung der Statistik
  • (a) Die Regelung des § 9 Absatz 3 Volkszählungsgesetz 1983 und ihre Konsequenzen
  • (b) Abschottung auf anderen Ebenen als der Gemeindeebene?
  • (c) Beispiele einer Datenübermittlung ohne Abschottung
  • (1) § 16 Absatz 4 Bundesstatistikgesetz
  • (2) § 98 Absatz 4 Agrarstatistikgesetz
  • (3) § 22 Absatz 1 Zensusgesetz 2011
  • (4) Zwischenergebnis
  • (d) Besonderheiten im Falle der Emissionsberichterstattung
  • (1) Abschottung bei Zweckveränderung
  • (2) Berücksichtigung der praktischen Anforderungen der Emissionsberichterstattung
  • (3) Zwischenergebnis
  • f. Verhältnismäßigkeit
  • 1. Legitimes Ziel der Regelung
  • 2. Geeignetheit
  • 3. Erforderlichkeit
  • (a) Zuweisung an nur eine von beiden Behörden
  • (1) Zuweisung der Aufgaben der Emissionsberichterstattung an das Statistische Bundesamt
  • (2) Zuweisung der Aufgaben der Emissionsberichterstattung an das Umweltbundesamt
  • (3) Zwischenergebnis
  • (b) Aufteilung der Aufgaben zwischen den beiden Behörden
  • (c) Zwischenergebnis
  • 4. Angemessenheit
  • (a) Gewichtung der widerstreitenden Interessen
  • (b) Schutzvorkehrungen zur Milderung des Eingriffs
  • (1) Normenbestimmtheit
  • (2) Erforderlichkeit einer Abschottung?
  • aa. Stellung des Umweltbundesamts im Staatsaufbau
  • bb. Bewertung der konkreten grundrechtlichen Schutzanforderungen
  • cc. Zwischenergebnis
  • D. Ergebnis
  • Teil 4: Die Regelungen des Dritten Mittelstands-entlastungsgesetzes
  • A. Gegenstand der Regelungen
  • B. Zweckbestimmung
  • C. Abschottung
  • D. Ermächtigung des Umweltbundesamts zur Verwendung der Daten zu Zwecken der Emissionsberichterstattung
  • E. Ergebnis
  • Teil 5: Übermittlung von Daten zu weiteren denkbaren Zwecken
  • A. Zweckveränderung
  • I. Vereinbarkeit der Zwecke
  • II. Zwischenergebnis zur Vereinbarkeit
  • B. Verhältnismäßigkeit
  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis
  • Presseverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis

← xvi | 1 → Einleitung

Im Jahr 20121 jährt sich die Verabschiedung der Klimarahmenkonvention2 zum zwanzigsten Mal. Zudem endet in diesem Jahr der erste Verpflichtungszeitraum unter dem Kyoto-Protokoll3, der die Jahre 2008 bis 2012 umfasste. Indes geht das Ringen der Staatengemeinschaft um ein gemeinsames Vorgehen gegen den Klimawandel weiter, ohne dass die internationalen Klimaverhandlungen an Komplexität eingebüßt hätten.

So hat die Staatengemeinschaft auf der jüngst zu Ende gegangenen Konferenz von Durban beschlossen, einen Prozess in Gang zu setzen, der im Abschluss eines für alle Staaten verpflichtenden Abkommens oder eines vergleichbaren rechtlichen Instruments zum Klimaschutz münden soll. Die bewusst offen gehaltene Formulierung des Schlussdokuments von Durban4 lässt jedoch alle Hintertüren offen. Hieran zeigt sich erneut, dass die internationale Klimapolitik eine Politik der kleinen Schritte ist.

Diese Arbeit widmet sich einem Teil des Völkerrechtsregimes zum Klimaschutz, der gleichsam den Ausgangspunkt jeder Bemühung um eine wirksame Klimaschutzpolitik darstellt, jedoch in der öffentlichen Aufmerksamkeit weitgehend unbeachtetet ist, nämlich der Pflicht der Vertragsparteien zur Berichterstattung über den eigenen Treibhausgasausstoß nach der Klimarahmenkonvention, dem Kyoto-Protokoll und den jeweils dazu ergangenen Beschlüssen der Vertragsorgane.

Durch die Berichterstattung wird eine Wissensgrundlage geschaffen, die als Basis für sämtliche weitergehenden Verpflichtungen zur Emissionsminderung dient und daher Gegenstand der Klimaverhandlungen war und ist.5 Die Bereitschaft der einzelnen Staaten, den Umfang ihres Treibhausgasausstoßes zu ermitteln, bildet den Ausgangspunkt für jegliche innerstaatlichen Bemühungen zur ← 1 | 2 → Begrenzung der Treibhausgasemissionen. Wirksame Maßnahmen zur Minderung des Treibhausgasausstoßes können nur auf der Grundlage eines soliden Wissens um den Beitrag einzelner Quellen zur Gesamtemission erarbeitet werden.

Die politische Bedeutung der Berichtspflichten geht jedoch weit darüber hinaus. Denn in der Selbstverpflichtung eines Staates, über die eigenen Emissionen zu berichten, liegt gleichzeitig die Bereitschaft, „sich in die Karten schauen zu lassen“.

Im Übrigen besteht bisher kaum eine Möglichkeit, vergleichbare Kenntnisse über das Emissionsniveau einzelner Staaten auf anderem Wege zu erlangen. Insbesondere existiert keine internationale Organisation oder andere Einrichtung, die eine vergleichbare Datengrundlage zentral erheben könnte.6 Die Kenntnisse der Weltgemeinschaft über die Emissionen einzelner Staaten basieren daher im Wesentlichen auf deren Berichterstattung. Aufgrund der Berichte wird somit der Beitrag einzelner Staaten zu den globalen Gesamtemissionen erkennbar, und ein Vergleich mit anderen Staaten wird möglich. Gleichzeitig wird auch die Politik des einzelnen Staates transparent. Der mögliche Ansehensverlust, der hiermit einhergehen kann, übt einen erheblichen politischen Druck auf die betroffenen Staaten aus.7 Diese Vergleichbarkeit ist eine wichtige Grundlage für internationale Verhandlungen.8 Der Beitrag, den jeder einzelne Staat zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten hat, kann – auch bei Berücksichtigung der politischen, ökonomischen und sozialen Interessen, die in den Klimaverhandlungen eine wichtige Rolle spielen – nur auf der Basis verlässlicher Daten ausgelotet werden. Auch auf internationaler Ebene sind die Berichtspflichten daher ein wichtiger Schritt hin zu einer wirksamen Klimaschutzpolitik.

Des Weiteren basiert jede Möglichkeit der Erfüllungskontrolle der eingegangenen Verpflichtungen in umweltvölkerrechtlichen Verträgen auf Informationen und Daten, die zumeist im Wege der Berichterstattung durch die Staaten selbst erlangt werden.9 Da unter dem Regime des Kyoto-Protokolls ein System der Nichteinhaltungskontrolle geschaffen worden ist, das im Umweltvölkerrecht bisher einzigartig ist,10 kommt den Berichtspflichten im Rahmen dieses Regimes eine erhebliche Bedeutung zu.

Vor diesem Hintergrund mag es erstaunen, dass die Berichtspflichten nicht nur in der öffentlichen Aufmerksamkeit, sondern auch in der politischen ← 2 | 3 → Schwerpunktsetzung ein Schattendasein führen.11 Zweifellos besteht durchaus ein erhebliches öffentliches Interesse am Inhalt der Berichte, nämlich am Treibhausgasausstoß eines Staates und den geplanten Maßnahmen zu seiner Minderung. Dies gilt insbesondere für die bedeutenden politischen Akteure in den Klimaverhandlungen, etwa für die Vereinigten Staaten von Amerika.12 Auch der deutsche Jahresbericht 2010 unter der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll hat zuletzt Erwähnung in den Medien gefunden, denn der Bericht belegte, dass der Treibhausgasausstoß in Deutschland im Jahr 2008 um 22,2 Prozent unter dem Niveau von 1990 lag und Deutschland damit – zumindest für dieses Jahr – seine Verpflichtung zur Emissionsminderung aus dem Kyoto-Protokoll erfüllt hat.13 Welchen Umfang die Weiterentwicklung und Konkretisierung der Berichtspflichten im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen einnimmt, kommt dagegen in den Medien kaum je zur Sprache. Auch dürfte es einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sein, dass sich jede Aussage über die Emissionen innerhalb eines Staates nur zu einem geringen Teil auf Messergebnisse stützt, sondern ganz überwiegend auf Berechnung und Abschätzung des Treibhausgasausstoßes verschiedener Quellen beruht.

Auch auf politischer Ebene tut man sich in Deutschland schwer mit der Umsetzung der Berichtspflichten. Die im Rahmen der Berichterstattung erforderliche Datenerhebung und -aufbereitung steht stets im Verdacht, einen unnötigen bürokratischen Aufwand zu verursachen. Erklärtes Ziel der aktuellen Bundesregierung14 wie auch der Vorgängerregierung15 war und ist es, Bürokratie abzubauen. Hierzu sollen „Informationspflichten“, also Pflichten von Bürgern und Wirtschaft zur Bereitstellung von Daten und Informationen an staatliche Institutionen, verringert und neue Datenerhebungen vermieden werden, § 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Gesetz zur Einführung eines Normenkontrollrats16. Da die Umsetzung der internationalen Pflichten zur Emissionsberichterstattung in vielen Fällen die Einführung oder Erweiterung von Datenerhebungen nach ← 3 | 4 → sich zieht und damit diesem politischen Ziel entgegensteht, besteht kaum ein politisches Interesse an einer Schwerpunktsetzung in diesem Bereich.

Darüber hinaus eignet sich die Materie wohl wenig für eine mediengerechte und öffentlichkeitswirksame Darstellung, so dass ein politischer Erfolg durch Maßnahmen in diesem Bereich kaum zu erzielen ist. Im Übrigen sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berichterstattung komplex. Die Erfüllung der Berichtspflichten verursacht einen hohen organisatorischen Aufwand und damit erhebliche Kosten. Auch aus diesem Grunde besteht angesichts der angespannten Haushaltslage kaum ein politisches Interesse an einer Verbesserung und Weiterentwicklung solcher Maßnahmen.

Die Unübersichtlichkeit der Vorgaben zur Berichterstattung auf der internationalen Ebene sowie die Komplexität der Aufgaben einer ordnungsgemäßen Berichtserstellung erschweren die Kommunikation auch auf der Fachebene. Eine Abstimmung über Maßnahmen zur Umsetzung und Verbesserung der Berichterstattung wird hierdurch zusätzlich erschwert.

Die folgende Untersuchung soll einen Beitrag zur Klarheit über den Inhalt der Berichtspflichten nach dem internationalen Klimaregime und den rechtlichen Handlungsspielraum einer innerstaatlichen Umsetzung leisten. Hierzu wird in einem ersten Teil ein Überblick über die völkerrechtlichen Rechtsgrundlagen und die internationalen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berichterstattung dargestellt. In einem zweiten Teil wird das derzeit bestehende deutsche System zur Erfüllung der Berichtspflichten erläutert. Auf dieser Grundlage wird in einem dritten und vierten Teil der Arbeit die gesetzliche Umsetzung in Deutschland grundrechtlich bewertet. Hierzu wird zunächst in Teil 3 erörtert, inwieweit eine Übermittlung von Daten des Statistischen Bundesamts an das Umweltbundesamt zu Zwecken der Emissionsberichterstattung mit den Grundrechten der betroffenen juristischen Personen vereinbar ist. In Teil 4 erfolgt auf der Grundlage dieser Prüfung eine Bewertung der geltenden Regelungen des dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes17, die zu diesem Zweck erlassen worden sind. Schließlich diskutiert Teil 5, inwieweit eine Verwendung von statistischen Daten zu weiteren denkbaren Zwecken mit den Grundrechten von juristischen Personen vereinbar sein kann.

1Die Arbeit wurde Anfang des Jahres 2012 zur Beurteilung eingereicht. Literatur und Rechtsprechung konnte bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden. Die Arbeit gibt allein die persönliche Auffassung der Autorin wieder.

2Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 9. Mai 1992, deutsches Ratifikationsgesetz vom 13.9.1993, BGBl. II 1993, S. 1784 - im Folgenden Klimarahmenkonvention oder KRK

3Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997, deutsches Ratifikationsgesetz vom 27. April 2002, BGBl. II 2002, S. 967 - im Folgenden „Kyoto-Protokoll“ oder „KP“

4Der Beschluss ist in seiner vorläufigen Form erhältlich unter: http://unfccc.int/files/meetings/durban_nov_2011/decisions/application/pdf/cop17_durbanplatform.pdf [zuletzt abgerufen: 18. Januar 2012]

5Breidenich/Bodansky, S. 4

6Klemm, S. 41

7Holtwisch, S. 237

8Yamin/Depledge, S. 327

9Holtwisch, S. 64; Ehrmann, S. 402

10Oberthür/Marr, ZUR 02, S. 81 (88); Brunnée, ZaöRV 03, S. 255 (256)

11Holtwisch, S. 66

12Meldung der FAZ v. 1.6.2010

13Gemeinsame Presseerklärung 3/2010 von UBA und BMU

14Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP v. 26.10.2009, S. 15ff. erhältlich unter: http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf [zuletzt abgerufen 14. Juni 2011]

15Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 11.11.2005, S. 62ff. erhältlich unter: http://www.cdu.de/doc/pdf/05_11_11_Koalitionsvertrag.pdf [zuletzt abgerufen 14. Juni 2011]

16Gesetz zur Einführung eines Normenkontrollrats vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1866), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 16. März 2011 (BGBl. I S. 420)

17Drittes Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse vom 17. März 2009 (BGBl. I S. 550) – im Folgenden: Drittes Mittelstandsentlastungsgesetz

← 4 | 5 → Teil 1:

Die Berichtspflichten im internationalen Klimaregime

A. Der Rechtsrahmen der Emissionsberichterstattung

Das gesamte System von verbindlichen Rechtsquellen und nichtverbindlichen Erklärungen, das unter der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll geschaffen worden ist, wird, als internationales Klimaregime bezeichnet.18 Bestandteil dieses Systems sind die Pflichten der jeweiligen Vertragsparteien zur Emissionsberichterstattung19. Gegenstand der Berichte ist die Erfüllung der einzelnen Verpflichtungen, die sich aus der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll ergeben.

Inhalt und Aufbau des Systems der Berichterstattung erklären sich daher erst vor dem Hintergrund der Verpflichtungen, welche das internationale Klimaregime den Vertragsparteien aufgibt.

I. Entwicklung des internationalen Klimaregimes

Das Phänomen des Treibhauseffekts ist zwar seit über hundert Jahren bekannt,20 jedoch wuchs erst in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts auch auf politischer Ebene das Bewusstsein für das Problem des Klimawandels.21 Gleichzeitig erkannte man, dass der Klimaschutz wie kaum eine andere Materie eine globale Aufgabe darstellt und nur durch ein gemeinsames Handeln aller Staaten wirksame Gegenmaßnahmen entwickelt werden können.22 Die Vereinten Nationen beriefen bereits im Jahre 1979 die erste Weltklimakonferenz ein. In dieser Anfangszeit fand die Diskussion jedoch weitgehend auf naturwissenschaftlicher ← 5 | 6 → Ebene statt, da das Phänomen eines anthropogenen – also von Menschen verursachten – Klimawandels noch vielfach angezweifelt wurde.23 Die dritte Weltklimakonferenz im Jahre 1992 in Rio de Janeiro stellt den Wendepunkt von der (rein) wissenschaftlichen Diskussion hin zu einer politischen Entscheidungsfindung dar.24

a. Verabschiedung der Klimarahmenkonvention

Ergebnis dieser Konferenz war die Verabschiedung eines Pakets, das aus zwei völkerrechtlichen Verträgen, darunter die Klimarahmenkonvention, und drei nichtverbindlichen Erklärungen bestand. Die Klimarahmenkonvention ist im Jahre 1994 in Kraft getreten, es haben 192 Staaten den Vertrag ratifiziert. Sie kann daher universelle Geltung beanspruchen.25

Die Klimarahmenkonvention enthält das Bekenntnis der Staatengemeinschaft zur Bekämpfung des Klimawandels durch eine Begrenzung des Ausstoßes der nicht vom Montrealer Protokoll26 erfassten Treibhausgase27. Allerdings blieb das Abkommen hinter den im Vorfeld formulierten Erwartungen zurück.28 In den Verhandlungen konnte lediglich ein Minimalkompromiss erzielt werden, der für einen wirksamen Klimaschutz nicht ausreichend ist.29 Insbesondere kam eine Einigung auf konkrete Emissionsminderungsverpflichtungen einzelner Vertragsparteien nicht zustande. Vielmehr formuliert Artikel 2 KRK lediglich das gemeinsame Ziel einer „Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau [...], auf dem eine gefährliche Störung des Klimasystems verhindert wird.“

← 6 | 7 → Zudem bleiben weite Teile der Klimarahmenkonvention vage. Das Abkommen wird daher insgesamt als zu unbestimmt kritisiert.30

Details

Seiten
XVI, 323
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653036404
ISBN (ePUB)
9783653996463
ISBN (MOBI)
9783653996456
ISBN (Paperback)
9783631642191
DOI
10.3726/978-3-653-03640-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Februar)
Schlagworte
Kyoto Protokoll informationelle Selbstbestimmung Statistikrecht Klimarahmenkonvention
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2013. XVI, 323 S.

Biographische Angaben

Julia Schlichting (Autor:in)

Julia Schlichting studierte Rechtswissenschaften mit Schwerpunkt Völker- und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin mit Auslandsaufenthalten in England, Frankreich und Italien. Das Referendariat leistete sie in Berlin und Rom. Nach jahrelanger Tätigkeit als Rechtsanwältin im Energie- und Umweltrecht ist sie nunmehr Referentin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Zurück

Titel: Die Emissionsberichterstattung
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
340 Seiten