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Die Erkennbarkeit Gottes

Fundamentaltheologische Studien zu Leszek Kołakowski

von Grzegorz Grinn (Autor:in)
©2014 Dissertation 264 Seiten

Zusammenfassung

Leszek Kołakowski (1927-2009) spielte in der Philosophie Polens eine bedeutende Rolle. In Deutschland ist er hingegen fast ausschließlich als Marxist bekannt, der im Jahr 1965 einen Essay schrieb, der Jesus in einen außerchristlichen Kontext setzte. Kołakowskis Anschauungen veränderten sich im Laufe seines Lebens jedoch stark: Seine Phase als orthodoxer Marxist und scharfer Kritiker Gottes währte nur von 1949 bis 1955 und wandelte sich im Laufe der folgenden Jahre allmählich, bis 1965 ein scharfer Wendepunkt in seinem Denken seine Zuwendung zu Gott und zur Religion markiert. Die Arbeit zeigt diesen «anderen» Kołakowski, den «Gott-Denker», für den nur Gott der menschlichen Kultur und dem Leben des einzelnen Menschen Sinn gibt. Kołakowski stellte die wichtigen Fragen der Menschheit nach Religion, Gott und den Grundlagen der menschlichen Kultur – Themen, die auch im Zentrum der Fundamentaltheologie stehen. Bisher wurden seine Ansichten allerdings nur im philosophischen Kontext erforscht. Diese Arbeit bringt die religiösen Ansichten Kołakowskis in einen theologischen Dialog ein und gibt zugleich entsprechende Impulse und Ausgangspunkte für die weitere theologische Forschung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Kapitel
  • 1.1 Biographie
  • 1.2 Der Wandel in den Ansichten Kołakowskis
  • 1.2.1 Kołakowski als Marxist und Kritiker der Kirche und Theologie (1949–1955)
  • 1.2.2 Anfang der Umgestaltung des Denkens (1955–1965)
  • 1.2.3 Wendepunkt im Denken von Kołakowski (von 1965)
  • 1.3 Die Quellen des Denkens von Kołakowski
  • 1.4 Kurzdarstellung der Wichtigsten Monographien
  • 1.5 SekundäRliteratur
  • 2. Kapitel
  • 2.1 Erkennbarkeit Gottes
  • 2.1.1 Religion
  • 2.1.1.1 Die Theorie der Isolation der Religion
  • 2.1.1.2 Religiöse Symbole und Mythen
  • 2.1.1.3 Der Mystizismus und das bekenntnislose Christentum
  • 2.1.1.4 „Definition“ der Religion und das Sacrum
  • 2.1.1.5 Die Quelle des religiösen Lebens–die Mystik
  • 2.1.1.6 Die Sprache des Sacrums
  • 2.1.1.7 Die Gegenwärtigkeit des Tabus in der Religion
  • 2.1.2 Das Christentum Kołakowskis
  • 2.1.2.1 Interpretation von Christsein
  • 2.1.2.1.1 Spannung zwischen der zeitlichen Welt und der Transzendenz–die christliche (katholische) Geschichtsphilosophie
  • 2.1.2.1.2 Das Dilemma–das Gute und das Böse (Theodizee)
  • 2.1.2.1.3 Der Optimismus und der Pessimismus
  • 2.1.2.1.4 Die Opposition–das Sacrum und das Profanum. Die Frage nach der Säkularisierung der Welt
  • 2.1.2.2 Christsein nach Kołakowski
  • 2.1.2.3 Ein normatives Christentum
  • 2.1.2.3.1 Zwei Extreme im Christentum
  • 2.1.2.3.1.1 Der Integralismus
  • 2.1.2.3.1.2 Der Progressivismus
  • 2.1.2.4 Der christliche Universalismus
  • 2.1.2.5 Über „christliche Werte“
  • 2.1.2.6 Eine christliche Utopie?
  • 2.1.3 Häresie
  • 2.1.3.1 Bezeichnungen der Häresie
  • 2.1.3.2 Die Häresie in der Geschichte
  • 2.1.3.3 Methoden der Antwort auf Häresien
  • 2.1.3.4 Der Sinn der Häresien
  • 2.1.3.5 Die Arten der Häresien
  • 2.1.3.6 Der Begriff Häresie außerhalb des religiösen Kontext
  • 2.1.3.7 Eine religiöse (christliche) Toleranz?
  • 2.1.4 Gott
  • 2.1.4.1 Ende der rationellen Philosophie
  • 2.1.4.2 Der metaphysische Horror (Horror metaphysicus)
  • 2.1.4.3 Die Quelle des Sinnes–die Existenz Gottes
  • 2.1.4.3.1 Gott der Philosophen (Die Kritik der natürlichen Theologie)
  • 2.1.4.3.2 Gott der Religion
  • 2.1.4.3.2.1 Der historische Gott–Gott im Werden
  • 2.1.4.4 Die Sorge Kołakowskis um Gott in der Welt
  • 2.1.4.5 Ist Gott glücklich?
  • 2.1.4.6 Ist Gott gut? Die Welt als cruor Dei ( Blut Gottes)
  • 2.1.4.7 Der gute Glaube und der gute Unglaube
  • 2.1.4.8 Heutiger Götzendienst
  • 2.1.5 Jesus Christus
  • 2.1.5.1 Jesus als Prophet
  • 2.1.5.2 Jesus als Reformator
  • 2.1.5.2.1 Jesus für uns (Die Hauptreformen Jesu in der Kultur)
  • 2.1.5.3 Jesus Christus gegenwärtig in der Kultur
  • 2.1.5.4 Bemerkungen Kołakowskis über die Kirche
  • 3. Kapitel
  • 3.1 Naturalismus
  • 3.1.1 Die gewählten Hauptdefinitionen des Naturalismus im Bereich der Philosophie
  • 3.1.1.1 Der metaphysische Naturalismus
  • 3.1.1.2 Der semantische Naturalismus
  • 3.1.1.3 Der methodologische Naturalismus
  • 3.1.2 Vorläufer des Naturalismus
  • 3.1.3 Gewählte Vertreter des Naturalismus (Materialismus)
  • 3.1.3.1 Ludwig Feuerbach (1804–1872)
  • 3.1.3.2 Karl Marx (1818–1883)–Friedrich Engels (1820–1895) – Marxismus
  • 3.1.3.2.1 Karl Marx (1818–1883)
  • 3.1.3.2.1.1 Religionskritik von Marx
  • 3.1.3.2.2 Friedrich Engels (1820–1895)
  • 3.1.3.2.3 Marxismus
  • 3.1.3.3 Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844–1900)
  • 4. Kapitel
  • 4.1 Erkennbarkeit Gottes
  • 4.1.1 Begriff Religion
  • 4.1.1.1 Religion (en) in den lehramtlichen Aussagen der Kirche
  • 4.1.1.2 Das Phänomen des Atheismus in der Lehre des II. Vaticanum
  • 4.1.2 Glaube und Vernunft
  • 4.1.2.1 Natürliche Theologie
  • 4.1.2.1.1 Heilige Schrift
  • 4.1.2.1.2 Natürliche Theologie in der Geschichte der Theologie
  • 4.1.2.1.2.1 Frühchristliche Theologie
  • 4.1.2.1.2.2 Scholastik
  • 4.1.2.1.3 „Gottesbeweise“
  • 4.1.2.1.4 Kirchliches Lehramt
  • 4.1.3 Gott
  • 4.1.3.1 Gott als Schöpfer
  • 4.1.3.1.1 Gott der Schöpfer im biblischen Zeugnis
  • 4.1.3.1.1.1 Das Alte Testament
  • 4.1.3.1.1.2 Das Neue Testament
  • 4.1.3.2 Gottes Namen
  • 4.1.3.3 Gottes Eigenschaften
  • 4.1.3.4 Die Personalität Gottes
  • 4.1.3.5 Gott in drei Personen
  • 4.1.3.5.1 Heilige Schrift
  • 4.1.3.5.2 Die Lehraussagen des trinitätstheologischen Dogmas
  • 4.1.4 Jesus Christus als Erlöser und Heiland
  • 4.1.4.1 Gottheit Jesu (Heilige Schrift)
  • 4.1.4.2 Der Auferstandene
  • 4.1.4.2.1 Zeugnisse von der Auferstehung (NT)
  • 4.1.4.3 Der wahre Gott und der wahre Mensch (wesentliche Aspekte des Christusglaubens der Kirche)
  • 4.1.4.4 Das Geheimnis der Kirche im Geheimnis Christi
  • 4.1.4.4.1 Kennzeichen der Kirche
  • 5. Kapitel
  • 5.1 Erkennbarkeit Gottes
  • 5.1.1 Religion
  • 5.1.1.1 Kołakowski
  • 5.1.1.2 Theologie und Kirche
  • 5.1.1.3 Das Gespräch mit Kołakowski–Folgen
  • 5.1.2 Glaube und Vernunft
  • 5.1.2.1 Kołakowski
  • 5.1.2.2 Theologie und Kirche
  • 5.1.2.3 Das Gespräch mit Kołakowski–Folgen
  • 5.1.3 Gott
  • 5.1.3.1 Kołakowski
  • 5.1.3.2 Theologie und Kirche
  • 5.1.3.3 Das Gespräch mit Kołakowski–Folgen
  • 5.1.4 Jesus Christus
  • 5.1.4.1 Kołakowski
  • 5.1.4.1.1 Kołakowski über die Kirche
  • 5.1.4.2 Theologie und Kirche
  • 5.1.4.2.1 Das Geheimnis der Kirche im Geheimnis Christi
  • 5.1.4.3 Das Gespräch mit Kołakowski–Folgen
  • 5.1.4.3.1 Kirche Kołakowskis–Folgen
  • 6. Fazit
  • Podsumowanie (Fazit in Polnischer Sprache)
  • Summary
  • Literaturverzeichnis
  • Primärliteratur
  • Sekundärliteratur

Einleitung

Leszek Kołakowski (1927–2009) war ein polnischer Philosoph, der eine sehr bedeutete Rolle in der Philosophie Polens spielte. Seine zahlreichen Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt1. Wenn man sich mit den wichtigen Strömungen der polnischen Philosophie des 20. Jahrhunderts beschäftigen will, dann muss man unbedingt Leszek Kołakowski begegnen. Schon seine Biographie ist interessant. Sie zeigt, wie schwierig die Etappen seines Lebens waren und wie sich sein Denken von einem marxistischen Atheisten zu einem an Gott Glaubenden gewandelt hat. Noch interessanter erscheinen seine Ansichten, besonders die religiösen. Er war immer auf der Suche nach Wahrheit. Im Zentrum seines Denkens stand dabei der Mensch. Kołakowski stellte fest, dass auf der Suche nach der Wahrheit über den Menschen, die Gottesfrage zu behandeln ist. Und mit dieser Frage nach Gott rang er die meiste Zeit seines Lebens und seines philosophischen Schaffens. Die Forschung über die religiösen Ansichten Kołakowskis von der Erkennbarkeit Gottes bildet einen Zugang zur Erfahrung des Menschen des 20. Jahrhunderts auf dieser Erde und nicht nur auf dieser2. Er stellte die wichtigen Fragen der Menschheit nach Religion, Gott und Grundlagen der menschlichen Kultur. Das menschliche Bedürfnis nach Religion, Wahrheit und Sinnes waren für ihn wahr und sehr ernst und müssen immer und in jeder Philosophie erkannt werden. Die Philosophie, die diese nicht wahrnimmt oder bagatellisiert, ist blind3. Aber welche Kriterien erlauben die richtigen Antworten auf diese Fragen zu finden, so wollte Kołakowski in seinen Anschauungen wissen. In seinem Denken stellte er fest, ← 13 | 14 → dass die Philosophie in diesen Dingen ratlos bleibt. Einen Zugang zur religiösen Wahrheit kann nur ein Glaube geben, der im Vertrauen die transzendente Wirklichkeit annimmt4.

Besonders die religiösen Ansichten Kołakowskis sind es wert, erforscht zu werden. Die Erkennbarkeit Gottes bei ihm bezieht sich auf die grundlegenden Themenfelder; nicht nur im Rahmen einer Philosophie, sondern besonders auch im Kontext der Fundamentaltheologie, die nach der Vernünftigkeit des christlichen Glaubens fragt. Dahinter verbirgt sich die Frage nach seiner Wahrheit5. Kołakowskis Leben war eine Suche nach der Wahrheit. Daher erschien es mir interessant mich mit seinen Ansichten im Kontext und im Rahmen der Fundamentaltheologie zu beschäftigen. Es zeigte sich, dass seine religiösen Anschauungen attraktiv sind und die ähnlichen Themenfelder wie die der Fundamentaltheologie umfassen. Die vorliegende Dissertation soll diese Themen, die Kołakowski in seinem Denken behandelte, mit der Fundamentaltheologie vergleichen. Besonders ist der Inhalt dieser Dissertation in Deutschland interessant, wo Kołakowski fast nur bekannt als ein Marxist6 ist, der im Jahr 1965 einen Essay über Jesus schrieb7 und diesen in einen außerchristlichen Kontext einsetzte8. Diese Arbeit will den „anderen“ Kołakowski zeigen, dessen Ansichten Antworten auf die fundamentalen Fragen des menschlichen Lebens suchen wie: Religion, Christentum, Glaube und Vernunft, Gott, Jesus Christus, Kirche. Diese Begriffe behandelt zugleich die Fundamentaltheologie. Sie wurden in dieser Arbeit im Thema umfasst, das lautet: Die Erkennbarkeit Gottes. Fundamentaltheologische Studien zu Leszek Kołakowski. Die Dissertation mit diesem Thema stellt den Versuch dar, seine religiösen Ansichten zu sammeln und zu analysieren, und in der kritischen Sicht der Theologie und des kirchlichen Lehramtes zu zeigen. Also wurde hier die analytisch – kritische Methode verwendet. Natürlich beabsichtigt diese Dissertation keine Gesamtdarstellung des Denkens Kołakowskis. Sie bildet nur eine Synthese seiner religiösen Anschauungen, die man mit dem Begriff Erkennbarkeit Gottes zusammenfassen kann. Vor allem bedeutet diese fundamentaltheologische Sicht, dass sie etwas Neues in der Forschung zu Leszek Kołakowski zeigen und ← 14 | 15 → geben kann. Die Hauptbegriffe seiner Philosophie wurden mit der Theologie und mit dem kirchlichen Lehramt verglichen. Bisher wurden seine Ansichten nur im philosophischen Kontext erforscht9. Diese Dissertation bildet einen Versuch die religiösen Ansichten Kołakowskis in einen theologischen Dialog einzubringen und zugleich entsprechende Impulse und Ausgangspunkte für die weitere theologische Forschung zu geben.

Diese Arbeit erweitert den Forschungstand10 über Kołakowski, der v.a. in Deutschland noch nicht umfassend ist. In Polen wurde mehr über seine Ansichten geschrieben. In der polnischen Literatur kann man einige Autoren nennen, die sich mit den Anschauungen Kołakowskis aus philosophischer Sicht beschäftigten. An erster Stelle muss man Jan Andrzej Kłoczowski11 nennen, der sehr tief und wesentlich das Ringen um Religion bei Kołakowski analysierte. Bogdan Piwowarczyk12 behandelte besonders das Leben Kołakowskis wobei der Schwerpunkt auf dem Wandel seiner Ansichten liegt. Mariola Flis13 analysierte seine Anschauungen in dem Kontext der Kultur Europas. Namentlich beschäftigte sich Cezary Mordka14 mit dem Thema Gott in der Philosophie Kołakowskis. Leszek Dąbrowski15 beschrieb das Thema der Transzendenz und der Kultur in den Ansichten Kołakowskis. Eine sehr allgemeine Darstellung der Gestalt Kołakowskis, zusammen mit einer Analyse seiner Ansichten zeigte Marcin Król16, der fragte, was uns Leszek Kołakowski lehrt. In Deutschland kann man Christian Heidrich17 nennen, der die Denkarbeit Kołakowskis als den Dienst an der Würde des Menschen ← 15 | 16 → darstellte. Zugleich beschäftigte sich Dariusz Karasek18 in deutscher Sprache mit dem Thema des Verhältnisses zwischen der Philosophie und der Religion in der Kultur bei Kołakowski. Ein Buch von Piwowarczyk19 wurde auch in Deutschland veröffentlicht. An dieser Stelle muss man bemerken, dass die gesamte Sekundärliteratur die Ansichten Kołakowski immer aus der Sicht der Philosophie behandelte. Diese Dissertation kann die theologische Forschung über die Anschauungen Kołakowskis anregen.

Die Dissertation besteht aus 6 Kapiteln. Sie ist so gegliedert, um die religiösen Ansichten Kołakowskis möglichst klar im fundamentaltheologischen Kontext zu zeigen und zusammen mit der Theologie und mit den Aussagen des Kirchenamtes zu analysieren und zu vergleichen.

Das erste Kapitel bildet die Darstellung der Person Kołakowskis. Es ist ein Zugang in seine Ansichten und sein Schaffen. Nach seiner kurzen Biographie ist der Wandel in seinen Anschauungen dargestellt. Er besteht aus drei Phasen, die sein Denken prägten. Die erste Phase zeigt ihn als orthodoxen Marxisten und scharfen Kritiker der Kirche. Die zweite bedeutet einen Anfang der Veränderung seines Denkens, die dritte bildet einen klaren Wendepunkt in die Richtung Religion und Gott. Nach dieser Darstellung kommen die Quellen des Denkens Kołakowskis, also die Philosophen, deren Ansichten einen Einfluss auf ihn hatten. Zum Schluss des ersten Kapitels wird eine Kurzdarstellung der wichtigsten Monographien zu Kołakowski dargestellt zusammen mit der ausgewählten Sekundärliteratur.

Das zweite Kapitel enthält die Ansichten über die Erkennbarkeit Gottes bei Kołakowski. In diesem sind folgende Begriffe dargestellt: Religion, das Christentum Kołakowskis, Häresie, Gott und Jesus Christus. Der Abschnitt mit Religion zeigt, wie er sie verstand. Als er noch ein Marxist war, vertrat er ganz stark die Theorie der Isolation der Religion. Aber ganz schnell lehnte er sie ab und seine Überlegungen gingen in die Richtung der religiösen Dinge, wie das Sacrum und religiöse Symbole und Mythen. In dieser Zeit war er schon überzeugt, dass die Religion zur menschlichen Existenz gehört. Kołakowski faszinierte der Mystizismus, aber er war der Meinung, dass jede Religion in einer Struktur existieren soll. Deshalb kritisierte er das bekenntnislose Christentum. Die Mystik benannte er als die Quelle des religiösen Lebens. Im Rahmen Religion wird auch die Sprache des Sacrums gezeigt, die eine Kultussprache ist. Das Tabu bildet eine wichtige Komponente der Religion. Als ← 16 | 17 → den zweiten Hauptbegriff der Erkennbarkeit Gottes Kołakowskis stellt das zweite Kapitel das Christentum dar. Es enthält vier Gegensätze: die zeitliche Welt und die Transzendenz, das Dilemma zwischen dem Guten und dem Bösen, den Optimismus und den Pessimismus und die wichtige Opposition zwischen dem Sacrum und dem Profanum. Kołakowski fragt nach der Säkularisierung der Welt. Es wird beschrieben, was Christsein für ihn bedeutet. Die weiteren Überlegungen zum Christentum werden in einer Bedeutung des normativen Christentums systematisiert, die zwei Extreme beinhaltet: den Integralismus und den Progressivismus. Es folgt die Frage, wie Kołakowski den christlichen Universalismus verstand. Seine Anschauungen über das Christentum enden mit der Frage nach „christlichen Werten“ und nach einer christlichen Utopie. Den dritten Hauptbegriff bildet die Häresie, mit ihren Bezeichnungen und ihrer Geschichte. Dieser Abschnitt zeigt auch die Methoden der Antwort auf Häresien, ihren Sinn, ihre Arten und auch eine kurze Darstellung dieses Begriffes außerhalb des religiösen Kontextes. Anschließend wird eine christliche Toleranz sichtbar gemacht. Der vierte Hauptbegriff ist Gott. Kołakowski war fest überzeugt vom Ende der rationellen Philosophie. Er nannte eine furchtbare Erfahrung in der Metaphysik als Horror metaphysicus. Er war der Meinung, dass nur die Existenz Gottes die Quelle des Sinnes ist. Später wird der Gott der Philosophen dem Gott der Religion gegenüber gestellt mit der Vorstellung seiner Kritik der natürlichen Theologie. Kołakowski wollte zwei Begriffe in seiner Konzeption Gottes verbinden: das Absolute und die Person. Dies war für ihn unverständlich, deshalb vertieft er die Idee: Gott im Werden. Kołakowski suchte in seiner Ansichten auch einen festen Platz für Gott in der Welt. Dann werden Kołakowskis Fragen beantwortet: ob Gott glücklich und gut ist. Zum Schluss wird in diesem Unterkapitel überlegt, wie es sich heute mit dem Glauben und dem Götzendienst verhält. Der letzte Hauptbegriff in den interessanten religiösen Ansichten Kołakowskis bedeutet Jesus Christus. Nur aus diesen Gedanken ist Kołakowski sehr oft bekannt. Für ihn war Jesus Prophet und Reformator, der viel Wertvolles in die Kultur einführte. Man kann sagen, dass er zugleich um eine Gegenwärtigkeit Christi in der Kultur kämpfte. Zuletzt werden die Bemerkungen Kołakowskis über die Kirche dargestellt.

Das dritte Kapitel ist ein Versuch die naturalistischen Ansichten zu zeigen. Sie lehnen alles ab, was übernatürlich ist. Dies bildet einen Kontext für die transzendentalen Anschauungen Kołakowskis. Zuerst werden die gewählten Hauptdefinitionen des Naturalismus dargestellt, die man in drei Punkte gliedern kann: der metaphysische Naturalismus, der semantische Naturalismus und der methodische Naturalismus. Dann folgen die Vorläufer dieser Denkströmung. Danach gibt es die Darstellung der wichtigen Vertreter des Naturalismus, besonders im Kontext ihrer Religionskritik wie: Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Friedrich Engels mit dem ← 17 | 18 → Marxismus, in dem Kołakowski aufgewachsen war, und Friedrich Nietzsche. Dies alles soll als Gegenstand für die religiösen Ansichten Kołakowski dienen.

Das vierte Kapitel enthält einen Versuch der Antwort der Theologie und des kirchlichen Lehramtes auf die religiösen Ansichten Kołakowskis. Am Anfang wird der theologische Begriff Religion in den lehramtlichen Aussagen der Kirche beschrieben. Danach stellt er das Phänomen des Atheismus in der Sicht des Vaticanum II dar. Später kommt die Darstellung der Relationen zwischen dem Glauben und der Vernunft. Natürliche Theologie, die Kołakowski kritisierte, wird im Kontext der Heiligen Schrift und Geschichte der Theologie dargestellt, zugleich mit der Bewertung der „Gottesbeweise“. Zuletzt zeigen die konkreten Aussagen des kirchlichen Lehramtes die Vernünftigkeit des christlichen Glaubens. Der nächste Hauptbegriff behandelt Gott. Am Anfang wird er als Schöpfer gezeigt, besonders im biblischen Zeugnis. Zunächst kommt die Darstellung des Namens Gottes, Gottes Eigenschaften, der Personalität Gottes und als Gipfel der christlichen Offenbarung wird Gott in drei Personen in der Heiligen Schrift und in den Lehraussagen des trinitätstheologischen Dogmas dargestellt. Der vierte Hauptbegriff bedeutet Jesus Christus. Er ist als Erlöser und Heiland gezeigt. Seine Gottheit erscheint in der Heiligen Schrift. Er ist der auferstandene Herr. Dann kommt die Darstellung Christi in den wesentlichen Aspekten des kirchlichen Christusglaubens, also als den wahren Gott und den wahren Menschen. Zum Schluss wird das Geheimnis der Kirche mit ihren vier Kennzeichen gezeigt, die die Vermittlerin der Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist.

Im fünften Kapitel werden die Ansichten Kołakowski über die Erkennbarkeit Gottes mit den vorher beschriebenen, entsprechenden Antworten des kirchlichen Lehramtes und der Theologie verglichen. Jeder Hauptbegriff also Religion, Glaube und Vernunft, Gott, Jesus Christus besteht hier aus drei Teilen. Das gilt nicht für die Kirche, die wie das vierte Kapitel zeigt zum Geheimnis Christi gehört. Die Hauptbegriffe zeigen zuerst die wesentliche Zusammenfassung der Ansichten Kołakowskis, dann der Theologie und der Kirche, und zuletzt kommen immer Folgen in Form des Gespräches mit Kołakowski.

Das sechste Kapitel ist meine Schlussfolgerung mit dem Schlusswort.

Es ist sehr wichtig zum Schluss der Einleitung zu dieser Dissertation festzustellen, dass die Mehrheit der hier verwendeten Texte nicht in Deutsch veröffentlicht wurden. Aus diesem Grund habe ich diese Texte in die deutsche Sprache übersetzt. Daraus folgt, dass alle Schriften, die in Polnische verfasst wurden, von mir in Deutsch wiedergegeben wurden. Ich habe mich sehr bemüht, dass der Sinn des Originals bewahrt wurde. ← 18 | 19 →

                                                   

  1  Z.B.: Englisch, Spanisch, Kroatisch, Französisch, Deutsch, Japanisch, Schwedisch, Rumänisch, Norwegisch, Tschechisch, Dänisch, Niederländisch, Finnisch, Italienisch, Chinesisch, Hebräisch, Portugiesisch, Litauisch, Estländisch, Ungarisch, Mazedonisch. – Vgl. Chudoba, Informacje biograficzne i bibliograficzne, 79–88. Eine ausgewählte Bibliographie der Bücher Kołakowskis bis zum Jahr 2007 siehe: ebd. Diese Bibliographie soll noch durch folgende Bücher ergänzt werden: Mentzel (Hg.), Czas ciekawy, czas niespokojny (zwei Bände), Kraków 2007–2008, Kołakowski, Herezja, Kraków 2010, Kołakowski, Nasza wesoła apokalipsa, Kraków 2010, Kołakowski, Kościół w krainie wolności, Kraków 2011.

  2  Vgl. Kłoczowski, Więcej niż mit, 10.

  3  Vgl. Król, Czego nas uczy Leszek Kołakowski, 262–263.

  4  Vgl. Kłoczowski, Więcej niż mit, 11.

  5  Vgl. Schmidt-Leukel, Grundkurs Fundamentaltheologie, 7.

  6  Oder als Leitfigur eines Reformkommunismus bekannt. – Vgl. Pfafferott, Kołakowski, 173.

  7  Kołakowski, Jesus Christus – Prophet und Reformator, 21–43.

  8  Vgl. Waldenfels, Kontextuelle Fundamentaltheologie, 210–211; Rolfes, Marxistische Jesusdeutungen, 53–58.

  9  Die beste Darstellung in Polen des religiösen Denkens Kołakowskis in der philosophischen Sicht siehe: Kłoczowski, Więcej niż mit.

10  Die ausgewählte Sekundärliteratur wurde im Punkt 1.5 dieser Dissertation kurz beschrieben.

11  Kłoczowski, Więcej niż mit. Leszka Kołakowskiego spory o religię, Kraków 1994. Dieses Buch kann sicher als Hauptwerk in der Forschung über Kołakowski dienen.

12  Piwowarczyk, Nawrócenia. Prawo do prawdy. Prawo do błędu. Święty Paweł – Leszek Kołakowski (dwa wierzenia – dwa Nawrócenia), Gorzów Wielkopolski 1991; Odczytać Kołakowskiego. Problem Boga, człowieka, religii, Kościoła[…], Częstochowa 1992.

13  Flis, Leszek Kołakowski – teoretyk kultury europejskiej, Kraków 1994.

14  Mordka, Od Boga historii do historycznego Boga. Wprowadzenie do filozofii Leszka Kołakowskiego, Lublin 1997.

15  Dąbrowski, Problem transcendencji a kultura współczesna w koncepcji Leszka Kołakowskiego, Acta Universitatis Wratislaviensis No 2097, Wrocław 1999.

16  Król, Czego nas uczy Leszek Kołakowski, Warszawa 2010.

17  Heidrich, Leszek Kolakowski. Zwischen Skepsis und Mystik, Frankfurt am Main 1995.

18  Karasek, Philosophie und Religion. Über das gegenseitige Verhältnis zwischen Philosophie und Religion in der Kultur bei Leszek Kołakowski, Lublin 1995.

19  Piwowarczyk, Leszek Kołakowski. Zeuge der Gegenwart, Texte zum Ost-West Dialog 13, Grulich, R., Hampel, A. (Hg.), Ulm/Donau 2000.

  

1.  Kapitel

Das Leben und Werk von Leszek Kołakowski ist als eine Einheit zu sehen. Dies ist der Grund, weshalb ich mich im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit mit der Einführung in das Lebenswerk von Kołakowski beschäftige. Dies dient zugleich als notwendige Grundlage, wenn ich anschließend versuche, seine Ansichten zu beschreiben und verständlich zu machen. Das erste Kapitel meiner Arbeit ist in vier Unterkapitel gegliedert.

Der erste Abschnitt enthält den kurzen Lebenslauf von Leszek Kołakowski. Sein Leben und sein Denken haben sein Schaffen entscheidend geprägt.

Der zweite Abschnitt ist der Versuch, seine sich langsam verändernden Ansichten darzustellen, vom radikalen Marxisten zum Kritiker des Marxismus. Er hat sich völlig von dieser Weltanschauung distanziert und wendete sich der von ihm früher angegriffenen und kritisierten Philosophie, der christlichen Wissenschaft und der katholischen Kirche zu.

Der dritte Abschnitt stellt die Philosophen vor, die das Denken Kołakowskis geprägt haben und deren Ansichten ihm als Quellen dienten.

Der letzte Abschnitt stellt eine kurze Darstellung der wichtigsten Werke von Leszek Kołakowski in chronologischer Ordnung dar. Der jeweilige Autor beschäftigt sich mit dessen Leben und den Werken und Ansichten anderer Wissenschaftler über ihn.

Die oben erwähnten Ausführungen sind nötig, um Zugang zu den Gedanken und zum Schaffen dieses wichtigen Philosophen Leszek Kołakowski zu finden.

1.1 Biographie

Leszek Kołakowski wurde am 23. Oktober 1927 in Radom (Polen) geboren. Seine Familie war geprägt von freidenkerischen Ideen1 und bekannt als linksintellektuell mit antiklerikalen Ansichten. Sein Vater Jerzy, ein Atheist, war sowohl ein Theoretiker der Genossenschaftsarbeit, ein Soziologe, ein Publizist als auch ein Bildungsaktivist. Seine Ansichten übten einen starken Einfluss auf die späteren Denkstrukturen ← 19 | 20 → seines Sohnes aus2. Dieser selbst bezeichnete sich seit seiner Schulzeit als konfessionslos3. Während seines Aufenthaltes in Radom in einem Landhaus mit einer großen Bibliothek las er alle Bücher, die er zufällig in die Hand bekam, bis er sie auswendig konnte. Viel zu bald verlor er seine Eltern. Seine Mutter starb, als er drei Jahre alt war. Im Jahre 1937 zog er mit dem Vater nach Lodz um4. Er wurde von Anfang an im Geiste des Patriotismus großgezogen5. Im Jahr 1943 ist sein Vater wegen der Mitgliedschaft in einer Untergrundbewegung gegen Deutsche im Warschauer Gefängnis Pawiak von der Gestapo erschossen worden6. Während des 2. Weltkrieges, besuchte Leszek ein sogenanntes Untergrundgymnasium. Nach Kriegsende hat er sein Abitur als Externer bestanden. In der Zeit der Unterdrückung war er auch mit dem Widerstand und der kommunistischen Bewegung in Kontakt. Dies hat zugleich seine späteren Ansichten beeinflusst. Er behauptete einmal von sich, dass er einer kommunistischen Partei angehörte, seit er 18 Jahre alt war. Gemeint ist die Polnische Arbeiterpartei, später die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei7. Der Kommunismus war für ihn „der Bezwinger des Nationalsozialismus, der Mythos der besseren Welt, die Sehnsucht nach einem Leben ohne Verbrechen und Erniedrigung nach dem Leben in dem Königreich der Gleichstellung und der Freiheit […] Es war das Ziel, das alles begründen zu können“8. Im Oktober 1945 nach dem Ende des Krieges hat Kołakowski das philosophische Studium an der humanistischen Fakultät der Lodzer Universität aufgenommen. Dort schloss er sich auch eng der marxistischen Bewegung an9. Während des Studiums (in den Jahren 1947–1949) arbeitete er als der jüngere Assistent von Tadeusz Kotarbiński (1886–1981)10. Dieser hatte eine bedeutende Position in der zeitgenössischen Geschichte des Marxismus und des polnischen Atheismus sowie in der Kritik der Kirche. Kotarbiński11 war ein Befürworter ← 20 | 21 → der laizistischen Ethik. Bogdan Piwowarczyk stellt fest, dass „seine laizistische Moral, die unabhängige Moral benannt wurde12, die humanistische Ethik von Kołakowski inspirierte, welcher in dieser Zeit schon für die öffentliche Tätigkeit als Mitglied der kommunistischen Partei engagiert war.“13 Nach dem abgeschlossenen Studium wechselte er von Łódź an die Warschauer Universität, wo er Assistent des damals führenden orthodoxen Marxisten Adam Schaff wurde14. Gleichzeitig fing er an im Lehrbildungsinstitut der Personalabteilungen bei dem Zentralkomitee PZPR (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) zu arbeiten15. Im Jahr 1953 hat er eine Doktorarbeit an der Warschauer Universität verteidigt, die den Titel trug „Spinoza als die historische Erscheinung seiner Epoche“16. Er selbst betonte, dass Spinoza eine große Rolle in der Geschichte des Marxismus als der sozialistische Wegbereiter der egalitären Bewegung sowie der Befreiungsbewegungen gespielt hat17. Seit dem Jahr 1956 Jahr war er Leiter des Lehrstuhls der Geschichte der neuen Philosophie an der ← 21 | 22 → Warschauer Universität. Er arbeitete am Institut der Philosophie und der Soziologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften18. Zbigniew Romek berichtet: „Die wissenschaftliche Karriere Leszek Kołakowski entwickelte sich rasch. Er gilt als einer der bekanntesten marxistischen Intellektuellen in Polen.“19 Der Marxismus und der Kommunismus waren für ihn „ein authentisches intellektuelles Abenteuer und keine unbedeutende biographische Episode“20. Man kann sagen, dass er einer der stärksten Verehrer dieser Ideologien war, die ihm eine tiefe existentielle Erfahrung gaben21. Sein Engagement für den Marxismus war also eine bewusste Entscheidung22. Im Jahr 1964 hat er den Titel des Professors erhalten. Am Anfang seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in den Jahren 1949–1955 war er vom orthodoxen Marxismus inspiriert, in welchem er die Lösung aller Probleme der Menschheit sah23. Im Marxismus zog ihn „die rein humanistische, das heißt anthropozentrische Philosophie“ an, wie er selbst festgestellt hat24. Seine Veröffentlichungen aus diesen Jahren sind polemisch und kritisch, kräftig ideologisch gekennzeichnet, gegen die feindlichen Philosophien (besonders gegen die der katholischen Kirche, wie z.B. den Wirklichkeitssinn des heiligen Thomas von Aquin) und die politischen Konzeptionen25. 1966 wurde er aus der PZPR wegen einer kritischen Ansprache gegen die polnische Regierung und den ersten Sekretär der PZPR Władysław Gomułka (1905–1982)26 ← 22 | 23 → ausgeschlossen. Zwei Jahre später erhielt er wegen seines Eintretens für oppositionelle Studenten in Polen Lehrverbot. Das Lebenswerk des Philosophen war bis zum Jahr 1988 in Polen der Zensur unterlegen. Im November 1969 emigrierte er mit seiner ganzen Familie. Erstes Ziel war Kanada, wo er an der Mc-Gill-Universität in Montreal Gastvorlesungen hielt. Anschließend lehrte er für ein Jahr in den USA an der Berkeley-Universität in Kalifornien. Nach einem Umweg über Deutschland (Frankfurt am Main), ließ er sich dauerhaft in Oxford am All Souls College nieder. Er unterrichtete vor allem in England (Oxford) sowie in den USA (Berkeley und Yale). Kołakowski war Mitglied zahlreicher angesehener wissenschaftlicher Organisationen im In- und Ausland. Das waren u. a. die Bayerische Akademie der bildenden Künste, die Britische Akademie, die Amerikanische Akademie der Künste und Wissenschaften, sowie seit dem Jahr 1991 die Polnische Akademie der Wissenschaften. Er hat auch viele Preise und Auszeichnungen erhalten, wie den Orden des Weißen Adlers, den er aus den Händen des Präsidenten der Republik Polen am 3. Mai 1998 empfing27. Im Exil war er mit der demokratischen Opposition als ein Mitglied des Komitees der Verteidigung der Arbeiter verbunden. Das Schaffen von Kołakowski ist sehr umfangreich und differenziert. Seine philosophischen Werke, die aus verschiedenen Lebensetappen kommen, präsentieren deshalb eine jeweils andere Einstellung zu den fundamentalen philosophischen Fragen. Die Etappen seines Schaffens kann man in drei Phasen aufteilen28. Er fing als der orthodoxe Marxist und der Kritiker der Kirche und der Religion an. Das waren besonders die Jahre 1949–1955. Nach Jerzy Szacki kann man feststellen, dass Kołakowski in dieser Zeit „der kämpfende Atheist war und wie kein anderer den Katholizismus kritisieren konnte. In diesen Gedanken nähert er sich dem damaligen Vorbild des marxistischen Philosophen“29. Nach dieser Phase, die von 1955 bis 1965 anhielt, nahm die Idee der Evolution in seinen Gedanken Gestalt an. Diese Etappe kann man revisionistisch nennen. Kołakowski warf den Vertretern der stalinistischen Zeit vor, weiterhin Marxisten zu sein. Er kritisierte das System und die kapitalistische Gesellschaft, aber er betonte das Änderungsbedürfnis in der Interpretation des Marxismus, in dem er die offizielle, nationale Auslegung ablehnte30. Manche Texte, die er in dieser Zeit ← 23 | 24 → geschrieben hat, sind von dem Apparat der kommunistischen Zensur beschlagnahmt worden, und sie konnten nicht während seines Aufenthaltes im Westen nach Polen weitergegeben werden31. Obwohl er das sozialistische System weiterhin akzeptierte, wurde er langsam zum Oppositionsdenker. Zbigniew Romek bemerkt „die Artikel des Kołakowski fand man in den Köpfen vieler Vertreter der jungen Intelligenz. Sie standen unter dem Einfluss der Ereignisse des Oktober 1956, lechzend nach Freiheit, obwohl sie oftmals nicht mit der Ideologie zu brechen gedachten“32. Er übte also starken Einfluss auf viele linke Splittergruppen der Intelligenz sowie auf das akademische Umfeld aus33. Die dritte Hauptetappe im Denken und Schaffen von Kołakowski beginnt mit dem Jahr 1965, wo er schon sehr radikal die marxistische Ideologie kritisiert. Jetzt wendet er sich den religiösen Fragen positiv zu und gibt der besonderen Stelle dem Christentum und der katholischen Kirche Raum34. Leszek Kołakowski schrieb auch Werke von publizistischem Charakter, aber mit philosophischer Thematik. Das waren Essays, Märchen und Geschichten35. Im Zentrum seiner wissenschaftlichen Interessen stand eine Philosophie, obwohl er nicht, wie Marcin Król bemerkte „an ein schlüssiges und zusammenhängendes philosophisches System“ heranreicht36. Bemerkenswert ist der Einfluss seines Agnostizismus, der die kognitiven Möglichkeiten des Menschen einschränkt. Deswegen sollte die wichtigste Rolle des zeitgenössischen Philosophen nicht sein, selbstständige Doktrinen neu zu bilden, sondern die früheren philosophischen Ansichten zu interpretieren. Die charakteristische Eigenschaft seiner Philosophie kann man als den Unglauben an die Möglichkeit des Erfolgs in der Metaphysik bezeichnen. Die metaphysischen Ergüsse jedoch erfüllen die Kriterien der Wissenschaftlichkeit nicht. Andererseits, wie er selbst behauptete, existiert keine Methode, die die Unwissenschaftlichkeit der Metaphysik nachweist37. Er glaubte aber, dass es zu den Hauptaufgaben eines Philosophen gehöre, die metaphysischen Fragen aufzunehmen38. Leszek Kołakowski stieß schon von Beginn seines Schaffens an auf die gleichen Probleme. Sie veränderten stufenweise sowohl die Formen als auch die Inhalte auf der Suche nach Antwort ← 24 | 25 → auf die oben erwähnten Fragen. Der wichtigste Faktor, der seine Ansichten bildete war die innere Logik des Denkens, die die Gedankenführung Kołakowskis veränderte39. Man kann also nach Charles Taylor feststellen, dass in den Ansichten von Kołakowski „die außergewöhnliche intellektuelle Integrität zu spüren ist“40. „Das allmähliche Offenlegen des Sinnes der Welt war wichtiger als das Aufzeigen des launischen Glücks dieser Welt […]. Kołakowski hatte nicht den geringsten Ehrgeiz, die Wirklichkeit zu formen. Er wollte sie eigentlich nur, soweit möglich, verstehen.“41 Seine Philosophie ist die der ständigen Suche und des Findens der Antworten auf die ewigen Fragen42. Seine Haltung könnte man als eine methaphilosophische definieren, weil sie sich in kritischer Weise auf die verschiedenartigen Möglichkeiten des Präsentierens in Diskussionen konzentriert, die im Wesentlichen philosophische Probleme betreffen43. Aber Kołakowski hat sich selbst niemals als Philosophen bezeichnet44. Leszek Kołakowski hat nicht nur in Polen sondern in der ganzen Welt einen enormen Einfluss auf das intellektuelle Leben ausgeübt45, hauptsächlich durch den enormen Tiefgang seiner Studien der europäischen und christlichen Gedanken. Halina Perkowska stellt fest, dass „der philosophische Gedanke von Leszek Kołakowski der richtungsgebende Gedanke war, immer bereit zu sein für einen tieferen Interpretationsprozess von z. B. Landschaften oder Situationen. Aber der Gedanke lässt sich selbst kritisch interpretieren. Es scheint, dass sein Denken ständig um die Unveränderlichkeit der tiefen Überzeugung von der untrennbaren ← 25 | 26 → Verbindung des kognitiven und des ethischen Ausmaßes des menschlichen Weges zur Wahrheit kreist.“46 Marcin Król bemerkt, dass Kołakowski „uns viele ausführliche Antworten gegeben hat, aber die ganzheitliche Antwort […] enthalten seine Werke„47. Leszek Kołakowski ist am 17. Juli 2009 in Oxford gestorben.

1.2 Der Wandel in den Ansichten Kołakowskis

In der Geschichte der Volksrepublik Polen gibt es viele verschiedenartige Widersinnigkeiten, unter anderem gehörte der Entwicklungsverlauf der Ansichten sowie der Haltungen zahlreicher Vertreter der Intelligenz mit linken Überzeugungen dazu. Es war die Wandlung von begeisterten Bekennern des Kommunismus, aus einer Phase des Zweifelns, hin zum Gegenteil des Kommunismus. Oftmals verursachten solche Wandlungen Konflikte mit der damaligen Macht. Sie führten zum Verlust der Position, der beruflichen Anerkennung und zu Schikanen seitens des Staates, sowie letzten Endes zur Emigration aus Polen. So ähnlich war der Weg Kołakowskis. Anfangs hatte er die offizielle Ideologie mit seinem Schaffen unterstützt. Im Laufe der Zeit jedoch, hat er angefangen, sich vom dogmatischen Marxismus abzuwenden, um schließlich zum einflussreichen Oppositionsdenker der Menschen mit linken Weltanschauungen zu werden48. Seine Person war also sowohl mit der politischen, als auch mit der intellektuellen Geschichte Polens verbunden, speziell in den Jahren 1945–198949. Man muss anmerken, dass Leszek Kołakowski die Nachkriegsgeschichte der polnischen Intelligenz intensiv mitgeprägt hat50.

Details

Seiten
264
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653034806
ISBN (ePUB)
9783653995602
ISBN (MOBI)
9783653995596
ISBN (Hardcover)
9783631643822
DOI
10.3726/978-3-653-03480-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Januar)
Schlagworte
Häresie Naturalismus Marxismus Kirche Christiliche Werte Glabue und Vernunft
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 264 S.

Biographische Angaben

Grzegorz Grinn (Autor:in)

Grzegorz Grinn, Dr. theol., Priester der Erzdiözese Stettin-Cammin (Polen); 2000-2006 Theologiestudium in Stettin; 2006 Priesterweihe; 2011-2013 Promotionsstudium in Fundamentaltheologie an der Universität Würzburg.

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Titel: Die Erkennbarkeit Gottes
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