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Die Erstreckung der Zuständigkeiten der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte

Unter besonderer Berücksichtigung des Kommissionsvorschlags KOM (2010) 748 endg.

von Daniela Bidell (Autor:in)
©2014 Dissertation 324 Seiten

Zusammenfassung

Diese Arbeit erörtert die Frage, inwieweit eine Erstreckung der Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO auf Beklagte mit Wohnsitz in einem Drittstaat rechtlich geboten oder erstrebenswert ist. Ferner erfolgt eine Auslegung der durch den Kommissionsvorschlag KOM (2010) 748 endg. vorgeschlagenen besonderen Zuständigkeiten für Drittstaatensachverhalte, namentlich der Vermögenszuständigkeit und der Notzuständigkeit. Abschließend befasst sich das Buch mit der Notwendigkeit der Aufnahme solcher besonderen Gerichtsstände für Drittstaatenfälle in die EuGVO und enthält jeweils Formulierungsvorschläge. Die Arbeit verdeutlicht, dass eine Erstreckung der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte aus juristischer Sicht zu begrüßen ist.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • Kapitel 1
  • A. Kompetenz der EU zur Aufstellung von Zuständigkeitsvorschriften bezüglich der Regelung von Rechtsstreitigkeiten in Drittstaatenangelegenheiten im Rahmen der EuGVO
  • I. Der grenzüberschreitende Bezug nach Art. 81 Abs. 1 AEUV
  • 1. Der grenzüberschreitende Bezug in der Literatur
  • 2. Vorschlag zum Verständnis des grenzüberschreitenden Bezuges
  • II. Der Binnenmarktbezug nach Art. 81 Abs. 2 AEUV/Beschränkung der Kompetenz durch den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
  • 1. Entfallen des zwingenden Binnenmarktbezuges durch den Lissabonner Vertrag
  • a) Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und sein Verhältnis zum Binnenmarktkonzept
  • b) Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts als Kompetenzausübungsschranke des Art. 81 AEUV?
  • c) Andere Möglichkeit der Beschränkung der Kompetenznorm
  • 2. Rechtliche Bedeutung des Art. 81 Abs. 2 AEUV
  • a) Art. 81 Abs. 2 AEUV als eigene Kompetenzausübungsvoraussetzung
  • b) Bedeutung des Binnenmarktbezuges für eine Vereinheitlichung der Restzuständigkeit
  • III. Abgrenzung des Art. 81 AEUV zu den Art. 114, 115 AEUV
  • IV. Ergebnis
  • B. Rechtliche Notwendigkeit einer Änderung der EuGVO
  • I. Diskriminierung von in Drittstaaten wohnenden EU-Staatsangehörigen wegen Anknüpfens an den Wohnsitz gemäß Art. 3, 4 EuGVO
  • 1. Ungleichbehandlung im Anwendungsbereich der Verträge
  • 2. Anwendbarkeit des Art. 18 Abs. 1 AEUV auf den vorliegenden Sachverhalt
  • a) Abgrenzung des Art. 18 AEUV von den anderen Diskriminierungsverboten des AEUV
  • b) Ergebnis für die EuGVO im hier vorliegenden Zusammenhang
  • 3. Vorliegen einer Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit
  • a) Diskriminierung bei Annahme eines einheitlich bestimmten Wohnsitzbegriffes
  • aa) Vergleichbarkeit der Sachverhalte
  • bb) Ergebnis
  • b) Ungleichbehandlung wegen uneinheitlicher Auslegung des Wohnsitzbegriffes
  • aa) Verweis auf das nationale Recht durch Art. 59 EuGVO
  • bb) Ungleichbehandlung durch nur einen Hoheitsträger?
  • cc) Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit im Rahmen des Art. 59 EuGVO?
  • dd) Vorliegen objektiver Umstände für das Anknüpfen an den Wohnsitz unter Verweisung auf die nationalen Rechtsvorschriften
  • ee) Ergebnis
  • II. Diskriminierung von Drittstaatenangehörigen wegen Anknüpfens an den Wohnsitz im Rahmen des Art. 3, 4 EuGVO
  • 1. Einschlägige Regelung im Hinblick auf die Ungleichbehandlung
  • 2. Vorliegen einer Diskriminierung unter Art. 20 EGRC
  • III. Diskriminierung auf Grund von Art. 4 EuGVO i. V. m. Art. 14 CC gegenüber nicht in Frankreich wohnenden EU-Staatsangehörigen und Drittstaatenangehörigen mit Wohnsitz in der EU
  • 1. Denkbare Fälle der Diskriminierung
  • 2. Rechtsnatur des Art. 4 Abs. 1 EuGVO und Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung
  • a) Art. 4 Abs. 1 als deklaratorische Regelung
  • b) Art. 4 Abs. 1 EuGVO als konstitutive Regelung
  • c) Ergebnis
  • IV. Zusammenfassung zur Diskriminierungsproblematik
  • C. Rechtliche Fragen und Probleme, die die EuGVO derzeit aufwirft und die für eine Revision der EuGVO sprechen, ohne diese zwingend zu fordern
  • I. Zwingendes EU-Recht für Arbeitnehmer, Verbraucher und Handelsvertreter
  • II. Verbrauchersachen
  • 1. Felder, die vom Anwendungsbereich der Verordnung abgedeckt sind
  • 2. Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der zwingenden EU-Vorschriften
  • 3. Relevanz einer Vereinheitlichung für Deutschland
  • III. Arbeitnehmersachen
  • 1. Felder, die vom Anwendungsbereich der Verordnung abgedeckt sind
  • 2. Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der zwingenden EU-Vorschriften
  • 3. Relevanz einer Vereinheitlichung für Deutschland
  • a) Zuständigkeiten nach der ZPO
  • b) Der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes gemäß § 48 Abs. 1a ArbGG
  • aa) Vorgeschlagene Auslegung für § 48 Abs. 1a ArbGG
  • bb) Bedeutung der Auslegung des § 48 Abs. 1a ArbGG für eine Notwendigkeit der Erstreckung der Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO in Deutschland
  • IV. Handelsvertreterangelegenheiten
  • 1. Felder, die vom Anwendungsbereich der Verordnung abgedeckt sind
  • 2. Schwierigkeiten bei der Durchsetzung zwingender EU-Vorschriften
  • 3. Relevanz einer Vereinheitlichung für Deutschland
  • V. Zusammenfassung
  • Kapitel 2
  • A. Vorbemerkung
  • B. Die subsidiäre Zuständigkeit nach Art. 25 EuGVO-E
  • I. Der Vermögensbegriff des Art. 25 EuGVO-E
  • 1. Der Begriff des Vermögens in § 23 S. 1 1. Alt. ZPO und § 99 JN
  • a) § 23 S. 1 1. Alt. ZPO
  • b) § 99 JN
  • 2. Bedeutung für den Vermögensbegriff des Art. 25 EuGVO-E
  • a) Vorbemerkungen
  • b) Mögliche Einschränkungen des Vermögensbegriffs unter Art. 25 EuGVO-E
  • aa) Die Güter und Rechte überschreiten in ihrem Wert die Vollstreckungskosten nicht bzw. decken die Prozesskosten nicht
  • (1) Systematik des Art. 25 EuGVO-E
  • (2) Telos
  • (3) Historie
  • (4) Ergebnis
  • bb) Die Güter und Rechte sind unpfändbar
  • cc) Wirtschaftliche Verwertbarkeit der Güter und Rechte/eigener Verkehrswert
  • dd) Beschränkung auf bewegliches Vermögen
  • ee) Beschränkung auf Sachwerte
  • ff) Ergebnis
  • II. Kein unangemessenes Verhältnis zwischen dem Wert des Vermögens und der Höhe der Forderung, Art. 25 lit. a EuGVO-E
  • 1. Relation zwischen Vermögens- und Streitwert im Rahmen des § 23 S. 1 1. Alt. ZPO
  • 2. Relation zwischen Vermögens-und Streitwert im Rahmen des § 99 JN
  • 3. Schlussfolgerung für Art. 25 lit. a EuGVO-E
  • 4. Bestimmung des Werts der Forderung
  • III. Der ausreichende Bezug zum Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts
  • 1. Der „hinreichende Inlandsbezug“ als Voraussetzung des Vermögensgerichtsstands im deutschen Recht (§ 23 S. 1 1. Alt. ZPO)
  • 2. Die „zusätzliche Inlandsbeziehung“ als Voraussetzung der Annahme des Vermögensgerichtsstands im österreichischen Recht unter Geltung der Indikationentheorie (§ 99 JN)
  • 3. Folgerungen für die Auslegung des „ausreichenden Bezugs zu einem Mitgliedstaat“ i. S. d. Art. 25 EuGVO-E
  • a) Ausfüllen des Merkmals des „ausreichenden Bezuges“ durch einzelne, feste Kriterien oder durch Gesamtbetrachtung, gegebenenfalls i. S. der forum non conveniens-Lehre?
  • aa) Einführung der forum non conveniens-Lehre als Folge einer Abwägung aller in Betracht kommenden Kriterien?
  • bb) Einzelfallentscheidungen im Rahmen des Art. 25 EuGVO-E als Verstoß gegen die Zielsetzungen der Verordnung?
  • cc) Einzelfallentscheidungen im Rahmen des Art. 25 EuGVO-E als Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit als einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts?
  • b) Mögliche in Betracht kommende Kriterien zur Ausfüllung des „ausreichenden Bezuges“
  • aa) Staatsangehörigkeit
  • (1) Allgemeine Vor- und Nachteile des Kriteriums der Staatsangehörigkeit
  • (2) Problem der Diskriminierung
  • (a) Problemaufriss
  • (b) Vergleichbarkeit der Fragestellung mit der unter Art. 3 Abs. 1 lit. a 6. Spiegelstrich EuEheVO
  • (c) Stellungnahme
  • (d) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
  • bb) Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt
  • (1) Der gewöhnliche Aufenthalt im Rahmen des Art. 25 lit. b EuGVO-E
  • (a) Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in den europäischen Verordnungen betreffend das internationale Zivilverfahrensrecht
  • (aa) Der gewöhnliche Aufenthalt i. S. d. Art. 8 Abs. 1 EuEheVO
  • (bb) Der gewöhnliche Aufenthalt i. S. der EuUntVO
  • (cc) Der gewöhnliche Aufenthalt i. S. der EuErbVO
  • (dd) Der gewöhnliche Aufenthalt i. S. der Rom III-VO
  • (b) Der Begriff des ständigen Wohnsitzes
  • (c) Der Begriff des gewöhnlichen Wohnsitzes
  • (d) Der Begriff des Wohnortes und des Wohnsitzes bzw. des Aufenthalts in anderen Gebieten der Rechtssetzungsakte der Union
  • (e) Schlussfolgerungen
  • (f) Bedeutung der Schlussfolgerungen für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts von Erwachsenen im Rahmen der EuEheVO
  • (aa) Borrás-Bericht
  • (bb) Die Ansicht der Gerichte anderer Mitgliedstaaten
  • (g) Ergebnis für Art. 3 EuEheVO und Schlussbemerkungen zum gewöhnlichen Aufenthalt in den Rechtsakten der Union
  • (h) Schlussfolgerungen für die Auslegung des Art. 25 lit. b EuGVO-E
  • (i) Geeignetheit des gewöhnlichen Aufenthalts als Kriterium im Rahmen des Art. 25 lit. b EuGVO-E
  • (aa) Allgemeine Voraussetzungen, damit ein Kriterium einen ausreichenden Bezug i. S. d. Art. 25 lit. b EuGVO-E begründet
  • (bb) Geeignetheit des Kriteriums des gewöhnlichen Aufenthalts
  • (2) Der Wohnsitz im Rahmen des Art. 25 lit. b EuGVO-E
  • cc) Der schlichte Aufenthalt
  • dd) Besondere Rechts- oder Beweisnähe
  • (1) Rechtsnähe
  • (2) Beweisnähe
  • (3) Intensität der Rechts- oder Beweisnähe
  • ee) Bezug durch das Vermögen selbst
  • (1) Bewusste Investitionsentscheidung
  • (2) Vermögen erfordert im Inland ausgeübte Verwaltung
  • (3) Klage bezieht sich direkt auf das im Inland belegene Vermögen
  • c) Schlussbemerkungen zum ausreichenden Bezug im Rahmen des Art. 25 lit. b EuGVO-E unter Berücksichtigung weiterer möglicher Kriterien
  • Kapitel 3
  • A. Mögliche primärrechtliche Grundlagen zur Auslegung des Art. 26 EuGVO-E
  • B. Die Terminologie der im Hinblick auf Art. 26 EuGVO-E maßgebenden Justizgrundrechte in der EU
  • C. Die Terminologie des Art. 26 EuGVO-E
  • D. Das Recht auf Zugang zu Gericht in Bezug auf die Eröffnung einer Notzuständigkeit nach Art. 47 EGRC und Art. 6 Abs. 1 EMRK/ das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 26 EuGVO-E
  • I. Vorbemerkung
  • II. Reichweite des Rechts auf Zugang zu einem Gericht nach Art. 47 Abs. 1 EGRC bei internationalen Sachverhalten
  • III. Das Recht auf Zugang zu Gericht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK mit Blick auf die Eröffnung einer Notzuständigkeit
  • 1. Recht auf Eröffnung einer Notzuständigkeit als Bestandteil des Rechts auf Zugang zu einem Gericht im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • a) Rechtsprechung des EGMR und Literatur
  • b) Stellungnahme
  • 2. Reichweite des Rechts auf Eröffnung einer Notzuständigkeit/ Anspruchsvoraussetzungen
  • a) Ansichten in der Literatur
  • b) Stellungnahme
  • aa) Fälle der Notwendigkeit i. w. S./Notwendigkeit allgemein
  • bb) Notwendigkeit i. e. S./Notwendigkeit der Rechtsdurchsetzung im Inland
  • (1) Bei Nichtbestehen einer primären Zuständigkeit durch die Gerichte eines anderen Staates
  • (2) Bei fehlender Anerkennungsfähigkeit oder Vollstreckbarkeit eines bestehenden Titels im Inland
  • cc) Notwendigkeit i. e. S. bei Justizgewährung anderer Staaten durch Zurverfügungstellung einer Notzuständigkeit
  • IV. Ergebnis
  • E. Die Beispielsfälle nach Art. 26 lit. a und b EuGVO-E
  • I. Art. 26 lit. a EuGVO-E
  • 1. Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit
  • 2. Enger Bezug zu einem Drittstaat
  • a) Spiegelbildliches Heranziehen der Zuständigkeiten nach der Verordnung
  • b) Heranziehen sachbezogener Zuständigkeiten von Drittstaaten
  • c) Sonderfall: Spiegelbildliche Heranziehung des Wohnsitzgerichtsstandes des Beklagten
  • 3. Systematische Einordnung des Art. 26 lit. a EuGVO-E in die Rechte des Art. 47 EGRC
  • II.Art. 26 lit. b EuGVO-E
  • 1. Erfasste Fälle
  • 2. Fragestellungen im Rahmen des Art. 26 lit. b EuGVO-E
  • a) Nur Erfassung von in der Hauptsache vollstreckbarer Urteile?
  • b) Vollstreckbarkeit direkt in dem Mitgliedstaat des nach Art. 26 EuGVO-E angerufenen Gerichts?
  • c) Notwendigkeit der Anerkennung und Vollstreckung für die Durchsetzung der Rechte des Klägers
  • aa) Bestehen einer Notwendigkeit
  • bb) Durchsetzung der Rechte des Klägers
  • d) Befassung des Gerichts nach innerstaatlichem Recht
  • aa) Wortlaut
  • bb) Systematik und Telos
  • cc) Historie
  • dd) Ergebnis
  • e) Systematische Einordnung des Art. 26 lit. b EuGVO-E in die Rechte des Art. 47 EGRC
  • III. Der ausreichende Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts
  • 1. Vorbemerkungen
  • 2. Ermittlung des ausreichenden Bezuges anhand des Zwecks der Vorschrift
  • a) Meinungsstand in der Literatur zur Einschränkbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • b) Bewertung der Zulässigkeit einer Einschränkung der Reichweite des Rechts auf Eröffnung einer Notzuständigkeit
  • aa) Der Wesensgehalt des Rechts auf Zugang zu Gericht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • bb) Verhältnismäßigkeit der Forderung nach einem Inlandsbezug im Hinblick auf das Recht auf Eröffnung einer Notzuständigkeit
  • (1) Völkerrechtliche Grundsätze
  • (a) Interventionsverbot
  • (b) Genuine Link oder legitimer Anknüpfungspunkt
  • (aa) Meinungsstand in der Literatur
  • (bb) Stellungnahme
  • (cc) Ergebnis
  • (c) Rechtsmissbrauchsverbot
  • (d) Zwischenergebnis
  • (2) Wahrung der Beklagteninteressen
  • (3) Interessen des Staates, der zur Eröffnung einer Notzuständigkeit verpflichtet ist, sowie Allgemeinwohlinteressen
  • cc) Schlussfolgerungen für die Auslegung des ausreichenden Bezuges nach Art. 26 EuGVO-E
  • (1) Das Kriterium der Staatsangehörigkeit
  • (a) Ungleichbehandlungsproblematik des Kriteriums
  • (b) Mögliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
  • (c) Schlussfolgerung
  • (2) Kriterium des schlichten Aufenthalts
  • (3) Kriterium des Vermögens
  • (4) Zusammenfassung zu dem ausreichenden Bezug i. S. d. Art. 26 EuGVO-E
  • F. Sonderproblem: Herbeiführung der Notwendigkeit der Eröffnung einer Notzuständigkeit durch die Parteien
  • G. Rechtsfolge des Art. 26 EuGVO-E: Ermessensentscheidung des angerufenen Gerichts?
  • H. Anwendungsbereich des Art. 26 EuGVO-E neben Art. 25 EuGVO-E und den übrigen Zuständigkeiten der EuGVO-E
  • Kapitel 4
  • A. Meinungsstand zur Erstreckung der Verordnung in Drittstaatenfällen in der Literatur und Ansichten zum Kommissionsvorschlag
  • I. Meinungsstand in der Literatur
  • II.Reaktion in den Mitgliedstaaten auf den Kommissionsvorschlag
  • 1. Reaktion der mitgliedstaatlichen Parlamente
  • 2. Reaktion einiger sonstiger Stellen der Mitgliedstaaten und der Haager Konferenz für internationales Privatrecht
  • III. Zusammenfassende Feststellungen
  • B. Bewertung einer Erweiterung der EuGVO auf Drittstaaten allgemein
  • I. Übertragbarkeit der bestehenden Gerichtsstände der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte
  • 1. Erstreckbarkeit des Art. 5 EuGVO auf Drittstaatensachverhalte
  • 2. Erstreckbarkeit des Art. 6 EuGVO auf Drittstaatensachverhalte
  • a) Art. 6 Nr. 1 EuGVO
  • aa) Problematik bei Beklagten sowohl aus EU- als auch aus Drittstaaten
  • bb) Stellungnahme zur Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EuGVO in Drittstaatenfällen
  • cc) Bedeutung des Ergebnisses für die Erstreckung der Verordnung auf Drittstaatenfälle
  • b) Art. 6 Nr. 3 EuGVO
  • c) Art. 6 Nr. 2 und Nr. 4 EuGVO
  • 3. Erstreckbarkeit der Art. 8 bis 21 EuGVO auf Drittstaatensachverhalte
  • a) Verbraucher- und Arbeitssachen
  • b) Versicherungssachen
  • aa) Der Gerichtsstand nach Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVO
  • bb) Der Gerichtsstand nach Art. 11 Abs. 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVO
  • c) Ergebnis
  • 4. Erstreckbarkeit des Art. 24 EuGVO auf Drittstaatensachverhalte
  • 5. Zusammenfassung
  • II. Angemessenheit der Erstreckung der Gerichtsstände wegen ihrer engen Auslegung durch den EuGH
  • 1. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis nach der Rechtsprechung des EuGH
  • 2. Bewertung der Auslegung des EuGH mit Blick auf eine Erstreckung der Zuständigkeiten
  • 3. Ergebnis
  • III. Tatsächlicher Regelungsbedarf gemäß dem Grünbuch
  • 1. Verbesserung des Rechtsschutzes für EU-Bürger und Unternehmer
  • a) Allgemein zur Verbesserung des Rechtsschutzes bei einer Vereinheitlichung der Verordnung
  • b) Verbesserung des Rechtsschutzes durch die Art. 25, 26 EuGVO-E im Speziellen
  • c) Ergebnis
  • 2. Sicherstellung zwingender EU-Rechtsvorschriften
  • 3. Ergebnis
  • IV. Regelung durch völkerrechtliche Verträge vorzuziehen?
  • 1. Kollisionsfragen bei Regelung von Drittstaatensachverhalten durch die EuGVO
  • a) Abschluss zeitlich nachfolgender Übereinkommen durch die EU
  • b) Bestehende Altverträge der Mitgliedstaaten
  • aa) Verträge, die derzeit Art. 71 und 72 EuGVO unterfallen
  • bb) Sonstige Altverträge der Mitgliedstaaten
  • c) Sonderfälle: Auswirkungen auf das LugÜ oder das EuGVÜ
  • aa) LugÜ
  • bb) Abkommen zwischen Dänemark und der EG/EU (EuGVÜ)
  • cc) Ergebnis
  • 2. Teilweise Aufgabe der Parallelität zwischen der EuGVO und dem LugÜ
  • 3. Verhandlungsposition der EU beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge
  • 4. Ergebnis
  • V. Mögliche Nachteile einer Vereinheitlichung
  • 1. Erhöhte Anzahl von Parallelverfahren in Mitglied- und Drittstaaten
  • 2. Konfliktpotential mit Drittstaaten
  • 3. Forum Shopping
  • C. Bewertung der Art. 25 und 26 EuGVO-E
  • I. Art. 25 EuGVO-E (Vermögensgerichtsstand)
  • 1. Allgemein zu einem Vermögensgerichtsstand in der EuGVO
  • a) Ausgleich für fehlenden Wohnsitzgerichtsstand des in einem Drittstaat wohnhaften Beklagten
  • b) Zweck des Vermögensgerichtsstandes im Rahmen der Verordnung
  • c) Notwendigkeit/Rechtfertigung eines Vermögensgerichtsstandes im Rahmen der Verordnung
  • aa) Sicherstellung des Verbraucherschutzes gemäß Art. 38 EGRC, Art. 12, 169 AEUV
  • bb) Sicherstellung von Arbeitnehmerschutz, Art. 27 ff. EGRC
  • cc) Rechtfertigung aus Gründen des Schutzes der schwächeren Partei oder zur Absicherung eines ausreichenden Justizzuganges
  • dd) Rechtfertigung zur Sicherung der Verhandlungsposition der EU beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge
  • d) Ergebnis
  • 2. Bewertung des Art. 25 EuGVO-E im Speziellen
  • a) Rechtmäßigkeit des Art. 25 EuGVO-E
  • aa) Exorbitanz des Gerichtsstandes nach Art. 25 EuGVO-E?
  • bb) Völkerrechtsmäßigkeit
  • (1) Völkerrechtsmäßigkeit eines Vermögensgerichtsstandes ohne Beschränkungen nach der Literatur
  • (2) Stellungnahme
  • (3) Ergebnis
  • cc) Verstoß gegen Art. 47 EGRC
  • (1) Meinungsstand in der Rechtsprechung des EGMR und in der Literatur zu Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • (2) Ermittlung des Bestehens eines Rechts auf Schutz vor exorbitanten Zuständigkeiten unter Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • (a) Systematische Einordnung des Rechts des Beklagten auf Justizfreiheit bei den anerkannten Rechten
  • (aa) Verortung bei den ausdrücklich genannten Rechten
  • (bb) Verortung bei dem „Recht auf Zugang zu einem Gericht“
  • (cc) Verortung bei dem „Recht auf ein Gericht“
  • (dd) Ergebnis
  • (b) Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK bezüglich des Rechts des Beklagten auf Justizfreiheit
  • (aa) Wortlaut
  • (bb) Die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK in ihrem Zusammenhang (Systematik)
  • (α) Systematik des Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • (β) Systematik der Konvention im Ganzen
  • (αα) Das Rechtsstaatsprinzip als Schranke der internationalen Zuständigkeit in der Literatur
  • (ββ) Bewertung
  • (γγ) Ergebnis
  • (γ) Systematik unter Berücksichtigung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts
  • (cc) Die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Lichte des Ziels und Zwecks der Konvention (Telos)
  • (dd) Ergebnis
  • (3) Ergebnis für das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
  • dd) Gesamtergebnis des Abschnitts
  • b) Ausdehnung des Vermögensgerichtsstandes durch Streichung der Einschränkungen?
  • aa) Art. 25 lit. a EuGVO-E
  • bb) Art. 25 lit. b EuGVO-E
  • c) Alternative Formulierungsmöglichkeit eines Vermögensgerichtsstandes
  • d) Formulierungsvorschlag für einen Vermögensgerichtsstandes
  • II. Art. 26 EuGVO-E (forum necessitatis)
  • 1. Allgemein zu einem forum necessitatis in der EuGVO
  • 2. Bewertung des Art. 26 EuGVO-E im Speziellen
  • Zusammenfassung und abschließende Bewertung
  • A. Bewertung einer Vereinheitlichung der Restzuständigkeit allgemein
  • B. Bewertung der besonderen Zuständigkeiten in Drittstaatenfällen
  • C. Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • Sonstige Arbeitsmaterialien

Einleitung

Die Frage nach der Möglichkeit einer Erstreckung der EuGVO1 bzw. des EuGVÜ2 im Bereich der internationalen Zuständigkeit auf Drittstaatensachverhalte beschäftigt die Literatur seit jeher.3 Aus Sicht der Drittstaaten wurde das EuGVÜ auf Grund der nach Art. 4 EuGVÜ gegen Drittstaatenbewohner anwendbaren exorbitanten Gerichtsstände kritisch beurteilt.4 In der deutschen Rechtswissenschaft wurde ebenfalls auf die Diskriminierungsproblematik hingewiesen.5 Allerdings wird auch angemerkt, dass es aus Gründen des Zwecks der EWG mehr oder minder auf der Hand gelegen habe, dass Diskriminierungen im Bereich der internationalen Zuständigkeit nur zwischen den Mitgliedstaaten der EWG beseitigt worden seien, nicht auch gegenüber Drittstaaten.6 Mit Blick auf die fortschreitende Integration des europäischen Raumes lässt sich festhalten, dass auch der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nur für die Bewohner der Mitgliedstaaten geschaffen werden soll. Es hat sich insofern in Fragen der Ungleichbehandlung nichts Neues ergeben. Es erscheint nach wie vor nicht zwingend, dass diese gegenüber Drittstaatenbewohnern komplett beseitigt werden müsste, sofern die Vorschriften der EuGVO nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen.

Schlosser merkte in Bezug auf die unter dem EuGVÜ bestehende Restzuständigkeit an, dass besondere Vorschriften gegenüber Drittstaatenbewohnern notwendig, die exorbitanten Zuständigkeiten in ihrer konkreten ← 29 | 30 → Ausformung jedoch teilweise „übertrieben“ seien.7 Hingegen sei ein Vermögensgerichtsstand, der eine Wertrelation in der Weise verlange, dass der Wert des Streitgegenstandes in etwa erreicht werde, oder der eine Beziehung zum Streitgegenstand aufweise, durchaus denkbar.8 Dass ein besonderer Gerichtsstand für Drittstaatenfälle bei einer Vereinheitlichung der Restzuständigkeit vorgesehen werden sollte, wird auch in der oben angeführten deutschen Literatur fast einhellig angenommen. Eine vollständige Angleichung der Zuständigkeit in Unions- und Drittstaatensachverhalten fordert – soweit ersichtlich – nur Grolimund. Eine subsidiäre Vermögenszuständigkeit könne nach ihm jedoch in solchen Fällen aufgenommen werden, in denen sonst weder in einem EU-Mitgliedstaat, noch in einem Drittstaat eine Zuständigkeit mit Streitgegenstandsnähe eröffnet sei.9

Nachdem die Frage einer möglichen Erstreckung der EuGVO bzw. des EuGVÜ nun länger in der Literatur erwogen worden ist, hat sich neuerdings auch die Europäische Kommission mit dieser Thematik befasst und einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der eine vollständige Vereinheitlichung der Zuständigkeit in Drittstaatenfällen vorsieht.10 Im Europäischen Parlament stieß die Idee eines Wegfalls der Restzuständigkeit der Mitgliedstaaten nicht auf positive Resonanz11. Der Rat der EU hat die durch die Kommission vorgesehenen Änderungen der Verordnung in seinem Vorschlag12 weitestgehend zurückgenommen. Der Vorschlag des Rates ist mit Blick auf die Zuständigkeit in Drittstaatensachverhalten schließlich in die endgültige Neufassung der EuGVO13 eingegangen. Im Wesentlichen verbleibt es damit bei der Restzuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage der Gebotenheit einer Ausdehnung der EuGVO auf Drittstaatenfälle und mit Vor- und Nachteilen einer solchen. Zentral sollen die beiden im Kommissionsvorschlag vom 14.12.201014 ← 30 | 31 → vorgesehenen Zuständigkeiten, die nur für Drittstaatenfälle gelten sollten15, behandelt werden.

Im ersten Kapitel befasst sich die Arbeit mit der Kompetenz der EU zum Erlass vereinheitlichter Regelungen zur internationalen Zuständigkeit und mit der Frage nach einer rechtlichen Notwendigkeit der Erstreckung der Verordnung auf Drittstaatensachverhalte. Im Wesentlichen geht es hierbei vor allem um die Diskriminierungsproblematik von Personen mit Wohnsitz in- bzw. außerhalb der EU. In den anschließenden beiden Kapiteln wird eine Auslegung der Art. 25 und 26 EuGVO-E16 vorgenommen, welche insbesondere im Hinblick auf die im letzten Kapitel vorgenommene Bewertung des Kommissionsvorschlags und der eigenen Stellungnahme zu einer Vereinheitlichung der Restzuständigkeit eine wichtige Rolle spielen.

Zur Definition sei darauf verwiesen, dass Drittstaatensachverhalte bzw. Drittstaatenfälle im Folgenden all jene Fallkonstellationen bezeichnen, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz oder Sitz nicht in einem Staat der EU hat. Es ist also Dänemark ausgenommen, für welches die EuGVO gemäß dem 22. Protokoll (Art. 1) zum Lissabonner Vertrag nicht gilt. ← 31 | 32 →

 

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     1  VO (EG) Nr. 44/2001, ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1 ff.; vgl. Jayme/Hausmann, Nr. 160.

     2  Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen i. d. F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29. November 1996, BGBl. 1998 II, S. 1411.

     3  S. schon zum EuGVÜ Basedow, Handbuch d. IZVR I, S. 99 (180), Rn. 169; Grolimund, S. 270 f., Rn. 741 ff.; Kropholler, FS Ferid, S. 239 (246 f.). Von Seite der Drittstaaten s. von Mehren, RdC, S. 9 (101); Kruger, S. 397, Rn. 8.07 ff.

     4  Nadelmann, Col. Law Rev. 1967, S. 995/1001 ff.; Ders., Harv. Law Rev. 1968/II, S. 1282 (1288); Carl, Int’l. Law. 1974, S. 446; von Mehren, RdC, S. 9 (100 f.).

     5  Z. B. Grolimund, S. 270, Rn. 741.

     6  Schlosser, FS Kralik, S. 287 (294).

     7  Schlosser, FS Kralik, S. 287 (295) in Bezug auf Art. 14 des französischen Code Civil und den noch uneingeschränkten Vermögensgerichtsstand in Deutschland.

     8  Schlosser, FS Kralik, S. 287 (296).

     9  Grolimund, S. 271, Rn. 743.

    10  KOM (2010) 748 endg.

    11  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 07.09.2010, P7_TA(2010)0304, S. 8, Rn. 15.

    12  Rat der Europäischen Union, Dok. Nr. 10609/12 ADD 1.

    13  Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, ABl. EU 2012 Nr. L 351, S. 1 ff.

    14  KOM (2010) 748 endg.

    15  Art. 25 und 26 des Kommissionsvorschlags.

    16  Die Artikel des Kommissionsentwurfs KOM (2010) 748 endg. werden in der vorliegenden Abhandlung mit der Bezeichnung EuGVO-E abgekürzt. Die Abkürzung EuGVO gilt hingegen für die Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Abgedruckt ist der Kommissionsvorschlag in Jayme/Hausmann, Nr. 160 b.

  

Kapitel 1

A.  Kompetenz der EU zur Aufstellung von Zuständigkeitsvorschriften bezüglich der Regelung von Rechtsstreitigkeiten in Drittstaatenangelegenheiten im Rahmen der EuGVO

Die Kompetenz der EG zum Erlass der Brüssel-I Verordnung unter Art. 65 EGV ist teilweise in Frage gestellt worden.17 Nach dem Vertrag von Lissabon findet sich die Nachfolgevorschrift im jetzigen Art. 81 AEUV. Es soll nun untersucht werden, ob der EU die Kompetenz zur Regelung der internationalen Zuständigkeit in Drittstaatenfällen nach diesem Artikel, der in seinem Wortlaut teilweise weiter gefasst ist als Art. 65 EGV, zusteht. Die Kommission hat den Revisionsentwurf auf Art. 81 Abs. 2 lit. a, c und e AEUV gestützt,18 wobei Art. 81 Abs. 1 AEUV wohl noch mit heranzuziehen ist, da dieser mit dem grenzüberscheitenden Bezug ebenfalls eine Kompetenzausübungsvoraussetzung enthält19. Es sollen nun die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 und 2 AEUV dargestellt werden. ← 33 | 34 →

I.  Der grenzüberschreitende Bezug nach Art. 81 Abs. 1 AEUV

Wie auch schon Art. 65 EGV fordert Art. 81 Abs. 1 AEUV einen grenzüberschreitenden Bezug. Ob ein solcher in Fällen vorliegt, in denen nur ein Mitgliedstaat und ein Drittstaat beteiligt sind, hängt davon ab, wie weit oder eng man den Begriff des grenzüberschreitenden Bezuges fasst. Da bei einer Regelung der Zuständigkeit in Drittstaatensachverhalten nicht zwingend ein Anknüpfungspunkt zu einem zweiten Mitgliedstaat gegeben wäre, ist zu fragen, ob für den grenzüberschreitenden Bezug ausreichend ist, wenn ein solcher zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat besteht. Das Verständnis des grenzüberschreitenden Bezuges ist dabei in Art. 65 EGV und in Art. 81 AEUV das gleiche. Es ist nicht ersichtlich, warum es durch den Wegfall des Binnenmarktbezuges eine andere Bedeutung erhalten haben soll.

In seiner Rechtsprechung hat der EuGH die EuGVO im Hinblick auf die Zuständigkeit so ausgelegt, dass nicht zwingend ein Bezugspunkt zu einem zweiten Mitgliedstaat bestehen muss.20 Dies setzt freilich voraus, dass der Gerichtshof davon ausgeht, der EU komme die entsprechende Kompetenz zu.

Es wird nun kurz darauf eingegangen, wie der grenzüberschreitende Bezug in der Literatur verstanden wird, bevor eine Stellungnahme erfolgt.

1.  Der grenzüberschreitende Bezug in der Literatur

Teilweise wird in der Literatur ein Bezug zu einem zweiten Mitgliedstaat gefordert.21 In diesem Fall könnte die Zuständigkeit in Drittstaatenfällen nur insofern geregelt werden, als zusätzlich noch ein Berührungspunkt zu einem zweiten Mitgliedstaat gegeben ist. Beispielsweise könnte Art. 5 Nr. 3 EuGVO auf solche Fälle erstreckt werden, bei denen ein Unfall zwischen einem EU-Staatsangehörigen und einem Drittstaatenangehörigen vorliegt, wenn der Unfall in einem anderen ← 34 | 35 → Mitgliedstaat als dem erfolgte, in dem der EU-Staatsangehörige seinen Wohnsitz hat. Andererseits könnte der Fall, dass ein Deutscher in Deutschland mit einem Drittstaatenangehörigen einen Unfall hat, nicht geregelt werden.

Nach einer anderen Ansicht ist der grenzüberschreitende Bezug weit zu verstehen, so dass auch Fälle erfasst werden, die einen Bezug zu nur einem Mitgliedstaat und wenigstens einem Drittstaat aufweisen.22 Demnach könnte auch der Fall nach der EuGVO geregelt werden, in dem ein Deutscher in Deutschland mit einem Drittstaatenangehörigen einen Unfall hat.

Schließlich könnte man die grenzüberschreitenden Bezüge sehr weit verstehen und auch solche Fälle erfasst sehen, die lediglich potenziell grenzüberschreitend sind, was auf alle Fälle zutrifft, da eine Vollstreckung im Ausland in jedem Verfahren erforderlich werden könnte, auch wenn es zunächst rein national war. In der Literatur wird gefordert, dass zumindest typischerweise ein grenzüberschreitender Bezug gegeben sein müsse23, da das Erfordernis der grenzüberschreitenden Bezüge sonst keine Funktion hätte und ein Verstoß gegen den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und gegen das Subsidiaritätsprinzip möglich seien24.

2.  Vorschlag zum Verständnis des grenzüberschreitenden Bezuges

Es ist aus dem Wortlaut des Art. 81 AEUV nichts ersichtlich, woraus sich ableiten ließe, es müssten Bezüge zu mehr als einem Mitgliedstaat bestehen. Letzten Endes empfiehlt sich daher eine am Regelungsgehalt der Vorschrift ausgelegte Interpretation. Es ist damit für die Auslegung des grenzüberschreitenden Bezuges der Zweck dieser Kompetenzausübungsvoraussetzung zu Grunde zu legen. Dieser wird darin gesehen, die sich aus den unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten resultierenden Verfahrenshindernisse zu beseitigen25 und den Zugang zum Recht zu erleichtern26. Er gibt jedoch keine Kompetenz, das Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten ← 35 | 36 → um der Vereinheitlichung selbst Willen zu vereinheitlichen.27,28 Hieraus ergibt sich, dass auch bei Beteiligung nur eines Mitgliedstaates ein grenzüberschreitender Bezug gegeben sein kann, denn die Vereinheitlichung der Restzuständigkeit im Rahmen der EuGVO würde nach dem derzeitigen Kommissionsvorschlag, wie von der Kommission in ihrem Revisionsentwurf zu Eingangs dargestellt29, zu einem verbesserten Zugang zum Recht führen. Eine Verbesserung wäre insoweit gegeben, als derzeit nicht in allen Mitgliedstaaten ein Gerichtsstand eröffnet ist, selbst wenn zwingendes Unionsrecht in Frage steht, oder wenn durch kein anderes Gericht ein faires Verfahren garantiert wird. Der Revisionsentwurf der Kommission erfüllt damit im Hinblick auf eine vereinheitlichte Regelung der Restzuständigkeit den grenzüberschreitenden Bezug nach Art. 81 Abs. 1 AEUV, da er den Zugang zum Recht erleichtert.30 Ferner findet dadurch keine Vereinheitlichung des Zivilprozesses im Ganzen, beispielsweise im Sinne einer europäischen ZPO, statt. Folglich ist eine Erleichterung des Zugangs zum Recht auch dann gegeben, wenn Bezüge zu nur einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat bestehen. Verfahrenshindernisse, welche aus den unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten entstehen, werden hierdurch freilich nicht beseitigt. Denn das Prozessrecht eines zweiten Mitgliedstaates ist in diesen Fällen nicht berührt. Es ist aber davon auszugehen, dass auch bereits die Erleichterung des Zugangs zum Recht für sich alleine ausreichend ist, da auch hier jedenfalls die Kompetenz nicht so weit ausgedehnt wird, dass das Prozessrecht um seiner selbst willen vereinheitlicht wird.

Details

Seiten
324
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653043068
ISBN (ePUB)
9783653992557
ISBN (MOBI)
9783653992540
ISBN (Hardcover)
9783631647066
DOI
10.3726/978-3-653-04306-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
Revision der EuGVO Vermögenszuständigkeit Notzuständigkeit
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 324 S.

Biographische Angaben

Daniela Bidell (Autor:in)

Die Autorin studierte Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz und der Cardiff University.

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Titel: Die Erstreckung der Zuständigkeiten der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte
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