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Die Haftung geschäftsführender Organe für Compliance-Verstöße in Tochtergesellschaften

von André Frischemeier (Autor:in)
©2014 Dissertation 298 Seiten

Zusammenfassung

Das Themengebiet Compliance hat innerhalb der letzten Jahre einen rasanten Bedeutungszuwachs erfahren. Diese Untersuchung leistet einen Beitrag zur Konkretisierung der Compliance-Pflichten im Konzern. Konkret wird der Frage nachgegangen, unter welchen Umständen das geschäftsführende Organ einer herrschenden Gesellschaft für Compliance-Verstöße in Tochtergesellschaften haftet. Ziel ist es, die rechtlich notwendigen und rechtlich zulässigen Maßnahmen des geschäftsführenden Organs der herrschenden Gesellschaft genauer zu bestimmen. Die Arbeit geht dabei von der Prämisse aus, dass es sich bei der herrschenden Gesellschaft um eine GmbH oder eine AG handelt, welche eine einheitliche Leitung im Sinne von § 18 AktG ausübt. Im Ergebnis entwickelt die Arbeit einen Mindeststandard der notwendigen Compliance-Maßnahmen im Konzern.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Teil 1. Einführung
  • § 1. Untersuchungsgegenstand und Zielsetzungen
  • § 2. Gang der Untersuchung
  • Teil 2. Begriffsverständnis und Grundlagen von Compliance
  • § 1. Definition und begriffliche Abgrenzungen von Compliance
  • A. Begriffsdefinition
  • I. Aktuelle Relevanz von Compliance in Literatur und Praxis
  • II. Inhaltliche Reichweite von Compliance
  • 1. Umfassendes Begriffsverständnis versus spezialgesetzliche Fokussierung
  • 2. Fehlende Notwendigkeit zur Einbeziehung von vertraglichen Verpflichtungen
  • 3. Einbeziehung von Selbstverpflichtungen und „soft law"?
  • (a) Relevanz von Selbstverpflichtungen
  • (b) Relevanz von „soft law"
  • III. Organisatorisches Verständnis von Compliance
  • 1. Maßgeblichkeit des anglo-amerikanischen Begriffsverständnisses
  • 2. Compliance in den USA
  • (a) Ursprung und Entwicklung von Compliance
  • (b) Gesetzes- und Aufsichtsrecht
  • (aa) US Sentencing Guidelines (USSG)
  • (aaa) Grundkonzeption
  • (bbb) Compliance-spezifischer Gehalt
  • (bb) Sarbanes-Oxley Act of 2002 (SOX)
  • (cc) Sonstige Vorschriften
  • 3. Compliance in Großbritannien
  • (a) UK Bribery Act of 2010 (Bribery Act)
  • (b) Richtlinien des Office of Fair Trading (OFT)
  • 4. Compliance in Australien
  • 5. Nationale Rezeption des anglo-amerikanischen Verständnisses
  • B. Begriffliche Abgrenzung zu verwandten Themengebieten
  • I. Corporate Governance
  • 1. Inhalt und Bedeutung von Corporate Governance
  • 2. Unterscheidungskriterien von Compliance und Corporate Governance
  • II. Interne Revision
  • § 2. Nationale Entwicklung und Ausgestaltung von Compliance-Systemen
  • A. Entwicklung und Normierung von Compliance
  • I. Grundlinien und Triebfedern der geschichtlichen Entwicklung
  • II. Compliance-spezifische Normen
  • 1. § 25a KWG und § 64a VAG
  • 2. § 33 WpHG
  • B. Ausgestaltung und Funktionen von Compliance-Systemen
  • I. Typische Elemente eines Compliance-Systems einer Einzelgesellschaft
  • 1. Unternehmensindividuelle Grenzen einer Anforderungskonkretisierung
  • 2. Anforderungen im Einzelnen
  • (a) Laufende Bestimmung des unternehmerischen Risikoprofils
  • (b) Festlegung von Verantwortungsbereichen
  • (c) Verhaltenskodex und policy statement
  • (d) Sorgfältige Auswahl und Schulung von Mitarbeitern
  • (e) Compliance-Überwachungsprogramme
  • (f) Disziplinarische Konsequenzen
  • (g) Sonstige Maßnahmen
  • II. Moderne funktionelle Sichtweise
  • § 3. Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse
  • Teil 3. Compliance in konzernfreien Unternehmen
  • § 1. Pflichten im Innenverhältnis
  • A. Leitungs- und Sorgfaltspflicht nach §§ 76 Abs. 1, 93 AktG
  • I. Regelungssystematik
  • II. Compliance-spezifische Ausprägungen der Leitungs- und Sorgfaltspflicht
  • 1. Leitungsverantwortung nach § 76 Abs. 1 AktG
  • 2. Sorgfaltspflicht nach § 93 AktG
  • (a) Legalitätspflicht
  • (b) Kontroll- bzw. Legalitätskontrollpflicht
  • III. Rechtspflicht zur Einrichtung eines Compliance-Systems?
  • 1. Diskussionsstand
  • 2. Stellungnahme
  • B. Leitungs- und Sorgfaltspflicht nach §§ 35, 43 GmbHG
  • C. Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG
  • I. Regelungsgegenstand und Normanwendungsbereich
  • II. Konkretisierung des Pflichtenrahmens
  • III. Rechtspflicht zur Einrichtung eines Compliance-Systems?
  • § 2. Pflichten im Außenverhältnis
  • A. Anreizcharakter des Strafrechts
  • I. Die strafrechtliche Verantwortung geschäftsführender Organe
  • 1. Vorüberlegungen und Eingrenzung der Untersuchung
  • 2. Verantwortung im Rahmen von Unterlassungsdelikten
  • (a) Abgrenzung von Handeln und Unterlassen
  • (b) Überblick über Begründungsansätze der Garantenstellung
  • (c) Sonderfall der Geschäftsherrenhaftung
  • II. Anreize für die Einrichtung eines Compliance-Systems
  • B. Recht der Ordnungswidrigkeiten
  • I. Grundsätzliche Verantwortung geschäftsführender Organe
  • II. Organisationspflichten nach §§ 130, 30 OWiG
  • 1. Regelungsgegenstand und Anwendungsbereich
  • 2. Das Tatbestandsmerkmal der „erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen"
  • 3. Rechtspflicht zur Einrichtung eines Compliance-Systems?
  • C. Allgemeines Deliktsrecht
  • I. Organisationspflichten nach § 831 BGB
  • II. Compliance-spezifische Relevanz von § 823 Abs. 1 BGB
  • 1. Überblick über mögliche Haftungskonstellationen
  • 2. Haftung für mittelbare Rechtsgutsverletzungen
  • (a) Meinungsstand zur persönlichen Haftung von Organmitgliedern für Organisationsverschulden
  • (b) Stellungnahme
  • (c) Anforderungen der deliktischen Organisationspflichten
  • 3. Folgerungen zu Compliance-Pflichten aus dem allgemeinen Deliktsrecht
  • III. Organisationspflichten nach § 823 Abs. 2 BGB
  • D. Ziffer 4.1.3 DCGK
  • § 3. Ergebnis zur Bedeutung von Compliance in konzernfreien Unternehmen
  • A. Fehlen einer allgemeinen Rechtspflicht zur Implementierung eines umfassenden Compliance-Systems
  • B. Praktische und rechtstatsächliche Bedeutung
  • I. Vorüberlegung
  • II. Deckungsgrad von gesetzlichen Pflichten und typischen Anforderungen an Compliance-Systeme
  • 1. Laufende Bestimmung des unternehmerischen Risikoprofils
  • 2. Festlegung von Verantwortungsbereichen
  • 3. Verhaltenskodex und policy statement
  • 4. Sorgfältige Auswahl und Schulung von Mitarbeitern
  • 5. Compliance-Überwachungsprogramme
  • 6. Disziplinarische Konsequenzen
  • 7. Sonstige Maßnahmen
  • C. Folgerungen für den weiteren Verlauf der Untersuchung
  • Teil 4. Rechtliche Rahmenbedingungen von Compliance im Konzern
  • § 1. Rechtssubjektivität von Konzernen?
  • A. Erscheinungsformen von Konzernen
  • I. Normierte Konzernbegriffe
  • 1. Konzernbegriff nach § 18 AktG
  • 2. Ausweitungstendenzen in anderen Rechtsgebieten
  • II. Vertragskonzerne und faktische Konzerne
  • III. Zentrale, dezentrale und divisionale Konzerne
  • IV. Holdingkonzerne
  • B. Der Konzern als Regelungsobjekt
  • I. Der Konzern als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts?
  • II. Der Konzern als polykorporatives Netzwerk des Bürgerlichen Rechts?
  • III. Konzerne als organisatorische Einheiten
  • § 2. Relevante Rechtsnormen für geschäftsführende Organe herrschender Gesellschaften
  • A. Pflichten im Innenverhältnis
  • I. Konzernweite Leitungs- und Sorgfaltspflichten nach §§76 Abs. 1, 93 AktG
  • 1. Die Pflicht zur Konzernleitung?
  • (a) Aktueller Meinungsstand
  • (b) Auswirkungen für den Zweck dieser Untersuchung
  • 2. Compliance-spezifische Ausprägungen der allgemeinen Konzernleitungsverantwortung
  • (a) Vorüberlegungen und Eingrenzung der Untersuchung
  • (b) Konzernkontrolle
  • (aa) Ökonomisch wirtschaftliche Konzernkontrolle
  • (aaa) Rechtliche Grundlagen der Konzernkontrolle
  • (bbb) Typische der Kontrolle unterliegende Compliance-Risiken
  • (bb) Handlungspflicht als Fortsetzung der Kontrollpflicht
  • (cc) Legalitätskontrollpflicht im Konzern?
  • (aaa) Begründungsversuch über das Beteiligungsinteresse bzw. Schadensabwehrgesichtspunkte
  • (bbb) Annahme einer konzernweiten Organstellung
  • (ccc) Annahme einer Konzernleitungspflicht des herrschenden Unternehmens
  • (c) Besetzung von Führungspositionen im Konzern
  • (aa) Bestellung der geschäftsführenden Organe der Konzerngesellschaften
  • (bb) Die Besetzung von Führungspositionen als Grundlage von Compliance-Pflichten?
  • (d) Konzernkoordination
  • 3. Ergebnis zu den Compliance-Pflichten aus der Leitungs- und Sorgfaltspflicht
  • II. Konzernweite Leitungs- und Sorgfaltspflichten nach §§ 35, 43 GmbHG
  • III. Konzernweites Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG
  • 1. Vorüberlegungen
  • 2. Pflicht zur Etablierung eines konzernweiten Risikofrüherkennungssystems?
  • 3. Übertragung auf die GmbH
  • 4. Ergebnis zu den Compliance-Pflichten aus § 91 Abs. 2 AktG
  • B. Pflichten im Außenverhältnis
  • I. Leitungs- und Sorgfaltspflichten der geschäftsführenden Organe gegenüber abhängigen Konzerngesellschaften
  • 1. Normierte Pflichten und Verantwortung
  • 2. Drittschützende Wirkung von Anstellungsvertrages und Organstellung
  • 3. Haftung aus faktischer Organstellung
  • II. Strafrecht und Recht der Ordnungswidrigkeiten
  • 1. Konzernspezifische Compliance Anreize des Strafrechts
  • (a) Varianten der Tatbestandsverwirklichung im Konzern - primäre Relevanz von Unterlassungsdelikten
  • (b) Garantenstellung des geschäftsführenden Organs der herrschenden Gesellschaft
  • (aa) Übertragung anerkannter Fallgruppen auf Konzernsachverhalte .
  • (bb) Die Geschäftsherrenhaftung im Konzern
  • (aaa) Begründung über die Befehls- und Organisationsherrschaft
  • (bbb) Herrschaft über eine im eigenen Herrschaftsbereich befindliche Gefahrenquelle
  • (c) Folgerungen zu den strafrechtlichen Anreizen für Compliance-Systeme im Konzern
  • 2. Konzernspezifische Compliance Anforderungen der §§ 130, 30 OWiG
  • (a) Anwendbarkeit der §§ 130, 30 OWiG auf die Konzernobergesellschaft
  • (aa) Problemaufriss
  • (bb) Terminologische Auslegung
  • (cc) Teleologische Auslegung
  • (b) Faktische Haftungsrisiken des deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts
  • (aa) Etex-Entscheidung des Bundeskartellamtes
  • (bb) Rechtsprechung von EuGH und Bußgeldpraxis der Kommission
  • (c) Ergebnis zu den Compliance-Pflichten aus § 130, 30 OWiG
  • III. Konzernspezifische Compliance Anforderungen des allgemeinen Deliktsrechts
  • 1. Primäre Relevanz mittelbarer Rechtsgutsverletzungen
  • 2. Verantwortung in Abhängigkeit zu Delegationsreichweite und Einwirkungsmöglichkeiten
  • 3. Ergebnis zur Relevanz des allgemeinen Deliktsrechts für konzerndimensionale Compliance-Pflichten
  • IV. Ziffer 4.1.3 DCGK
  • C. Ausstrahlungswirkung aufsichtsrechtlicher Standards
  • I. Compliance im Wertpapierhandelsrecht
  • 1. Bedeutung und Konkretisierungsfunktion der MaComp
  • 2. Aussagegehalt der MaComp für Konzernsachverhalte?
  • II. Compliance im Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht
  • 1. Konzerndimensionale Erstreckung des Aufsichtsrechts
  • 2. Ausstrahlungswirkung auf nicht-regulierte Wirtschaftszweige?
  • § 3. Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse
  • Teil 5. Mindestanforderungen an konzernweite Compliance-Systeme und rechtliche Grenzen
  • § 1. Mindestanforderungen an konzernweite Compliance-Maßnahmen der herrschenden Gesellschaft
  • A. Meinungsstand in der Literatur
  • B. Grundlegender Pflichtenkanon
  • I. Allgemeine Grundlagen
  • II. Eckpunkte der Compliance im Konzern
  • 1. Einrichtung einer organisatorischen Konzern Compliance-Funktion
  • (a) Pflichtenbegründung und -inhalt
  • (b) Horizontale Delegation auf Ebene der herrschenden Gesellschaft
  • (c) Vertikale Compliance-Organisation im Konzernverbund
  • (aa) Pflicht zur Schaffung eines Group Compliance Officers?
  • (bb) Organisationsmodelle in Abhängigkeit zur Konzernstruktur
  • (d) Externe Delegation von Compliance-Aufgaben
  • 2. Erstmalige und laufende Erfassung von Compliance-Risiken
  • (a) Pflichtenbegründung und -inhalt
  • (b) Potentielle Instrumente zur Erfassung von Compliance-Risiken
  • (aa) Nutzung vorhandener Informationsmöglichkeiten
  • (bb) Konzernweites Compliance-Berichtswesen
  • (cc) Konzern-Controlling
  • (dd) Interne Konzernrevision
  • (ee) Whistleblowing-Systeme
  • 3. Überprüfung von Compliance-Maßnahmen der Konzerngesellschaften
  • (a) Pflichtenbegründung und -inhalt
  • (b) Eingeschränkte Aussagekraft des Prüfungsstandards IDW/EPS 98
  • (c) Potentielle konzeptionelle Ausgestaltung der Überwachung
  • 4. Handlungspflicht als Fortsetzung der Kontrollpflicht
  • 5. Dokumentation von Maßnahmen und Entscheidungsvorgängen
  • 6. Besonderheiten einer zentralen Konzernstruktur
  • (a) Ablehnung einer allgemeinen Erweiterung des Pflichtenkreises….
  • (b) Gründe für eine situative Ausweitung des Pflichtenkreises
  • (aa) Gefahrschaffung auf Ebene der herrschenden Gesellschaft
  • (bb) Wirtschaftliche Einheit im Kartellrecht
  • (cc) Übernahme der Compliance Zuständigkeit durch die herrschende Gesellschaft
  • 7. Rechtspflicht zu sonstigen Maßnahmen?
  • § 2. Grenzen konzernweiter Compliance-Systeme
  • A. Einschränkungen aufgrund fehlender gesellschaftsrechtlicher Einwirkungsmöglichkeiten
  • I. Eingliederungs- und Vertragskonzern
  • 1. Einflussnahme mittels Weisungen
  • 2. Zulässigkeit nachteiliger Weisungen
  • II. Faktischer Konzern
  • 1. Abhängige Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH
  • (a) Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung
  • (b) Praktische Schwierigkeiten bei Minderheitsbeteiligungen
  • 2. Abhängige Gesellschaft in der Rechtsform der AG
  • (a) Leitungsautonomie versus Compliance-Mindeststandard –Mögliche Konflikte
  • (b) Reaktionsmöglichkeiten der herrschenden Gesellschaft bei Obstruktion
  • (aa) Aktive Gestaltung der Personalpolitik
  • (bb) Setzung von Anreizen durch die herrschende Gesellschaft
  • (cc) Pflicht zur Auflösung des Beteiligungsverhältnisses als ultima ratio?
  • B. Arbeitsrechtliche Beschränkungen mit Konzernbezug
  • I. Konzernweite Richtlinien als wesentliches Gestaltungsmerkmal von Compliance
  • II. Arbeitsrechtliche Gestaltungsoptionen zur Einführung von Richtlinien
  • 1. Vertragliches Direktionsrecht
  • 2. Umsetzung im Arbeitsvertrag
  • 3. Konzernbetriebsvereinbarungen
  • III. Mitbestimmungsrechte des (Konzern-) Betriebsrates
  • 1. Der Mitbestimmung unterliegende Regelungsgegenstände
  • 2. Zuständigkeit und Rechte des Konzernbetriebsrates
  • C. Grenzen der Informationsweitergabe und Datenschutz
  • I. Informationsfluss und dessen Schranken im Konzern
  • 1. Eingliederungs- und Vertragskonzerne
  • 2. Faktischer Konzern
  • (a) Abhängige Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH
  • (b) Abhängige Gesellschaft in der Rechtsform der AG
  • (aa) Ablehnung eines allgemeinen Informationsanspruches der herrschenden Gesellschaft
  • (bb) Gesteigertes Informationsbedürfnis und -recht aufgrund konzernweiter Rechtspflichten
  • (aaa) Gesellschaftsrechtliche Informationspflichten mit Konzernbezug
  • (bbb) Bilanzrechtliche Publizitätspflichten
  • (ccc) Bank- und kapitalmarktrechtliche Meldepflichten mit Konzernbezug
  • (cc) Zwischenergebnis zu Informationsansprüchen gegenüber einer faktisch abhängigen AG
  • (dd) Zulässigkeit der Informationsweitergabe
  • (aaa) Vornehmliche Relevanz der Zulässigkeitsfrage in der Praxis
  • (bbb) Anwendbarkeit der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 3 AktG?
  • (ccc) Vorgaben aus § 311 AktG
  • (ddd) Insiderrechtliche Informationsweitergabeverbote
  • II. Datenschutz
  • 1. Konfliktpotential von Compliance-Maßnahmen und Datenschutzbestimmungen
  • 2. Zulässigkeitstatbestände i.S.v. § 4 Abs. 1 BDSG
  • (a) Betriebsvereinbarungen
  • (b) § 32 BDSG
  • (c) § 28 BDSG
  • § 3. Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse
  • Teil 6. Weitere Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen einer mangelhaften Compliance-Organisation
  • § 1. Tatbestandsvoraussetzungen
  • A. Gesellschaftsrechtliche Haftung
  • I. § 93 Abs. 2 AktG und § 43 GmbHG
  • (a) Haftungsadressaten
  • (b) Verschulden
  • (c) Kausalität
  • (aa) Grundsätzliche Anforderungen
  • (bb) Kausalität bei Kollegialentscheidungen
  • II. §§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3 AktG
  • B. Haftung nach dem Recht der Ordnungswidrigkeiten
  • C. Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht
  • § 2. Schadensumfang und Bemessung von Bußgeldern
  • A. Gesellschaftsrechtliche und deliktsrechtliche Haftung
  • I. Schadensberechnung und Beweislast
  • II. Vorteilsanrechnung und besondere Schadenspositionen
  • 1. Anrechnung von Vorteilen
  • 2. Kosten der Rechtsverfolgung und Sachverhaltsaufklärung
  • 3. Besonderheiten des Innenregresses bei Geldbußen
  • (a) Maßgebliche Bedeutung des Kartellrechts
  • (b) Adäquat kausaler Schaden
  • III. Konzeptionelle Besonderheiten der Haftung nach §§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3 AktG
  • B. Auswirkungen von Compliance-Systemen auf die Bemessung von Bußgeldern
  • I. Fragestellung und notwendige Differenzierungen
  • II. Haftung der Organe
  • III. Haftung der Unternehmen
  • 1. Beurteilung nach nationalem Recht
  • 2. Gemeinschaftsrecht
  • § 3. Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse
  • Teil 7. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Teil 1. Einführung

“If you think compliance is expensive, try non-compliance.”

Früherer U.S. Deputy Attorney General Paul McNulty —

§ 1. Untersuchungsgegenstand und Zielsetzungen

Das Themengebiet Compliance hat innerhalb der letzten Jahre einen rasanten Bedeutungszuwachs erfahren. Beleg für die gestiegene Sensibilisierung ist nicht zuletzt das im Dunstkreis von Compliance-Fragen immer wieder auftauchende Eingangszitat. Die aktuelle Bedeutung beschränkt sich nicht nur auf eine literarische Aufarbeitung, sondern beschäftigt sowohl Unternehmen als auch Gerichte. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die erste Seite dieser Untersuchung an einem Tag niedergeschrieben wurde, an welchem sich ein Gericht mit der Verantwortung eines ehemaligen Top-Manager des Siemens Konzerns im Zuge des Siemens Korruptionsskandals befassen musste.1 Die innere Rechtfertigung der vorliegenden Arbeit stützt sich jedoch nicht auf diese zeitliche Koinzidenz, sondern darauf, dass Grenzen, Intensität und Ausgestaltung von Compliance-Systemen zwar in der Einzelgesellschaft mittlerweile hinreichend ausgeleuchtet sind, man im Konzern jedoch weitgehend Terra incognita betritt. Angesichts der Bedeutung von Konzernen ist dies überraschend. Insbesondere die Nationalität der Rechtsordnungen verlangt grenzüberschreitender unternehmerischer Tätigkeit häufig die Nutzung von Konzernstrukturen ab. Dies wirkt sich insbesondere auf nationale Unternehmen aus, die traditionell einen überproportionalen Exportanteil aufweisen. Die Verbindung von Unternehmen stellt vor diesem Hintergrund den Normalfall, das Einzelunternehmen dagegen den Sonderfall, dar. Umso schwerer wiegt die fehlerhafte – aber häufig vorgenommene – Verallgemeinerung von Compliance-Maßnahmen großer Konzerne. Diese haben sich zwar seit geraumer Zeit mit konzernweiten Compliance-Pflichten abgefunden,2 doch sagt dies weder etwas über ihre allgemeine Geltung noch über ihre dogmatischen Grundlagen aus. Die fehlende Trennschärfe des Kriteriums „großer“ Konzerne rundet diesen Befund ab.

Diese Untersuchung möchte daher einen Beitrag zur Konkretisierung der Compliance-Pflichten im Konzern leisten. Konkret soll der Frage nachgegangen werden, unter welchen Umständen das geschäftsführende Organ einer herrschenden Gesellschaft für Compliance-Verstöße in Tochtergesellschaften haftet. Ziel ist es, sowohl die rechtlich notwendigen als auch die rechtlich zulässigen Maßnahmen des geschäftsführenden Organs der herrschenden Gesellschaft ← 15 | 16 → einer Präzisierung zuzuführen. Dabei soll zunächst ein Mindeststandard der notwendigen Compliance-Maßnahmen gebildet werden. Darüber hinaus sind die rechtlichen Beschränkungen aufzuzeigen, welche sich im Konzern sowohl auf den gebildeten Compliance-Mindeststandard als auch auf weitergehende Compliance-Maßnahmen auswirken. Hierbei wird von der Prämisse ausgegangen, dass es sich bei der herrschenden Gesellschaft um eine GmbH oder eine AG handelt, welche eine einheitliche Leitung i.S.v. §18 AktG ausübt. Angesichts der rechtstatsächlichen Bedeutung dieser Gesellschaftsformen erscheint diese Eingrenzung notwendig und zweckmäßig. Weiterhin wird die Untersuchung Fallkonstellationen ausgrenzen, in welchen den geschäftsführenden Organen der herrschenden Gesellschaft eine aktive Mitwirkung an den Zuwiderhandlungen innerhalb des Konzerns anzulasten ist. Die sich daraus ergebenden Folgen – auch im Sinne einer strafrechtlichen Beteiligung – sind weitgehend unproblematisch und werden an den jeweils relevanten Stellen kursorisch angesprochen. Abschließend sollen die weiteren Haftungsvoraussetzungen und Haftungsfolgen einer näheren Analyse unterzogen werden.

§ 2. Gang der Untersuchung

Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Herausarbeitung des aktuellen Compliance-Verständnisses. Trotz – oder vielleicht auch gerade wegen –der anhaltenden Begriffsdiskussion und der nahezu omnipräsenten Begriffsverwendung in Literatur und Praxis hat sich bisher keine allgemeingültige Definition herauskristallisiert. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis bildet den Ausgangspunkt für die Erläuterung der organisatorischen Dimension des Compliance-Begriffs im ersten Teil der Untersuchung. Hierbei wird darzustellen sein, dass insbesondere Normen und Standards aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis die Triebfeder für die nationale Entwicklung von Compliance bildeten. Die Darstellung internationaler Anforderungen leitet über zur nationalen Rezeption der Standards, welche die primär unternehmensorganisatorische Bedeutung von Compliance belegt. Im Anschluss an diese Ausführungen widmet sich der dritte Teil der Untersuchung einer Analyse von Compliance in Einzelunternehmen. Klärungsbedürftig wird insbesondere sein, ob und welche compliance-spezifischen Pflichten den geschäftsführenden Organen de lege lata obliegen. Die Behandlung von Einzelgesellschaften ist zwingend notwendig, da der Konzern nichts anderes als eine Zusammenfügung von Einzelgesellschaften unter einer einheitlichen Leitung ist. Bestehen compliance-spezifische Pflichten in einer Einzelgesellschaft, so stellt sich die logische Folgefrage, ob diese ebenfalls Geltung in Konzernverhältnissen beanspruchen. Daneben wird die Untersuchung nachweisen, dass die geschäftsführenden Organe einer herrschenden Gesellschaft dazu verpflichtet sind, die Compliance-Maßnahmen einer Konzerngesellschaft zu überwachen. Einer Überwachungsaufgabe kann jedoch nur derjenige ← 16 | 17 → gerecht werden, der auch Kenntnis über das Überwachungsobjekt – die rechtlichen Anforderungen an Compliance-Maßnahmen einer Einzelgesellschaft – besitzt.

Auf Basis dieser Erkenntnisse wendet sich der vierte Teil der Untersuchung dem Konzern zu. Kernanliegen dieses vierten Teils ist die Analyse der Normen bzw. Normkomplexe, aus welchen eine Verantwortung der geschäftsführenden Organe für Compliance-Verstöße in Tochtergesellschaften folgt. Die Untersuchung wird verdeutlichen unter welchen Voraussetzungen Compliance-Verstöße auf einer unteren Konzernhierarchieebene zu einer Haftung der Konzernleitung führen können. Hierbei wird die Untersuchung u.a. auf die Bedeutung von spezialgesetzlichen Anforderungen des Aufsichtsrechts eingehen und die Frage beantworten, ob diese einer Verallgemeinerung und Übertragung auf nicht regulierte Branchen und Wirtschaftszweige zugänglich sind. Konnten damit die rechtlichen Anforderungen für den Konzern ausgelotet werden, so wird die Untersuchung im fünften Teil einen Mindeststandard konzernweiter Compliance-Maßnahmen entwickeln. Dieser soll die Basisanforderungen konkretisieren, welche die geschäftsführenden Organe der herrschenden Gesellschaft beachten müssen, um einer Haftung – resultierend aus Compliance-Verstößen in Tochtergesellschaft – vorzubeugen. Im Anschluss daran werden die rechtlichen Grenzen konzernweiter Compliance-Maßnahmen dargestellt. In Kombination mit dem Mindeststandard entsteht so ein Rahmen, welcher die rechtlich zulässigen und erforderlichen Compliance-Maßnahmen einkreist. Gleichzeitig stellt die Untersuchung der rechtlichen Grenzen die notwendige Gegenprobe zur Angemessenheit und Durchsetzbarkeit des Mindeststandards dar.

Vor dem Abschlusskapitel wird darzustellen sein, welche weiteren notwendigen Voraussetzungen für eine Haftung des geschäftsführenden Organs der herrschenden Gesellschaft erfüllt sein müssen und welche konkreten Fragestellung die Bezifferung des verursachten Schadens aufwirft. Insoweit verdient auch die Frage Beachtung, ob sich die reine Vorhaltung und Existenz eines unternehmerischen Compliance-Systems auf die Bemessung von Geldbußen auswirkt.

1 Becklink 1013345, Meldung vom 20.05.2011.

2 Habersack, FS Möschel, S. 1175 (1175).

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Teil 2. Begriffsverständnis und Grundlagen von Compliance

Eine Annäherung an den Untersuchungsgegenstand setzt denknotwendig eine klar konturierte Begriffsdefinition voraus. Die Untersuchung erarbeitet zunächst das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Compliance. In diesem Zusammenhang ist eine kursorische Darstellung der internationalen Sichtweise von Compliance unumgänglich. Diese ist zum einen nötig da deutsche Konzerne mit multinationalem Tätigkeitsbereich häufig direkte Normadressaten sind zum anderen entwickelte sich aus Normierungen im anglo-amerikanischen Rechtskreis das heute dominierende organisatorische Verständnis von Compliance. § 2 widmet sich anschließend einer knappen Darstellung der nationalen Compliance-Entwicklung und spezifischer Rechtsgrundlagen. Abschließend werden die typischen Elemente eines Compliance-Systems sowie die damit verbundenen – und einem entsprechenden System beigemessenen – Funktionen erläutert.

§ 1. Definition und begriffliche Abgrenzungen von Compliance

A. Begriffsdefinition

I. Aktuelle Relevanz von Compliance in Literatur und Praxis

Compliance leitet sich vom dem englischen Begriff „to comply with“ ab, was mit „einhalten“, „übereinstimmen“ oder „befolgen“ übersetzt werden kann. Die Terminologie findet seit geraumer Zeit Verwendung in der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion. Insbesondere die vergangenen Jahre haben zu einer intensiven Diskussion über verbundene rechtliche Fragestellungen geführt. Die anhaltende Diskussion wird von einer sprunghaft ansteigenden Zahl von Publikationen begleitet. Neben einer Flut von Aufsätzen3 existiert mittlerweile eine Fachzeitschrift, die sich primär rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit Compliance widmet.4 Handbücher untersuchen die rechtlichen Wechselwirkungen von Compliance und verschiedenen ← 19 | 20 → Rechtsmaterien5 sowie die branchenspezifische Bedeutung des Themengebietes.6 Der Bedeutungszuwachs beschränkt sich nicht nur auf das Schrifttum, sondern findet seine Fortsetzung in der Praxis. Spektakuläre Korruptionsskandale, Verstöße gegen das Kartellrecht und die damit zusammenhängenden Bußgelder sowie die strafrechtliche Verfolgung von geschäftsführenden Organen beschleunigten diese Entwicklung. Mittlerweile haben sich auf Ebene der an deutschen Börsen gelisteten Unternehmen Leitfäden für den Umgang mit Compliance etabliert. In den betrieblichen Organigrammen finden sich Compliance-Abteilungen, Compliance-Beauftragte oder Compliance Officer. Auf diese Weise sind neue Tätigkeitsbereiche entstanden, welche in der Praxis vornehmlich von Juristen besetzt werden.

Wendet man sich den rechtlichen Grundlagen von Compliance zu, so ist festzustellen, dass dem nationalen Recht – im Gegensatz zum angloamerikanischen Recht7 – explizite Compliance Regelungen weitgehend fremd sind. Auf Gesetzesebene verwenden lediglich aufsichtsrechtliche Normen den Begriff.8 Diese aufsichtsrechtliche Begriffsnormierung erfährt in zahlreichen konkretisierenden Verordnungen, Richtlinien und Rundschreiben9 eine detaillierte Anforderungspräzisierung. Nicht im Range eines formellen Gesetzes, aber dennoch an dieser Stelle hervorzuheben ist Ziffer 4.1.3 des Deutschen Corporate Governance Kodexes (DCGK). Seit dem Jahr 2007 enthält der Kodex eine Compliance Definition,10 die auch in der Literatur vornehmliche Verwendung findet.← 20 | 21 →

Angesichts der Themenaktualität überrascht es, dass sich bisher keine allgemeingültige Definition herausbilden konnte. Die Verwendung des Begriffes lässt allerdings einen gemeinsamen Grundinhalt erkennen, welcher in seiner jeweiligen Reichweite und Ausformung Differenzierung ausweist. Kerninhalt ist jeweils die These, dass Unternehmen und ihre Mitarbeiter sowohl das geltende Recht als auch sonstige jeweils näher benannte Gebote als Grenze der unternehmerischen Tätigkeit beachten müssen. Da dem benannten Adressatenkreis bereits vergleichbare Verpflichtungen durch die Legalitätspflicht auferlegt werden, erschließt sich die aktuelle Relevanz und Popularität des Themenfeldes zunächst nicht unmittelbar. Die Tatsache, dass sich unternehmerische Betätigung innerhalb rechtlicher Rahmenbedingungen zu entfalten hat, wurde und wird berechtigterweise als „Binsenweisheit“11 bezeichnet. Zur Einordnung des Diskussionsstandes wird daher im Folgenden zunächst die inhaltliche Reichweite von Compliance sowie eine mit dem Begriff verbundene unternehmensorganisatorische Sichtweise herausgearbeitet.

II. Inhaltliche Reichweite von Compliance

1. Umfassendes Begriffsverständnis versus spezialgesetzliche Fokussierung

Erfordert Compliance die Beachtung und Wahrung von gewissen rechtlichen Schranken bzw. Rahmenbedingungen, so ist zunächst die inhaltliche Reichweite dieser Schranken zu identifizieren. Hiermit wird die Frage aufgeworfen, welche Verletzungshandlungen potentiell einen Verstoß gegen Compliance Grundsätze darstellen. Die Bewahrung von Compliance könnte zum einen nur einen sektoralen Gehalt aufweisen, welcher sich auf die Einhaltung von spezifischen rechtlichen Vorgaben bezieht, zum anderen kann der Begriff allgemein auf die Einhaltung von Normen der gesamten Rechtsordnung bezogen sein.

Vergegenwärtigt man sich die Tatsache, dass es sich bei Compliance um keinen gesetzlich konturierten Rechtsbegriff mit festen Bestandteilen handelt, so wird deutlich, dass die inhaltliche Reichweite des Begriffs in einem Abhängigkeitsverhältnis zum jeweiligen Betrachter und seinen Interessen steht. Eine Beschränkung auf die Einhaltung wertpapierhandelsrechtlicher Vorschriften könnte z.B. mit der Entstehungsgeschichte des Begriffs begründet werden.12 Zumindest Unternehmen im Wertpapier- und Finanzdienstleistungssektor müssen diesem hochsensiblen Rechtsgebiet zwangsläufig eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen lassen. Insoweit wird auch zwischen einem weiten Compliance Begriff und einer Wertpapier- bzw. kapitalmarktrechtlichen ← 21 | 22 → Compliance differenziert.13 In anderen Untersuchungen findet eine entsprechende Begriffsfokussierung auf die Kartellrechts-14 oder Tax Compliance15 statt. Die vorliegende Untersuchung verfolgt demgegenüber keinen sektoralen oder branchenspezifischen Ansatz. Daher ist von der Prämisse ausgehen, dass Compliance grundsätzlich die Einhaltung sämtlicher bindender Rechtsvorschriften verlangt. Diese Sichtweise entspricht auch der Definition des DCGK und dem gängigen Untersuchungsansatz sonstiger themenspezifischer Literatur.16 Eine Unterscheidung nach Art des Verstoßes, etwa einer Differenzierung zwischen vorsätzlichen oder fahrlässigen Handlungen unterbleibt ebenfalls. Ein entsprechendes Verständnis geht auf die historischen Ursprünge der Compliance-Entwicklung zurück17 und ist in dieser Form nicht mehr angezeigt.

2. Fehlende Notwendigkeit zur Einbeziehung von vertraglichen Verpflichtungen

Üblicherweise war die Einhaltung von vertraglichen Verpflichtungen nicht von den gängigen Compliance Definitionen erfasst. Dies änderte sich jedoch mit der Veröffentlichung des Prüfungsstandardentwurfs „Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance Management Systemen“ (IDW/EPS 980).18 Der am 11.03.2010 durch den Hauptfachausschuss des Institutes der Wirtschaftsprüfer e.V (IDW) veröffentlichte Entwurf, geht von einem erheblich erweiterten Verständnis aus und bezieht Compliance auch auf die Einhaltung vertraglicher Pflichten.19 Der Vorstoß ist zumeist auf Ablehnung gestoßen. So wird darauf hingewiesen, dass vertragliche Pflichtverletzungen im Gegensatz zu klassischen Compliance-Verstößen nicht zwingend pflichtwidrig seien.20 Daneben führe die Einbeziehung vertraglicher Verpflichtungen zu einer Vermischung von Komponenten mit unterschiedlicher Zielrichtung und ← 22 | 23 → Bedeutung21 sowie Rechtsunsicherheit und einer Arbitrage zwischen vorhandenen Compliance Standards.22

Zwei wesentliche Gründe bestärken die vorgebrachte Kritik. Zunächst ist richtig, dass die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen nicht zwangsläufig pflichtwidrig sein muss, da der Unternehmensleitung bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten – nach überwiegender Ansicht – ein unternehmerischer Handlungsspielraum zusteht.23 Dies ermöglicht eine Differenzierung zwischen gesetzlich auferlegten Verhaltenspflichten und Vertragspflichten, welche bei der Definition von Compliance zu berücksichtigen ist. Daneben überdehnt die vollständige Überwachung der unternehmerischen Vertragstreue den Zuständigkeitsbereich und die faktischen Möglichkeiten bisheriger Compliance-Systeme. Die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen ist primär der Kontrolle und dem Verantwortungsbereich der Vertragsparteien zuzuweisen.24 Für den Zweck dieser Untersuchung ist daher von der Einbeziehung vertraglicher Verpflichtungen abzusehen.

3. Einbeziehung von Selbstverpflichtungen und „soft law“?

Ausgehend von der ursprünglichen rechtlichen Betrachtungsweise zeichnet sich zunehmend ein Trend ab, welcher die Einhaltung non–legislativer, gesellschaftspolitischer und ethischer Standards in den Mittelpunkt der Begriffsdiskussion rückt.25 Compliance sei demnach nicht nur auf eine rein rechtliche Ebene zu reduzieren, sondern verlange als ganzheitlicher Managementansatz die Beachtung eines umfassenderen Kreises von Interessen und Standards.26 Die hierzu vertretenen Definitionen weichen voneinander ab und lassen den konkreten Schutzumfang nicht immer klar erkennen. So wird Compliance teilweise allgemein als die Befolgung und Einhaltung von bestimmten Geboten umschrieben.27 Für andere wiederum steht Compliance für die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen und regulatorischer Standards und die Erfüllung weiterer wesentlicher Anforderungen der Stakeholder.28 Noch weitergehender wird eine Verbindung von ethischen Grundsätzen im Denken und Handeln – in der Literatur häufig mit dem Begriff „Integrity“ umschrieben ← 23 | 24 → – und Compliance gesehen.29 Compliance beziehe sich demnach auch auf Werte wie Integrität, Respekt, Vielfalt und Qualität.30 Für die Herausarbeitung des dieser Arbeit zugrunde liegenden Begriffsverständnisses ist es zweckmäßig zunächst zwischen der Einhaltung von Selbstverpflichtungen und darüber hinausgehenden Pflichten zu differenzieren, welche zusammenfassend auch als „soft law“ bezeichnet werden.31

(a) Relevanz von Selbstverpflichtungen

Sowohl der Definitionsansatz des DCGK als auch zahlreiche Definitionsvorschläge der Literatur sehen – neben normativen Geboten – die Einhaltung unternehmensinterner Richtlinien als vom Compliance Begriff umfasst an.32 Zu diesen unternehmensinternen selbstverpflichtenden Richtlinien zählen insbesondere Regelungen in Satzung, Geschäftsordnung, Arbeitsanweisungen oder Verhaltenskodizes. Der erweiterte Ansatz verdient Zustimmung. Die Gewährleistung von Rechtskonformität im Unternehmen und ein effektives Compliance-System basieren zu einem wesentlichen Teil auf unternehmensinternen Richtlinien. Eine Nichtbeachtung dieser Vorgaben untergräbt die Effektivität von Compliance-Bemühungen. Es ist daher nur folgerichtig, dass effektive Compliance auch die Einhaltung selbstverpflichtender Vorgaben erfordert. Konkrete haftungsrechtliche Relevanz erlangt dies spätestens, wenn die mehrfache Tolerierung von Verstößen gegen unternehmensinterne Richtlinien als Beleg für die mangelnde Effizienz des gesamten Compliance-Systems herangezogen wird. Dies kann durchaus ein Haftungsrisiko für die geschäftsführenden Organe begründen bzw. erhöhen. Es ist daher sachgerecht Compliance auf die Einhaltung von Selbstverpflichtungen zu erstrecken.33 ← 24 | 25 →

(b) Relevanz von „soft law“

Nach extensiver Auslegung soll Compliance die Einhaltung von moralischen und ethischen Werten sowie sonstigen Anforderungen von Stakeholdern erfassen.34 Für eine entsprechende Ausweitung der inhaltlichen Dimension des Compliance-Begriffes könnte die Feststellung streiten, dass effektive Compliance mehr verlangt als die Umsetzung des geltenden Rechts. Die Effektivität geht mit einem an moralischen und ethischen Werten ausgerichteten Führungsstil einher. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wirksamkeit von Maßnahmen eng mit der herrschenden Unternehmenskultur zusammenhängt.35 Demnach entfalten Verhaltensrichtlinien, Schulungen, und andere Compliance-Instrumente ausschließlich dann ihre volle Wirkung, wenn das Bekenntnis zur Befolgung von Regeln auch im Unternehmen gelebt wird und Bestandteil der Unternehmenskultur ist.36 Kommunizieren Führungskräfte unternehmenseigne ethische Ziele und richten auch ihr eigenes Handeln nach diesen Vorgaben aus, so beeinflusst dies maßgeblich die Regelkonformität der Mitarbeiter.

Details

Seiten
298
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653038156
ISBN (ePUB)
9783653991260
ISBN (MOBI)
9783653991253
ISBN (Hardcover)
9783631648384
DOI
10.3726/978-3-653-03815-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Februar)
Schlagworte
Konzern Geschäftsführer Tochtergesellschaften Legalitätspflicht Organhaftung Datenschutzrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 298 S.

Biographische Angaben

André Frischemeier (Autor:in)

André Frischemeier studierte Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth. Nach dem ersten Staatsexamen leistete er sein Referendariat im Bezirk des OLG Hamm ab, welches er mit dem Zweiten juristischen Staatsexamen abschloss. Seitdem ist der Autor als Rechtsanwalt in Köln tätig. Die Promotion erfolgte an der Universität Bayreuth.

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Titel: Die Haftung geschäftsführender Organe für Compliance-Verstöße in Tochtergesellschaften
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