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Produktnamen der Lebensmittelindustrie

Eine empirisch-strukturelle Untersuchung

von Marion Ernst (Autor:in)
©2014 Dissertation 182 Seiten

Zusammenfassung

Für die Positionierung neuer Produkte spielen Produktnamen eine wesentliche, nicht zuletzt marktwirtschaftlich relevante Rolle. Oft künstlich geschaffen, müssen Produktnamen sprachlich ein umfassendes Anforderungspaket erfüllen, um unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgreich zu sein. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die spezifischen Wortbildungsverfahren für Produktnamen der Lebensmittelindustrie. Untersucht wird anhand eines statistisch auswertenden Verfahrens, durch welche phonologischen und morphologischen Eigenschaften die Produktnamen gekennzeichnet sind. Grundlage für die Untersuchung sind Produktnamen, die mit Hilfe italienischer Diminutivsuffixe gebildet wurden, die durch Wortkürzung entstanden und die rein künstlich geprägt sind. Die Autorin geht der Frage nach, inwieweit sich die Produktnamenkreation von standardsprachlichen Wortbildungsprozessen unterscheidet: Untersucht wird der Einsatz und die Funktion fremdsprachlicher Elemente wie auch die Möglichkeit, Derivationen mit Hilfe nicht-nativer Suffixe vorzunehmen. Erläutert wird, wie innovativ die Produktnamenbildung ist, inwieweit sie einerseits standardsprachliche Regeln verletzt und wie sie andererseits sprachliche Optimierungen vornehmen kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Editorial
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 1.1 Forschungslage
  • 1.2 Forschungsgegenstand und Zielsetzung
  • 1.3 Erläuterungen zum Begriff Produktname
  • 1.3.1 Terminologische Grundlagen
  • 1.3.2 Der linguistische Status der Produktnamen
  • 1.3.3 Produktnamen als Appellativa mit proprialen Eigenschaften
  • 1.3.4 Produktnamen in appellativischer Funktion
  • 1.3.5 Kommerzielle Deonomastik
  • 1.3.6 Der semantische Gehalt von Produktnamen
  • 2. Funktionen des Produktnamens
  • 2.1 Distinktion
  • 2.2 Werbe- und Appellfunktion
  • 2.3 Auffälligkeit
  • 2.3.1 Lexikalische Ebene
  • 2.3.2 Morphologische und phonologische Ebene
  • 2.3.3 Orthographische Ebene
  • 2.3.4 Internationalität
  • 3. Morphologie und morphologische Prozesse
  • 3.1 Zur Bedeutung fremdsprachlicher Anleihen im Rahmen der Produktonomastik
  • 3.2 Xenismen
  • 3.3 Derivate – Suffixderivationen
  • 3.3.1 Suffigierung
  • 3.3.2 Substantivische Suffigierungen im Rahmen der Produktnamenbildung
  • 3.4 Das Datenmaterial
  • 3.4.1 Silbenzahl
  • 3.4.2 Silbenformen
  • 3.4.3 Silbenränder der abgeleiteten Produktnamen
  • 3.4.3.1 Silbenränder der Dreisilber
  • 3.4.3.2 Silbenränder der Viersilber
  • 4. Zur Semantik der Diminutivsuffixe
  • 4.1 Morpheme oder Phonästheme?
  • 4.2 Semantische Eigenschaften der Basen
  • 4.3 Kategorien der Basen
  • 4.4 Französisches Suffix -ette
  • 4.4.1 Französisches -ette und seine Varianten in Produktnamen
  • 4.4.2 Kategorien der Basen
  • 4.4.3 Semantische Kategorien der Basen
  • 4.4.4 Zusammenfassung
  • 5. Die Ableitung mit italienischen Diminutivsuffixen
  • 5.1 Stammformbildung des Normalwortschatzes
  • 5.2 Stammformbildung der Produktnamen
  • 5.3 Zusammenfassung
  • 6. Der optimalitätstheoretische Ansatz
  • 6.1 Die Constraints – universal und verletzbar
  • 6.2 Analyse der dreisilbigen Produktnamen im Rahmen der OT
  • 6.3 Zusammenfassung
  • 7. Wortkürzung
  • 7.1 Definition - Abgrenzung zu Abkürzungen - Divergenzen zwischen Kurzwort und Vollform
  • 7.2 Ist Kurzwortbildung Wortbildung?
  • 7.3 Klassifikation der Kurzwörter
  • 7.3.1 Unisegmentale Kurzwörter
  • 7.3.2 Multisegmentale Kurzwörter
  • 7.4 Analyse der durch Kürzung entstandenen Produktnamen
  • 7.4.1 Unisegmentale Kurzwörter (Kopfwörter)
  • 7.4.2 Multisegmentale Kurzwörter
  • 7.4.3 Diskontinuierliche Kurzwortbildung
  • 7.5 Häufigkeiten der durch Kürzung entstandenen Produktnamen
  • 7.6 Kategorien der Basislexeme der Wortkürzungen
  • 7.7 Silbenzahlen gekürzter Produktnamen
  • 7.7.1 Silbenzahlen deutscher Wortkürzungen
  • 7.7.2 Silbenformen der durch Kürzung entstandenen Produktnamen
  • 7.7.2.1 Silbenformen der Einsilber
  • 7.7.2.2 Silbenformen der Zwei- und Dreisilber
  • 7.7.2.3 Silbenformen der Viersilber
  • 7.7.2.4 Silbenformen deutscher Kurzwörter
  • 7.8 Silbenränder der Kurzwörter
  • 7.8.1 Silbenränder der Einsilber
  • 7.8.2 Silbenränder der Zweisilber
  • 7.8.3 Silbenränder der Drei- und Viersilber
  • 8. Lautstruktur der Kurzwörter
  • 8.1 Tonvokale
  • 8.2 Auslautvokale – Wortende
  • 8.3 Vokalreduplikationen
  • 8.4 Konsonanten
  • 8.4.1 Anlautkonsonanten: Wortanfang
  • 8.4.2 Konsonanten im Wortauslaut
  • 8.4.3 Konsonantenreduplikationen
  • 8.4.4 Wortakzent
  • 8.5 Analyse der durch Kürzung entstandenen Produktnamen im Rahmen des OT-Ansatzes
  • 8.5.1 Zusammenfassung
  • 9. Kunstwörter
  • 9.1 Kunstwörter als Wortneubildung
  • 9.2 Wortneubildungen - Neologismen
  • 9.3 Einführung in das Datenmaterial der Kunstwörter
  • 9.4 Silbenzahlen der Kunstwörter
  • 9.5 Silbenformen der Kunstwörter
  • 9.6 Silbenränder der Kunstwörter
  • 9.6.1 Silbenränder der Einsilber
  • 9.6.2 Silbenränder der Zweisilber
  • 9.6.3 Silbenränder der Dreisilber
  • 9.6.4 Silbenränder der Viersilber
  • 9.6.5 Zusammenfassung
  • 10. Lautstruktur der Kunstwörter
  • 10.1 Tonvokale
  • 10.2 Auslautvokale – Wortende
  • 10.3 Vokalreduplikationen
  • 10.4 Konsonanten
  • 10.4.1 Anlautkonsonanten (Wortanfang)
  • 10.4.2 Konsonanten am Wortende
  • 10.4.3 Konsonantenreduplikationen
  • 10.5 Zusammenfassung
  • 11. Die formale Struktur der Kunstwörter
  • 11.1 Die formale Struktur unter morphologischem Aspekt
  • 11.1.1 Die formale Struktur unter graphematischem Aspekt
  • 11.1.2 Graphemzunahme
  • 11.1.3 Graphemreduktion
  • 11.1.4 Graphemersetzung bei gleichem phonetischem Gehalt
  • 11.1.5 Phonetische Schreibweise
  • 11.2 Die formale Struktur unter semantischem Aspekt
  • 11.3 Lautbedeutsamkeit
  • 12. Abschlussbetrachtung
  • Literatur

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1. Einleitung

Marken- und Produktnamen1 stellen einen zentralen Bereich der Alltagskommunikation dar. Führt man sich die Momente vor Augen, in denen man mit dem Phänomen „Produktname“ konfrontiert wird, ließe sich eine beachtliche Liste von Situationen aufführen, die dies bestätigen: Sei es bei der Rezeption von Katalogen, Werbeprospekten, Anzeigen von Zeitschriften, Fernseh-, Radio- und Kinowerbung, sei es nicht zuletzt beim Kauf von Waren. Mit bis zu 300 Produktnamen kommt der Konsument täglich in Kontakt (Latour 1992:140). Produktnamen sind ein sprachlich omnipräsentes Phänomen, als Repräsentanten einer „lingua franca“ sind sie bis in die entlegensten Winkel der Welt verbreitet (Platen 1997:1).

Weltweit sind über 10 Millionen Markennamen geschützt, allein 400.000 entfallen auf Deutschland (Kircher 2001:477) – mehr als 42.000 kommen täglich hinzu. Ein wesentlicher Grund für die hohe Frequenz von Produktnamen liegt in dem stetig steigenden Warenangebot. Dieser Aspekt ist einerseits profan, unter onomasiologischem Aspekt andererseits von zentraler Bedeutung: Mit einer begrenzten Zahl sprachlicher Zeichen muss eine ständig wachsende Zahl von Produkten benannt werden.

Dieses Benennungsverfahren reicht dabei weit über ein der Distinktion dienendes Benennen hinaus, denn mit ihm gehen Anforderungen einher, die sowohl marktwirtschaftlicher, gesellschaftlicher und vor allem sprachlicher Natur sind.

Mit der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Industriealisierung erfuhr das Markenwesen, in Form einer markierten Industrieware, eine neue, erweiterte Bedeutung. Die Entwicklung von handwerklichen Produkten zur industriell hergestellten Massenware machte in erster Linie das gesamte Markengeschehen anonymer (Rüschen 1994:122), ein Aspekt, der auch Konsequenzen auf die Beziehung „Hersteller/Konsument“ hatte. Denn die überregionale Warenproduktion vergrößerte den räumlichen und semantischen Abstand zwischen Produzent und Abnehmer, sie wurde unpersönlicher (Leitherer 1994:137). Sollte die Bindung an den Kunden auch im anonymen Warenbetrieb Bestand haben, so musste dies der Markenartikel durch Kenntlichmachung seiner produktspezifischen Eigenschaften und – viel wichtiger noch – durch Kenntlichmachung seiner qualitätsstiftenden Funktion selbst leisten.

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Damit war das Markenartikelsystem moderner Prägung geschaffen worden, denn mit der industriellen Herstellung von Waren entstand auch ein neues Absatzsystem, in dem dem Markennamen eine bedeutende kommunikative Rolle zukam. Mit der Verwendung des Markenartikels entstand ein „neues Element im Warenvertrieb“ (Leitherer 1994:137), das in Ablösung vom gesprochenen Wort durch einen besonderen Zeichencharakter gekennzeichnet ist.

Die verbale Vertrauensbildung zwischen Hersteller und Konsumenten kam nun, reduziert auf eine Wort- und Bildsprache, der Marke und damit auch dem Markennamen zu. Durch sie wurden „neue soziale Stabilitäten“ eingeführt (Brandmeyer/Deichsel 1991:15), die fehlende Begegnung zwischen Produzent und Käufer ersetzte die Marke als vertrauensbildende Maßnahme. Der Markenartikel stellt quasi in anderer Form die verloren gegangene Kommunikation zwischen Hersteller und Verbraucher wieder her und tritt im Grunde auch an die Stelle des beratenden Verkaufsgesprächs.

Mit der Loslösung vom gesprochenen Wort zum standardisierten Zeichen verkürzte sich nicht nur die Kommunikation zwischen Hersteller und Konsumenten, die Marke allein wurde „Teil eines für das Produkt gültigen Sprachsystems“ (Leitherer 1994:138). Auf dem Absatzmarkt kam der Marke eine bedeutende kommunikative Rolle zu: Jenseits einer verbalen Kommunikation musste sie der Vertrauensbildung und Einflussnahme auf den Käufer dienen; beides sind Aspekte, die dem Kernziel des Markenwesens unterstehen: dem erfolgreichen Wiederverkauf der Ware und der langfristigen Sicherung des Absatzes (Rüschen 1994:123).

Eine echte Markenwarenproduktion mit modernen Produktionsbedingungen setzte in Deutschland um 1900 ein (Baßler 2002:160). Mit der industriellen Warenproduktion kamen so auch die ersten großen Markenprodukte auf den Markt: Neben Waschmitteln (Persil, 1907), Backpulver (Dr. Oetkers Backin), Brühwürfeln (Maggi, 1897) und dem von Bahlsen eingeführten „Keks“ (1911), gab es auch die ersten Körperpflegeprodukte (Odol, 1893) (Baßler 2002:161).

Mit den industriellen Produktionsbedingungen musste sich ein neues Produkt zwischen Groß- und Einzelhandel, Kaufhäusern und damit wirtschaftlicher Konkurrenz behaupten. Verstärkt wurde dies noch durch die später einsetzende Möglichkeit der Selbstbedienung, die, aus den USA importiert, nach dem zweiten Weltkrieg auch Deutschland erreichte und die Waren nicht nur in Massen, sondern auch in abgepackter Form verlangte. Markierte Ware wurde umso erforderlicher, als die Produkte nunmehr die einzige Vermittlungsinstanz zwischen Hersteller und Verkäufer waren und quasi für sich selbst sprechen mussten.

Die moderne Marktwirtschaft mit ihrer fortschreitenden Diversifizierung in allen Branchen, die gänzlich neue Produkte entstehen ließ, macht die ← 14 | 15 → Produktbenennung zu einer komplexen Aufgabe. Dies umso mehr, als die Öffnung internationaler Märkte werbewirksame Produktnamen in allen gängigen Sprachen mit gleichem Sinn und möglichst leichter Aussprache fordert, somit zusätzliche Anforderungen an die Produktnamenentwicklung stellt (s. hierzu Kap. „Internationalität“). Produktnamen müssen, sollen sie im Rahmen einer reizüberfluteten Konsumwelt erfolgreich sein, zu regelrechten mind-markern werden (Platen 1997:162), denn der Erfolg eines Produkts ist untrennbar mit seinem Namen verbunden.

Die Vorteile des Produkts werden in Verbindung mit dem Namen gelernt. Der Konsument orientiert sich am „guten Namen“, der zum Inbegriff für dauerhafte Qualität und Verlässlichkeit des Produkts wird und sogar zum Inhalt werden kann: Persil bleibt Persil.

Der Produktname wird so zum kognitiven Anker für das Produkt. Nomen est tota res – der Name ist das Produkt (Sprengel 1990:410). Inwieweit ein Produkt wiedererkannt wird, hängt in erster Linie mit dem Namen zusammen, Farbgebung, Form und Design des Schriftzuges spielen eine untergeordnete Rolle (Platen 1997:162).

Die moderne Produktnamenentwicklung ist deshalb so komplex geworden, weil neben den sprachlichen Anforderungen auch außersprachliche Faktoren eine wesentliche Rolle spielen. Außersprachlich insofern, als Produktnamen (sprachliche) Spiegel gesellschaftlicher Werte sind, im Grunde sogar Werteträger sein können, was bei der Kreation von Produktnamen berücksichtigt werden muss.

Moderne Produktnamen müssen ein vielschichtigeres Adressatenfeld anvisieren als beispielsweise noch Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Gesellschaftsschicht war damals deutlich homogener im Hinblick auf Wertvorstellungen, Konsumbedarf und Lebensstil (Ronneberger-Sibold 1998:220). Produzenten und Firmen hatten einen engeren Kundenkreis, d.h. Kundenprofile waren enger umrissen. Die Verkaufssituation war weit weniger anonym, der Kauf eines Produkts wurde von einem Verkaufsgespräch begleitet, das die Vorzüge eines Produkts, unabhängig von seinem Namen, kenntlich machte.

Ein einfacher Firmenname oder der Name des Herstellers waren also vollkommen ausreichend und sprachen, wenn sie etabliert waren, durch ihren Namen für die Qualität des oder der Produkte (z.B. die Bleistiftfirma Faber-Castell (1839) Maggi (1886).

Details

Seiten
182
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653047097
ISBN (ePUB)
9783653980721
ISBN (MOBI)
9783653980714
ISBN (Hardcover)
9783631654743
DOI
10.3726/978-3-653-04709-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (September)
Schlagworte
Phonologie Morphologie Kunstwörter Lautstruktur Diminutivsuffix
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 182 S., 32 s/w Abb., 16 Tab.

Biographische Angaben

Marion Ernst (Autor:in)

Marion Eva Ernst studierte Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und an der Sorbonne in Paris. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam und ist dort derzeit Lehrbeauftragte. Darüber hinaus ist sie in der Lehrerfortbildung beschäftigt. Ihr wissenschaftlicher Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich der Morphologie und Phraseologie.

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