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Abgabenzahlungspflicht und Zahlungsverbot bei Insolvenzreife der AG und GmbH

von Nicolas Rossbrey (Autor:in)
©2015 Dissertation XXX, 460 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor untersucht die Streitfrage, ob der Geschäftsleiter einer insolvenzreifen AG oder GmbH deren Abgabenpflichten erfüllen muss oder ob ihm dies umgekehrt gemäß §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG verboten ist. Der Darstellung der wechselhaften Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Diskussion zu dieser Frage folgt eine kritische Untersuchung der heute herrschenden Meinung. Darauf aufbauend entwickelt der Autor ein eigenes Konzept, um das Verhältnis von Zahlungsverbot und Zahlungspflicht zu ordnen. Dabei befasst er sich auch eingehend mit den Rechtsfolgen verbotener Zahlungen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1. Abschnitt: Einleitung
  • § 1 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
  • A. Ausgangsproblem
  • B. Überblick über die Entwicklung der kontroversen Rechtsprechung und deren vorläufiger Schlusspunkt
  • C. Status quo und Ziel der Untersuchung
  • D. Gegenständliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
  • § 2 Gang der Darstellung
  • 2. Abschnitt: Haftungsrechtliche Ausgangslage
  • § 3 Strafbarkeit und Haftung des Geschäftsleiters wegen Vorenthaltung von Arbeitnehmerbeiträgen
  • A. Einleitung
  • B. Strafbarkeit
  • I. Historisches
  • II. Tatbestand des § 266 a Abs. 1 StGB
  • 1. Täterqualifikation
  • 2. Tathandlung
  • a) Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge
  • b) Fälligkeit der Beiträge
  • 3. Möglichkeit der Abführung
  • C. Zivilrechtliche Haftung
  • D. Zusammenfassung
  • § 4 Strafbarkeit und Haftung des Geschäftsleiters wegen Nichtzahlung von Steuern
  • A. Einleitung
  • B. Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht
  • I. § 26 b UStG
  • II. § 380 AO
  • III. Sonstige Ordnungswidrigkeitstatbestände
  • IV. Straftatbestände
  • C. Persönliche Haftung
  • I. Anspruchsgrundlage
  • II. Voraussetzungen für die Haftung nach §§ 34, 69 AO
  • 1. Pflichtverletzung
  • 2. Verschulden
  • 3. Kausalität und Schaden
  • D. Zusammenfassung
  • § 5 Haftung des Geschäftsleiters wegen verbotener Zahlungen bei Insolvenzreife
  • A. Allgemeines
  • B. Tatbestand der verbotenen Zahlung
  • I. Insolvenzreife
  • 1. Zahlungsunfähigkeit
  • 2. Überschuldung
  • II. Zahlungen
  • III. Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
  • C. Zusammenfassung
  • § 6 Grundlagen zum Insolvenzanfechtungsrecht
  • A. Grundlagen und Bedeutung des Insolvenzanfechtungsrechts für die vorliegende Untersuchung
  • B. Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung
  • I. Gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung
  • II. Die einzelnen Anfechtungstatbestände
  • III. Rechtsfolgen
  • C. Zusammenfassung
  • 3. Abschnitt: Meinungsstand und dogmatische Einordnung der untersuchten Rechtsfrage
  • § 7 Entwicklung und Einordnung der Rechtsprechung
  • A. Einleitung
  • B. Die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH
  • I. Inhalt und Ursprung der „Vorrangrechtsprechung“
  • II. Haftungsentlastung im Rahmen der § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a Abs. 1 StGB wegen hypothetischer Insolvenzanfechtung?
  • III. Dogmatische Einordnung der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats im Hinblick auf §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG (jeweils a. F.)
  • C. Die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH
  • I. Anknüpfung an die „Vorrangrechtsprechung“ des VI. Zivilsenats des BGH
  • II. Die Einbeziehung des Zahlungsverbots in die Argumentation des 5. Strafsenats des BGH
  • 1. Der Beschluss vom 30.7.2003
  • 2. Der Beschluss vom 9.8.2005
  • III. Zusammenfassung
  • D. Die Rechtsprechung des BFH
  • I. Überblick
  • II. Lohnsteuerhaftung in der Rechtsprechung des BFH
  • 1. „Vorrang“ des Fiskus bei Mittelknappheit des Steuerschuldners
  • 2. Die Einbeziehung des Zahlungsverbots in die Argumentation des BFH
  • III. Grundsatz der anteiligen Tilgung in der Rechtsprechung des BFH
  • 1. Anteilige Befriedigung des Fiskus bei Mittelknappheit des Steuerschuldners
  • 2. Die Einbeziehung des Zahlungsverbots in die Argumentation des BFH
  • IV. Die BFH-Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung
  • 1. Lohnsteuerzahlung nur als Bargeschäft (§§ 142, 133 InsO) anfechtbar?
  • 2. Haftungsrechtliche Konsequenzen
  • V. Zusammenfassung
  • E. Die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH
  • I. Überblick
  • II. Die Linie des II. Zivilsenats des BGH bis 2007
  • 1. Der Anspruch aus §§ 92 Abs. 3, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG (jeweils a. F.)
  • 2. Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB
  • 3. Zwischenstand
  • III. Das Grundsatzurteil vom 14.5.2007 und die nachfolgende Rechtsprechung
  • 1. Die Kehrtwende des II. Zivilsenats des BGH durch das Urteil vom 14.5.2007
  • 2. Die weitere Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH
  • IV. Haftungsentlastung im Rahmen der § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a Abs. 1 StGB wegen hypothetischer Insolvenzanfechtung?
  • V. Zusammenfassung
  • F. Die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH
  • G. Fazit: Stand der Rechtsprechung heute
  • § 8 Meinungsstand in der Literatur
  • A. Einleitung
  • B. Arbeitnehmerbeiträge
  • I. Für die Geltung der Beitragszahlungspflicht
  • II. Für die parallele Geltung von Zahlungsverbot und Zahlungspflicht
  • III. Für die Geltung des Zahlungsverbots
  • C. Steuern
  • I. Für die Geltung der Steuerzahlungspflicht
  • II. Für die parallele Geltung von Zahlungsverbot und Zahlungspflicht
  • III. Für die Geltung des Zahlungsverbots
  • D. Zusammenfassung
  • § 9 Zusammenfassende dogmatische Einordnung des Streitstandes und der sich stellenden Rechtsfragen
  • A. Das Argument vom Vorrang der Abgabengläubiger
  • B. Das Argument von der Einheit der Rechtsordnung und die These von der Pflichtenkollision
  • C. Das Argument von der sorgfaltsgemäßen Betriebsfortführung
  • D. Zusammenfassung
  • 4. Abschnitt: Zur Einheit der Rechtsordnung, dem Rechtsinstitut der Pflichtenkollision und der Systematik der Haftungsnormen
  • § 10 Die Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Argumentationsfigur – Bedeutung und Inhalt
  • A. Die Einheit der Rechtsordnung als zentrales Argument der jüngeren Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH
  • B. Das Gebot von der Einheit der Rechtsordnung
  • I. Begriff
  • II. Geltungsgrund
  • C. Zulässigkeit kontradiktorischer Verhaltensanweisungen wegen Insolvenzverschleppung?
  • I. Meinungsstand
  • II. Stellungnahme
  • D. Zulässigkeit kontradiktorischer Verhaltensanweisungen wegen Verletzung des Zahlungsverbots in mindestens einem Fall?
  • I. Meinungsstand
  • II. Stellungnahme
  • E. Fazit und Folgerung im Hinblick auf das Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 14.5.2007
  • § 11 Zum systematischen Verhältnis zwischen §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG und §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, §§ 34, 69 AO
  • A. Zur These von der Pflichtenkollision durch Normwiderspruch
  • I. Ausgangslage
  • II. Begriff der Pflichtenkollision und Funktion des Rechtsinstituts
  • III. Pflichtenkollision zwischen §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG einerseits und §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, §§ 34, 69 AO andererseits?
  • IV. Zwischenergebnis
  • B. Zum systematischen Zusammenhang zwischen Zahlungspflicht des Geschäftsleiters und Zahlungspflicht der Gesellschaft
  • I. Ausgangslage
  • II. §§ 266 a Abs. 1, 14 StGB
  • 1. Pflichteninhalt der Strafnorm
  • 2. Akzessorietät der Pflicht aus § 266 a Abs. 1 StGB
  • 3. Besonderheit durch § 14 StGB?
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. §§ 34, 69 AO bzw. steuerrechtliches Ordnungswidrigkeitsrecht
  • 1. §§ 34, 69 AO
  • 2. Ordnungswidrigkeitsrecht
  • IV. Zusammenfassung
  • C. Zu den Auswirkungen des Zahlungsverbots auf die Zahlungspflichten der Gesellschaft gegenüber ihren Gläubigern
  • I. Problemaufriss
  • II. Meinungsstand
  • 1. §§ 92 Abs. 2 Satz 1 AktG, 64 Satz 1 GmbHG
  • 2. Zur Parallelproblematik bei §§ 92 Abs. 2 Satz 3 AktG, 64 Satz 3 GmbHG
  • III. Stellungnahme
  • 1. Zum Zusammenhang zwischen Zahlungsverbot des Organwalters und Zahlungspflichten der Gesellschaft
  • a) Ausgangsbefund
  • b) Rechtslage vor Ablauf der Antragsfrist oder nach rechtzeitiger Antragsstellung
  • c) Rechtslage bei Insolvenzverschleppung
  • 2. Dogmatische Einordnung der hier vertretenen Suspendierung von Zahlungspflichten
  • 3. Zusammenfassung
  • IV. Ergebnis und Konsequenzen für die Geschäftsleiterhaftung bei Insolvenzreife
  • D. Fazit im Hinblick auf Rechtsprechung und h. L.
  • § 12 Straf- und haftungsrechtliche Entlastung eines pflichtwidrig Handelnden wegen uneinheitlicher Rechtsprechung
  • A. Dogmatische Einordnung
  • I. Widersprüchliche Rechtsprechung und Einheitlichkeit der Rechtsordnung
  • II. Keine „Pflichtenkollision“ durch uneinheitliche Rechtsprechung
  • B. Exkulpation der rechtswidrigen Nichtzahlung
  • I. Prämisse und Gegenstand der folgenden Untersuchung
  • II. § 266 a Abs. 1 StGB
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Stellungnahme
  • a) Zur unzulässigen Vermischung verschiedener Rechtsinstitute durch die h. M.
  • b) Verbotsirrtum
  • aa) Entwicklung der zutreffenden Lösung auf Basis der Dogmatik vom „bedingten Unrechtsbewusstsein“
  • bb) Zu den alternativen Deutungen des behandelten Problems in der wissenschaftlichen Diskussion
  • cc) Zwischenergebnis
  • c) Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
  • aa) Einordnung der Exkulpation wegen Unzumutbarkeit
  • bb) Die Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens als außergesetzlicher Entschuldigungsgrund
  • cc) Beweisfragen
  • dd) Zwischenergebnis
  • d) Zusammenfassung
  • III. §§ 34, 69 AO
  • IV. Ordnungswidrigkeitsrecht
  • V. Ergebnis
  • C. Exkulpation der rechtswidrigen Zahlung
  • I. Prämisse und Gegenstand der folgenden Untersuchung
  • II. §§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, 64 Satz 2 GmbHG
  • III. Verbotsirrtum und Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
  • IV. Ergebnis
  • D. Anforderungen an den subjektiven Tatbestand
  • E. Fazit
  • 5. Abschnitt: Die These vom „Vorrang“ der Abgabengläubiger bei Insolvenzreife der AG und GmbH
  • § 13 Zur Vorrangrechtsprechung unter Außerachtlassung des Insolvenzrechts
  • A. Vorüberlegung im Hinblick auf die bisherigen Untersuchungsergebnisse
  • B. Zum Begriff und der Bedeutung des „Vorrangs“ als Argumentationsfigur
  • I. Begriffliche Einordnung
  • II. Bedeutung des „Vorrangs“ als Argumentationsfigur
  • 1. Anwendungsfälle der Argumentationsfigur des „Vorrangs“
  • a) Der „Vorrang“ im Zusammenhang mit der Mittelknappheit der Gesellschaft
  • b) Der „Vorrang“ im Zusammenhang mit der Mittelvorsorgepflicht
  • c) Der „Vorrang“ im Zusammenhang mit §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 und 2 GmbHG
  • 2. Dogmatische Einordnung der Vorrangargumentation
  • C. Zum lediglich „faktischen“ Vorrang der älteren Rechtsprechung
  • I. Zum „faktischen“ Vorrang der Arbeitnehmerbeiträge
  • II. Zum „faktischen“ Vorrang der Lohnsteuer und dem Grundsatz der anteiligen Tilgung betreffend die übrigen Steuern
  • III. Fazit
  • D. Zum „echten Vorrang“ der Abgabengläubiger im Rahmen der §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG
  • I. Einleitung
  • II. Argumentation der Rechtsprechung und Meinungsstand in der Literatur
  • III. Stellungnahme
  • 1. Kein Vorrang losgelöst von Wertungsmaßstäben des Insolvenzrechts
  • 2. Kein Vorrang betreffend der Arbeitnehmerbeiträge im Übrigen
  • a) Relevanz der nachfolgend zu erörternden Argumentation
  • b) Kein Vorrang qua Strafbewehrung
  • c) Kein Vorrang als logische Folge aus der Existenz des § 266 a Abs. 6 StGB
  • d) Kein Vorrang aus dem angeblichen Willen des historischen Gesetzgebers
  • e) Kein Vorrang „zwingender“ Zahlungsgebote vor dem „allgemeinen Zahlungsverbot“
  • f) Kein Vorrang von Allgemeininteressen gegenüber Einzelinteressen
  • g) Kein Vorrang zur Vermeidung strafrechtlicher Wertungswidersprüche
  • 3. Zum Vorrang der Steuern nach der Argumentation des BFH und der herrschenden Lehre
  • IV. Fazit
  • E. Ergebnis
  • § 14 Zur Vorrangrechtsprechung im Lichte des Insolvenzrechts
  • A. Einleitung
  • B. Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Gläubiger
  • I. Historisches
  • II. Die Insolvenzordnung von 1999
  • 1. Abschaffung etwaiger Gläubigervorrechte
  • 2. Kein klassenloser Konkurs – zu den verbliebenen Gläubigervorrechten
  • 3. Vereinbarkeit verbliebener Vorrechte mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung
  • III. Zusammenfassung
  • C. Zu den jüngsten gesetzgeberischen Bemühungen zur Wiederherstellung früherer Vorrechte von Fiskus und Sozialkasse
  • I. Überblick über die gesetzgeberische Entwicklung seit 1999
  • II. Vorrecht der Sozialkasse durch § 28 e Abs. 1 Satz 2 SGB IV?
  • 1. Inhalt und Entstehungsgeschichte
  • a) Inhalt
  • b) Entstehungsgeschichte
  • 2. Meinungsstand
  • a) Rechtsprechung
  • b) Literatur
  • 3. Stellungnahme
  • 4. Konsequenzen für die §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG
  • III. Vorrecht des Fiskus durch § 55 Abs. 4 InsO?
  • 1. Regelungsgegenstand
  • 2. Rechtliche Einordnung im Hinblick auf den angeblichen Vorrang der Abgabengläubiger
  • 3. Zusammenfassung
  • IV. Neue Vorrechte des Fiskus durch Erweiterung der Steuerschuldnerschaft?
  • V. Zusammenfassung
  • D. Ergebnis
  • 6. Abschnitt: Zur Geschäftsleiterhaftung bei Insolvenzreife
  • § 15 Bedeutung der Geschäftsleiterhaftung für das untersuchte Thema und Meinungsstand
  • A. Einleitung
  • B. Die Haftung wegen Insolvenzverschleppung nach der Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Literaturansicht
  • I. Überblick
  • II. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15 a Abs. 1 InsO
  • 1. Schutzgesetzeigenschaft
  • 2. Altgläubiger
  • 3. Neugläubiger
  • III. §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG
  • IV. Sonstige Haftungstatbestände
  • V. Zusammenfassung
  • C. Kritik aus der Wissenschaft
  • I. Der Kontrahierungsschaden der vertraglichen Neugläubiger
  • 1. Zur Einbeziehung der Neugläubiger in den Schutzbereich des § 15 a InsO
  • 2. Alternative Haftungstatbestände zugunsten der Neugläubiger
  • II. „Wirtschaftliche Gesamtschau“ und Berücksichtigungsfähigkeit von erbrachten Gegenleistungen durch Zahlungsempfänger im Rahmen der §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG
  • 1. Dogmatische Ansätze der wissenschaftlichen Kritik
  • 2. Berücksichtigungsfähigkeit von erbrachten Gegenleistungen durch Zahlungsempfänger
  • 3. Die verbotene Zahlung im Lichte einer wirtschaftlichen Gesamtschau
  • 4. Zusammenfassung
  • III. Das Haftungskonzept von K. Schmidt
  • 1. Allgemeines
  • 2. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15 a Abs. 1 InsO
  • 3. Erstattungsanspruch wegen verbotener Zahlungen
  • 4. Sonstige Haftungstatbestände
  • 5. Zusammenfassung
  • IV. Das Haftungskonzept von Altmeppen und Wilhelm
  • 1. Allgemeines
  • 2. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15 a Abs. 1 InsO
  • 3. Erstattungsanspruch wegen verbotener Zahlungen
  • 4. Sonstige Haftungstatbestände
  • 5. Zusammenfassung
  • D. Zusammenfassung
  • § 16 Zur Schutzgesetzeigenschaft des § 15 a Abs. 1 InsO
  • A. Ausgangsbefund
  • I. Einordnung der Schutzgesetzproblematik
  • II. Zum Nebeneinander von Innen- und Außenhaftung wegen Masseschmälerung bei Insolvenzreife
  • III. Lösungsmöglichkeiten
  • B. Gegenstand und Methodik der nachfolgenden Schutzgesetzprüfung
  • I. Prüfungsgegenstand
  • II. Methodik
  • 1. Allgemeine methodische Vorgaben
  • 2. Prüfungsmaßstab für § 15 a Abs. 1 InsO im Einzelnen
  • a) Überblick
  • b) Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Quotenschadens der Altgläubiger
  • c) Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Ersatzfähigkeit des Kontrahierungsschadens der Neugläubiger
  • d) Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Schutzgesetzdogmatik nach K. Schmidt
  • C. Zur Schutzgesetzdogmatik der h. M. betreffs der Altgläubiger
  • I. Der Wille des historischen Gesetzgebers
  • 1. Vorüberlegungen zum „historischen Argument“
  • 2. Antragspflicht und Zahlungsverbot im Aktienrecht vom ADHGB 1861 bis zum MoMiG
  • 3. Die Antragspflicht im GmbH-Recht bis zum MoMiG
  • 4. Rechtsänderungen durch das MoMiG im Jahre 2008
  • 5. Zwischenfazit
  • II. Systematische Erwägungen
  • 1. Abwicklung des Masseschmälerungsschadens
  • a) Die Liquidation nach §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG inner- und außerhalb der Insolvenz
  • b) Die Liquidation der § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15 a Abs. 1 InsO im Insolvenzverfahren (§ 92 InsO)
  • c) Liquidation der § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15 a Abs. 1 InsO bei masseloser Insolvenz
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Innen- und Außenhaftung im Zusammenspiel mit §§ 129 ff. InsO
  • a) Auswirkung der Insolvenzanfechtung auf die Innenhaftung
  • b) Auswirkung der Insolvenzanfechtung auf die Außenhaftung
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Das Innen- und Außenhaftungskonzept im Zusammenspiel mit dem neuen § 26 Abs. 4 InsO
  • a) Die ursprüngliche Regelungslage zum Vorschuss nach § 26 InsO 1999
  • b) Der durch das ESUG geschaffene § 26 Abs. 4 InsO
  • 4. Zwischenfazit
  • III. Teleologische Erwägungen: Zur angeblichen Notwendigkeit der Außenhaftung zum Zwecke effektiven Gläubigerschutzes
  • 1. Zum angeblichen Vorzug der Direkthaftung
  • 2. Die Schwächen der Außenhaftung durch ihre Anknüpfung an die Antragspflichtverletzung
  • IV. Fazit
  • D. Zur Schutzgesetzdogmatik der h. M. betreffs der Neugläubiger
  • I. Zur Ersatzfähigkeit des negativen Interesses
  • 1. Ausgangsbefund
  • 2. Schutzgesetz zugunsten der Allgemeinheit?
  • 3. Widerspruch zum Schutzzweck der Massesicherung
  • II. Exkurs: Der individuelle Quotenschaden der Neugläubiger
  • III. Fazit
  • E. Zur Schutzgesetzdogmatik nach K. Schmidt
  • I. Die Soll-Quote im Lichte der bisherigen Ergebnisse
  • II. Die Ungereimtheit der Soll-Quote als individualrechtlicher Schadensposten
  • F. Ergebnis
  • § 17 Rechtsfortbildung der gesetzlich angeordneten Innenhaftung wegen verbotener Zahlungen
  • A. Ausgangsbefund
  • B. Sinn und Zweck des Erstattungsanspruchs wegen verbotener Zahlungen
  • I. Meinungsstand
  • II. Stellungnahme
  • 1. Zur Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit des bezweckten Gläubigerschutzes
  • 2. Zur These von der Gläubigergleichbehandlung als selbstständiges Schutzgut neben oder statt der Massesicherung
  • 3. Zum Zahlungsverbot als Anreizinstrument rechtzeitiger Insolvenzantragsstellung
  • 4. Fazit
  • C. Das Verhältnis von Zahlungsverbot und Insolvenzantragspflicht
  • D. Rechtsfortbildung der §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG durch Überwindung des Tatbestandsmerkmals „Zahlung“
  • I. Dogmatische Einordnung
  • II. Wortlautgrenze und methodische Zulässigkeit der hier verfolgten Rechtsfortbildung
  • 1. Methodenrechtliche Einordnung
  • 2. Zur Inexistenz bzw. Inkonsistenz des subjektiven Willens des historischen Gesetzgebers
  • a) Betreffs verbotener Zahlungen im Recht der GmbH und AG
  • b) Betreffs „Zahlungsverbote“ außerhalb des Rechts der AG und der GmbH
  • III. Zum Tatbestand der §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 und 2 GmbHG im Einzelnen
  • 1. Rechtslage bei rechtzeitiger Antragsstellung
  • 2. Rechtslage bei Antragspflichtverletzung
  • IV. Umfang der Erstattungspflicht und Beweislast
  • 1. Berechnung der Masseverkürzung
  • 2. Beweislast
  • E. Zusammenfassung
  • § 18 Ersatzfähigkeit des negativen Interesses der Neugläubiger
  • A. Vorsätzliche Insolvenzverschleppung
  • B. Fahrlässige Insolvenzverschleppung
  • C. Ergebnis
  • § 19 Abgabenzahlungspflichten auf Grundlage des hier vertretenen Haftungskonzepts
  • A. Einleitung
  • B. Abgabenzahlungspflicht vor Antragspflichtverletzung oder nach Antragsstellung
  • I. Problemaufriss und Meinungsstand
  • II. Stellungnahme
  • 1. Steuern und Sozialabgaben als Bestandteil „sorgfältiger Zahlung“
  • 2. Exkurs: Kein Unterschied zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen
  • C. Abgabenzahlungspflicht im Falle der Insolvenzverschleppung
  • D. Exkurs: Anspruch von Fiskus und Sozialkasse auf das negative Interesse
  • E. Exkurs: Zahlung rückständiger Arbeitnehmerbeiträge und Steuern
  • F. Zusammenfassung
  • 7. Abschnitt: Einzelfragen betreffend der Haftung wegen Abgabenvorenthaltung
  • § 20 Zur Schutzgesetzeigenschaft des § 266 a Abs. 1 StGB
  • A. Problemaufriss
  • B. Entwicklung der Rechtsprechung und wissenschaftliche Diskussion im Einzelnen
  • I. Die Rechtsprechung des RG und des BGH
  • II. Meinungsstand in der Literatur
  • 1. Für die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsleiters
  • 2. Gegen die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsleiters
  • a) Gegen die Schutzgesetzeigenschaft des § 266 a StGB
  • b) Gegen die Anwendung des § 14 StGB im Zivilrecht
  • C. Stellungnahme
  • I. Rechtliche Einordnung
  • II. Zur Argumentation der ständigen Rechtsprechung und der h. L.
  • 1. Zur Grundsatzentscheidung des RG aus dem Jahre 1932
  • 2. Zur Argumentation des BGH
  • a) Zur angeblichen Zweckbindung der Arbeitnehmerbeiträge
  • b) Zum Willen des jüngeren Gesetzgebers
  • c) Zur Schutzgesetzeigenschaft wegen Legalitätspflicht des Geschäftsleiters
  • d) Zusammenfassung
  • III. Zur Argumentation der Gegenansicht
  • 1. Schutzgesetz zugunsten der Allgemeinheit
  • 2. Zur Bedeutung der Strafbewehrung für die Schutzgesetzeigenschaft
  • IV. Zu den maßgeblichen systematischen und teleologischen Fragen
  • D. Zusammenfassung
  • § 21 Zur hypothetischen Insolvenzanfechtung im Zusammenhang mit §§ 34, 69 AO
  • A. Problemaufriss
  • B. Meinungsstand
  • I. Rechtsprechung des BFH
  • II. Meinungsstand in der Literatur
  • C. Stellungnahme
  • I. Rechtliche Einordnung
  • II. Lösung
  • 1. Zur Bedeutung der Einheit der Rechtsordnung für die aufgeworfene Frage
  • 2. Zum Kausalitäts- bzw. Zurechnungsproblem
  • 3. Zu den Einwänden des BFH
  • D. Zusammenfassung
  • 8. Abschnitt: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
  • A. Keine Zahlungspflichten im Anwendungsbereich des §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG
  • B. Kein Vorrang von Fiskus und Sozialkasse bei Insolvenzreife
  • C. Keine Parallelität von Zahlungspflicht und Zahlungsverbot trotz Insolvenzverschleppung
  • D. Keine Pflichtenkollision wegen widersprüchlicher Rechtsprechung, sondern Exkulpation wegen unvermeidbaren Rechtsirrtums und Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
  • E. § 15 a Abs. 1 InsO ist kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB
  • F. Der Erstattungsanspruch aus §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG ist ein Sonderfall der Schadensersatzhaftung wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung
  • G. § 266 a Abs. 1 StGB ist kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB und hypothetische Anfechtbarkeit steht Haftung aus §§ 34, 69 AO entgegen
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

| 1 →

1. Abschnitt: Einleitung

§ 1 Gegenstand und Ziel der Untersuchung

A. Ausgangsproblem

Das Verhältnis der Abgabenzahlungspflicht zum Zahlungsverbot bei Insolvenzreife der AG und GmbH ist seit über zehn Jahren Gegenstand kontroverser Rechtsprechung und einer hitzigen wissenschaftlichen Diskussion. Hintergrund der Auseinandersetzung sind verschiedene Organpflichten, die im Hinblick auf Steuern und Arbeitnehmerbeiträge Gegensätzliches anzuordnen scheinen und dadurch bei Normadressaten und Rechtsprechung Verwirrung darüber gestiftet haben, welcher Anordnung Folge zu leisten ist. Es geht zum einen um das Zahlungsverbot nach §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG, das dem Geschäftsleiter unter Androhung einer Erstattungspflicht verbietet, nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung (Insolvenzreife) „Zahlungen“ zu leisten, sofern diese nicht anlässlich sorgfältiger Geschäftsleitung erfolgen (§§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, 64 Satz 2 GmbHG). Zum anderen geht es um die straf- bzw. abgabenrechtlichen §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, §§ 34, 69 AO. Nach §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich der organschaftliche Vertreter des Beitragsschuldners strafbar und i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB haftbar, wenn er fällige Arbeitnehmerbeiträge vorenthält. Nach §§ 34, 69 AO gerät der organschaftliche Vertreter des Steuerschuldners in die persönliche Haftung, wenn er die steuerlichen Pflichten der von ihm vertretenen AG oder GmbH vernachlässigt und dadurch einen Schaden des Fiskus verursacht. Überdies begeht er in diesen Fällen eine Ordnungswidrigkeit (§§ 370 AO, 26 b UStG), was im Hinblick auf das Thema der Untersuchung in der Rechtsprechung bisher aber keine und in der Literatur nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat.

Damit ist der Gegenstand der folgenden Untersuchung bereits in groben Zügen umrissen: Muss der Geschäftsleiter einer insolvenzreifen AG oder GmbH Steuern und Arbeitnehmerbeiträge abführen oder ist ihm dies gerade unter Androhung von persönlicher Haftung verboten?

B. Überblick über die Entwicklung der kontroversen Rechtsprechung und deren vorläufiger Schlusspunkt

Da die „kollidierenden“ Pflichten in unterschiedlichen Gesetzen normiert sind, befassen sich mit ihrer Anwendung und damit auch mit der Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage verschiedene Fachsenate des BGH und der VII. Senat des BFH (im Folgenden: BFH). Dabei gelangten die beteiligten Senate zu unterschiedlichen Einschätzungen darüber, welche Pflicht maßgeblich ist und welche nicht. ← 1 | 2 → Der 5. Strafsenat des BGH1 und der BFH2 vertraten die Ansicht, Arbeitnehmerbeiträge und Steuern seien trotz Zahlungsverbots abzuführen. Beide Senate waren im Anschluss an den VI. Zivilsenat des BGH3, der bis 2002 für die Beurteilung von Ansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zuständig war, der Meinung, Sozialkasse und Fiskus stünde ein Vorrang zu, aus dem sich die Unanwendbarkeit des Zahlungsverbots auf Abgabenzahlungen ableiten lasse. Aber selbst wenn man dies anders beurteile und das Zahlungsverbot auf Abgabenzahlungen für anwendbar halte, habe sich der nicht-zahlende Geschäftsleiter nach §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, §§ 34, 69 AO jedenfalls dann strafbar bzw. haftbar gemacht, wenn er schuldhaft die Insolvenzantragspflicht verletzt habe. Zwar gerate der Geschäftsleiter umgekehrt in die Erstattungspflicht nach §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife Steuern und Arbeitnehmerbeiträge abführe, so dass er sich angesichts der vom 5. Strafsenat des BGH und BFH formulierten Erwartung der Abgabenzahlung trotz Insolvenzreife in einer Pflichtenkollision befinde. Diese könne ihn aber vor dem Haftungsdilemma nicht bewahren, da er sich die Kollision durch die schuldhafte Insolvenzverschleppung selbst zuzuschreiben habe. Immerhin erkannten der 5. Strafsenat des BGH und der BFH während des Laufs der Antragsfrist einen Sonderrechtfertigungsgrund an, wodurch die Abgabenvorenthaltung in diesem Zeitraum nicht haftungsbegründend sei.4

Der II. Zivilsenat des BGH entschied genau entgegengesetzt.5 Danach könne derjenige Geschäftsleiter, der Abgaben nach Eintritt der Insolvenzreife abgeführt habe, sich der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nach §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG nicht mit dem Hinweis entziehen, er habe durch die Abgabenzahlung lediglich Strafbarkeit und Haftung entgehen wollen. Einem Vorrang zugunsten des Fiskus und der Sozialkasse erteilte der II. Zivilsenat eine Absage. Diese Sichtweise behielt der Senat auch bei, als er im Jahre 2002 vom VI. Zivilsenat die Zuständigkeit über Klagen der Sozialkasse gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zugewiesen bekam. Der Senat hatte demnach nicht nur die Fallkonstellation des zahlenden Geschäftsleiters zu entscheiden, sondern auch die umgekehrte Situation des nicht-zahlenden Geschäftsleiters. Konsequenterweise lehnte der II. Zivilsenat es auch in der Situation des nicht-zahlenden Geschäftsleiters ab, Fiskus und Sozialkasse einen Vorrang zuzugestehen. Der Senat war stattdessen der Meinung, es fehle dem Geschäftsleiter, der wegen des Zahlungsverbots die Arbeitnehmerbeiträge vorenthielt, im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB am deliktischen Verschulden.6 ← 2 | 3 →

Für den Geschäftsleiter war diese Situation ausgesprochen misslich. Einerseits führte die Zahlung von Steuern und Arbeitnehmerbeiträgen nach Eintritt der Insolvenzreife zur Erstattungshaftung nach §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG. Im Falle der Nichtzahlung drohte ihm andererseits, zumindest nach Ablauf der Insolvenzantragsfrist, Strafbarkeit bzw. Haftung nach §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, §§ 34, 69 AO. In der Literatur wurde die Befürchtung geäußert, der Geschäftsleiter einer kriselnden AG oder GmbH gerate zwischen die „Mühlsteine widerstreitenden Rechts“,7 befinde sich in „einem rechtlichen Halbdunkel“8 oder einer „haftungsrechtlichen Zwickmühle“,9 werde „haftungsrechtlich in die Zange genommen“10 oder habe die Wahl zwischen „Scylla und Charybdis“.11

Das änderte sich erst im Jahr 2007. Der II. Zivilsenat vollzog durch sein viel beachtetes Grundsatzurteil vom 14.5.200712 eine Kehrtwende und legte den Streit der verschiedenen Bundesgerichte bei. Entgegen seiner bisherigen Sichtweise entschied der Senat, dass Zahlungen von Steuern und Arbeitnehmerbeiträgen als sorgfältige Zahlungen nach §§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, 64 Satz 2 GmbHG einzuordnen seien. Der Senat argumentierte mit der Einheit der Rechtsordnung, die es verbiete, dem Geschäftsleiter die Beachtung der Massesicherungspflicht abzuverlangen, wenn er sich ansonsten strafbar oder haftbar mache. Im Gegenzug entschied der II. Zivilsenat in mehreren Folgeurteilen, dass der Geschäftsleiter trotz Insolvenzreife wegen Vorenthaltung von Arbeitnehmerbeiträgen der Sozialkasse nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB haftet.13

Damit herrscht in der Rechtsprechung inzwischen dahingehend Einigkeit, dass der Geschäftsleiter trotz Insolvenzreife Steuern und Arbeitnehmerbeiträge abführen muss und darf, weil die Zahlung dem Straf- oder Haftungsrecht nach „geboten“ ist. Nicht abschließend geklärt ist, ob es nach der jüngeren Rechtsprechung auf den Ablauf der Insolvenzantragsfrist ankommt. Jedenfalls der BFH ist der Ansicht, der von ihm zuvor anerkannte Sonderrechtfertigungsgrund zwischen Eintritt der Insolvenzreife und Ablauf der Insolvenzantragsfrist habe sich durch die Kehrtwende des II. Zivilsenats erledigt. Der Standpunkt des 5. Strafsenats des BGH zu dieser Frage ist nur zu erahnen, da er sich seit 2005 nicht mehr zum Thema geäußert hat, während der II. Zivilsenat des BGH jüngst in einer Entscheidung zu § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat anklingen lassen, dass er den ← 3 | 4 → Fristablauf nach wie vor für bedeutsam erachtet, ohne sich zu einer eindeutigen Aussage durchringen zu können.14

C. Status quo und Ziel der Untersuchung

Die 2007 durch den II. Zivilsenat des BGH herbeigeführte „Klärung“ der Rechtslage wurde in der Wissenschaft überwiegend wohlwollend aufgenommen, wenngleich insbesondere in der gesellschaftsrechtlichen Literatur ein gewisses Unbehagen spürbar war und ist, dass das Massesicherungsgebot nunmehr zugunsten von Gläubigern außer Kraft gesetzt sein soll, bei denen es sich seit Inkrafttreten der InsO 1999 nur noch um gewöhnliche Insolvenzgläubiger handelt. Dennoch überwiegt die Erleichterung darüber, dass der als unhaltbar empfundene Zustand beseitigt wurde, wonach verschiedene Bundesgerichte einem Normadressaten entgegengesetztes Verhalten abverlangten und ihn dadurch einem unentrinnbaren Haftungsdilemma aussetzten. Durch das Nachgeben des II. Zivilsenats des BGH schien die zuvor ins Wanken geratene Einheit der Rechtsordnung wiederhergestellt.15

Das mag erklären, warum die zuvor lebhaft geführte literarische Diskussion einige Jahre nach der Grundsatzentscheidung des II. Zivilsenats aus dem Jahre 2007 zunehmend abebbt. Zwar nimmt das Thema in der Kommentarliteratur nach wie vor großen Raum ein und wird dort durchaus kontrovers diskutiert; umfangreiche Aufsätze oder monographische Abhandlungen finden sich in den letzten Jahren aber immer weniger.16

Dabei hat die geänderte Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH das Thema bei Lichte besehen mitnichten erledigt. Abgesehen davon, dass nach wie vor verschiedene Detailfragen offen sind, etwa die Rechtslage während des Laufs der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist, stellen sich anlässlich der jüngeren Judikatur grundlegende rechtsdogmatische Fragen, die in der Literatur bisher nur zaghaft oder gar nicht aufgegriffen wurden. Zu denken ist etwa an das systematische Verhältnis zwischen §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, §§ 34, 69 AO einerseits und §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG andererseits, den Zusammenhang zwischen den Pflichten des Organwalters zu denjenigen der von ihm vertretenen AG oder GmbH oder die Bedeutung kontroverser Rechtsprechung für Strafbarkeit und Haftung des Normadressaten im Allgemeinen. Diese Gesichtspunkte wurden und werden in der Diskussion vernachlässigt, in der stattdessen über den ominösen Vorrang von Fiskus und Sozialkasse gestritten wird, den seine Befürworter damit begründen, dass die Abgabennichtzahlung straf- und haftungsbewehrt ist, während die Gegner auf den insolvenzrechtlichen Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz hinweisen, der seit 1999 ← 4 | 5 → auch für Fiskus und Sozialkasse gilt. Hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der widersprüchlichen Regelungslage dreht sich die Diskussion in erster Linie um das Rechtsinstitut der Pflichtenkollision, dessen Anwendung Aufschluss darüber geben soll, ob Abgabenzahlungen bei Insolvenzreife erbracht werden dürfen und müssen.17

Richtigerweise wird es zwar für die Lösung der aufgeworfenen Fragestellung sowohl auf die Frage des Vorrangs als auch darauf ankommen, ob die Situation des Geschäftsleiters hinsichtlich der Abgabenzahlungspflichten bei Insolvenzreife als Pflichtenkollision zutreffend beschrieben ist. Eine erschöpfende Behandlung der sich stellenden Rechtsfragen ist durch die Verengung auf diese Gesichtspunkte aber nicht zu erwarten, wie im Zuge dieser Untersuchung noch eingehend dargelegt werden wird. Dabei wird sich zeigen, dass insbesondere das systematische Verhältnis zwischen Abgabenzahlungspflicht und Zahlungsverbot bisher nur unzureichend verstanden und daher grundlegend aufzuarbeiten ist. Im Zuge dessen wird die Untersuchung sich in erster Linie dem Zahlungsverbot nach §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG zuwenden, dessen Dogmatik auf Grundlage der h. M. erstaunlich unausgereift erscheint. Das gilt einerseits für die bis heute kaum thematisierten Auswirkungen des an den Organwalter adressierten Zahlungsverbots auf die Zahlungspflichten der insolvenzreifen AG oder GmbH und andererseits für die haftungsrechtlichen Konsequenzen, die dem Geschäftsleiter bei Zuwiderhandlung gegen die §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG drohen. In der vorliegenden Untersuchung wird der Versuch unternommen, diese Rechtsprobleme einer system- und praxisgerechten Lösung zuzuführen.

Die verbreitete Vorstellung, den Abgabengläubigern stünde in der Krise des Unternehmens ein Vorrang zu, hat zusätzlich durch verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit an Aktualität gewonnen. 2008 wurde ein neuer § 28 e Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingeführt,18 wonach Arbeitnehmerbeiträge, die der Arbeitgeber als Beitragsschuldner an die Sozialkasse abführt, als vom Arbeitnehmer erbracht gelten. Diese dogmatisch schwer einzuordnende Regelung ist offenbar als insolvenzrechtliche Vorschrift gedacht und wird von einigen Literaturvertretern herangezogen, um die jüngere Vorrangrechtsprechung zusätzlich zu legitimieren: Aus der gesetzlich angeordneten Fiktion sei zu folgern, dass die vom Arbeitgeber erbrachte Arbeitnehmerbeitragszahlung schon tatbestandlich keine „Zahlung“ i. S. d. §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG sein könne, ohne dass es auf die vom II. Zivilsenat ins Feld geführten §§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, 64 Satz 2 GmbHG überhaupt ankomme.19 2010 normierte der Gesetzgeber im Zusammenhang mit einem der sog. „Sparpakete“ die Vorschrift des § 55 Abs. 4 InsO,20 wonach Steuerzahlungspflichten, ← 5 | 6 → die im Insolvenzeröffnungsverfahren entstehen, unter erleichterten Bedingungen zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet werden. Anlässlich dieser und anderer Gesetzgebungsvorhaben wird die Auseinandersetzung mit der eingangs aufgeworfenen Rechtsfrage von einer rechtspolitischen Diskussion begleitet, in der insbesondere aus der Finanzverwaltung und dem zuständigen Bundesministerium immer offener für die Reaktivierung der durch die InsO von 1999 abgeschafften Vorrechte öffentlicher Gläubiger gestritten wird. Angesichts des Umstandes, dass die inzwischen einheitliche Rechtsprechung mit einem angeblichen Vorrang von Fiskus und Sozialkasse begründet wird, werden auch diese Gesichtspunkte im Zuge der Untersuchung aufzugreifen und zu erörtern sein.

D. Gegenständliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Diese Untersuchung handelt davon, ob und in welchem Umfang Abgabenzahlungspflichten bei Insolvenzreife der AG und GmbH erfüllt werden müssen und dürfen und welche Konsequenzen für den Geschäftsleiter mit der Zuwiderhandlung verbunden sind.

Dabei wird auf die Gesetzessystematik, die Problematik widersprüchlicher Rechtsprechung für Strafbarkeit und Haftung des Normadressaten, den angeblichen Vorrang von Fiskus und Sozialkasse und Einzelheiten der Geschäftsleiterhaftung bei Insolvenzreife ebenso einzugehen sein, wie auf verschiedene haftungsrechtliche Einzelfragen, die sich anlässlich dieses Themas stellen, etwa die Schutzgesetzeigenschaft des § 266 a Abs. 1 StGB oder die haftungsrechtlichen Konsequenzen einer hypothetischen Insolvenzanfechtung im Rahmen der §§ 34, 69 AO.

Die Straffung der Darstellung und die thematische Fokussierung auf das Wesentliche erfordern zugleich die Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes. So bezieht sich die vorliegende Untersuchung – der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur folgend – ausschließlich auf das Recht der AG und der GmbH, auch wenn ihre Ergebnisse zum großen Teil auf andere Kapitalgesellschaftsformen übertragbar sein mögen. Die Rechtslage in der Krise außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG wird nur am Rande thematisiert und zwar soweit es für das Verständnis des Untersuchungsgegenstandes und dessen Einordnung erforderlich ist. Die vorliegende Arbeit behandelt mithin nicht erschöpfend jede erdenkliche Krisensituation der AG oder GmbH, sondern die spezifische Rechtslage nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung. Dies bedeutet zugleich, dass auch die Rechtslage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht im Mittelpunkt der Untersuchung steht. Zwar wird diese im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorrang von Fiskus und Sozialkasse untersucht werden, allerdings nur soweit es für die Beurteilung der Rechtslage bei Insolvenzreife von Bedeutung ist. Gleiches gilt für das Insolvenzanfechtungsrecht, dem für das Thema der Untersuchung eine durchaus bedeutsame Rolle zukommt, da die anfechtungsrechtliche Bewertung von Zahlungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens neben die haftungsrechtliche tritt, was zwangsläufig die Frage der Kohärenz ← 6 | 7 → der dabei getroffenen Urteile aufwirft. Das Rechtsinstitut der Insolvenzanfechtung wird im Hinblick auf die haftungsrechtliche Relevanz zu beleuchten sein. Eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit anfechtungsrechtlichen Einzelfragen, insbesondere hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der §§ 129 ff. InsO, findet dagegen nicht statt.

§ 2 Gang der Darstellung

Die Untersuchung beginnt im 2. Abschnitt (§§ 3, 4, 5 und 6) mit einem kursorischen Überblick über die relevanten Haftungstatbestände aus dem Gesellschafts-, Steuer-, Straf- und allgemeinen Zivilrecht sowie dem Rechtsinstitut der Insolvenzanfechtung. Die Ausführungen beschränken sich dabei auf das Wesentliche und geben ausschließlich die h. M. wieder, deren Richtigkeit, sofern veranlasst, in den späteren Abschnitten an geeigneter Stelle in Frage gestellt werden wird.

Im 3. Abschnitt (§§ 7, 8 und 9) werden Rechtsprechung und wissenschaftliche Diskussion aufgearbeitet und der Versuch einer dogmatischen Einordnung der verschiedenen Ansichten unternommen. Insbesondere die genaue Erfassung der Rechtsprechung in § 7 ist zum Verständnis der Arbeit unerlässlich, was sich im weiteren Verlauf der Untersuchung mehr als einmal zeigen wird. Außerdem hat die Rechtsprechung für den Gegenstand der Untersuchung eine besondere Bedeutung, da die Widersprüchlichkeit innerhalb der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ihrerseits materiell-rechtliche Fragen aufwirft, denen im anschließenden 4. Abschnitt in § 12 nachzugehen ist.

Die Darstellung des Meinungsstands in der Literatur erfolgt in § 8. In § 9 wird, aufbauend auf den vorherigen Erörterungen, herausgearbeitet werden, dass das untersuchte Thema sich um drei rechtliche Fragestellungen dreht, die in den darauf folgenden Abschnitten 4, 5 und 6 aufgearbeitet werden, während im anschließenden 7. Abschnitt haftungsrechtliche Einzelfragen zu untersuchen sind, die sich anlässlich des Themas dieser Arbeit stellen.

Der 4. Abschnitt (§§ 10, 11, 12) handelt von der viel beschworenen Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Es wird sich zeigen, dass jene Einheit der Rechtsordnung hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes zwei rechtliche Fragestellungen aufwirft, die zwar zusammenhängen, aber dennoch getrennt voneinander zu erfassen und einzuordnen sind. Zum einen geht es um die Auflösung eines Normenkonflikts (dazu § 11) und zum anderen um die straf- bzw. haftungsrechtlichen Konsequenzen widersprüchlicher Rechtsprechung (dazu § 12). Zunächst wird aber in § 10 die Einheit der Rechtsordnung näher ergründet werden.

§ 11 dreht sich um die für den Gegenstand dieser Arbeit zentrale Frage, wie sich der Normkonflikt zwischen §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, §§ 34, 69 AO einerseits und §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG andererseits handhaben lässt. Dazu wird das Rechtsinstitut der Pflichtenkollision herangezogen und untersucht werden, ehe der Versuch unternommen wird, das Verhältnis der verschiedenen Normen anhand einer systematischen Gesetzesinterpretation zu bestimmen. Dabei wird einerseits die Akzessorietät der straf- und haftungsrechtlichen Normen ← 7 | 8 → thematisiert und überdies der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen das Zahlungsverbot (§§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG), das unmittelbar nicht an die Gesellschaft, sondern an deren organschaftlichen Vertreter adressiert ist, auf die Durchsetzbarkeit von Zahlungsansprüchen gegen die Gesellschaft hat. Letzteres war erstaunlicherweise noch nie Gegenstand einer eingehenden wissenschaftlichen Analyse.

In § 12 geht es um die straf- und haftungsrechtliche Handhabung widersprüchlicher bundesgerichtlicher Rechtsprechung. Dabei handelt es sich um eine allgemeine straf- bzw. haftungsrechtliche Frage, die sich zwar anlässlich des Themas der Untersuchung stellt, mit den insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Fragen aber nur indirekt zu tun hat. Zur Beantwortung dieser Frage werden verschiedene Rechtsinstitute (Verbotsirrtum, Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens) in den Blick genommen und daraufhin untersucht, ob und wie sie sich zur Bewältigung widersprüchlicher Rechtsprechung nutzbar machen lassen.

Nach der systematischen Einordnung wendet sich die Arbeit in ihrem 5. Abschnitt der These vom Vorrang der Abgabengläubiger zu. Dazu wird in § 13 zunächst eine begriffliche Einordnung vorgenommen. Dies ist notwendig, da der von Rechtsprechung und Literatur ins Feld geführte Vorrang begrifflich mehrdeutig verwendet wird und überdies als Argument in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen zur Anwendung gelangt. Diese Zusammenhänge sind einzuordnen, bevor die These des 5. Strafsenats des BGH und des BFH diskutiert wird, wonach ein im Rahmen der §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG relevanter Vorrang losgelöst von Wertungsmaßstäben des Insolvenzrechts bestehen soll.

Im anschließenden § 14 wird die Vorrangthese aus insolvenzrechtlicher Sicht beleuchtet. Nach einer kursorischen Darstellung und rechtshistorischen Einordnung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes wird auf jüngste gesetzgeberische Bemühungen aufmerksam gemacht, die 1999 beseitigten Vorrechte öffentlich-rechtlicher Gläubiger zu reaktivieren. Dabei wird insbesondere auf die Neuregelungen in § 28 e Abs. 1 Satz 2 SGB IV und § 55 Abs. 4 InsO eingegangen.

Nachdem im 5. Abschnitt die herrschende Vorrangthese verworfen wurde, wird im 6. Abschnitt die Geschäftsleiterhaftung bei Insolvenzreife aufgearbeitet und dabei untersucht werden, ob die Abgabenzahlungspflichten im Lichte der §§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, 64 Satz 2 GmbHG zulässig sein können. Anlass für die grundlegende Aufarbeitung der Haftungstatbestände in §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 64 Satz 1 GmbHG gibt der Umstand, dass diese auf Basis der h. M., insbesondere wegen der angeblich zugleich bestehenden Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15 a Abs. 1 InsO, dogmatisch unausgereift und kaum handhabbar erscheinen. Da es aber nach den zuvor gefundenen Ergebnissen für die Behandlung von Abgabenzahlungspflichten entgegen der herrschenden Deutung alleine auf §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Satz 1 GmbHG ankommt, ist die exakte Erfassung eben dieser Haftungsnormen für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung unverzichtbar.

Im 7. Abschnitt werden schließlich zwei haftungsrechtliche Einzelfragen erörtert, die sich anlässlich des untersuchten Themas stellen und die auf Grundlage der ← 8 | 9 → h. M. von erheblicher praktischer Bedeutung sind. Dabei geht es in § 20 zunächst um die von der Rechtsprechung unterstellte Schutzgesetzeigenschaft des § 266 a Abs. 1 StGB, die in der Literatur mit durchaus beachtlicher Argumentation in Zweifel gezogen wird. Im anschließenden § 21 wird der Frage nachgegangen, welche haftungsrechtlichen Konsequenzen die hypothetische Insolvenzanfechtung für die steuerliche Haftung nach §§ 34, 69 AO nach sich zieht.

1 BGH NJW 2003, 3787; BGH NJW 2005, 3650.

2 BFHE 216, 491; BFHE 222, 228.

3 Siehe eingehend dazu § 7 B. m. Nachw.

4 Siehe zum Ganzen eingehend § 7 C. und D. m. Nachw.

5 BGHZ 146, 264; BGH NJW 2005, 2546.

Details

Seiten
XXX, 460
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653049114
ISBN (ePUB)
9783653974225
ISBN (MOBI)
9783653974218
ISBN (Paperback)
9783631656396
DOI
10.3726/978-3-653-04911-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (November)
Schlagworte
Organhaftung Geschäftsleiter Arbeitnehmerbeiträge Insolvenzverschleppung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XXX, 460 S.

Biographische Angaben

Nicolas Rossbrey (Autor:in)

Nicolas Rossbrey studierte Rechtswissenschaft an der Universität Passau. Der promovierte Jurist absolvierte das Rechtsreferendariat am Kammergericht Berlin.

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