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Kirche nach Auschwitz zwischen Theologie und Vergangenheitspolitik

Die Auseinandersetzung der evangelischen Kirchen beider deutscher Staaten mit der Judenvernichtung im «Dritten Reich» im politisch-gesellschaftlichen Kontext

von Tetyana Pavlush (Autor:in)
©2015 Dissertation 573 Seiten

Zusammenfassung

In ihrem Buch zeichnet Tetyana Pavlush den Wandel der Holocaust-Reflexion in den evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik und in der DDR. Zentral sind Fragen nach dem Anteil der Kirchen am gesamtgesellschaftlichen Lernprozess hinsichtlich des Holocaust und nach der Auswirkung der offiziellen Vergangenheitspolitik auf die kirchliche Erinnerung. Durch vergleichende Analyse der öffentlichen Kontroversen und Gedenktage erfasst die Autorin die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den kirchlichen Diskussionen auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze im engen Zusammenhang mit den politisch-gesellschaftlichen Faktoren. Die Auswertung der Stellungnahmen der Amtskirchen sowie der Arbeitsergebnisse von Kirchentagen und evangelischer Presse ergibt ein differenziertes und dynamisches Bild der kirchlichen Erinnerungsarbeit zwischen dem Ende der NS-Zeit und der Wiedervereinigung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • The Churches after Auschwitz between theology and memory politics
  • Les Eglises après Auschwitz entre théologie et mémoire politique
  • Inhalt
  • Vorwort
  • 1. Einleitung: Forschungsfragen, -gegenstände, -kontexte und komparative Herangehensweise
  • 1.1 Asymmetrische Vergleichsfälle symmetrisch vergleichen
  • 1.2 Deutsch-deutsche „Vergangenheitsbewältigung“
  • 1.3 Öffentliche Konflikte und Gedenktage als Gegenstand der Untersuchung
  • 1.4 Forschungsstand
  • 1.5 Quellenlage
  • 2. Die Holocaust-Reflexion und das christlich-jüdische Gespräch in Ost und West an der Kreuzung der endogenen und exogenen Faktoren
  • 2.1 Beredtes Schweigen der unmittelbaren Nachkriegszeit: Kontinuitäten und Anknüpfungspunkte
  • 2.2 Erste Stellungnahmen zur „Judenfrage“
  • 2.3 Neuansätze in den 1960er Jahren
  • 2.4 Ein Durchbruch nach 1978/80
  • 2.5 Zwischenbilanz und Ausblick
  • 2.5.1 Ergebnisse und Versäumnisse der Entwicklung seit 1945
  • 2.5.2 Ost-West-Asymmetrie und Divergenz der Kontexte
  • 3. Die kirchliche „Vergangenheitsbewältigung“ im Kontext der öffentlichen Kontroversen
  • 3.1 Der Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann als politisches Ereignis und Provokation zur Erinnerung
  • 3.1.1 Die antisemitische „Schmierwelle“ 1959/60 und der Fall „Eichmann“ im Kalten Krieg
  • 3.1.2 Die antisemitischen Ausschreitungen beenden die Schweigephase in den Kirchen
  • 3.1.3 Die Kirchen im Vorfeld des Prozesses: Taktische Zurückhaltung aus Sorge um Deutschlands Ansehen
  • 3.1.4 Zeugenauftritt Heinrich Grübers: Das „andere Deutschland“ erschien vor dem Jerusalemer Gericht
  • 3.1.5 „Kalte Kriegsstimmung“ auch in der evangelischen Berichterstattung?
  • 3.1.6 Die Auswirkungen auf die kirchliche Erinnerung an die NS-Zeit
  • 3.2 „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth (1963) als öffentlicher Streit und die Polarisierung der Erinnerung
  • 3.2.1 „Die Uraufführung schlug wie eine Bombe ein“. Debatten in der Bundesrepublik
  • 3.2.2 Verspätete Inszenierung des Stückes in der DDR und seine Ideologisierung
  • 3.2.3 „Christliches Trauerspiel“ als Herausforderung für die Kirchen
  • 3.2.4 Die Reaktionen evangelischer Kirchenvertreter und Theologen zwischen Kritik, Selbstreflexion und Kirchenkampflegenden
  • 3.2.5 „Der Stellvertreter“ im Spiegel der evangelischen Presse in Ost und West: Konfrontation vs. Konvergenz
  • 3.2.5.1 „Formale Problematik“ und ästhetische Qualität
  • 3.2.5.2 Wahrheitsfrage und Historizität der Quellen
  • 3.2.5.3 Gesellschafts- und institutionskritische Töne
  • 3.2.5.4 Konfessionelle, religiöse und theologische Dimensionen
  • 3.2.6 Mobilisierende Wirkung auf die kirchliche Öffentlichkeit
  • 3.3 Der Sechs-Tage-Krieg 1967 und die Politisierung der Vergangenheit
  • 3.3.1 Nahostproblematik im deutsch-deutschen Legitimitätskonflikt
  • 3.3.2 Israel und der Nahostkonflikt in der Wahrnehmung von Weltchristenheit und Ökumene
  • 3.3.3 Sympathisierende Reaktionen der westdeutschen Protestanten zwischen Theologie und Politik
  • 3.3.3.1 Eine Welle von Aufrufen, Hilfsaktionen und Fürbittgottesdiensten
  • 3.3.3.2 „Blitzkrieg“ Israels macht Schlagzeilen in der evangelischen Presse
  • 3.3.3.3 Diskussionen beim Kirchentag
  • 3.3.4 „Kritische Solidarität“ mit Israel und das Eintreten für die Rechte der Palästinenser
  • 3.3.5 Vereinzelte ostdeutsche Stellungnahmen vor dem kirchenpolitischen Hintergrund
  • 3.3.6 Evangelische Berichterstattung in der DDR zwischen Friedensengagement und Antizionismus
  • 3.4 Die Fernsehserie „Holocaust“ (1979) als Medienereignis und Erinnerungswende
  • 3.4.1 Sensationelle Breitenwirkung in der Bundesrepublik
  • 3.4.2 Indirekte Reaktionen in der DDR
  • 3.4.3 Westdeutsche Kirchenvertreter, Theologen und Laien zur Diskussion herausgefordert
  • 3.4.4 Evangelische Akademien und Fachzeitschriften als Foren der öffentlichen Kontroverse
  • 3.4.5 „Holocaust“-Resonanz und -Kontext in der evangelischen Presse
  • 3.4.6 Funktion und Auswirkungen des Falles „Holocaust“ im Raum der Kirche und Theologie
  • 3.4.7 Die versäumte „Holocaust“-Kontroverse in der DDR und die Folgen für die Kirchen
  • 4. Der 9. November 1938 als Forum für die Holocaust-Reflexion
  • 4.1 Der 30. Jahrestag 1968
  • 4.1.1 Der 9. November in der Bundesrepublik im Kontext von „68“
  • 4.1.2 Kontrolliertes Pogromgedenken in der DDR
  • 4.1.3 Die Intensivierung des kirchlichen Gedenkens am Anfang der 1960er Jahre
  • 4.1.4 „Zweitrangigkeit“ des 9. November in den westdeutschen Kirchen
  • 4.1.5 Vorsichtiges Pogromgedenken in den ostdeutschen Kirchen
  • 4.2 Der 40. Jahrestag 1978
  • 4.2.1 Erinnerungskontext der 1970er Jahre
  • 4.2.2 Bundesdeutsches Pogromgedenken im Zuge der neuen politischen Kultur
  • 4.2.3 Der 40. Jahrestag der „Kristallnacht“ zum 30. Jahr der DDR
  • 4.2.4 Pogromgedenken 1978 als Zäsur im christlich-jüdischen Gespräch in der DDR
  • 4.2.4.1 Magdeburger Arbeitshefte und offizielle Stellungnahmen
  • 4.2.4.2 Gottesdienst in der Sophienkirche und weitere Gedenkveranstaltungen
  • 4.2.4.3 Neue Wendung der Erinnerungsarbeit nach 1978
  • 4.2.5 „Durchbruch“ des Gedenkens in den westdeutschen Kirchen
  • 4.2.5.1 EKD-Studie und weitere Gedenkworte
  • 4.2.5.2 Gedenkpredigt von Eberhard Jüngel als Zeichen der Erneuerung
  • 4.2.5.3 Eine „Hinwendung zur Geschichte“ in der evangelischen Presse
  • 4.3 Der 50. Jahrestag 1988
  • 4.3.1 Kontroversen und Wandlungen im Umgang mit der NS-Zeit
  • 4.3.2 „Gedenkepidemie“ zwischen innenpolitischem Druck und außenpolitischem Interesse
  • 4.3.3 Der Höhepunkt des kirchlichen Pogromgedenkens in Ost und West
  • 4.3.3.1 Gemeinsame Gedenkworte
  • 4.3.3.2 „Schuldfrage“ in den Gedenkreden der Kirchenvertreter
  • 4.3.3.3 Das christlich-jüdische Gespräch und „Theologie nach Auschwitz“
  • 4.3.3.4 Ökumenische Dimension
  • 4.3.3.5 Holocaust-Reflexion in der Berichterstattung um den 9. November
  • 5. Fazit
  • 5.1 Asymmetrie als narratives Paradigma
  • 5.2 Drei Akteursgenerationen und Einflussfaktoren
  • 5.3 Öffentlicher Holocaust-Diskurs und kirchliche „Vergangenheitsbewältigung“
  • 5.4 Die kirchliche Holocaust-Reflexion im Kontext der Geschichtspolitik
  • 5.5 Deutsch-deutsche Systemkonkurrenz, Kalter Krieg und kirchliche Erinnerung
  • 5.6 Methodische Reflexion und kritischer Ausblick
  • 6. Anhang
  • 6.1 Abkürzungen
  • 6.2 Personenregister mit biographischen Angaben
  • 6.3 Quellen- und Literaturverzeichnis
  • Kirchliche Voten
  • Veröffentlichungen „nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“
  • Beiträge in der konfessionellen Presse
  • Der Prozess gegen Adolf Eichmann
  • „Der Stellvertreter“
  • Der Sechs-Tage-Krieg
  • TV-Serie „Holocaust“
  • Der 9. November
  • Der 30. Jahrestag 1968
  • Der 40. Jahrestag 1978
  • Der 50. Jahrestag 1988
  • Zeitungen und Zeitschriften
  • Quelleneditionen
  • Weitere Quellen und Sekundärliteratur

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen eines Doktorandenprogramms des Berliner Kollegs für Vergleichende Geschichte Europas sowie im Kontext des Zeithistorischen Promotionskollegs der Konrad-Adenauer-Stiftung „Die Zeit der deutschen Teilung: Diktaturerfahrung, Innerdeutsche Beziehungen, Europäische Dimensionen“. Die Doktorarbeit wurde am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin im Februar 2014 verteidigt. Die Realisierung des Promotionsprojektes wurde durch ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung und darüber hinaus durch ein Stipendium der Hertie-Stiftung ermöglicht. Den beiden Stiftungen bin ich für ihre großzügige finanzielle Förderung sehr dankbar.

Allen Kollegprofessoren und Mitstipendiaten möchte ich für die freundliche und motivierende Arbeitsatmosphäre danken. Während vielen Kolloquien, Konferenzen, Sitzungen und Seminaren wurden hier die Fragen der Methode und der Forschungspraxis diskutiert sowie die ersten Ergebnisse präsentiert. Der intensive Austausch war für das Konzipieren, Recherchieren und Herstellen der Dissertation von großer Bedeutung. Die Möglichkeit, mit den Doktorandinnen und Doktoranden aus verschiedenen europäischen Ländern, die zu unterschiedlichen Themen, Epochen und Regionen forschten, zusammenzuarbeiten, empfand ich als fachliche und persönliche Bereicherung.

Dem Prof. Dr. Arnd Bauerkämper, dem Zweitgutachter der vorliegenden Dissertation, danke ich für die wertvollen Bemerkungen zu meiner Studie als auch für den erheblichen Beitrag, den er zur ertragsreichen Tätigkeit des Berliner Kollegs für Vergleichende Geschichte Europas als sein vieljähriger geschäftsführender Leiter geleistet hat.

Ferner möchte ich Prof. Dr. Jiří Pešek, Prof. Dr. Klaus Fitschen und Dr. Ludwig Hartmut herzlich für deren fachliche Unterstützung und die wertvollen Hinweise während meines Studiums und meiner Recherchen in Prag, Leipzig und Berlin danken. Herrn Prof. Dr. Manfred Hildermeier ist für seinen Rat beim Konzipieren meiner Dissertation zu danken. Prof. Dr. Dr. Rudolf von Thadden danke ich für mehrere offene, sachliche und anregende Gespräche in Göttingen, im Schloss Genshagen und in Berlin, die mir bei der Einarbeitung in das breite und komplexe kirchengeschichtliche Thema sehr geholfen haben.

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Etienne François. Er hat den Fortgang meiner Arbeit mit Aufmerksamkeit und Engagement begleitet und gefördert. Als wissenschaftlicher Betreuer und kritischer Gesprächspartner stand er jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung. Seine Fragen und ← 15 | 16 → kritische Kommentare verhalfen mir oft dazu, einen neuen Blickwinkel auf manche Aspekte des Themas zu gewinnen. Ich danke ihm aber auch für sein Vertrauen und für die eingeräumte Freiheit bei der Herstellung meiner Arbeit, die ich sehr geschätzt habe.

Ebenfalls möchte ich Prof. Dr. Uwe Puschner für sein Interesse an meiner Arbeit sowie für die Möglichkeit danken, meine Dissertation in der von ihm mitherausgebenen Reihe „Zivilisation & Geschichte“ zu veröffentlichen. Die Zusammenarbeit mit den Lektoren des Peter Lang Verlags war für mich eine Freude.

Meinem guten Freund Karsten Fischer schulde ich einen herzlichen Dank für seine Neugier an meinem Thema und für seine Hilfe und Geduld beim Korrekturlesen des Manuskripts. Auch meiner Freundin Alexandra Fedorets danke ich für die konstruktiven Gespräche sowie dafür, dass sie mir während der mehrwöchigen Berlin-Aufenthalte ihre Gastfreundschaft gewährte.

Meiner Familie, vor allem meinem Mann und meinen Eltern, danke ich für ihren liebevollen Beistand und für ihr unerschütterliches Vertrauen, welches für mich während der gesamten Promotionszeit eine erhebliche Unterstützung bedeutete.

1.  Einleitung: Forschungsfragen, -gegenstände, -kontexte und komparative Herangehensweise

Während meiner Arbeit an dem Expose zum vorliegenden Dissertationsprojekt im Jahr 2006 absolvierte ich ein Praktikum in der Ev. – Luth. Versöhnungskirchgemeinde Leipzig – Gohlis. Der Gemeindepfarrer bat mich damals um eine kurze Vorstellungsrede beim Sonntagsgottesdienst. Als ich dabei den Titel meiner Doktorarbeit nannte, ging ein kollektiver Seufzer durch die Gemeinde. Es war ein Seufzer der Verärgerung und Ermüdung, ein Ausdruck der „negativen“ Sensibilität vieler Deutscher gegenüber ihrer Vergangenheit, die spontane Reaktion einer deutschen Kirchengemeinde auf die Begriffe „Nazi-Zeit“ und „Holocaust“. Zugleich schwang in dieser Reaktion Befremden über die Tatsache mit, dass sich eine Nicht-Deutsche an ein so „deutsches“ Thema heranwagte. Ein Jahr später stieß wiederum dieselbe Information in der orthodoxen ukrainischen Kirchengemeinde in der Stadt Rivne auf ratloses Schweigen, aus dem sich mangelndes Wissen über den Holocaust, zugleich aber ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber dieser „deutsch-jüdischen“ Angelegenheit heraushören ließ. Auch später wurde ich sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine mehrmals danach gefragt, wie ich auf dieses diffizile Thema gekommen sei. Dadurch war ich immer wieder gezwungen, meinen Bezug zur behandelten Thematik zu reflektieren.

In der UdSSR geboren und in der post-sowjetischen Ukraine aufgewachsen kann ich mich nur an eine einzelne flüchtige Erwähnung des Völkermordes an den Juden im Geschichtsunterricht erinnern. Erst viel später und auf eigene Initiative erfuhr ich die tragische Geschichte der jüdischen Bevölkerung meiner Heimatstadt Rivne, welche vom Juni 1941 bis Februar 1944 deutsch besetzt war: Am 6. November 1941 wurden über 17 000 Juden aus Rivne, fast die Hälfte der damaligen Stadtbevölkerung, in einem Wald bei Sosonki ermordet.1 1991 wurde an dieser Stelle zwar eine Gedenkstätte errichtet; allerdings fand dieses historische Ereignis seitdem äußerst selten in den regionalen Medien Erwähnung, meistens nur im Zusammenhang mit Grabschändungen. Im Gedächtnis der Stadt spielt die Tragödie eine marginale Rolle, genauso wie der Holocaust ← 17 | 18 → im nationalen Geschichtsnarrativ.2 Während Auschwitz in der deutschen Geschichte nicht nur einen der zentralen Erinnerungsorte darstellt,3 sondern längst die Dimension einer „normativen Vergangenheit“4 angenommen hat, „die unter keinen Umständen in Vergessenheit geraten kann und darf“, bleibt der Holocaust im kollektiven Geschichtsbild und in der Erinnerungspraxis der Ukrainer ein blinder Fleck, trotz der Tatsache, dass die Zahl der Opfer der „Endlösung der Judenfrage“ auf dem Territorium der heutigen Ukraine etwa 900 000 erreichte.5 Es ist daher kein Zufall, dass ich mich mit der Shoah zum ersten Mal während des Germanistikstudiums auseinandersetzte, als „Die Todesfuge“ – ein Gedicht von Paul Celan, einem deutschsprachigen Juden, geboren 1920 in Czernowitz (damals Rumänien, heute Ukraine) – auf dem Programm stand. Mein späteres Geschichtsstudium, zunächst in Prag, dann in Leipzig und Berlin, brachte mir Auschwitz immer näher – nicht als geographischen Ort, sondern als Gedenkort.

Im Rahmen der vorliegenden Studie gilt das Forschungsinteresse der kirchlichen Erinnerung an den Holocaust und zwar im Bereich des deutschen Protestantismus. Am Anfang stand die Frage nach dem Stellenwert des Holocaust für ← 18 | 19 → das Selbstverständnis der evangelischen Kirchen. Kann man analog zur besonderen historischen Entwicklung des Umgangs der Deutschen mit Auschwitz als einer „nationalen Katastrophe“6 mit „identitätsstiftender Bedeutung“7 auch im deutschen Protestantismus von einem Lernprozess und einer Erneuerung sprechen? Welchen Anteil hatten schließlich die Kirchen an dem kollektiven Lernprozess hinsichtlich des Holocaust in Deutschland?

Bereits aus diesen Fragen ergibt sich ein doppelter Fokus: einerseits auf die innerkirchliche Holocaust-Reflexion und andererseits auf das Bezugsverhältnis zwischen der kirchlichen und der öffentlichen Erinnerungen. Durch die Realität der deutschen Zweistaatlichkeit wird diese doppelte Fokussierung in unterschiedliche gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen gesetzt. Zugleich reflektiert sie die Entwicklung der Fragestellung im Laufe der Arbeit von der unmittelbaren kirchlichen Holocaust-Reflexion zu ihrem Kontext, die wiederum von einigen methodischen Modifizierungen begleitet wurde.

Im Zentrum der Untersuchung steht also der öffentliche Umgang der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik und in der DDR mit der Judenvernichtung im „Dritten Reich“. Dabei werden verschiedene Formen und Inhalte, Aspekte und Räume sowie die wichtigsten Träger der kirchlichen Auseinandersetzung mit dem Holocaust im Zeitraum von 1945 bis 1989/90 erfasst und vergleichend analysiert. Inwieweit fühlten sich die Kirchen von der jüdischen Shoah betroffen? Haben sie ihre Mitschuld an diesem Verbrechen eingesehen und ihre Verantwortung angesichts des Antijudaismus erkannt? Welche Nachwirkungen hatte die Shoah für die Kirchen und ihre Theologie? Welche kirchlichen Gremien waren für das Umdenken in der Haltung zum Judentum im Angesichte des Holocaust zuständig und in welchen kirchlichen Kreisen fand das christlich-jüdische Gespräch statt? Offizielle kirchliche Stellungnahmen, öffentliche Diskussionen und einzelne Initiativen im Rahmen der kirchlichen Auseinandersetzung ← 19 | 20 → mit Auschwitz und Judentum müssen unter der besonderen Berücksichtigung der Frage nach den Symptomen und Ursachen des Wandels des kirchlichen Holocaustbewusstsein untersucht werden. Schließlich: Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten, formelle und substantielle, lassen sich mit Blick auf die Holocaust-Reflexion in den ost- und westdeutschen Kirchen feststellen und wie lassen sie sich erklären? Diesem Anliegen ist das erste der drei Hauptkapitel der Studie gewidmet.

Aus pragmatischen Gründen wird der Fokus der Analyse auf den deutschen Protestantismus gerichtet; die Entwicklungen im Katholizismus werden jedoch mitberücksichtigt. Es wird explizit nach der gegenseitigen Rezeption der wichtigsten kirchlichen Erklärungen zum Judentum und zum Antisemitismus sowie nach den Wechselwirkungen der Holocaust-Reflexion in den evangelischen und katholischen Kirchen gefragt und zwar nicht nur im deutschen, sondern auch im ökumenischen Kontext.

An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass im Folgenden Begriffe wie „die Judenvernichtung“, „der Holocaust“, „die Shoah“ und „Auschwitz“ synonym verwendet werden. Dabei soll jedoch der sukzessive Wandel der Begrifflichkeit in den kirchlichen Verlautbarungen, in den Diskussionen und in der Berichterstattung der evangelischen Presse aufgezeigt werden.8 Eine ähnliche semantische ← 20 | 21 → Wandlung lässt sich mit Blick auf Begriffe wie „Judenfrage“ und „Kristallnacht“ konstatieren, von denen sich die Kirchen allmählich distanzierten.

1.1 Asymmetrische Vergleichsfälle symmetrisch vergleichen

Die Frage nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Holocaust-Reflexion in den ost- und westdeutschen Kirchen setzt eine komparative Herangehensweise voraus, die wiederum im historiographischen Kontext der kirchlichen Zeitgeschichtsschreibung zwei miteinander verbundene methodische Probleme zum Vorschein bringt. Erstens ist für die deutsch-deutsche kirchliche Geschichtsschreibung ein Dilemma charakteristisch, das zwei diametral gegenüber stehende Narrative zur Folge hat: Einerseits wird die andauernde grenzüberschreitende Zusammengehörigkeit der evangelischen Kirchen in Ost und West, andererseits ihre sukzessive Entfremdung und institutionelle Trennung betont. Bezeichnungen wie „gesamtdeutsche Klammer“, „besondere Gemeinschaft“, „Brücke zwischen Ost und West“, aber auch „der Weg in die Anpassung“, „Kirche im Sozialismus“ und „zwischen Anpassung und Selbstbewahrung“ bezeichnen diese entgegengesetzten Interpretationen. Zentral ist dabei die Frage nach dem „Maß der Einbindung“ der Kirchen in den jeweiligen Staat und das Gesellschaftssystem, ob es sich schließlich im Fall des deutschen Protestantismus um „eine“ Kirche oder um „zwei“ Kirchen handele. Daneben ist für die deutsch-deutsche Kirchengeschichte eine gewisse Asymmetrie charakteristisch. Während die westdeutschen Kirchen und die Evangelische Kirche in Deutschland für die ostdeutschen Kirchen und für den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR immer einen entscheidenden Referenzpunkt darstellten, konnten die ostdeutschen Kirchen für die westdeutschen niemals eine identitätsstiftende Dimension erlangen. Bemerkenswerterweise stellte dabei die gemeinsame NS-Vergangenheit einen gemeinsamen Bezugsrahmen her und hatte eine integrierende Funktion.

Mit Blick auf die vorliegende Studie folgt daraus zum einen die methodische Schwierigkeit einer „sauberen“ analytischen Trennung und einer symmetrischen, äquivalenten Gegenüberstellung der west- und ostdeutschen evangelischen Kirchen als Vergleichseinheiten. Zum anderen stellt sich generell die Frage, ob der vergleichende Ansatz, wie er vor allem in den sozialhistorischen Diskussionen über die Bedingungen und Möglichkeiten einer transnationalen ← 21 | 22 → Erweiterung der Gesellschaftsgeschichte konzipiert und praktiziert wurde,9 für die Untersuchung und Darstellung der deutsch-deutschen Kirchengeschichte, in diesem Fall der kirchlichen Erinnerungskultur, angebracht ist.

Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wurde ursprünglich ein Vergleich und zwar ein symmetrischer beabsichtigt, um einen Beitrag zur defizitären Forschungssituation mit Blick auf die kirchliche „Vergangenheitsbewältigung“ in der DDR zu leisten und eventuell neue Fragen an den Erinnerungsprozess in den westdeutschen Kirchen aus der ostdeutschen Perspektive heraus zu gewinnen. Im Laufe der Recherche hat sich jedoch eine enorme quantitative und qualitative Asymmetrie zugunsten der westdeutschen Kirchen gezeigt, die im ersten Teil der Arbeit geschildert wird. Mit Blick darauf stellten sich erstens sachliche Fragen nach den Gründen dieser Asymmetrie und zweitens methodische Fragen nach dem angebrachten Umgang mit den asymmetrischen Vergleichseinheiten.

Ein symmetrischer Vergleich kann einerseits zur besseren Profilierung, andererseits jedoch zur unangemessenen Überbetonung des ostdeutschen Falles und damit zur Verzerrung der historischen Realität führen. Ein asymmetrischer Vergleich dagegen wäre zwar den bestehenden faktischen Gegebenheiten gerecht; jedoch könnte dann das Vorherrschen des westdeutschen Maßstabs bei der Bewertung des ostdeutschen Falls nicht vermieden werden. Die ursprünglich intendierte ostdeutsche Perspektive würde absolut zurücktreten und schließlich den Erkenntniswert der Untersuchung abschwächen. Bei diesem Dilemma geht es nicht um die Frage, greift man auf einen für komparative Fragestellung oft bemühten Vergleich, wie „Apfel mit Birne“, sondern darum, wie ein „kleiner grüner Apfel“ mit einem „großen reifen Apfel“ verglichen werden soll und ob ein solcher Vergleich produktiv sein kann. Die Frage der Vergleichbarkeit könnte eventuell dadurch gelöst werden, dass, um in der Metapher zu bleiben, nicht nur ← 22 | 23 → die eigentlichen „Früchte“, sondern auch die ganzen „Bäume“, also die Kontexte, miteinander verglichen werden. Damit plädiere ich für eine Kontextualisierung der Vergleichsobjekte. Statt den ostdeutschen Fall deskriptiv überzubetonen, sollte er kontextuell erklärt werden. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Interaktion zwischen der kirchlichen, der öffentlichen und der politischen Erinnerung an den Holocaust macht nicht nur den symmetrischen deutsch-deutschen Vergleich angemessen, sondern auch die ostdeutsche Perspektive produktiv. Als Ergebnis dieser methodischer Überlegungen sowie als Versuch, der in der Kirchengeschichtsschreibung oft postulierten Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die kirchlichen Entwicklungen in die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einzubinden,10, lässt sich folgende kontextbezogene Auffassung der kirchlichen Holocaust-Reflexion aufstellen.

Die kirchliche Auseinandersetzung mit Auschwitz wird in der Untersuchung als vielschichtiger, dynamischer und interaktiver Prozess verstanden, der von vielen endogenen und exogenen Faktoren mitgeprägt ist.

Den endogenen, inneren, Faktoren können unter anderem die theologischen Denkmuster, wie beispielsweise der traditionelle christliche Antijudaismus, die in den Kirchen vorherrschenden Geschichtsbilder mit Blick auf die NS-Zeit sowie die individuellen Erfahrungen einzelner Theologen und Kirchenvertreter zugerechnet werden. Besonderes Augenmerk wird deswegen auf die unmittelbaren Akteure und Initiatoren der Beschäftigung mit dem Holocaust in den Kirchen sowie auf die Protagonisten des christlich-jüdischen Gesprächs unter Berücksichtigung des Generationsfaktors gerichtet. Es soll herausgefunden werden, wer diese Personen konkret waren, die als Christen die Kirche nach ihrer Mitschuld am Holocaust fragten und aus welchen Erwägungen heraus sie handelten, welchen politischen Lagern sie angehörten und von welchen generationellen, kulturellen und familiären Erfahrungen ihr Engagement geprägt war. Auf diese Weise lassen sich eine Reihe von Erfahrungs-, Argumentations- und Handlungsmustern für die Auseinandersetzung mit dem Holocaust feststellen. Es ist zu vermuten, dass eine exemplarisch an Personen festgemachte Darstellung der kirchlichen Selbstreflexion nah an die eigentlichen Gründe und Motive der Selbstkritik in der Kirche heranführt.

Der verstorbene Leipziger Kirchenhistoriker Kurt Nowak sprach von einer „Veränderung der protestantischen Matrix“ angesichts des Holocaust und ← 23 | 24 → meinte damit erstens eine Veränderung seiner historischen Erkenntnisform und zweitens eine sukzessive „relecture“ der Geschichte des Christentums im Hinblick auf seine Mutterreligion, das (Früh-)Judentum. In der Tat handelt es sich dabei um tiefere mentale und kognitive Schichten der protestantischen Holocaust-Reflexion. Mit Blick darauf hielt der Autor den kontrastiven Vergleich zwischen bundesrepublikanischem Protestantismus und DDR-Protestantismus in diesem Bereich für wenig ergiebig, da die System- und Milieudifferenz von West- und Ostprotestantismus beim Thema Holocaust nicht greife.11 Mit Blick auf die in der „Historisierung des Nationalsozialismus“ verborgene „Gefahr der Historisierung im pejorativen Sinne“, wenn die Unmittelbarkeit der Begegnung mit dem Mord an den Juden zu verblassen drohe, sei beim Holocaust der Protestantismus über den Schatten des Historismus gesprungen, indem Historisierung und Unmittelbarkeit mit- und nebeneinander bestehen. Diese doppelt gelagerte Bewusstseinsfigur vermochte allerdings allein im Kontext der politischen Kultur der Alt-Bundesrepublik unmittelbar zu wirken, während sie im politischen System der DDR diese Chance nicht besaß. Weiter zählte Kurt Nowak dennoch einige Gemeinsamkeiten und Differenzen in der „relecture“ der christlichen Theologie angesichts des Holocaust im BRD- und DDR-Protestantismus auf, die in dieser Untersuchung zum Teil bestätigt und ergänzt werden.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird die Notwendigkeit einer methodischen Abgrenzung von den von Nowak angesprochenen erkenntnistheoretischen und fundamentaltheologischen Ebenen der Holocaust-Reflexion evident. Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht der öffentliche Umgang der evangelischen Kirchen mit dem Holocaust, der einerseits die bereits vollzogenen Veränderungen im Protestantismus zum Ausdruck bringt, andererseits zur Implementierung dieser neu gewonnenen Sichtweisen bzw. zum Zurückschneiden der Überspitzungen durch ihre öffentliche Artikulierung bzw. Hinterfragung ins religiös-kirchliche Durchschnittsbewusstsein und damit in die Breite des Protestantismus beiträgt. Unter dem öffentlichen Umgang wird im breiten Sinne die nach außen gerichtete kirchliche Kommunikation verstanden und die Kirche dementsprechend als Kommunikationsraum aufgefasst. Es wird davon ausgegangen, dass die kirchliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust sowohl von der jeweiligen politischen Kultur und in ihrem Rahmen ← 24 | 25 → vorherrschenden Werten, Normen und Traditionen bedingt als auch von äußeren Impulsen und Anlässen gefördert wird.

Als exogene, von außen kommende, Faktoren lassen sich vor allem die offizielle staatliche Vergangenheitspolitik und der öffentliche Holocaust-Diskurs identifizieren. Dementsprechend kommt den Wechselwirkungen zwischen den politischen, öffentlichen und kirchlichen Ebenen der Holocaust-Rezeption besonderes Interesse in der Studie zu. Dabei geht es nicht einfach um die Mitberücksichtigung der Kontexte, sondern um die Darstellung der kirchlichen Auseinandersetzung mit der Judenvernichtung aus diesem Kontext heraus. Als Schnittpunkte verschiedener Ebenen der Holocaust-Rezeption wurden die öffentlichen Kontroversen und der Novemberpogrom-Gedenktag identifiziert und als Gegenstände der Analyse gewählt.

Indem man einerseits nach den Inhalten, andererseits nach den Ebenen, Räumen und Akteuren fragt, bietet der vergleichende Ansatz auf diese Weise zunächst die Möglichkeit einer besseren Profilierung der kirchlichen Holocaust-Reflexion, ihrer Ergebnisse und ihres Verlaufs. Damit soll zugleich die konstatierte Ost-West-Asymmetrie hinterfragt bzw. verdeutlicht werden. Der kontextualisierende Vergleich soll ferner dazu verhelfen, die kirchliche Auseinandersetzung mit Auschwitz und das christlich-jüdische Gespräch als ein Teil des komplexen und widerspruchsvollen gesamtgesellschaftlichen Gedächtnisbildungsprozesses zu erfassen. Der Zusammenhang zwischen der offiziellen Geschichtspolitik, dem öffentlichen NS-Diskurs und der innerkirchlichen Holocaust-Reflexion kann an diesem Beispiel ideal erfasst werden, weil hier die Kirchen mit der gemeinsamen NS-Vergangenheit in divergente politisch-gesellschaftliche Kontexte zweier deutscher Staaten gesetzt wurden. Die Tatsache, dass diese Kontexte zwar ebenfalls durch eine gemeinsame Vergangenheit eng miteinander verbunden waren, zugleich aber in einem konfliktträchtigen Konkurrenzverhältnis zueinander standen, gibt der Untersuchung eine zusätzliche Spannung. Aus einer komparativen Perspektive heraus lassen sich schließlich exogene, kontextbedingte Faktoren besser identifizieren und die Wirkungskraft, sowohl der exogenen als auch der endogenen Faktoren, kann genauer bewerten werden.

1.2 Deutsch-deutsche „Vergangenheitsbewältigung“

Im Rahmen des erklärten Plädoyers für die Kontextualisierung der Vergleichseinheiten verdienen die im Westen und Osten Deutschlands unterschiedlich ausgeprägten, zugleich aber stark aufeinander bezogenen Vergangenheitspolitiken besondere Beachtung. ← 25 | 26 →

Beide deutsche Staaten verstanden sich als politische Alternative zur nationalsozialistischen Diktatur: die Bundesrepublik als parlamentarische Demokratie und die DDR als „antifaschistischer“ Staat. Entsprechend ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Ordnung entwickelten sie unterschiedliche Strategien des Umgangs mit der NS-Zeit. Eine grundsätzliche Differenz bestand in ihrem politisch-historischen Bezug zur gemeinsamen Vergangenheit: Im Gegensatz zur DDR, deren Staatsführung die Verantwortung für die jüngste Geschichte „externalisierte“, infolgedessen der Nationalsozialismus nicht zur „antifaschistischen“ DDR gehörte, war die Vergangenheitspolitik der Bundesrepublik zugleich von der kritischen Absetzung vom Nationalsozialismus und von seiner normativen „Internalisierung“ gekennzeichnet, wovon die Übernahme der Verpflichtungen des Deutschen Reiches zeugte.12

In der Bundesrepublik wurde die Verantwortung der Deutschen für den Holocaust von der politischen Führungsschicht zugegeben, den Überlebenden des Holocaust finanzielle Wiedergutmachung angeboten, enge Beziehungen zu Israel aufgenommen, eine, wenn auch verzögerte, Strafverfolgung von NS-Verbrechen vollzogen und schließlich dem Holocaust im politischen Gedächtnis der Nation einen herausragenden Platz zugewiesen. Dagegen wurden in der DDR jüdische Themen in der Darstellung der NS-Zeit nur am Rande behandelt; die ostdeutsche Führung weigerte sich, Zahlungen an jüdische Überlebende zu leisten und verfolgte jene kommunistischen Politiker, die der jüdischen Frage mehr Beachtung verschaffen wollten; die Singularität des Holocaust wurde nie anerkannt und akzeptiert; bis in die achtziger Jahre war die offizielle Haltung der SED zum Staat Israel durch prinzipielle Ablehnung und Verurteilung israelischer Politik und dem Ignorieren jeglicher Wiedergutmachungsansprüche Israels gekennzeichnet. Trotz aller Wandlungen und Differenzierungen im Umgang mit dem Holocaust in der DDR folgte die offizielle Holocaust-Rezeption bis 1989 der Vorstellung, der Antisemitismus und der Holocaust ließen sich direkt aus den Verwerfungsinteressen des Monopolkapitals erklären. ← 26 | 27 →13

Gegen dieses kontrastierende Bild spricht allerdings die Tatsache, dass die Bundesrepublik ihre demokratische Reife im Umgang mit der NS-Zeit und dem Holocaust erst im Laufe der vierzigjährigen, durch mehrere Krisen, Konflikte und Debatten begleiteten Entwicklung gewann. Mit Blick auf die zwei ersten Jahrzehnte lassen sich viel mehr ähnliche Merkmale im west- und ostdeutschen Umgang mit der jüngeren Geschichte beobachten: ein selektiver Opferdiskurs, Abwehr und Verdrängen der individuellen und nationalen Verantwortung für die NS-Verbrechen, „Schlussstrichmentalität“ und Tabuisierung des Themas Holocaust. Dabei war der Umgang der beiden deutschen Staaten mit der NS-Vergangenheit immer von der internationalen Lage abhängig. Der ausgebrochene Kalte Krieg zwischen Ost und West, in dem Deutschland eine neue Rolle zugewiesen wurde, bot für die Bundesrepublik und für die DDR die Gelegenheit, der Aufarbeitung der Vergangenheit zu entgehen. Davon zeugten beispielsweise die soziale und politische Integration der „Entnazifizierungsgeschädigten“ als auch das Verschwinden der Themen Holocaust und Antisemitismus von der politischen und öffentlichen Tagesordnung.14 Im Spannungsfeld des Kalten Krieges wurde die NS-Vergangenheit zugleich im deutsch-deutschen Legitimitätskonflikt instrumentalisiert. Als Nachfolgestaaten des „Dritten Reiches“ versuchten sowohl die DDR als auch die Bundesrepublik bei ihren Bemühungen um die Wiedergewinnung des internationalen Vertrauens sich als das bessere und einzig legitime Deutschland nach Hitler zu präsentieren. Im ausgeprägten Konkurrenzverhältnis der Propagandagefechte des Kalten Krieges griffen die Repräsentanten der Bundesrepublik und der DDR auf folgende Strategien der „Vergangenheitsbewältigung“ zurück: der historische Präsentismus, der die Deutung der Vergangenheit an den jeweiligen politischen Kurs der Gegenwart ← 27 | 28 → kettete und damit die Erinnerung an die NS-Zeit in den Dienst politischer Legitimation stellte und die Externalisierung bzw. die Projektion der nationalsozialistischen Vergangenheit auf den jeweils anderen deutschen Staat.15 Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR war die gesamte Gedenk- und Erinnerungskultur ein zentraler Aspekt der neuen deutschen Identitätspolitik.

Es stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen der geschilderte Sachverhalt auf die kirchliche „Vergangenheitsbewältigung“ hatte. Inwieweit wurden die kirchlichen Positionen und Haltungen durch die offizielle staatliche Politik bedingt? Lassen sich die auf der geschichtspolitischen Ebene identifizierten Interessen, Strategien, Motive und Inhalte des Umgangs mit der NS-Zeit und mit Auschwitz auch den Kirchen in den beiden deutschen Staaten zuschreiben?

Aus den geschilderten divergent ausgeprägten, zugleich aber aufeinander bezogenen Konstellationen folgt die methodische Notwendigkeit einer Kombination des kontrastiven Vergleiches mit beziehungs- und verflechtungsgeschichtlichen Ansätzen. Vergleichende und beziehungsgeschichtliche Fragen und Ansätze gewinnen auch in der kirchlichen Zeitgeschichtsschreibung zunehmend Interesse und finden Anwendung, beispielsweise im Rahmen des Forschungsprojektes „Die Rolle der evangelischen Kirche im geteilten Deutschland“ bei der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte.16 Zentrale Forschungsaufgabe ist dabei die Betrachtung und Bearbeitung der Geschichte der evangelischen Kirche in den beiden Staatswesen mit ihren sehr unterschiedlichen politischen, Wirtschafts-, Gesellschafts- und Wertesystemen und zwar in ihren Beziehungen und Wechselwirkungen. Dennoch bleibt das Forschungsfeld der kirchlichen Holocaust-Rezeption von dieser Entwicklung unberührt. In historiographischer Hinsicht versteht sich insofern die vorliegende Arbeit als ein Beitrag erstens zur noch ungeschriebenen Geschichte der ← 28 | 29 → deutsch-deutschen kirchlichen Erinnerung an die NS-Zeit und den Holocaust und zweitens zur methodischen Diskussion über die Entwicklung der Maßstäbe und Beurteilungskriterien, die eine vergleichende und beziehungsgeschichtlich angelegte Bewertung der Rolle und Funktion der Kirchen in einem demokratischen Rechtsstaat und einer kommunistischen Diktatur ermöglichen. Obwohl in der Arbeit vergleichend vorangegangen wird und die Untersuchung sich vor allem auf die Hervorhebung der Gemeinsamkeiten und Differenzen der kirchlichen Erinnerungen und Diskussionen in Ost und West konzentriert, dürfen die Wechselwirkungen nicht ausgeblendet werden. Im Gegenteil soll explizit gefragt werden, inwieweit die Holocaust-Reflexion der Kirchen in den beiden deutschen Staaten aufeinander bezogen war.

1.3 Öffentliche Konflikte und Gedenktage als Gegenstand der Untersuchung

Im Gegensatz zur Bundesrepublik, wo im Laufe von 45 Jahren nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ ein kollektiver, verschiedene staatliche und gesellschaftliche Teilbereiche umfassender Lernprozess in Bezug auf den Holocaust stattfand, blieb in der Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur der DDR die Judenvernichtung ausgeblendet. Dennoch lassen sich auch im ostdeutschen Umgang mit dem Holocaust verschiedene Phasen beobachten, begleitet von einigen Differenzierungen, Wandlungen und Umorientierungen.17

In der politische Kultur der Bundesrepublik, und insbesondere im Umgang mit der NS-Vergangenheit und dem Holocaust, spielten öffentliche Konflikte eine prägende Rolle, weil sie breite Kreise für das Thema Holocaust sensibilisierten und schließlich sowohl zur Durchsetzung bzw. Stabilisierung der ← 29 | 30 → Anschauungen und Normen in den zentralen gesellschaftlichen Institutionen als auch zum Wandel der Einstellung bei der Bevölkerung beitrugen.18

Der Bogen solch konfliktbeladener, skandalisierter öffentlicher Diskussionen spannt sich von den frühen Debatten um die Verstrickung von namhaften bundesdeutschen Politikern und Prominenten in das NS-Regime und seine Verbrechen, antisemitische „Schmierwellen“ und Friedhofsschändungen, über NS-Prozesse und die Verjährungsdebatten der sechziger Jahren, bis zum Medienereignis „Holocaust“ von 1979 und den zahlreichen Konflikten der 1980er Jahre über die „richtigen“ Lehren aus dem Völkermord (Bitburg-Affäre, der Fassbinder-Streit und der Fall Jenninger).

Im ostdeutschen Raum wurde die öffentliche Geschichtsdeutung von der SED monopolisiert. Einen neutralen Begriff von Öffentlichkeit als Ort zur Austragung von Interessenkonflikten gab es in der DDR-Gesellschaft nicht. Öffentlichkeit stand hier unter dem ideologischen Anspruch der staatstragenden Partei der SED, wurde von ihr kontrolliert und entsprechend ihrer Ideologie konstruiert. Für bestimmte Themen und gesellschaftliche Akteure war eine solche ideologisch simulierte Öffentlichkeit weitgehend verschlossen.19 Die Kirchen waren die einzigen öffentlichen Einrichtungen, die nicht in das einheitliche Rechtssystem der Gesellschaft eingegliedert und dadurch dem ideologischen Zugriff des ← 30 | 31 → Staates entzogen waren. Auf diese Weise stellte die Kirchenöffentlichkeit einen Ersatz für die diskreditierte gesellschaftliche Öffentlichkeit dar. So hatten beispielsweise die „nur für innerkirchlichen Dienstgebrauch“ veröffentlichen Worte, Erklärungen und Dokumente durchaus öffentliche Bedeutung.

Öffentlich ausgetragene politische Skandale waren die Ausnahme in der DDR. Allerdings lassen sich bestimmte konfliktbesetzte Ereignisse und „quasi öffentliche“20 Auseinandersetzungen mit ihnen als Kristallisationspunkte der ostdeutschen Beschäftigung mit Auschwitz identifizieren. Beispielsweise markierte der Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann einen tiefen Einschnitt in der Holocaust-Rezeption in der DDR. Zwar waren das Interesse an diesem Ereignis und die Berichterstattung in den Medien durch die realpolitischen Erwägungen bedingt und stellten einen Teil der Propagandakampagne gegen die Bundesrepublik dar. Dennoch ergaben sich selbst in diesem Rahmen erste Möglichkeiten, den Völkermord an den Juden erstmals in breiten Kreisen zu thematisieren und einige Publikationen zum Holocaust zu veröffentlichen. Dadurch wurde schließlich die weitgehende Tabuisierung des Themas in der DDR durchbrochen.21

Zwar entsprachen ostdeutsche „quasi öffentliche“ Diskussionen in ihrer Struktur, Funktion und ihren Auswirkungen nicht den westdeutschen kontroversen Erinnerungsdebatten. Dennoch bietet eine vergleichende Analyse der öffentlichen Auseinandersetzung mit den konfliktträchtigen Ereignissen, trotz aller systemspezifischen Diskrepanzen, einen Einblick in die unterschiedlich ausgeprägten, doch aufeinander bezogenen Holocaust-Rezeptionen in der Bundesrepublik und in der DDR. In den öffentlichen Reaktionen und Argumentationen kamen die in den beiden deutschen Gesellschaften vorherrschenden politischen Werte-, Verhaltens- und Einstellungsmuster sowie die im Zuge des Kalten Krieges verwendeten Strategien der „Vergangenheitsbewältigung“ zum Ausdruck. Außerdem lassen sich öffentliche Kontroversen als Schnittstellen verschiedener Ebenen der „Vergangenheitsbewältigung“ identifizieren und eignen sich besonders gut für die Untersuchung der Interaktionen zwischen ihnen. ← 31 | 32 →

Der kontextbezogenen Auffassung der kirchlichen Holocaust-Reflexion entsprechend, wird in der vorliegenden Studie davon ausgegangen, dass die kirchliche Auseinandersetzung mit der Shoah in einem Wirkungszusammenhang mit der öffentlichen Holocaust-Rezeption verlief. Um der Frage nach diesem doppelten Bezugsverhältnis gerecht zu werden, müssen sowohl die Auswirkungen der öffentlichen Konflikte auf die Kirchen als auch der kirchliche Beitrag zu den öffentlichen Diskussionen untersucht werden. Konkret wird danach gefragt, ob die evangelischen Kirchen sich von den hier zur Analyse ausgewählten gesamtgesellschaftlich relevanten Konflikten angesprochen fühlten, wie diese konfliktbesetzten Sachverhalte in den Kirchen wahrgenommen wurden und welche Auswirkungen sie auf die kirchliche Erinnerungsarbeit hatten. Dabei sollen die Diskussionen in den ost- und westdeutschen Kirchen verglichen sowie auf Wechselwirkungen und gegenseitige Wahrnehmung überprüft werden. Schließlich stellt sich die Frage, ob diese öffentlichen Konflikte zu Auslösern für Veränderungen in den Kirchen wurden und ob der Lernprozess in den Kirchen in Bezug auf den Holocaust dadurch vorangetrieben wurde. Diesem Ziel gemäß werden offizielle kirchliche Stellungnahmen, Äußerungen einzelner Kirchenvertreter und Theologen, Berichterstattungen in der evangelischen Presse sowie andere in diesem Zusammenhang relevante Aktivitäten unter dem Dach der Kirche (Diskussionen bei Kirchentagen, Veranstaltungen in den Evangelischen Akademien sowie einzelne Gemeindeabende) einer Analyse unterzogen. Bei der Auswertung richten sich die Kernfragen auf die Autoren, Inhalte und Kontexte der Texte und Aussagen. Dabei werden nicht nur die unmittelbaren Reaktionen auf die behandelten Ereignisse in Betracht gezogen, sondern auch gefragt, welche Themen im Zusammenhang mit diesen öffentlichen Konflikten, im Raum der Kirche aufgegriffen wurden. Auf diese Weise wird der Stellenwertwandel des Holocaust im kirchlichen Erinnerungsdiskurs und die Herausbildung eines selbstkritischen Schuldbewusstseins in den Kirchen verdeutlicht.

Die Analyse der öffentlichen Konflikte wird im zweiten Teil der Studie anhand der folgenden Ereignisse vollzogen:

  1. Die antisemitische „Schmierwelle“ 1960/61, die Festnahme von Adolf Eichmann und der nachfolgende Prozess in Jerusalem 1961
  2. Die Herausgabe und die Inszenierung des Schauspiels „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth 1963
  3. Der Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten 1967
  4. Die Ausstrahlung der US-amerikanischen Fernsehserie „Holocaust“ 1979

Als Kriterien für die Auswahl gerade dieser Ereignisse gelten vor allem ihr konfliktförderndes Potential sowie ihre Medienresonanz und gesellschaftliche ← 32 | 33 → Breitenwirkung. Die konflikthafte Besetzung dieser Ereignisse wird zum Teil bereits durch ihren Bezug zum Themenkomplex der NS-Vergangenheit vorgegeben. Es ist entscheidend, dass diese Ereignisse nicht nur Gegenstände massenmedialer Berichterstattung und zwar in beiden deutschen Staaten waren, sondern auch im Kommunikationsraum Kirche diskutiert wurden und dass sich mit Blick darauf ein Lerneffekt auch im kirchlichen Bereich annehmen lässt.

Fernen gelten auch Gedenktage als Orte, an denen deutsch-deutsche Vergangenheitspolitiken kollidierten sowie politische, öffentliche und kirchliche Ebenen der Holocaust-Rezeption deutlich zum Vorschein traten und dabei interagierten. Nationalfeier- und Gedenktage erfüllen vor allem politische Funktionen, indem sie dem Ziel dienen, historische Identität, Staatsintegration und historisch begründete Loyalität herzustellen, zu festigen und fortzubilden.22 Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR entwickelte sich der 9. November als Anlass für die Erinnerung an die Judenpogrome 1938 zu einem geschichts- und identitätspolitisch wichtigen Gedenktag, auch wenn die Gedenktagsgestaltung in den beiden deutschen Staaten von entgegengesetzten Geschichtskulturen und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen geprägt war. Dabei wurde die Erinnerung an die Novemberpogrome in den beiden deutschen Staaten eng mit der Gegenwartspolitik verflochten.23 An diesem Gedenktag kamen sowohl der aktuelle Stand des kollektiven Holocaustbewusstseins als auch das Verhältnis von Erinnerung und Politik deutlich zum Vorschein. Ebenfalls in den Kirchen bot der 9. November regelmäßig Anlass für die kritische Auseinandersetzung mit der Shoah und der Rolle der Kirchen in der NS-Zeit. Der 40. Jahrestag der Novemberpogrome 1978 war die wichtigste Zäsur im generellen Umgang der ← 33 | 34 → ostdeutschen evangelischen Kirchen mit dem Holocaust, dem Antijudaismus und dem Judentum.24

Mit Blick darauf wird im dritten Teil der vorliegenden Studie das Begehen des 9. November im Raum der Kirchen im Kontext der Geschichtspolitik untersucht. Die Etablierung und Entwicklung des Gedenktages wird hauptsächlich anhand dreier Jahrestage der Novemberpogrome – 1968, 1978 und 1988 – skizziert. Akteure, Strukturen und Inhalte des kirchlichen Gedenkens werden anhand öffentlicher Gedenkreden und einzelner Gedenkveranstaltungen auf verschiedenen kirchenamtlichen Ebenen analysiert. Dabei soll explizit nach der Rolle und Funktion des Pogromgedenkens im breiten Rahmen der kirchlichen Holocaust-Reflexion gefragt werden.

Aus der vergleichenden deutsch-deutschen Perspektive heraus muss schließlich untersucht werden, ob die für die offizielle Geschichtspolitik beider deutscher Staaten auch im kirchlichen Pogromgedenken charakteristische Positionen und Gedenkinhalte ihren Niederschlag fanden. Hier soll ebenfalls gezeigt werden, wie das in der Bundesrepublik und in der DDR unterschiedlich gestaltete Verhältnis von Staat und Kirche sowie die daraus folgenden divergenten Handlungsspielräume und Wirkungsmöglichkeiten der Kirchen ihre Erinnerung an den Holocaust bedingten.

1.4 Forschungsstand

Mit der Untersuchung der kirchlichen Auseinandersetzung mit der Judenvernichtung im „Dritten Reich“ betrete ich kein unbekanntes Terrain. Als erste und grundlegende Lehre aus dem Holocaust gilt die Erkenntnis der Notwendigkeit, das Verhältnis der Kirche zum jüdischen Volk zu erneuern. Die Flut der Literatur, in der neue theologische Ergebnisse im exegetischen und systematischen Bereich im Rahmen des christlich-jüdischen Dialogs und der akademischen „Theologie nach Auschwitz“ diskutiert sowie ihre Implementierung auf verschiedenen Ebenen innerhalb und außerhalb der offiziellen Kirche aus verschiedenen Forschungsperspektiven untersucht wurden, scheint unüberschaubar. ← 34 | 35 →25 Die Frage der ideengeschichtlichen und ideologischen Kontinuität zwischen dem traditionellen Judenhass des christlichen Abendlandes und dem rassistischen Antisemitismus in der NS-Zeit sowie die der christlich-theologischen Beziehung zum Judentum stehen dabei im Vordergrund. Ebenfalls liegt eine Reihe systematischer Analysen der seit 1945 erarbeiteten und vorgelegten kirchlichen Verlautbarungen vor.26

Im ersten Teil der vorliegenden Studie, also bei der Schilderung der Holocaust-Reflexion und des christlich-jüdischen Gesprächs, vor allem ihrer theologischen Dimension, stütze ich mich auf die Ergebnisse dieser Analysen. Dennoch hat meistens theologiezentrierte Perspektive dieser Arbeiten zur Folge, dass die geschilderten Entwicklungen oft nicht nur aus dem politisch-gesellschaftlichen Kontext, sondern auch aus dem gesamtkirchlichen Zusammenhang gelöst werden, so dass der Stellenwert der Thematik in den evangelischen Kirchen sich aus diesen Arbeiten nicht immer erschließt.

Details

Seiten
573
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653049770
ISBN (ePUB)
9783653973761
ISBN (MOBI)
9783653973754
ISBN (Hardcover)
9783631656655
DOI
10.3726/978-3-653-04977-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Shoah Holocaust Erinnerungskultur Vergangenheitspolitik
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 573 S.

Biographische Angaben

Tetyana Pavlush (Autor:in)

Tetyana Pavlush studierte Germanistik, Geschichte und Kirchengeschichte in Lutsk (Ukraine), Prag, Leipzig und Berlin. Praktische Erfahrungen in der Kirchenarbeit sammelte sie in der Ukraine und in Deutschland. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, Fragen nach dem Zusammenhang von Religion, Politik und Erinnerung sowie Erinnerungsarbeit in den ost- und westeuropäischen Kirchen.

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Titel: Kirche nach Auschwitz zwischen Theologie und Vergangenheitspolitik
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