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Japanisches Recht im Vergleich

Erstes Symposium zum japanischen Recht für Nachwuchswissenschaftler an der Universität Augsburg – Deutsch-Japanischer Strafrechtsdialog –ドイツ – 日本 刑法に関する対話

von Henning Rosenau (Band-Herausgeber:in) Oliver Schön (Band-Herausgeber:in)
©2014 Sammelband VIII, 150 Seiten

Zusammenfassung

Vom 24. bis 26. Januar 2014 fand das erste Symposium zum japanischen Recht für Nachwuchswissenschaftler an der Universität Augsburg statt. Neun Wissenschaftler aus unterschiedlichen juristischen Fachgebieten, die sich mit dem deutsch-japanischen Rechtsvergleich beschäftigen, stellen in diesem Band die Erkenntnisse ihrer Arbeit vor. Die Themenbereiche sind breit gestreut und reichen vom Eisenbahnrecht bis zum Strafrecht. Durch diesen Ansatz treten die Unterschiede wie auch die Bezüge zwischen den beiden Rechtsordnungen deutlich hervor.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Die deutsch-japanischen Beziehungen auf dem Gebiet des Rechts
  • Intersexualität, Geschlecht und Recht – Ein Vergleich der deutschen und japanischen Rechtspraxis im Personenstands- und Passrecht
  • Unterlassungsklage durch Verbraucherverbände und Gruppenklage in Japan
  • Wettbewerb und Regulierung im deutschen und japanischen Eisenbahnrecht
  • Die internationale Wiedergutmachungsbewegung im Strafrecht und relevante Instrumente in Japan
  • Die Lehre des ärztlichen Heileingriffs im Strafrecht – Problemübersicht aus der Perspektive des deutschen und japanischen Rechts
  • Vermögensschaden im Rahmen des japanischen Betrugstatbestandes
  • Das Recht der Arbeitnehmerüberlassung in Japan
  • Beilegung individualarbeitsrechtlicher Streitigkeiten in Japan
  • Grundrechtsschutz für Ausländer: Einwirkungen höchstrichterlicher Entscheidungen auf Japans neue Immigrationspolitik
  • Autorenverzeichnis

Jan Grotheer

Die deutsch-japanischen Beziehungen auf dem Gebiet des Rechts

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan auf dem Gebiet des Rechts können auf eine lange Tradition zurückblicken. Nachdem sich Japan in der Tokugawazeit für etwa 200 Jahre nahezu vollkommen gegen außerjapanische Einflüsse abgeschottet hatte, wurde die Öffnung Japans 1853 durch die Kriegsschiffe des US-amerikanischen Admirals Perry erzwungen. Japan musste sog. Ungleiche Verträge mit den USA und europäischen Staaten, 1861 auch mit Preußen, abschließen, die u.a. eine Konsulargerichtsbarkeit vorsahen, mit der sich die Vertragsstaaten einer Unterwerfung unter das japanische Recht mit dem Argument verweigerten, dass das japanische Rechtssystem unzureichend sei. Als Ausweg aus der damit entstandenen Lage sahen es Kaiser Meiji und seine Berater als erforderlich an, ihr Staats- und Rechtssystem zu modernisieren. Zur Vorbereitung entsandten sie in den Jahren 1871 bis 1873 mit der sog. Iwakura-Mission mehr als 100 Personen, unter ihnen sowohl Fachleute als auch Studenten, in die USA und nach Europa, damit diese Informationen und Erfahrungen sammeln und das westliche System erkunden konnten. Zum Teil blieben die mitgereisten Studenten in den besuchten Staaten, um dort zu studieren. Im März 1873 wurde Deutschland besucht. Einer der Mitreisenden, Ito Hirobumi, der später der erste Premierminister Japans wurde, reiste 1882 erneut nach Deutschland, um sich bei den Staatsrechtlern Rudolf von Gneist und seinem Schüler Albert Mosse in Berlin sowie bei Lorenz von Stein in Wien über verfassungs- und staatsrechtliche Fragen zu informieren.

Zudem lud die japanische Regierung eine Anzahl von deutschen juristischen Beratern ein, die maßgeblichen Anteil an der Entwicklung eines modernen japanischen Rechtssystems hatten. Hermann Roesler, Professor in Rostock, war 1878 der erste und wirkte u.a. an der 1890 in Kraft getretenen Japanischen Verfassung mit. Außerdem stammte von Roesler der Entwurf eines Handelsgesetzes. Später folgten neben vielen anderen Albert Mosse, Landgerichtsrat in Berlin, der sich mit den lokalen Verwaltungsgesetzen befasste, Otto Rudorff, Landgerichtsrat in Hannover, der einen Entwurf des GVG vorlegte sowie Hermann Techow, Regierungsrat in Berlin, der ein Zivilprozessgesetz erarbeitete. Sie waren sowohl als Berater bei dem Entwurf der genannten und anderer Gesetze als auch als Lehrer tätig. ← 1 | 2 →

Auf dem damit gelegten Fundament setzte das deutsche Rechtsystem über Jahrzehnte Maßstäbe nicht nur für die japanischen Gesetze sondern auch für Lehre und Rechtsprechung. Besonders die juristische Dogmatik wurde aus Deutschland entlehnt.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der der Einfluss der USA auch auf dem Gebiet des Rechts stärker. Gleichwohl gab und gibt es zahlreiche japanische Rechtsgelehrte und Praktiker, die ein hohes Interesse an der deutschen Rechtsentwicklung haben. So finden sich in vielen Urteilen japanischer Gerichte Verweise auf deutsche Rechtsprechung und Literatur, wie auch die Bibliotheken etwa des Japanischen Obersten Gerichtshofes oder der Keio-Universität hervorragend mit deutscher Rechtsliteratur ausgestattet sind, die manche deutschen Gerichte vor Neid erblassen ließe. Nach wie vor gibt es einen Lehrstuhl für deutsches Recht an der Tokyo-Universität und zahlreiche juristische Fachlektorate sowie Vorlesungen zum deutschen Recht an japanischen Universitäten.

Nachdem die Informationen auf dem Gebiet des Rechts zunächst vergleichsweise einseitig von japanischer Seite nachgefragt wurden (von kritischen japanischen Kollegen auch als Einbahnstraße bezeichnet), gab es ab etwa 1980 parallel zu der wachsenden Bedeutung der japanischen Wirtschaft auch in Deutschland Interesse am japanischen Recht. Diese Entwicklung umfasste Wissenschaft und Praxis, aber auch die Politik. So werden seit 1981 deutsche Richter und Staatsanwälte im Austausch mit japanischen Richtern und Staatsanwälten, die schon seit 1972 nach Deutschland kommen, für jeweils 2 Monate an den Japanischen Obersten Gerichtshof entsandt (die japanischen Richter kommen für ein Jahr, die Staatsanwälte für fünf Monate), es wurden an deutschen Universitäten Lehrstühle für japanisches Recht geschaffen und Vorlesungen gehalten. Das Max-Planck-Institut in Hamburg richtete einen Forschungsschwerpunkt in Form eines Referates für japanisches Recht ein. Zudem gibt es seit 2006 regelmäßige gemeinsame Workshops des deutschen und japanischen Justizministeriums.

Und last but not least wurde 1988 die Deutsch-Japanische Juristenvereinigung (DJJV) gegründet, die seither für etwa 700 Mitglieder über 40 Symposien und zahlreiche Vorträge zum japanischen Recht veranstaltet hat und – gemeinsam mit dem MPI Hamburg – die Zeitschrift für Japanisches Recht (ZJapR) herausgibt, die als derzeit einzige regelmäßig erscheinende Publikation auf Deutsch und Englisch über das japanische Recht berichtet.

Man wird mit Fug und Recht sagen können, dass sich die Deutsch-Japanischen Beziehungen auf dem Gebiet des Rechts in einem beiderseits gut gepflegten Zustand befinden, ohne dass damit gesagt werden soll, dass sie nicht noch ausbaufähig seien. Daran arbeiten wir. ← 2 | 3 →

Richard Yamato

Intersexualität, Geschlecht und Recht – Ein Vergleich der deutschen und japanischen Rechtspraxis im Personenstands- und Passrecht*

I.   Einleitung

Das Geschlecht als natürliches Merkmal des Menschen begleitet einen jeden von uns das ganze Leben lang und ist in seinen zwei gängigen Ausprägungen – männlich und weiblich – Anknüpfungspunkt für die rechtliche Erfassung von Sachverhalten in den verschiedensten Rechtsgebieten. Die rechtliche Zuordnung zu einem dieser zwei „klassischen“ Geschlechter erfolgte in Deutschland bis vor kurzem unhinterfragt – wie in nahezu allen Rechtsordnungen dieser Welt – durch die Eintragung dieses Geschlechts im Geburtenregister unmittelbar nach der Geburt.1 Die Allgemeingültigkeit dieser bis dato für selbsterklärend gehaltenen Regel stellte der deutsche Gesetzgeber jüngst in Frage: Am 1. November 2013 ist in Deutschland § 22 Abs. 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) in Kraft getreten.2 Kann „das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden“, so soll in Zukunft „der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister“ eingetragen werden. Die Konsequenz ist, dass es Neugeborene, in Zukunft aber auch Kinder, Jugendliche und erwachsene Menschen in Deutschland geben wird, die keinen Geschlechtseintrag im Geburtenregister aufweisen – was natürlich nicht bedeutet, dass diese Personen „geschlechtslos“3 sind oder der ← 3 | 4 → Gesetzgeber ein „drittes Geschlecht“4 eingeführt hat. Trotzdem wurde in den deutschen Medien neben vielen positiven Berichterstattungen auch der Untergang des Abendlandes heraufbeschworen; teilweise wurde auch versucht, die Hintergründe der Reform ins Lächerliche zu ziehen, indem z.B. verlautbart wurde, es handle sich bei der gesamten Geschlechter- und Intersexuellen-Diskussion im Kern nur um einen ideologischen und „kuriose[n] Kampf um geschlechtsneutrale Toiletten.“5 Damit verkennen oder verschleiern die Kritiker allerdings genauso wie der deutsche Gesetzgeber die grund- und menschenrechtliche Dimension der Lebenssituation der betroffenen Personen, die weder männlich noch weiblich sind, sondern zwischen den Geschlechtern – inter-sexuell – geboren wurden. Die Problematik betrifft insbesondere die medizinische Praxis der sogenannten „geschlechtszuweisenden“ Operationen an Neugeborenen und Kleinkindern.6 Darüber hinaus werden Erkenntnisse der modernen Medizin, Soziologie und die ethisch fragwürdige Lebenswirklichkeit dieser Betroffenen nicht ausreichend berücksichtigt. Vorliegende rechtsvergleichende Untersuchung versteht sich als Beitrag zur im Jahre 2009 durch die abschließenden Bemerkungen des UN-Frauenrechtsausschusses gegenüber Deutschland7 erneut angestoßenen und weiterhin interdisziplinär geführten Debatte um die rechtlichen Probleme rund um das Phänomen der Intersexualität.8 Im Vordergrund steht dabei nicht die Prüfung der Vereinbarkeit einfachgesetzlicher Bestimmungen mit höherrangigen Normen oder Reformvorschläge, sondern ein dogmatisch-methodischer, deutsch-japanischer Vergleich der ← 4 | 5 → derzeitigen Rechtslage und Rechtspraxis hinsichtlich intersexueller Personen im Personenstands- und Passrecht.

II.  Geschlecht, Sexualität und Recht

Bis vor wenigen Jahren war die rechtswissenschaftliche Beschäftigung mit dem Themenpaar Geschlecht und Sexualität noch mit dem Makel des Anrüchigen behaftet.9 Erst in den letzten Jahrzehnten ist es Schritt für Schritt zu einem ernsthaften Untersuchungsgegenstand der Rechtswissenschaft aufgestiegen.10 Die wissenschaftliche Platzierung derartiger Untersuchungen gelingt jedoch weiterhin in der Regel nur in spezielleren Foren, obwohl die zugrunde liegenden rechtlichen Fragestellungen – insbesondere die grund- und menschenrechtlichen Aspekte – universale Querschnittsthemen darstellen.11 Ein rechtswissenschaftliches Interesse an Geschlecht und Sexualität bleibt damit häufig rechtfertigungsbedürftig; die Justiz neigt – wenn überhaupt – nur zu vorsichtigen Entscheidungen12 und historisch ← 5 | 6 → orientierten, mit der vermeintlichen Gesellschafts-Mehrheitsmeinung konformen Auslegungen;13 der Gesetzgeber bleibt schließlich in der Regel untätig, bis eine zumindest minimalistische Legislativlösung unausweichlich wird.14

1. Geschlecht als Rechtsbegriff

Details

Seiten
VIII, 150
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653050684
ISBN (ePUB)
9783653974805
ISBN (MOBI)
9783653974799
ISBN (Hardcover)
9783631658437
DOI
10.3726/978-3-653-05068-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (September)
Schlagworte
Rechtsvergleich Eisenbahnrecht Arbeitsrecht Rechtsordnung Japan
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. VIII, 150 S., 4 Graf.

Biographische Angaben

Henning Rosenau (Band-Herausgeber:in) Oliver Schön (Band-Herausgeber:in)

Henning Rosenau ist Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales Straf- und Strafprozessrecht sowie Vizepräsident an der Universität Augsburg. Oliver Schön ist Richter am Landgericht München und Lehrbeauftragter für Japanisches Recht an der Universität Augsburg.

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Titel: Japanisches Recht im Vergleich
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