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Hexenversammlung und Walpurgisnacht in der deutschen Dichtung

von Alexander Rost (Autor:in)
©2015 Dissertation XVI, 640 Seiten
Reihe: Maß und Wert, Band 8

Zusammenfassung

Die Walpurgisnacht, die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, ist nach volkstümlicher Vorstellung das einschlägige Datum für die Zusammenkunft von Geistern und Hexen. Während der Hexenverfolgungen galt die Teilnahme am vermeintlichen Hexenkonvent als wichtiges Indiz für das Crimen magiae, das Zaubereiverbrechen. Doch darüber hinaus wurde die Walpurgisnacht mit der Zeit ein verbreitetes kulturelles Thema. Literarisch bekannt geworden ist sie vor allem durch Goethes Faust-Dichtung. Die Studie erschließt in der deutschsprachigen Dichtung von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart die Stoff- und Motivgeschichte der Walpurgisnacht und der sich zumeist in dieser Nacht ereignenden Geister- und Hexenversammlung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Zu dieser Reihe
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Abschnitt: Einleitung
  • I. Vorüberlegungen
  • II. Untersuchungsgegenstände, Vorgehensweise, Begriffserläuterungen
  • III. Forschungssituation
  • 2. Abschnitt: Chronologie der motivischen Entwicklung und Verwendung von Hexenversammlung und Walpurgisnacht
  • Teil 1 Von der Oralität zur Literalität: Sagenhafte, mythische und kulturhistorische Ursprünge der Walpurgisnacht
  • I. Vororientierung
  • II. Geheimnisvolle Versammlungen als mythologisches Stigma seit der Antike, Überregionale Vorstellungen um die Walpurgisnacht, Aspekte des Harzgebirges und des Brockens
  • III. Die Namenspatronin Heilige Walpurga
  • IV. Rechtsgeschichtliche Gesichtspunkte in der Frühen Neuzeit – Der Versammlungsaspekt im Gefüge des ‚Crimen-Magiae‘-Gedankens
  • IV. 1. Die Entwicklung im Mittelalter
  • IV. 2. Die Zäsur des späten 15. Jahrhunderts
  • IV. 3. Die Entwicklung im 16. und 17. Jahrhundert
  • IV. 4. Darstellungen und Positionen in der Dämonologie
  • IV. 5. Ablehnende oder skeptische Positionen
  • IV. 6. Für die Dichtung relevante Nachwirkungen
  • IV. 7. Zeitgenössische dichterische Reflexe
  • V. Erste literarisch zu nennende Fixierungen
  • Teil 2 Literarisierungen der Barockzeit, der Aufklärung und weiterer literarischer Strömungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
  • I. Vororientierung
  • II. Barockzeit, 1: M. Johannes Praetorius – Blockes-Berges Verrichtung (1668)
  • III. Barockzeit, 2: Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen – Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch (1668/69)
  • IV. Aufklärung, 1: Historische und naturwissenschaftliche Abhandlungen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
  • V. Aufklärung, 2: Johann Friedrich Löwen – Die Walpurgis Nacht (1756)
  • VI. Weitere Literarisierungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
  • VII. Fazit zur Motivik der Walpurgisnacht vor Johann Wolfgang von Goethe
  • Teil 3 Die ‚Walpurgisnacht-Dichtung‘ des Johann Wolfgang von Goethe als ‚Sattelpunkt‘ in der Verwendungsgeschichte der Motivik
  • I. Vororientierung
  • II. Faust: Frühe Fassung, Fragment und Walpurgisnacht?
  • III. Die erste Walpurgisnacht
  • IV. Walpurgisnacht – Faust I
  • V. Klassische Walpurgisnacht – Faust II
  • VI. Offenkundige Goethe-Imitationen, -Adaptionen und -Parodien im Verlauf des 19. Jahrhunderts
  • Teil 4 Die Walpurgisnacht in Romantik und Biedermeierzeit
  • I. Vororientierung
  • II. Heinrich Zschokke – Die Walpurgisnacht (1812)
  • III. Ludwig Tieck – Der Hexensabbat (1832)
  • IV. Theodor Storm – Walpurgisnacht (1837) und Mein Talisman (1837)
  • V. Heinrich Heines Auseinandersetzungen
  • Teil 5 Das frühe 20. Jahrhundert
  • I. Vororientierung
  • II. Gustav Meyrink – Walpurgisnacht (1917)
  • III. Kurt Tucholsky – Walpurgisnacht (1918)
  • IV. Felix Gasbarra – Preussische Walpurgisnacht (1922)
  • V. Thomas Mann – Der Zauberberg (1924): Walpurgisnacht
  • Teil 6 Gegen den Nationalsozialismus
  • I. Vororientierung
  • II. Karl Kraus – Dritte Walpurgisnacht (1933)
  • III. Dosio Koffler – Die Deutsche Walpurgisnacht (1941)
  • Teil 7 Zur Wirkungsgeschichte, Entwicklungen seit dem Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
  • I. Vororientierung
  • II. Die übernationale Wirkungsgeschichte
  • III. Charakteristika und Verständniskriterien literarischer Verwendungen von Walpurgisnacht und Hexenversammlung, Ausblicke
  • 3. Abschnitt: Literaturverzeichnis
  • I. Werke und Quellen
  • II. Sekundär-/Forschungsliteratur
  • II. 1. Monographien
  • II. 2. Aufsätze und andere Beiträge aus Sammelbänden und Zeitschriften, Einleitungen, Vorworte, Nachworte
  • II. 3. Lexika und weitere Nachschlagewerke
  • II. 4. Rezensionen
  • Personenregister

Inhaltsverzeichnis

1. Abschnitt: Einleitung

I. Vorüberlegungen

II. Untersuchungsgegenstände, Vorgehensweise, Begriffserläuterungen

III. Forschungssituation

2. Abschnitt: Chronologie der motivischen Entwicklung und Verwendung von Hexenversammlung und Walpurgisnacht

Teil 1 Von der Oralität zur Literalität: Sagenhafte, mythische und kulturhistorische Ursprünge der Walpurgisnacht

I. Vororientierung

II. Geheimnisvolle Versammlungen als mythologisches Stigma seit der Antike, Überregionale Vorstellungen um die Walpurgisnacht, Aspekte des Harzgebirges und des Brockens

III. Die Namenspatronin Heilige Walpurga

IV. Rechtsgeschichtliche Gesichtspunkte in der Frühen Neuzeit – Der Versammlungsaspekt im Gefüge des ‚Crimen-Magiae‘-Gedankens

IV. 1. Die Entwicklung im Mittelalter

IV. 2. Die Zäsur des späten 15. Jahrhunderts

IV. 3. Die Entwicklung im 16. und 17. Jahrhundert

IV. 4. Darstellungen und Positionen in der Dämonologie

IV. 5. Ablehnende oder skeptische Positionen

IV. 6. Für die Dichtung relevante Nachwirkungen

IV. 7. Zeitgenössische dichterische Reflexe

V. Erste literarisch zu nennende Fixierungen

Teil 2 Literarisierungen der Barockzeit, der Aufklärung und weiterer literarischer Strömungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

I. Vororientierung

II. Barockzeit, 1: M. Johannes Praetorius – Blockes-Berges Verrichtung (1668)

III. Barockzeit, 2: Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen – Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch (1668/69)

IV. Aufklärung, 1: Historische und naturwissenschaftliche Abhandlungen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts

V. Aufklärung, 2: Johann Friedrich Löwen – Die Walpurgis Nacht (1756)

VI. Weitere Literarisierungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

VII. Fazit zur Motivik der Walpurgisnacht vor Johann Wolfgang von Goethe

Teil 3 Die ‚Walpurgisnacht-Dichtung‘ des Johann Wolfgang von Goethe als ‚Sattelpunkt‘ in der Verwendungsgeschichte der Motivik

I. Vororientierung

II. Faust: Frühe Fassung, Fragment und Walpurgisnacht?

III. Die erste Walpurgisnacht

IV. Walpurgisnacht – Faust I

V. Klassische Walpurgisnacht – Faust II

VI. Offenkundige Goethe-Imitationen, -Adaptionen und -Parodien im Verlauf des 19. Jahrhunderts

Teil 4 Die Walpurgisnacht in Romantik und Biedermeierzeit

I. Vororientierung

II. Heinrich Zschokke – Die Walpurgisnacht (1812)

III. Ludwig Tieck – Der Hexensabbat (1832)

IV. Theodor Storm – Walpurgisnacht (1837) und Mein Talisman (1837)

V. Heinrich Heines Auseinandersetzungen

Teil 5 Das frühe 20. Jahrhundert

I. Vororientierung

II. Gustav Meyrink – Walpurgisnacht (1917)

III. Kurt Tucholsky – Walpurgisnacht (1918)

IV. Felix Gasbarra – Preussische Walpurgisnacht (1922)

V. Thomas Mann – Der Zauberberg (1924): Walpurgisnacht

Teil 6 Gegen den Nationalsozialismus

I. Vororientierung

II. Karl Kraus – Dritte Walpurgisnacht (1933)

III. Dosio Koffler – Die Deutsche Walpurgisnacht (1941)

Teil 7 Zur Wirkungsgeschichte, Entwicklungen seit dem Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

I. Vororientierung

II. Die übernationale Wirkungsgeschichte

III. Charakteristika und Verständniskriterien literarischer Verwendungen von Walpurgisnacht und Hexenversammlung, Ausblicke

3. Abschnitt: Literaturverzeichnis

I. Werke und Quellen

II. Sekundär-/Forschungsliteratur

II. 1. Monographien

II. 2. Aufsätze und andere Beiträge aus Sammelbänden und Zeitschriften, Einleitungen, Vorworte, Nachworte

II. 3. Lexika und weitere Nachschlagewerke

II. 4. Rezensionen

Personenregister

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1. Abschnitt: Einleitung

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I. Vorüberlegungen

Die Walpurgisnacht vom 30. April zum 1. Mai ist gemeinhin der bekannteste Zeitpunkt, zu dem sich der Volksmythologie nach Hexen, Teufel und andere Unholde an einem eigens dazu ausersehenen Platz versammeln – häufig auf dem ebenfalls allbekannten Blocksberg – um ihre verruchten Kulthandlungen zu begehen. Auf einer idiomatischen Ebene wurde ‚Walpurgisnacht‘, womit eben streng genommen nur ein Datum gekennzeichnet ist, oftmals sogar zu einem Synonym für die Hexenversammlung an sich.

Die Ursprünge des walpurgisnächtlichen Hexentreibens werden in einer landläufigen, nicht weiter reflektierten Wahrnehmung meistens an einigen, einfach als authentisch hingenommenen Thesen festgemacht. Eine dieser scheinbaren Erklärungen zielt beispielsweise darauf ab, dass es sich um einen ausgefallenen Überrest eines althergebrachten Brauchtums handelt, das unmittelbar aus vorchristlichen, heidnischen Riten hervorgegangen sein soll, ohne dass dafür konkrete Anhaltspunkte beigebracht werden könnten. Andere Annahmen konzentrieren sich dagegen sehr auf die umfassende Wirkung der „Walpurgisnacht“ aus dem ersten Teil von Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ (1808). Eine gewisse Bedeutung wird dabei einer stofflichen Achse zwischen Goethe (1749–1832) und dem Leipziger Magister Johannes Praetorius (1630–1680) beigemessen. Jener Praetorius hatte in einem Teil seines Hauptwerkes zum Hexenwesen – der Kompilation „Blockes-Berges Verrichtung“ (1668) – als erster einigermaßen systematisch die Vorstellungen um das vermeintliche dämonische Treiben auf dem Harzer Brocken zusammengestellt; nicht zuletzt so wurde der Brocken zum berühmtesten aller Hexenberge in Deutschland und praktisch zum Inbegriff des Blocksberges1. Goethe hat später unter anderem wohl tatsächlich diese stoffliche Aufbereitung Praetorius’ zur Ausgestaltung seines „Faust“ genutzt. In dieser Konsequenz gilt dann schließlich Goethe als der entscheidende Faktor, der über die Popularität des „Faust“ die Walpurgisnacht als mythisches, einmal jährlich wiederkehrenden Ereignis im kollektiven Gedächtnis etabliert hat. In diesem ← 3 | 4 → Zusammenhang wird außerhalb von engen literaturwissenschaftlichen Erkundungen allenfalls selten berücksichtigt, dass es durchaus auch andere literarische Stimuli gegeben hat, derer sich Goethe gleichermaßen bedient haben mag. Außerdem ist man sich im Allgemeinen wenig darüber bewusst, dass es sich bei dem Buch des Praetorius, das gewiss nicht allein für Goethe poetische Fourage geboten haben dürfte, nur in begrenztem Maße um eine Sammlung von tatsächlich Volkstümlichem handelt. Sicherlich hat der Leipziger Magister in mehreren seiner Werke eine beträchtliche Anzahl von volkstümlich zu nennenden Scheinwahrheiten und Überlieferungen fixiert, wie etwa im Fall der allbekannten Rübezahl-Sage2. Soweit die Quellen von Praetorius’ Angaben immer nachvollziehbar sind, ist jedoch ausgerechnet „Blockes-Berges Verrichtung“ überwiegend an Fachliteratur aus der frühneuzeitlichen Debatte um Hexenlehre und Hexereiverbrechen orientiert.3

Für die Literaturwissenschaft sind Hexenversammlungen und Walpurgisnächte vorwiegend als Elemente im unmittelbaren oder zumindest motivgeschichtlichen Umfeld des Faust-Stoffes von gleichwohl sehr unterschiedlich ausfallendem Interesse. Angesichts der Bedeutsamkeit der entsprechenden Szenen in der Faust-Dichtung Goethes erscheint dies auch durchaus plausibel. Dennoch besteht eine gewisse Lücke darin, dass bislang kaum konkretere Überlegungen in die Richtung einer motivischen Eigenständigkeit angestellt wurden, die zudem weitere Erkenntnisse über das vermeintliche Abhängigkeitsverhältnis zum Faust-Stoff hätten erbringen können. Selbstverständlich wurden regelmäßig einzelne literarische Texte, die entweder auf ‚Walpurgisnacht‘ oder einen ähnlichen Titel lauten oder eine gebührende inhaltliche Szenerie aufweisen, wissenschaftlichen Analysen unterzogen. Diese Untersuchungen fokussieren jedoch eben zumeist werkimmanente, gattungsspezifische oder autorbezogene Belange; somit tragen sie höchstens bedingt und indirekt zu einem Überblick über die motivgeschichtliche Werdung des unerhörten Ereignisses bei.

Die enorme Bedeutung und Einbildungskraft der Vorstellungen von Hexenkonventen und Walpurgisnächten und damit deren Gewichtigkeit als kulturelles abendländisches Phänomen wird hingegen umso deutlicher, wenn einmal deren kreative Umsetzung jenseits der Grenzen der Dichtung beachtet wird. So war die Idee, dass sich des Nachts Hexen und andere Unholde auf diversen ← 4 | 5 → Utensilien reitend auf den Blocksberg oder an einen anderen obskuren Ort begeben, um einem mysteriösen, vom Teufel selbst dirigierten Kultus beizuwohnen, seit der Renaissance für die bildenden Künste aller Epochen von bemerkenswerter Inspiration.

Sofern mittelalterliche Abbildungen erhalten sind, die mit dem Hexenthema in einen Zusammenhang gebracht werden können, zeigen sie allenfalls einzelne metaphysische Elemente, die erst in späteren Jahrhunderten mit dem Fluidum der Hexen und des Hexenkonvents irreversibel verquickt wurden. Solche seltenen frühen Bildnisse sind etwa die beiden, ungefähr auf die Mitte des 13. Jahrhunderts zu datierenden, ‚Hexlein‘ genannten Figuren unter den Wandmalereien im romanisch-gotischen St. Petri-Dom zu Schleswig. Bei diesen Unikaten sind allem Anschein nach die engen Bezüge zu den Eigenarten der durch die Lüfte ziehenden, aber eben längst als heidnisch verfemten germanischen Göttinnen Freyja und Frigg noch gegenwärtig.4

Für das ausgehende Mittelalter und die Frühe und Mittlere Neuzeit sind künstlerische Darstellungen von Hexen, die aus offensichtlich ganz unterschiedlichen Beweggründen ihrer jeweiligen Schöpfer angefertigt wurden, nichts Ungewöhnliches. Ein inhaltlicher Zusammenhang zu den Maximen der sogenannten Hexenlehre scheint dabei mitunter allenfalls nur oberflächlich zu bestehen, so dass nicht wenige Bildnisse letztlich als motivisch unabhängige Kunstwerke zu sehen sind. In diesem Sinne zählen die Kupferstiche „Die vier Hexen“ (1497) und „Die Hexe“ (um 1505) von Albrecht Dürer (1471–1528) mit zu den bekanntesten Hexenbildern der Frühen Neuzeit. Ganz besonders hervorzuheben sind aber vor allem stets die prächtigen Malereien von Dürers Schüler Hans Baldung, genannt Grien (1484 oder 1485–1545). Baldungs Hexenbilder gelten sogar als Zeugnisse eines zumindest in Deutschland so zuvor noch nicht zelebrierten Schönheits- und Körperkults5. Von Hexen und im Besonderen von Hexenkonventen ist aus dem besagten Zeitraum allerdings ebenso eine Mannigfaltigkeit von solchen Darstellungen ← 5 | 6 → erhalten, die mehr oder weniger exakt mit dem Bild übereinstimmen, das die Hexenlehre seit dem Spätmittelalter von dem vermeintlichen Spektakel entworfen hatte. Zu einem recht prominenten Beispiel ist (auch) wegen seines möglichen Einflusses auf die Grundstruktur der goetheschen „Walpurgisnacht“ mit der Zeit ein Kupferstich von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650) geworden, der ursprünglich die Illustration eines Flugblattes von 1626 mit dem Titel „Zauberey“ war.6

Die weltanschaulichen Umwälzungen des Aufklärungszeitalters wirkten sich dann folglich auch grundlegend auf die Motivik und die Beweggründe künstlerischer Interpretationen des Hexentreibens aus. Ab dem 19. Jahrhundert kam dann ein weiteres inspiratives Moment hinzu: So wirkte die eingebende, supranationale Kraft der Faust-Dichtung Goethes keineswegs nur auf die Literatur, sondern ebenfalls auf die bildenden Künste und die Musik; dazu hält sie noch bis in die Gegenwart an, wie Ausstellungen aus jüngerer Zeit zeigen7. Neben Darstellungen, auf die Goethes Poetik offenbar einen eher allgemeineren, inspirierenden Effekt hatte – man denke etwa an die Gouache-Arbeit „Walpurgisnacht“ (1935) von Paul Klee (1879–1940) – sind auch ganz unmittelbare Illustrationen der „Walpurgisnacht“ aus dem ersten Teil des „Faust“ recht zahlreich. Darunter dürften der zwanzigteilige Holzschnitte-Zyklus „Goethe Walpurgisnacht“ (1923) von Ernst Barlach (1870–1938)8, die Stiche- und Vignetten-Serie „Faust – Die Walpurgisnacht“ (1968/69) von Salvador Dali (1904–1989) sowie die fünf Großgemälde ← 6 | 7 → von Hermann Hendrich (1854–1931) in der 1901 eingeweihten Walpurgishalle auf dem Hexentanzplatz bei Thale im Harz am bekanntesten sein.

Nichtsdestoweniger waren Hexenversammlungen in beliebiger Motivik generell ein relativ gängiges Sujet in der europäischen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Auch hierfür können einige äußerst prominente Beispiele angeführt werden. Die Ölmalerei „Hexensabbat“ (1821–1823) aus der berühmten Serie der „pinturas negras“ (dt. ‚schwarze Bilder‘) des Spaniers Goya (Francisco José de Goya y Lucientes, 1746–1828) ist eher abbildhaft arrangiert. In Gustave Courbets (1819–1877) Werk „Ein Begräbnis in Ornans“ (Öl auf Leinen, 1849/50) werden dagegen gemeinhin nur assoziative, sinnbildliche Ähnlichkeiten zu Hexenkonventen und Schwarzen Messen gesehen.

Die inspirierende Qualität von Goethes Dichtungen um die Walpurgisnacht wird ebenso an etlichen Kompositionen in der Musik des 19. und auch noch des frühen 20. Jahrhunderts deutlich. Der Bezug zu den Vorgaben Goethes ist dabei jeweils recht unterschiedlich. Neben unmittelbaren Vertonungen von Goethe-Texten, wie im Fall von Felix Mendelssohn-Bartholdys Kantate „Die erste Walpurgisnacht“ (1832)9 oder Hans Hubers Ballettmusik „Walpurgisnacht“ (1883)10, haben sich auch Komponisten am Walpurgisnacht-Thema auf der Grundlage von eigenen Dichtungen oder von solchen anderer Poeten versucht. Für die letztere Variante dürfte das entsprechende Musikwerk von Johannes Brahms (1833–1897), dem das Gedicht „Walpurgisnacht“ des Arnstädter Dichters Willibald Alexis (eigtl. Wilhelm Heinrich Häring, 1798–1871) zugrunde liegt, das namhafteste Beispiel sein11.12

Die womöglich berühmteste und aufwendigste musikalische Bearbeitung der Hexenversammlung überhaupt ist jedoch außerhalb des deutschen Sprach- und Kulturraumes anzusiedeln, die somit allerdings die internationale Qualität des Stoffes allemal bestätigt: Das programmatische Orchesterstück „Eine Nacht ← 7 | 8 → auf dem kahlen Berge“ (Erste Fassung um 1868)13 des russischen Komponisten Modest Petrowitsch Mussorgski (1839–1881) behandelt in lebhafter Weise den Tanz der Hexen auf dem vor allem aus der westslawischen Mythologie bekannten Berg Triglaw in der Johannisnacht – einem ebenfalls einschlägigen Termin für den Hexenkonvent14.

Bezogen auf die Spanne von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart ist im Fall der Vorstellung vom geballten Hexentreiben, sei es in der Walpurgisnacht oder zu anderen Zeitpunkten, also immer auch an eine wechselseitige Wirkung zwischen Literatur und Kunst – im 19. Jahrhundert kommt mit gewissen Einschränkungen noch die Musik hinzu – zu denken.

Schließlich ist im öffentlichen Sprachgebrauch der Gegenwart und sogar in mancher spezifischen Diktion eine gelegentliche, nicht immer auf Anhieb vollends zu erschließende, sinnbildliche Verwendung von Ausdrücken aus dem Hexenversammlungs- und Walpurgisnacht-Wortfeld vorzufinden. Allerdings ist dabei die jeweilige Richtigkeit im philologischen oder historiographischen Sinne zumeist in den Hintergrund gerückt.

Das womöglich hervorstechendste Beispiel dafür ist, dass heutzutage, wo das Interesse am Börsenhandel längst einen nicht mehr wegzudenkenden Platz in der medialen Berichterstattung, der Werbung und der öffentlichen Wahrnehmung überhaupt einnimmt, das Schlagwort ‚Hexensabbat‘, alternativ auch ‚Hexentag‘ oder ‚Hexentanz‘, regelmäßig im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften fällt. Dabei handelt es sich um Vorgänge, die als ‚(Triple) Witching Day‘ und ‚Freaky Friday‘ ursprünglich durch die New Yorker Börse geprägt wurden. Mittlerweile sind aber halt auch die genannten deutschen Pendants dazu absolut geläufig. Es werden damit die in Börsianerkreisen berüchtigten Stichtage gegen Ende eines jeden Handelsquartals bezeichnet, zu denen gleichzeitig die noch nicht ausgeübten und nunmehr zu erfüllenden Optionen auf Aktien und Indizes sowie zudem Future-Kontrakte auf Indizes auslaufen. Nur wenn diese drei Fälligkeitstermine miteinander kongruieren, ist es üblich vom ‚Hexensabbat‘ oder einem der Synonyme zu sprechen. Das Ereignis vollzieht sich normalerweise jeweils am dritten Freitag des März, Juni, September und Dezember. Das Börsengeschehen ist dann oftmals von turbulenter Geschäftigkeit, jähen Umsätzen und starken Schwankungen in den zugrunde liegenden Aktien und Aktienindizes bestimmt, ← 8 | 9 → wobei die Besitzer und Emittenten der Derivate bemüht sind, die Kurse in die gewünschte Richtung zu beeinflussen. Demgemäß gilt die letzte, nicht selten entscheidende Handelsstunde dann auch als ‚Geisterstunde‘. Sicherlich sollten sich Erklärungssuche für diese eigenartigen Bezeichnungsprozesse nicht allzu ernsthaft ausnehmen. Doch immerhin kommt der besagte vierteljährliche Turnus dem auf die vier Jahreszeiten abgestimmten Zyklus der kultischen Umtriebe der Hexen nahe, wie es in manche abergläubischen Überlieferungen behauptet wird. Ob sich darüber hinaus in dem Wort ‚Hexensabbat‘ die Besorgnis der Spekulanten über die schwer vorhersehbaren Kursentwicklungen an den einschlägigen Freitagen ausdrückt oder doch eher die Praxis, die Kurse mit den mitunter wenig transparenten Instrumentarien des Börsenhandels in die gewünschte Richtung ‚zaubern‘ zu wollen – oder gar beides – ist wohl nicht eindeutig zu klären. Dabei kann bei aller Sorge der Börsianer potentieller Verluste wegen auch nicht ausgeschlossen werden, dass sie andererseits in der Hoffnung auf ebenso mögliche Gewinne dem Ereignis ähnlich erwartungsfroh entgegensehen, wie es die Hexen in Hinblick auf ihren Kultus angeblich zu tun pflegen.15

Ein weiteres Beispiel für eine bizarre Inanspruchnahme von Bezeichnung und Datum konnte in den letzten Jahren in einigen Berliner Stadtteilen beobachtet werden. Dort ist es in der Nacht zum 1. Mai unter dem Motto „Walpurgisnacht“ immer wieder zu mittleren und größeren Zusammenläufen von sich als unangepasst, zum Teil als autonom verstehenden Personengruppen gekommen, die zuweilen mit nicht unerheblichen Ausschreitungen und Krawallen verbunden waren. Ganz offensichtlich wurde dabei einerseits die Losung „Walpurgisnacht“ mit dem Anspruch auf eine Art außergesetzliche Versammlungsfreiheit verknüpft, mit der sich eine Anmeldung als Demonstration oder Großveranstaltung potenziell unterlaufen lässt. Andererseits wurde damit auch ein ‚Event‘ bezeichnet, dessen Zweck dem Zelebrieren von Unangepasstheit, Unordnung, Chaos und ‚Dampf-Ablassen‘ dient. Dass dabei ein konkretes mythologisches oder auch kulturhistorisches Wissen, etwa um die exzessiven Streiche wehrfähiger jungen Männer in der Nacht vor dem Einberufungstermin des 1. Mai zur Zeit Pippins des Jüngeren (714–768)16, mitschwingt, ist kaum anzunehmen. Folglich ist wohl umso mehr ← 9 | 10 → davon auszugehen, dass bei derartigen, völlig außerliterarischen Vorkommnissen immerhin einigen Rudimenten der Behandlung der Walpurgisnacht in der Literatur, die im kollektiven Wissensgefüge haften, eine gewisse Bedeutung zukommt.17

Die allgemeine, gleichsam öffentliche Beachtung von vielen Aspekten des Hexen- und Zauberei-Themenkomplexes aus teils recht unterschiedlichen Gründen hat in der Vergangenheit stetig und in den letzten Jahren sogar ausgesprochen rasant zugenommen, so dass eine Sättigung des Interesses noch schwerlich abzusehen ist. Neben der ausgiebigen, internationalen Vermarktung von Hexen- und Zauberei-Stoffen in Spielfilmen, TV-Serien, trivialer Lektüre, Kinder- und Jugendbüchern, Comics, Computerspielen usw. besteht auch eine große, populärwissenschaftlich zu nennende Wissbegierde an der tatsächlichen historischen und mythologischen Entwicklung. Allein der Blick in das Internet – man achte nur einmal auf die zahlreichen, themenbezüglichen Artikel in der beliebten Internet-Enzyklopädie Wikipedia – vergegenwärtigt diese kaum mehr überschaubare Gegebenheit.

Sicher nicht zuletzt hat auch das Interesse der kulturell ausgerichteten Wissenschaften an beinahe allem, das mit der Geschichte des Hexen- und Zauberei-Glaubens zusammenhängt, in den letzten zirka 20 Jahren einen enormen und weiterhin anhaltenden Auftrieb erfahren. So wurde mittlerweile ein beträchtliches Forschungsaufkommen mit verschiedenen Ansätzen und Absichten hervorgebracht. Dieser Fortgang dürfte an eine Wechselwirkung gebunden sein, die einerseits über die wissenschaftlichen Grenzen hinaus den allgemeinen Wissensdrang fördert, aber andererseits durch die zunehmende Beachtung der Materie in der Allgemeinheit wiederum begünstigt wird.

II. Untersuchungsgegenstände, Vorgehensweise, Begriffserläuterungen

Wie in den Vorüberlegungen bereits ausgeführt, soll diese Arbeit die Bedeutung und Entwicklung der Hexenversammlung bzw. der Walpurgisnacht als literarischer ← 10 | 11 → Gegenstand in der neueren deutschsprachigen Dichtung, also etwa vom Beginn der Neuzeit an, vergegenwärtigen. Hierzu wird in den zu diesem Zweck herangezogenen Texten jeweils die spezifische Verwendung des geheimnisvollen Ereignisses bestimmt. Unter anderem werden dazu textkompositorische Eigenschaften, wie die motivische Konstruktion, die sinnbildliche Qualität und intertextuelle Bezüge, berücksichtigt. In Erweiterung dieser eher textanalytischen Vorgänge soll dann optimalerweise eine entsprechende literaturgeschichtliche Gesamtentwicklung aufgezeigt werden. Außerdem soll in diesem Zusammenhang nach Möglichkeit die Verbindung zum bereits intensiv literaturwissenschaftlich untersuchten Faust-Stoff sowie die Bedeutung der ‚Walpurgisnacht-Dichtungen‘ Johann Wolfgang von Goethes für die weitere motivische oder gar toposhafte Entwicklung von Hexenversammlung und Walpurgisnacht geklärt werden.

Die hauptsächliche, substantielle Grundlage, also gewissermaßen das Textkorpus, bilden Schriften aus den drei grundsätzlichen Gattungen der Dichtung – Dramatik, Lyrik und Epik. Dabei kann es sich jeweils um komplette Werke oder auch nur um Teile oder Passagen eines Werkes handeln, sofern sie eben als Hexenversammlung bzw. Walpurgisnacht arrangiert sind. Sowohl Texte, die in einem plastischen Sinne Hexenversammlungen und Walpurgisnächte schildern, als auch solche, die nur (sinnbildlich) so tituliert sind, aber eigentlich etwas anderes darstellen, können gleichermaßen zum Korpus gehören. Ein Anspruch auf Vollständigkeit, also darauf, dass praktisch sämtliche dichterische Schreibkunst berücksichtigt wird, an der irgendeine Schnittstelle zum Themenbereich Hexenversammlung und Walpurgisnacht ausgemacht werden kann, kann für diese Untersuchung des zu großen quantitativen Aufwands wegen nicht erhoben werden. Der Analysefokus liegt demnach auf solchen Texten, von denen nach Maßgabe der bisherigen literaturgeschichtlichen Forschung anzunehmen ist, dass sie jeweils auf ihre bestimmte Weise für eine entsprechende motivische Entwicklung bedeutsam oder zumindest repräsentativ waren.

Die für diese Untersuchung zugrunde gelegte Vorgehensweise erschließt die Hexenversammlungs- und Walpurgisnacht-Thematik auf eine historisch-chronologische Weise, indem sie grundsätzlich bei der Frühen Neuzeit einsetzt und dann sukzessiv bis schließlich in die Gegenwart fortschreitet.

In einem umfangreichen ersten Teil der Arbeit („Teil 1“) werden zunächst verschiedene, oftmals mythologische oder mythologisch beeinflusste Stränge behandelt, die für die Ursprünge der neuzeitlichen Vorstellungen um Hexenversammlungen und um in dieser Hinsicht berüchtigte Walpurgisnächte in Frage kommen. Nach Möglichkeit werden dabei an entsprechender Stelle regionale und überregionale Charakteristika sowie der Einfluss des christlichen Weltbildes und der theokratischen Lehren berücksichtigt. Besonderes Augenmerk ← 11 | 12 → wird dann auf die Bedeutung der spätmittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen sogenannten Hexenlehre und der damit einhergehenden Fachdebatte für die Entwicklung und die Qualität der Idee von der Zusammenkunft der Hexen gelegt. Denn nicht zuletzt weil die Ausbildung des Druckereihandwerks und des Buchdrucks ebenfalls in diesen Zeitraum fällt, ist hier von einer Zäsur in der Geschichte des Hexenversammlungsgedankens auszugehen. Außerdem ist für diese Spanne der angebrochenen Neuzeit die Herausbildung einer ‚Nationalliteratur‘ in dem Sinne zu bedenken, als das Deutsche die bis dahin auch für die Dichtung mehr oder weniger noch obligatorische lateinische Sprache allmählich ablöste. Bei der Überprüfung der für den Untersuchungsgegenstand relevanten mythologischen und historischen Stränge wird einer erörternden Darstellungsweise auf der vornehmlichen Grundlage von bisherigen historiographischen und mythologiegeschichtlichen Forschungen gefolgt. Bei der konkreten Betrachtung von ersten, poetisch zu nennenden Texten, die einen Bezug zur Hexenversammlungsthematik aufweisen, wird jedoch schon eine texthermeneutische Verstehensweise angewendet, sofern solche teils eher vordergründigen oder auch nur bruchstückhaft erhaltenen Schriften das erforderlich und möglich machen. Begleitend wird auch bereits in diesem ersten Teil der Arbeit die Qualität der semantisch-inhaltlichen Beziehung zwischen den Begriffen ‚Hexenversammlung‘ und ‚Walpurgisnacht‘ beobachtet, die in der Dichtung späterer Jahrhunderte dann beinahe einen synonymen Status erreicht.

Der darauf folgende, ebenfalls umfangreiche zweite Teil der Arbeit („Teil 2“) ist vor dem Hintergrund der einer Vielzahl von grundlegenden Veränderungen unterworfenen historischen und damit auch literaturhistorischen Bedingungen der Zeitspanne vom fortgeschrittenen Barock bis zum Ende der Aufklärung erstellt. Denn zunächst musste die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stetig abnehmende (strafrechtliche) Bedeutsamkeit der Hexenlehre sowohl für den generellen literarischen als auch für den im engeren Sinne poetischen Umgang mit dem vermeintlichen Treiben der Unholde eine Zäsur darstellen. Dennoch ist das Barockzeitalter in dieser Hinsicht aufgrund des insgesamt noch keineswegs überwundenen Aberglaubens weiterhin auf eine entsprechend gesonderte Weise einzuschätzen. Eine weitere, entscheidende Zäsur für einen jeglichen kulturellen Umgang mit dem Phänomen Hexenversammlung wird dann aber schließlich durch den darauf folgenden Beginn des Aufklärungszeitalters markiert.

Von diesem zweiten Teil an werden dann entsprechend geeignet erscheinende Texte aus den drei grundsätzlichen Gattungen der Dichtung – für das 18. Jahrhundert zusätzlich noch einige stoff- und motivgeschichtlich bedeutsame fachlichen Abhandlungen – in Hinblick auf die darin vorgenommene literarisch-motivische Verwendung der Hexenversammlung und der Walpurgisnacht untersucht. Als ← 12 | 13 → Gliederungsprinzip dient dabei eine Kombination aus allgemeinen Richtwerten der Zeitrechnung, wie den Jahrhunderten oder signifikanten historischen bzw. historiographischen Zäsuren, und literaturgeschichtlichen Klassifikationen.

Schließlich veranschaulicht noch ein großvolumiges, mit besonderer Sorgfalt angefertigtes Literaturverzeichnis als ordnungsgemäßer Teil des Forschungsumfangs die Vielschichtigkeit des Themenkomplexes in der abendländischen Kultur überhaupt; obgleich darin ausschließlich solche Titel aufgeführt sind, die zuvor bereits im Haupttext und in Fußnoten genannt oder angegeben wurden.

Das vorrangige Ziel der Arbeit ist es also nicht, eine exakte, hervorstechende Abschlussthese aufzubringen. Vielmehr sollen zunächst langfristige historische und mythologische Entwicklungen, die für die Ausprägung des neuzeitlichen Hexenversammlungs-Gedankens von Belang waren, skizziert werden. Dabei bleibt eben auch solches, als Fachliteratur zu typologisierendes Schriftgut der Frühen Neuzeit nicht unberücksichtigt, das für die Festigung der Vorstellungen von Hexenzusammenkünften bedeutsam war. Im weiteren Verlauf liegt dann das Augenmerk vornehmlich auf der literaturhistorischen Entwicklung von Hexenversammlungen und Walpurgisnächten als dichterische Motive und Topoi. Zu dem Zweck werden, wie gesagt, in Frage kommende Texte aus den drei konventionellen Dichtungsgattungen Dramatik, Lyrik und Epik in einem jeweils angebracht erscheinenden Ausmaß gesichtet.

Hinsichtlich eines Nutzens, der über den wissenschaftlichen Anspruch hinausgeht, könnte die Untersuchung zudem als Ausgangspunkt für eigene literatur- und kulturgeschichtliche Unternehmungen der Leserschaft dienen, eventuell auch gerade dann, wenn sie nicht den engsten Fachkreisen angehört. Es wird also in einer literaturwissenschaftlich aufbereitenden Weise auf Lektüren aufmerksam gemacht, wodurch es eben prinzipiell ermöglicht werden soll, sich mit dem literarischen Thema ‚Hexenversammlung und Walpurgisnacht‘ auseinanderzusetzen. Die durch diese Untersuchung vorgezeichneten Wege in der Literatur- und Kulturgeschichte könnten somit ebenfalls und erleichtert beschritten werden, um am Ende vielleicht zu eigenen Eindrücken zu kommen. Insofern soll die Arbeit bei aller Wissenschaftlichkeit und punktuell sehr ausgeprägten Textnähe möglichst auch ein Orientierungsplan, gewissermaßen ein Wegweiser durch jene Dichtung und auch (nichtpoetische) Literatur sein, die für die Thematik insgesamt von Bedeutung ist.

Angebrachterweise folgt nun eine kurze Erläuterung einiger elementarer Begrifflichkeiten des Themenkomplexes, womit auch deren Verwendungsweise in der vorliegenden Arbeit im Wesentlichen geklärt werden soll:

Bekanntlich wird das Wort ‚Hexe‘ etymologisch üblicherweise mit dem Ausdruck ‚Hagazussa‘ (auch ‚Hagzissa‘) in Verbindung gebracht, der gewöhnlich ← 13 | 14 → mit ‚Zaunreiter(in)‘ ins Neuhochdeutsche übertragen wird. Zugrunde gelegt wird dabei eine Verbindung aus dem Stammwort ‚Hag‘ (vmtl. von Germ. ‚hag‘, ‚hagaz‘, ‚hagjô‘, ‚hagjôn‘ o. ä. für Zaun, Umzäunung, Gehege usw.) und dem Wort ‚Zussa‘ bzw. ‚Zissa‘, das nicht immer einheitlich übersetzt wird – manchmal sogar mit ‚Weib‘, zumeist aber mit ‚sitzen‘, auch im Sinne von ‚in Nachteil setzen‘, oder mit schädigen und verderben. Im Übrigen beschreibt ‚Hagazussa‘ im keltischen Mythos möglicherweise eine Existenz mit der transzendenten Fähigkeit, sich zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt hin und her zu bewegen, also gleichsam den Zaun zum Metaphysischen überwinden zu können. Doch dürfte es hinsichtlich des Ursprungs und der Verwendungsgeschichte der Begrifflichkeit ‚Hexe‘, trotz einer Vielzahl von Arbeiten, die diesen Fragen nachgehen, letztlich ausreichen, auf einige bekannte Beiträge hinzuweisen, deren interdisziplinärer Standard unstrittig ist18.

Zusätzlich ist anzumerken, dass der Begriff und sein Gebrauch Wandlungen unterworfen war, die sich offenbar vor allem in der Frühen und Mittleren Neuzeit vollzogen haben. Denn das Bild, wonach sich die Hexe auf einem Reitutensil zu einer liederlichen Zusammenkunft von ihresgleichen begibt, wurde erst ab dem 15. Jahrhundert geprägt. Dieses Subjekt war spätestens von da an keine herkömmliche Zauberin mit gewissermaßen naturgegebenen Begabungen mehr. Nach den Lehren der zeitgenössischen Dämonologie war es vielmehr eine menschliche Kreatur, die sich von Gott abgewandt hatte und einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Durch die gegebenenfalls auch nur imaginäre intime Einwirkung des Teufels erwarb die Hexe überhaupt erst die Fähigkeit zur Magie oder bildete sich zumindest ein, diese Kraft nun zu besitzen. In den zumeist lateinisch abgefassten Schriften der frühneuzeitlichen Debatte um die Hexenexistenz überwiegen demzufolge verschiedene, teils schon aus dem Altertum überlieferte lateinische Wörter für ‚Hexe‘. Und auch in deutschsprachigen Kontexten wurden konkurrierende Bezeichnungen – neben mannigfachen regionalen bzw. mundartlichen Prägungen häufig ‚Zauberin‘ und ‚Zauberer‘ oder das geschlechtsunspezifische ‚Unhold‘ – bis in das 17. Jahrhundert hinein verwendet. So ist es selbst in der Dichtung nachzulesen; beispielsweise in Grimmelshausens „Simplicissimus Teutsch“ (1668/69), worin mehrere Bezeichnungen nebeneinander ← 14 | 15 → gebraucht werden19. Dennoch ist eine Tendenz zu erkennen, wonach eine qualitative Unterscheidung zwischen ‚Zauberin‘ und ‚Hexe‘ mit dem Fortschreiten der Hexenlehre in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts anscheinend immer weniger üblich wurde.20

In der vorliegenden Arbeit wird bei der Verwendungsweise von ‚Hexe‘ und von den damit praktisch synonymen Ausdrücken keine nähere Unterscheidung vorgenommen, sofern nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wird.

Soweit es nicht anders angegeben ist, werden in dieser Untersuchung ebenfalls die Ausdrücke ‚Zauberei‘, ‚(Schwarze) Magie‘, ‚Schwarzkunst‘ und ‚Hexerei‘ kongruent verwendet.

Eine semantische Unterscheidung dieser Begrifflichkeiten wird in der Forschung allerdings gelegentlich dann vorgenommen, wenn es um spezifische Kontexte und Sachverhalte geht. Tatsächlich ist beispielshalber in der Gebrauchsgeschichte der Wörter ‚Zauberei‘ und ‚Hexerei‘ eine zeitweilige und offenbar regional unterschiedlich ausgeprägte inhaltliche Ungleichheit zu beobachten. Dabei scheint ‚Zauberei‘ eher für althergebrachte, allgemeinere Vorstellungen, etwa für die vom sogenannten Schadenzauber, gestanden zu haben; ‚Hexerei‘ hat dagegen wohl im engeren Sinne auf die antichristliche, teufelsbündnerische Hexenexistenz abgehoben. Auf Dauer festigte sich aber doch die überwiegend gleichbedeutende Verwendungsweise, die eben auch weitere Synonyme, vor allem ‚Schwarzkunst‘ und stets auch ‚Magie‘, umfasste.21

Für die Begriffe ‚Dämon‘, ‚dämonisch‘ und ‚Dämonologie‘ existiert eine Vielfalt von Definitionen und Auffassungen, die mitunter sogar eine sehr individuelle Qualität erreichen können – man denke dabei etwa an Johann Wolfgang von Goethes Gedanken über das Dämonische im „Vierten Teil“ („Zwanzigstes Buch“) von „Dichtung und Wahrheit“22.

In der vorliegenden Arbeit erfolgt die Anwendung des Terminus’ ‚Dämonologie‘ indes nach Möglichkeit in einer Weise, die in der Hexenverfolgungsforschung üblich ist und an den für die Frühe und Mittlere Neuzeit relevanten Verhältnissen orientiert ist. Soweit es nicht explizit unterschieden ist, werden hier außerdem ‚Dämonologie‘ und ‚Hexenlehre‘ in analogem Sinn benutzt.

Die Wissenschaft der Dämonologie befasste sich von der Antike bis in die Neuzeit hinein damit, welche Dämonen es einst gab und nach wie vor gibt, mit ihrem Ursprung, wie sie in Erscheinung treten können und über welches Maß an ← 15 | 16 → Macht sie verfügen. Besonderes Augenmerk wurde dabei stets auf die Ermittlung des Einflusses gelegt, den sie möglicherweise hatten oder weiterhin haben und mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck sie Macht über eigentlich unbescholtene Menschen erlangen können. Nach der Deutung des Mittelplatonikers und ‚Urdämonologen‘ Maximus von Thyrus (ca. 125 – ca. 185 n. Chr.) und auch anderer Gelehrter mussten Dämonen den Menschen nicht unbedingt feindselig gesonnen sein. Der kirchliche Wortgebrauch des Mittelalters und der Frühen Neuzeit – also in dem für die Hexenlehre vor allem maßgeblichen Zeitraum – meint mit ‚Dämonen‘ allerdings ausschließlich die bösen Geister. Das sind folglich die Teufel und gelegentlich noch die Individuen, die mit ihnen im Bunde sind. Daher ist auch die Bezeichnung Satanologie gebräuchlich, wenn es um Wesen und Wirkung speziell des Teufels geht. Bisweilen hatte die Dämonologie den Charakter einer Parallelwissenschaft zur Theologie und in mancher Hinsicht auch zur Jurisprudenz. Nicht oder allenfalls nur manchmal gleichzusetzen sind die theokratisch ausgewiesenen Dämonen im Übrigen mit den Geistern des (deutschen) Volksglaubens, selbst wenn diese ebenfalls von unbestimmter Gestalt sind.23

Schließlich ist in der bestehenden Untersuchung die häufige Verwendung von solchen Begriffen unumgänglich, die nun die Situation der Hexenversammlung bezeichnen. Falls im jeweiligen Kontext nicht eine unmittelbare semantische Spezifikation vorgenommen wird, werden diese Nomen gewöhnlich variierend, aber eben synonym gebraucht. Es handelt sich hauptsächlich um die nachstehenden Begrifflichkeiten oder um sinnentsprechende Abwandlungen – ‚Hexenversammlung‘, ‚Hexenzusammenkunft‘, ‚Hexentreffen‘, ‚Hexenfest‘ und ‚Hexenkonvent‘, wobei letztere am ehesten noch einmal näher zu erläutern ist24. Die meisten dieser ← 16 | 17 → ← 17 | 18 → gemeinhin unverfänglichen Ausdrücke sind im Übrigen bereits in neuhochdeutschen Texten des 16. Jahrhunderts recht regelmäßig festzustellen. Dagegen scheint die einstmals genauso gängige Bezeichnung ‚Gasterey‘ ungefähr ab dem 18. Jahrhundert kaum mehr gebräuchlich gewesen zu sein.

Auch solche Ausdrücke, die unmittelbar an den berühmtesten Ort des Geschehens angelehnt sind, etwa ‚Blocksbergfest‘ oder ‚Blocksbergorgie‘, werden in dieser Arbeit normalerweise als generelle Bezeichnungen für Hexenversammlungen verwendet. Sofern es nicht näher spezifiziert ist, gilt das auch für die Begrifflichkeit ‚Walpurgisnacht‘, obwohl sie streng genommen eigentlich nur einen Zeitpunkt bezeichnet. Doch wurde ‚Walpurgisnacht‘ mit der Zeit darüber hinaus praktisch zu einem Synonym für die Zusammenkunft der Unholde. Damit einher ging eine gewisse Entwicklung hin zu einer allegorischen Qualität, ähnlich wie auch bei ‚Blocksberg‘, auf die aber im jeweiligen Fall konkret hingewiesen wird. Das im Allgemeinen ebenfalls häufig synonym benutzte Wort ‚Hexentanz‘, das im Grunde eine Einzelheit des Versammlungsablaufes beschreibt, wird dagegen hernach ausschließlich in einem solch detaillierten Sinne verwendet.

Die gelegentliche Beifügung ‚esoterisch‘ ist dabei nicht ihrem heute gängigen, einen weitläufigen übersinnlichen Aspekt meinenden Gebrauch nach zu verstehen, ebenso nicht im hermetistischen Sinn25, sondern im althergebrachten Sinne einer nur einem bestimmten Personenkreis bekannten Geheimlehre und eines dementsprechend exklusiv begangenen Kultus’.

Erläuterungsbedürftig dürfte sich noch die Verwendung des an und für sich weit verbreiteten Ausdrucks ‚Hexensabbat‘ gestalten. Im fortgeschrittenen Mittelalter wurde in Anlehnung an die überwiegend nur noch mit dem Judentum assoziierte Sabbatfeier (hebr. ‚sabbat‘ – dt. ‚Ruhetag‘, ‚Ruhepause‘ o. ä.) und an die anlässlich des Sabbats begangenen Gottesdienste, die den zeitgenössischen Kirchendogmen gemäß im Grunde als heidnische Riten angesehen wurde, die Idee von ‚Ketzersabbaten‘ entwickelt. Auf derartigen Zusammenkünften sollten ← 18 | 19 → die häretischen Sekten angeblich ihren frevlerischen Götzendienst verrichten. Solche christlichen Splittergruppen, die nach der Art der Judenchristen und des Urchristentums gegebenenfalls noch den Sabbat pflegten, galten zudem im Prinzip auch als Häretiker. Da das vermeintliche Hexen- und Teufelsbündnertum zunächst ebenfalls vorwiegend als eine Variante der Häresie verstanden worden ist, war die Vorstellung vom ‚Hexensabbat‘ unter anderem auch eine relativ späte Abart von der des ‚Ketzersabbats‘. Wegen dieser besonderen historischen Umstände, die auf diese Weise auch zu Bedenken gegeben werden sollen, erfolgt in der vorliegenden Untersuchung die Verwendung des Wortes ‚Hexensabbat‘ eben stets mit den ersichtlichen einfachen Anführungszeichen (‚…‘). Nichtsdestotrotz ist in der Dichtung und in anderer Literatur ein tendenzfreies Verwenden von ‚Hexensabbat‘ aufgrund der langen Gebrauchstradition des Wortes nach wie vor durchaus üblich. Unter Berufung auf vermeintlich althergebrachte magisch-schamanistische Grundsätze nennt beispielsweise auch die neopaganistische Wicca-Religion ihre acht wichtigsten Feiertage noch eigens ‚Sabbate‘26. Die im Schrifttum für die Hexenversammlung manchmal zwar auch anzutreffende, insgesamt jedoch erheblich weniger gebräuchliche Bezeichnung ‚Synagoge‘ lässt auf den ersten Blick ebenfalls auf einen einstmals als Dysphemismus beabsichtigten Rückgriff auf die Glaubenssphäre des Judentums annehmen. Zumindest gleichermaßen wahrscheinlich ist jedoch ebenso eine nicht weiter ideologisch behaftete Ableitung vom altgriechischen Ursprungswort ‚synago‘, das in etwa mit ‚(sich) versammeln‘ zu übersetzen ist.27

III. Forschungssituation

Die literaturwissenschaftliche Behandlung des Themenbereichs Hexenversammlung und Walpurgisnacht ist fast immer verhältnismäßig isoliert an einzelnen Werken ausgerichtet. Solche Werke beinhalten folglich eine Szenerie in der Art eines ‚Hexensabbats‘ bzw. einer Walpurgisnacht oder sie sind als Ganzes, zumindest aber einzelne Teile, Kapitel oder Passagen darin, mit einem entsprechend lautenden Titel versehen. Zu einigen solchen Texten ist eine beträchtliche Anzahl von Untersuchungen, teils mit sehr unterschiedlicher Betrachtungsweise durchgeführt worden; am häufigsten und aufwendigsten zu den Walpurgisnacht-Szenen in der Faust-Dichtung des Johann Wolfgang von ← 19 | 20 → Goethe28. In diesen Forschungsarbeiten wurde bisweilen auf den einen oder anderen Vorläufer Goethes bei der Poetisierung des Blocksbergtreibens oder auch auf Nachahmungen oder bewusste Abweichungen von Goethes Vorgaben hingewiesen. Dennoch wurden die Beiträge der Dichtung im Bereich Hexenversammlung und Walpurgisnacht von der Literaturwissenschaft kaum einmal als eigenständiges Motiv in der Literaturhistorie verstanden. Gleichwohl besteht eine lange Tradition bei der Analyse von unmittelbar benachbarten Stoffen und Motiven, als dessen Bestandteil etwaige Hexenzusammenkünfte auch mitunter abgehandelt werden. Zu nennen wären hierzu vor allem die weit gefächerten Forschungen über die Dichtung um Faust- bzw. Teufelsbündner-Gestalten, die stetig um neue Aspekte erweitert werden29, oder solche zu den ebenso reichhaltigen wie häufig ineinander verzahnten Themenkomplexen innerhalb der phantastischen Literatur, wie Magie, Schwarze Messen, Hexen und Hexenwesen oder Gespenster und Geister30. Einer eingeforderten motivgeschichtlichen Darstellung der walpurgisnächtlichen, zauberisch-mystischen Ereignishaftigkeit kommen dabei die Arbeiten des amerikanischen Germanisten Henry Hatfield (Harvard) ← 20 | 21 → noch relativ nahe. Hatfield nimmt allerdings wiederum Goethes Walpurgisnächte aus „Faust I“ und „Faust II“ sowie die Faust-Motivik im Allgemeinen zum Ausgangspunkt, so dass die aufgezeigten literarischen Beziehungen die Witterung eines supranationalen wirkungsgeschichtlichen Überblicks in Bezug auf Goethes Ausarbeitungen nicht ganz ablegen können. Nichtsdestotrotz erkundet er schon unter dem Gesichtspunkt einer motivischen Variation wie die goetheschen Vorgaben in moderner Epik des 20. Jahrhundert aufgegriffen und modifiziert wurden31. Sein Hauptaugenmerk richtet Hatfield auf den Roman „Ulysses“ (1922 erstmals vollständig verlegt) des Iren James Joyce (1882–1941) und auf das erzählerische Hauptwerk des russisch-ukrainischen Schriftsteller Michail Afanasjewitsch Bulgakow (1891–1940) „Der Meister und Margarita“ (1967 postum erschienen). Hatfield kommt zu der durchaus plausiblen Schlussfolgerung einer grundsätzlich zu beobachtenden Entwicklung vom detailliert Plastisch-Abbildhaften in Aufklärung und Romantik zum zunehmend Chiffrenhaften, Allegorischen und Parodistischen in der Moderne, in der auf Details des Hexentums möglicherweise weniger Wert gelegt wird32. Seine Schlussfolgerung leidet jedoch unter seiner sehr reduzierenden Einordnung der Walpurgisnächte der Faust-Dichtung Goethes als alles in allem (lediglich) dem ‚Geist der Goethezeit‘ entsprechende, aufwendige Illustration des überwundenen Aberglaubens33. Dazu scheint Hatfield offensichtlich zu verkennen, dass bei allem Aufwand und aller Detailfülle die bei der Poetisierung der Walpurgisnacht-Phantasien keineswegs erst seit der Moderne obligatorischen Aspekte des Parodistischen und Allegorischen auch bei Goethe längst eingewurzelt sind.

Details

Seiten
XVI, 640
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653052695
ISBN (ePUB)
9783653969726
ISBN (MOBI)
9783653969719
ISBN (Hardcover)
9783631659052
DOI
10.3726/978-3-653-05269-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
Faustsage Aberglaube Aufklärung Hexenverfolgung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XVI, 640 S.

Biographische Angaben

Alexander Rost (Autor:in)

Alexander Rost studierte Germanistik und weitere geisteswissenschaftliche Fächer in Düsseldorf. Schwerpunkte seiner Studien und Forschungstätigkeiten liegen in den Bereichen der literatur- und sprachwissenschaftlichen Methodik, der Intertextualität und der Interdisziplinarität.

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Titel: Hexenversammlung und Walpurgisnacht in der deutschen Dichtung
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