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Transnationale Kompetenzanerkennung

Anerkennung von im Ausland erworbenen Fachkompetenzen in der Berufsbildung

von Laura Flacke (Autor:in)
©2015 Dissertation 285 Seiten

Zusammenfassung

Laura Flacke befasst sich mit dem Problem der transparenten Darstellung von im Ausland erworbenen Fachkompetenzen, die eine zentrale Voraussetzung für die transnationale Kompetenzanerkennung ist. Die Beschreibung von Lernergebnissen erweist sich auf europäischer Ebene als durchsetzungsfähiger Ansatz, ist der Autorin zufolge alleine jedoch unzureichend. Als transparenzfördernde Ergänzung entwickelte sie eine Taxonomie Tabelle, erprobte diese im Einsatz in gemischtnationalen Ausbildungsmodulen und überprüfte sie durch Interviews mit verschiedenen Expertengruppen. Die qualitative Auswertung stellt das Potenzial des Instruments zur Analyse und Qualitätssicherung im transnationalen Kontext fest.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Ausgangspunkt der Untersuchung
  • 2 Theoretische Grundlagen
  • 2.1 Zum Begriff Anerkennung
  • 2.1.1 Begriffliche Abgrenzung zu Zertifizierung
  • 2.1.2 Begriffliche Abgrenzung zu Validierung
  • 2.1.3 Begriffliche Abgrenzung zu Akkreditierung
  • 2.1.4 Anrechnung vs. deutsches Berufskonzept
  • 2.1.5 Begriffliche Abgrenzung zu Bewertung
  • 2.1.6 Zielsetzung des Anerkennungsverfahrens
  • 2.1.7 Anerkennung im Forschungsprojekt MOVET
  • 2.2 Zum Begriff Kompetenz
  • 2.2.1 Abgrenzung vom Begriff der Qualifikation
  • 2.2.2 Abgrenzung vom Begriff der Performanz
  • 2.2.3 Differenzierung von Berufskompetenz
  • 2.2.4 Zur Rolle der Kompetenzmessung in der Arbeit
  • 2.2.5 Kompetenzdefinition für die vorliegende Arbeit
  • 2.3 Stand der europäischen und nationalen Entwicklungen
  • 2.3.1 EQAVET
  • 2.3.2 EQR
  • 2.3.2.1 Entwicklungsschritte des EQRs
  • 2.3.2.2 Beschreibung des EQRs
  • 2.3.2.3 EQR in MOVET
  • 2.3.3 DQR
  • 2.3.3.1 Entwicklungsschritte des DQRs
  • 2.3.3.2 Beschreibung des DQRs
  • 2.3.3.3 DQR in MOVET
  • 2.3.4 ECVET
  • 2.3.4.1 Entwicklungsschritte von ECVET
  • 2.3.4.2 Beschreibung von ECVET
  • 2.3.5 DECVET
  • 2.3.5.1 Entwicklungsschritte von DECVET
  • 2.3.5.2 Beschreibung von DECVET
  • 2.3.5.3 DECVET in MOVET
  • 2.4 Lernergebnisse
  • 2.4.1 Zum Begriff Lernergebnis
  • 2.4.2 Ziele der Verwendung von Lernergebnissen
  • 2.4.3 Formulierung von Lernergebnissen
  • 2.5 Taxonomie Tabelle
  • 2.5.1 Aufbau des Instruments
  • 2.5.1.1 Kognitive Prozessdimensionen
  • 2.5.1.2 Wissensbereiche
  • 2.5.2 Entwicklungsschritte der Taxonomie Tabelle
  • 2.5.2.1 Entwicklung der Taxonomie Tabelle
  • 2.5.2.2 Notwendigkeit einer Taxonomie
  • 2.5.2.3 Taxonomie Tabelle im Kontext der Handlungskompetenz
  • 2.5.2.4 Taxonomie Tabelle im Kontext der Kompetenzmatrix
  • 2.5.2.5 Taxonomie Tabelle im Kontext der Qualifikationsrahmen
  • 2.5.3 Anwendungsempfehlung
  • 3 Aktueller Forschungsstand und Fragestellung der Untersuchung
  • 3.1 Bisherige Erkenntnisse zum Forschungsthema
  • 3.1.1 Anerkennung von im Ausland erworbener Kompetenzen
  • 3.1.2 Auswirkung von Transparenz auf Mobilität
  • 3.1.3 Anwendung von Taxonomien zur Steigerung von Transparenz
  • 3.1.4 Vergleichbare EU-Projekte im Kontext der Arbeit
  • 3.1.4.1 KO-Transfer
  • 3.1.4.2 SME Master Plus
  • 3.1.4.3 IMPAECT
  • 3.1.4.4 TRIFT
  • 3.2 Forschungsinteresse
  • 3.3 Fragestellungen
  • 3.4 Aufbau der Forschungsarbeit
  • 4 Innovationstransferprojekt MOVET
  • 4.1 Konsortium
  • 4.2 Zielsetzungen
  • 4.2.1 Förderung der Transparenz
  • 4.2.2 Kompetenzanerkennung durch die Bildungspartner
  • 4.2.2.1 Anerkennungsverfahren in Deutschland
  • 4.2.2.2 Anerkennungsverfahren in Dänemark
  • 4.2.2.3 Anerkennungsverfahren in Finnland
  • 4.2.2.4 Anerkennungsverfahren in der Slowakei
  • 4.2.3 ECVET in MOVET
  • 4.2.3.1 Einheiten von Lernergebnissen
  • 4.2.3.2 Anrechnung und Akkumulierung von Lernergebnissen
  • 4.2.3.3 Lernvereinbarung und persönlicher Leistungsnachweis
  • 4.2.3.4 ECVET-Punkte
  • 4.2.4 Fazit zur Projektzielsetzung
  • 4.3 Konzeption
  • 4.3.1 Kompetenzmatrizen und Taxonomie Tabelle als zentrale Projektinstrumente
  • 4.3.2 Memorandum of Understanding
  • 4.3.3 Zeitablauf
  • 4.3.4 Zertifikat
  • 4.3.5 Realumsetzung im Modul
  • 4.4 Relevanz des Projekts auf politischer Ebene
  • 5 Forschungsmethodischer Ansatz
  • 5.1 Methodologischer Hintergrund
  • 5.1.1 Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorien
  • 5.1.2 Berücksichtigung und Analyse unterschiedlicher Perspektiven
  • 5.1.3 Reflexion des Forschers
  • 5.2 Methoden der Datengewinnung
  • 5.2.1 ExpertInneninterview
  • 5.2.2 Qualitative Inhaltsanalyse
  • 5.2.3 Dokumentenauswertung
  • 5.3 Gütekriterien der Untersuchung
  • 6 Durchführung der Untersuchung
  • 6.1 Vorbereitung
  • 6.1.1 Leitfadenentwürfe
  • 6.1.2 Qualitätssicherung der Leitfäden
  • 6.2 Datenerhebung
  • 6.2.1 Kategorisierung der Befragten
  • 6.2.2 Rahmendaten der Befragten
  • 6.2.3 Interviewdurchführung
  • 6.2.4 Sichtung der Moduldokumentationen
  • 6.3 Aufbereitung und Auswertung der Daten
  • 6.3.1 Auswertungsvorgang
  • 6.3.2 Kategorienbildung und Kodierung
  • 6.4 Methodenreflexion
  • 6.4.1 Vorbereitung
  • 6.4.2 Datenerhebung
  • 6.4.3 Datenauswertung
  • 7 Darstellung der Ergebnisse
  • 7.1 Anwendung der Taxonomie Tabelle in der Praxis
  • 7.1.1 Praktische Anwendung der TaxTab aus Sicht der konzeptionellen ExpertInnen
  • 7.1.1.1 Prüfung
  • 7.1.1.2 Tatsächlicher Transfer
  • 7.1.1.3 Möglicher Transfer
  • 7.1.1.4 Alternativen
  • 7.1.2 Praktische Anwendung der TaxTab aus Sicht der MOVET Lehrkräfte
  • 7.1.2.1 Anwendungsvorgehen
  • 7.1.2.2 Prüfung
  • 7.1.2.3 Zeitaufwand
  • 7.1.2.4 Tatsächlicher Transfer
  • 7.1.2.5 Möglicher Transfer
  • 7.1.3 Praktische Anwendung der TaxTab aus Sicht der MOVET assoziierten ExpertInnen
  • 7.1.3.1 Anwendungsvorgehen
  • 7.1.3.2 Tatsächlicher Transfer
  • 7.1.3.3 Möglicher Transfer
  • 7.1.3.4 Alternativen
  • 7.2 Einschätzung der Taxonomie Tabelle
  • 7.2.1 Einschätzungen von Erfahrungen mit der TaxTab durch die konzeptionellen Experten
  • 7.2.1.1 Einschätzungen von Lernergebnissen
  • 7.2.1.2 Potential
  • 7.2.1.3 Grenzen
  • 7.2.1.4 Optimierungsvorschlag
  • 7.2.1.5 Kognitive Durchdringung
  • 7.2.2 Einschätzungen über Erfahrungen mit der TaxTab der MOVET Lehrkräfte
  • 7.2.2.1 Einschätzungen von Lernergebnissen
  • 7.2.2.2 Potential
  • 7.2.2.3 Grenzen
  • 7.2.2.4 Optimierungsvorschlag
  • 7.2.2.5 Kognitive Durchdringung
  • 7.2.3 Einschätzungen über Erfahrungen mit der TaxTab der MOVET assoziierten Experten
  • 7.2.3.1 Einschätzungen von Lernergebnissen
  • 7.2.3.2 Potential
  • 7.2.3.3 Grenzen
  • 7.2.3.4 Optimierungsvorschlag
  • 7.2.3.5 Kognitive Durchdringung
  • 7.2.3.6 Informationsfolder
  • 7.3 Erfahrungen mit alternativen Wegen der Anerkennung
  • 7.3.1 Erfahrungen aus anderen Projekten
  • 7.3.2 Erfahrungen mit Anerkennung
  • 7.3.3 Erfahrungen mit Lernergebnissen
  • 7.4 Ergebnisse aus der Moduldokumentation
  • 7.4.1 PLC-Modul
  • 7.4.2 Bus-systems-Modul
  • 7.4.3 Hydraulik-Modul
  • 7.4.4 E-Pneu-Modul
  • 7.4.5 CAD/ CAM-Modul
  • 7.4.6 CNC-Modul
  • 8 Interpretation der Ergebnisse
  • 8.1 Beurteilung der praktischen Anwendung der Taxonomie Tabelle
  • 8.1.1 Anwendungsvorgehen
  • 8.1.2 Prüfung
  • 8.1.3 Zeitaufwand
  • 8.1.4 Tatsächlicher Transfer
  • 8.1.5 Möglicher Transfer
  • 8.1.6 Alternativen
  • 8.1.7 Fazit zur Beurteilung der praktischen Anwendung der Taxonomie Tabelle
  • 8.2 Beurteilung der ExpertInneneinschätzung der Taxonomie Tabelle
  • 8.2.1 Einschätzungen von Lernergebnissen
  • 8.2.2 Potential
  • 8.2.3 Grenzen
  • 8.2.4 Optimierungsvorschlag
  • 8.2.5 Kognitive Durchdringung
  • 8.2.6 Fazit zur Beurteilung der ExpertInneneinschätzung der Taxonomie Tabelle
  • 8.3 Beurteilung der ExpertInnenerfahrungen mit alternativen Anerkennungswegen
  • 8.3.1 Erfahrungen aus anderen Projekten
  • 8.3.2 Erfahrungen mit Anerkennung
  • 8.3.3 Erfahrungen mit Lernergebnissen
  • 8.3.4 Fazit zur Beurteilung der ExpertInnenerfahrungen mit alternativen Anerkennungswegen
  • 8.4 Beurteilung der MOVET-Moduldokumentationen
  • 8.4.1 Stundenpläne
  • 8.4.2 Glossar
  • 8.4.3 Lernergebnisse und Taxonomie Tabelle
  • 8.4.4 Fazit zur MOVET-Moduldokumentationen
  • 9 Projektresümee und Ausblick
  • 9.1 Voraussetzungen für erfolgreiche Partnerschaften und Anerkennungen
  • 9.2 Verankerung von ECVET in der Praxis
  • 9.3 Mögliche Weiterentwicklung der Taxonomie Tabelle
  • 10 Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Anhang
  • ANHANGSVERZEICHNIS
  • A. 1 Liste der befragten konzeptionellen MOVET ExpertInnen
  • A. 2 Liste der befragten MOVET Lehrkräfte
  • A. 3 Liste der befragten MOVET assoziierten ExpertInnen
  • A. 4 Beispiel einer Transkription
  • A. 5 Auszug eines Auswertungsvorganges

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1 Ausgangspunkt der Untersuchung

ERASMUS+ ging am 1. Januar 2014 an den Start und löst das EU-Bildungsprogramm für lebenslanges Lernen von 2007 bis 2013 ab. Die großzügige Budget­ausstattung des Programms für Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union in Höhe von rund 14,8 Milliarden Euro bis 2020 (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2014) ist unter anderem ein Hinweis auf die hohe Bedeutsamkeit dieses Handlungsfeldes für die europäische Politik. Insbesondere soll durch finanzielle Förderungen die internationale Mobilitätsrate für Personen der allgemeinen und beruflichen Bildung gesteigert werden.

Die Beteiligung an internationaler Mobilität insbesondere während der Ausbildungszeit wird meist mit einer Verbesserung der Kompetenzen und der Beschäftigungsfähigkeit der TeilnehmerInnen1 gleich gesetzt.

Eine aktuelle Hürde ist, wie die im Ausland erworbenen Kompetenzen sichtbar und dadurch auch anerkannt werden können. Dabei ist es unabhängig ­davon, ob die Förderung von fachlichen, sozialen oder personalen Kompetenzen vordergründig ist. Kompetenzentwicklung, Kompetenzmessung und Kompetenzanerkennung ist aktuell ein stark publiziertes Feld in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, speziell das Feld der transnationalen Anerkennung von Fachkompetenzen zu explorieren. Ausgehend von der Annahme, dass eine transparente Darstellung von im Ausland absolvierten Lernleistungen die Kompetenzanerkennung weiter voran bringt, befasst sich die Verfasserin mit konkreten Umsetzungsversuchen von transparenten Beschreibungen transna­tional angebotener Lerneinheiten.

Im Rahmen von zwei EU-geförderten Innovationstransferprojekten von 2008 bis 2012 haben unterschiedliche europäische Bildungseinrichtungen aus dem beruflichen Bereich unter der Leitung des Lehrstuhls für Pädagogik an der Technischen Universität München miteinander kooperiert. In dieser Zeit entstanden sieben dreiwöchige Module in vier europäischen Ländern in denen Auszubildende unterschiedlicher Nationalität gemeinsam in englischer Sprache unterrichtet worden sind. Am Ende jeder Lerneinheit erfolgte eine fachliche Prüfung durch die modulverantwortliche Bildungsinstitution, mit dem Ziel der inhaltlichen Anerkennung durch die entsendenden Einrichtungen. Um die Lernergebnisse ← 15 | 16 → und Inhalte der Module für alle Beteiligten verständlich zu machen, wurden bereits vorhandene sowie eigens entwickelte Instrumente der Transparenzförderung verwendet und evaluiert. Von besonderer Relevanz waren dabei die Formulierung von Lernergebnissen entsprechend ihres Anspruchsniveaus und deren Verortung in einer im Rahmen des Projekts entwickelten Taxonomie Tabelle. Für eine abschließende Beschreibung und Bewertung dieses Instruments wurden 27 ExpertInnen der beruflichen Bildung in Interviews anhand von Leitfäden befragt. Darüber hinaus wurde ihre Sichtweise auf aktuelle Anerkennungsprozesse festgehalten.

Die vorliegende Arbeit stellt ausführlich theoretische Grundlagen zur Kompetenzanerkennung mit Verweis auf europäische und nationale Entwicklungen der Bildungspolitik dar. Anschließend erfolgt eine detaillierte Deskription der Innovationstransferprojekte MOVET I (Modules for Vocational Education and Training for Competences in Europe) und MOVET II. Den theoretischen Zugang zum Untersuchungsfeld erweitert eine empirische Erhebung aus der Projektlaufzeit. Vor diesem Hintergrund diskutiert die Verfasserin den Einsatz der entwickelten und erprobten Taxonomie Tabelle als transparenzförderndes Instrument auf europäischer Ebene. Ergänzend zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn dieser Arbeit resümiert die Verfasserin aus ihrer Sicht als Projektkoordinatorin von MOVET I und MOVET II abschließend, welche praxisrelevanten Schlüsse sich aus den Projekterfahrungen für zukünftige transnationale Kooperationen ziehen lassen.

1 Das Binnen-I soll bei Bezeichnungen von Personengruppen explizit sowohl weibliche als auch männliche Gruppenangehörige in dieser Forschungsarbeit erkennbar machen.

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2 Theoretische Grundlagen

Ziel des nachfolgenden Kapitels ist es, die forschungsrelevanten Begrifflichkeiten und Instrumente zu erläutern. Insbesondere unter dem Gebrauch der Begriffe „Anerkennung“ und „Kompetenz“ existiert mittlerweile eine Vielzahl an Publikationen. Dies macht eine klare Darstellung des dieser Untersuchungsarbeit zugrundeliegenden Verständnisses notwendig. Im weiteren wird der aktuelle Stand der europäischen und nationalen Entwicklungen hinsichtlich ihrer Bemühungen einer europäischen Berufsbildungspolitik beschrieben, welche mit Hilfe von politischen Instrumenten wie EQR, DQR, ECVET, DECVET und EQAVET erreicht werden sollen. Zentral in der europäischen Berufsbildung ist aktuell auch die Diskussion um Lernergebnisse. Begriff und Konzept des Lernergebnisansatzes sollen vorgestellt werden. Abschließend ist es Ziel dieses Kapitels, das im Fokus dieser Untersuchungsarbeit stehende Instrument, die „Taxonomie Tabelle“, zu erläutern.

2.1 Zum Begriff Anerkennung

Bei der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Anerkennung ist vor allem augenscheinlich, dass in der Literatur ein differentes Verständnis davon existiert. Im Weiteren fällt auf, dass es eine mannigfaltige Begriffsvariation bzw. alternative Begriffe gibt. Zwar steht im Fokus dieser Forschungsarbeit die Anerkennung von Fachkompetenzen, welche auf dem formalen Weg erreicht werden, jedoch erfolgt die hier dargelegte Begriffserläuterung unabhängig vom Erwerbsweg. Grundsätzlich können Kompetenzen auf dem formalen, nicht-formalen und informellen Weg erworben werden. Dieses breite Spektrum soll im Folgenden Berücksichtigung finden.

Im regulären Sprachgebrauch ist eine synonyme oder unklar abgegrenzte Verwendung von Akkreditierung, Anrechnung, Bewertung, Validierung und Zertifizierung im Sinne von Anerkennung teilweise üblich. Betrachtet man zusätzlich diese Begriffe im Rahmen europäischer Bildungspolitik verkompliziert sich die Abgrenzung weiter. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass diese Termini in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich verwendet werden und selbst im nationalen Kontext meist eine uneinheitliche Verwendung vorherrscht (vgl. Käpplinger 2002, S. 3).

2.1.1 Begriffliche Abgrenzung zu Zertifizierung

Trotz kleiner Variationen in den unterschiedlichen Definitionen von Zertifizierung haben sie zumindest drei Elemente gemein: Ein Zertifikat ist ein formaler ← 17 | 18 → Nachweis, der durch eine offizielle Stelle in schriftlicher Form ausgestellt wird (vgl. Käpplinger 2002, S. 3). Dabei steht aber nur teilweise der zertifizierte Inhalt im Vordergrund. Zeitgleich weist es Dauer und Reputation der ausstellenden Bildungsinstitution aus und damit den sozialisatorischen Kontext einer Person (vgl. Clement 2012, S. 324). So entsteht Vertrauen in ein Zertifikat nicht aus dem Zertifikat selbst, vielmehr ist Vertrauen gegenüber der ausstellenden Institution notwendig, um eine Zertifizierung sinnvoll, da allgemein anerkannt, zu machen. Vertrauen entwickelt sich dabei nicht zufällig, sondern resultiert aus positiven Erfahrungen. Die Standards, nach denen bewertet und validiert wird, sind dabei wesentliche Voraussetzung der transparenten Darstellung. Grundsätzlich agieren etablierte zertifikatsausstellende Institutionen transparent oder zumindest verlässlich und vorhersagbar über einen größeren Zeitraum. Häufig ist dabei das Vertrauen keine bewusste Entscheidung einzelner, sondern Ergebnis von unbewussten Kommunikations- und Aushandlungsprozessen (vgl. Clement 2012, S. 326). Die Leitideen der Einrichtung, ihre Verfahrensordnung und Leistungen sowie die umgebenden Kontrollmechanismen sind entscheidende Faktoren, wenn eine zertifikatsausstellende Einrichtung gesellschaftlich akzeptiert werden soll (vgl. Endress 2002, S. 59). Anders ausgedrückt ist eine Zertifizierung stets nur so viel wert, wie die ausstellende Institution gesellschaftliche Akzeptanz ­genießt. Dabei können die Institutionen staatliche Einrichtungen oder korporatistische Organisationen sein.

2.1.2 Begriffliche Abgrenzung zu Validierung

Im Gegensatz dazu hat die Validierung einen breiteren Blick auf Lernorte. Während zertifizierte Kompetenzen eng verflochten mit der jeweiligen formalen Bildungseinrichtung sind, können validierte Kompetenzen unabhängig vom formalen Bildungsweg betrachtet werden. Letztendlich können sie in Ausbildung, Beruf oder Freizeit erworben werden. Validierung bezieht sich neben dem formalen Weg somit auch auf den nicht-formalen und informellen Weg (vgl. Käpplinger 2002, S. 4). Dementsprechend kann auch eine Messung der Kompetenzen sich nicht auf feste Inhalte beziehen, da auf dem nicht-formalen und informellen Weg keine standardisierte Vermittlung von Inhalten existiert. Eine Prüfung muss daher vielmehr die Kompetenzen prozessorientiert auf ihre Tauglichkeit betrachten. Nach Käpplinger (2002) bezieht sich der Begriff Validierung auch auf den Prozess der Anerkennung, während sich der Begriff der Zertifizierung als eher ergebnisorientiert darstellt. Nach dem Glossar von Cedefop (Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung 2011, S. 201) muss für die Validierung von Lernergebnissen eine zuständige Stelle die Kenntnisse, ← 18 | 19 → Fähigkeiten und Kompetenzen einer Person gemäß festgelegter Kriterien bewerten. Diese Kriterien müssen den Anforderungen eines Validierungsstandards entsprechen, um dann üblicherweise zu einer Zertifizierung zu führen.

Eine Validierung bestätigt folglich, dass aufgrund einer Untersuchung nachvollziehbare Qualitätsforderungen erfüllt sind. Es liegt ihr ein objektiver Nachweis zugrunde, der durch Beobachtung, Messung, Test oder andere Methoden erbracht wird.

2.1.3 Begriffliche Abgrenzung zu Akkreditierung

Ein weiterer Begriff, welcher häufig im Zusammenhang mit einer Anerkennung fällt, ist die Akkreditierung. Der Ursprung des Wortes ist lateinisch – von accredere: Glauben schenken. Der Begriff der Akkreditierung wird i. d. R. im Zusammenhang mit staatlichen Stellen oder staatlich beauftragten Stellen verwendet. Akkreditierungen gewähren meist den Zugang zu staatlichen Ausbildungsgängen. Wesentlicher Bestandteil von Akkreditierungen ist, dass sie nach transparenten und verlässlichen Standards und Verfahren durchgeführt werden. Sie dient als eines der Werkzeuge für externe Qualitätssicherung. Nach DIN EN ISO/IEC 17011:2005-02 ist Akkreditierung ein „Verfahren in dem eine maßgebliche Stelle formell anerkennt, dass eine Stelle oder Person kompetent ist, bestimmte Aufgaben auszuführen“ (Deutsches Institut für Normung 2005). Für den Deutschen Akkreditierungsrat, als zentrales Beschlussgremium zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland, bezieht sich Akkreditierung auf die Anerkennung von Zertifizierungsstellen, nimmt somit die Metaebene zur Zertifizierung ein. Nach Cedefop ist die Akkreditierung eines Bildungs- oder Ausbildungsprogramms ein

„Qualitätssicherungsverfahren, in dessen Rahmen ein Programm der allgemeinen oder beruflichen Bildung einen akkreditierten Status erhält, der als Nachweis gilt, dass er von den zuständigen Rechtssetzungsorganen oder berufsständischen Organisationen genehmigt wurde, da es bestimmte festgelegte Standards erfüllt“ (Cedefop 2011, S. 10).

Eng verbunden mit dem Akkreditierungsbegriff ist das notwendige Vertrauen, das einer Organisation ausgesprochen wird. Um zwischen transnationalen Bildungspartnern gegenseitiges Vertrauen und damit verbunden eine enge Kooperation aufzubauen, muss eine transparente Arbeitsweise vorhanden sein. Die Zusammenarbeit von staatlichen, bzw. staatlich anerkannten Bildungsinstitutionen stellt von vorne herein einen Mindeststandard fest. Personen, die an angebotenen Lerneinheiten von offiziell akkreditierten Bildungsstellen teilnehmen, können sich daher einer guten Qualität sicher sein, sodass eine prinzipielle Anerkennung von transnational erworbenen Lernleistungen möglich ist. ← 19 | 20 →

2.1.4 Anrechnung vs. deutsches Berufskonzept

Häufig kommt es im allgemeinen Sprachgebrauch zur synonymen Verwendung der Begriffe Anerkennung und Anrechnung. Dies ist jedoch nicht korrekt, da eine Anrechnung stets erst dann erfolgen kann, wenn eine Kompetenz bereits anerkannt worden ist. Sie ist somit das Ergebnis einer Anerkennung, wenn beispielsweise eine Leistung nun tatsächlich einer Person zugeschrieben wird (vgl. Gutschow et al. 2010, S. 12f.). Übertragen auf das Bildungssystem liegt an diesem Punkt ein aktuell nicht überwindbares politisches Hindernis vor. Das deutsche Berufskonzept, insbesondere durch das duale System gekennzeichnet, ist durch sieben Merkmale geprägt: umfassende Berufskompetenz, Transparenz, Elastizität und Transferfähigkeit, Initiativkraft, Mobilität, tarif- und sozialrechtliche Absicherung und Gleichwertigkeit (vgl. Schelten 2010, S. 44). Eine umfassende Berufskompetenz kann nach deutschem Verständnis nur in einer mehrjährigen und zeitlich zusammenhängenden Ausbildung vermittelt werden. Eine Anrechnung von sogenannten Teilqualifikationen, z. B. in Form von dreiwöchigen ­Modulen, ist nicht vorgesehen. Autoren wie Euler und Severing sehen jedoch Vorteile von Modulen in der deutschsprachigen Diskussion:

„Ausbildungsbausteine, die übergreifend und standardisiert in allen Segmenten des ­Berufsbildungssystems gelten, sind ein Weg, um Übergänge zu erleichtern, die Verwertbarkeit von Teilqualifikationen zu sichern, die Flexibilität der betrieblichen Ausbildung zu erhöhen und die Steuerbarkeit des Gesamtsystems der Berufsbildung zu verbessern“ (Euler, Severing 2006, S. 12).

Außerdem sind die Chancen insbesondere hinsichtlich einer europäischen Berufsbildungspolitik nicht von der Hand zu weisen. Eine Modularisierung ermöglicht eine bessere internationale Vergleichbarkeit, sie erhöht die flexible ­Anpassung an betrieblichen Qualifikationsbedarf, sie wirkt sich kostenreduzierend aus und unterstützt die individuelle Förderung der Auszubildenden (vgl. Pilz 2009, S. 221). Dennoch ist die deutsche Moduldebatte keineswegs abgeschlossen, da bei tiefgehender Betrachtung einige Risiken und Hemmnisse vorhanden sind. Aktuell fehlt eine transparente und vergleichbare Darstellung von bestehenden Modulen auf europäischer Ebene. Es fehlen verlässliche Verfahren und Instrumente, um den Bedarf an Qualifikationen festzustellen sowie vermittelte Lernergebnisse zu prüfen. Insbesondere würde der Prüfungsaufwand, der von der jeweiligen modulanbietenden Institution gewährleistet werden muss, steigen (vgl. ebd., S. 175). Des Weiteren existiert bislang keine Möglichkeit, den hohen Steuerungs- und Koordinierungsbedarf, welcher die Aufgliederung von Berufen in Teilqualifikationen auslöst, auf nationaler oder europäischer Ebene zu verwalten. Im Rahmen der aktuellen Gegebenheiten ist eine Fortführung der ← 20 | 21 → Moduldebatte sinnvoll. Im Rahmen dieser Arbeit liegt jedoch der Fokus bewusst auf der Anerkennung von Fachkompetenzen, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten in der Vorstufe der Anrechnung realisierbar sind. Durch den europäischen und nationalen Qualifikationsrahmen sowie Kompetenzstandards, mit denen Kompetenzen unabhängig vom Lernort und Lerndauer nachgewiesen werden können, ist auch zum aktuellen Zeitpunkt eine europäische Öffnung im Berufsbildungssystem möglich. Siehe dazu Kapitel 2.3, in welchem der aktuelle Stand der europäischen und nationalen Entwicklungen beschrieben wird.

Details

Seiten
285
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653055702
ISBN (ePUB)
9783653966909
ISBN (MOBI)
9783653966893
ISBN (Hardcover)
9783631661086
DOI
10.3726/978-3-653-05570-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Kompetenz Taxonomie Tabelle Berufsbildung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 285 S., 47 Graf.

Biographische Angaben

Laura Flacke (Autor:in)

Laura Flacke absolvierte ihr Studium für das Lehramt an beruflichen Schulen an der TU München mit der Fächerkombination Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Sozialkunde und Berufspädagogik. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädagogik an der TU München, ihre Promotion erfolgte 2015.

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Titel: Transnationale Kompetenzanerkennung
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