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Die EU-Kommissare

Aufgaben und Rechtsstellung

von Pia Braukmann (Autor:in)
©2015 Dissertation 263 Seiten

Zusammenfassung

Das Amt eines EU-Kommissars ist politisch geprägt. Doch welches sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, die bei seiner Einsetzung, der Amtsführung und Beendigung des Amtes zu beachten sind? Die Autorin verfolgt das Ziel, das Dienstrecht der einzelnen Kommissare in seiner Gesamtheit darzustellen. Dazu entwickelt sie anhand der Aufgaben des Organs die konzeptionellen Grundlagen der Amtstätigkeit und konkretisiert die spezifische Ausgestaltung der Rechtsstellung. Hierbei unterscheidet sie zwischen der organschaftlichen Komponente der Amtsausübung und dem dienstrechtlichen Aspekt des Amtes. Im Fokus des Buches stehen die Organisationsprinzipien der Kommission, die individuellen Amtspflichten sowie die finanzielle und sozialrechtliche Absicherung und der Rechtsschutz.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Problemstellung und Untersuchungsziel
  • II. Gang der Untersuchung
  • B. Die Tätigkeit der Kommission
  • I. Die Aufgabenfelder der Kommission und ihrer Mitglieder
  • 1. Die Förderung des Unionsinteresses
  • 2. Die Hüterin des Unionsrechts
  • 3. Die Ausführung des Haushaltsplans und die Verwaltung von Finanzhilfen
  • 4. Weitere Koordinierungs- und Verwaltungsfunktionen sowie die Außenvertretung der Union
  • II. Überblick über die kommissionsinterne Organisationsstruktur insgesamt
  • C. Konzeptionelle Folgerungen für die Rechtsstellung der Kommissionsmitglieder aus der Kommissionstätigkeit
  • I. Das Gebot der Unabhängigkeit
  • 1. Der Begriff der Unabhängigkeit
  • a) Der Einfluss durch die Mitgliedstaaten
  • b) Der Einfluss durch die Interessen der Unionsbürger
  • c) Die Sonderrolle des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
  • aa) Vorgaben durch den Europäischen Rat
  • bb) Die Durchführung der Ratsbeschlüsse
  • cc) Die Rats- und Kommissionszugehörigkeit des Hohen Vertreters
  • 2. Das Organisationsprinzip der Kollegialität
  • a) Die Kommission als Kollegialorgan
  • b) Die Funktionen der kollegialen Struktur der Kommission
  • c) Die Modifikation des Kollegialprinzips durch den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik
  • 3. Zwischenfazit
  • II. Die politische Bindung der Kommissionsmitglieder
  • 1. Die interne Bindung an den Präsidenten
  • 2. Die externe Bindung
  • a) Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit
  • b) Die Beziehung zum Europäischen Parlament
  • aa) Die politische Rechenschafts- und Einstandspflicht
  • bb) Die Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission
  • cc) Die Vereinbarkeit der amtsbezogenen Regelungen der Rahmenvereinbarung mit dem Primärrecht
  • (1) Die Individualverantwortlichkeit
  • (2) Die präsidiale Verantwortlichkeit
  • (3) Das parlamentarische Initiativrecht hinsichtlich einer Aufforderung zur Amtsniederlegung
  • (4) Zwischenfazit
  • dd) Der Misstrauensantrag durch das Europäische Parlament
  • c) Die Bindung an den Rat der EU
  • III. Das Fürsorgeprinzip
  • 1. Das Alimentationsprinzip
  • 2. Die soziale Sicherheit
  • D. Die Begründung des Amtes
  • I. Das Auswahlverfahren/ Ernennungsvoraussetzungen
  • 1. Die vertraglichen Auswahlkriterien
  • 2. Die politischen Auswahlkriterien
  • 3. Die Anforderungen an den Präsidentschaftskandidaten und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
  • II. Das Ernennungsverfahren
  • 1. EWGV/Fusionsvertrag
  • 2. Vertrag von Maastricht
  • 3. Vertrag von Amsterdam
  • 4. Vertrag von Nizza
  • 5. Vertrag von Lissabon
  • III. Die Annahme des Amtes als Kommissar
  • IV. Der Rechtsschutz der Mitgliedstaaten und beteiligten Organe
  • 1. Der Klagegegenstand
  • 2. Der Umfang der gerichtlichen Kontrolle
  • V. Der Rechtsschutz eines Kandidaten für das Amt eines Kommissars
  • E. Das Amt des Kommissars
  • I. Die organschaftliche Dimension der Amtsausübung
  • 1. Die Entscheidungsfindung
  • a) Das mündliche Verfahren
  • aa) Die Vorbereitung der Sitzung
  • bb) Die Beratung
  • cc) Die Beschlussfassung
  • b) Die schriftliche Beschlussfassung
  • c) Das Ermächtigungsverfahren
  • aa) Voraussetzungen des Ermächtigungsverfahrens
  • bb) Die Ausübung der Ermächtigung
  • d) Die Befugnisübertragung (Delegation)
  • e) Gemeinsame Bestimmungen für Beschlüsse im schriftlichen Verfahren sowie im Wege der Ermächtigung und Befugnisübertragung
  • f) Die Vereinbarkeit der besonderen Beschlussverfahren mit dem Kollegialprinzip
  • g) Zwischenfazit
  • 2. Die Führungsrolle des Präsidenten
  • a) Die Leitlinienkompetenz
  • aa) Die inhaltliche Einflussnahme
  • bb) Die Befugnis zur Konkretisierung
  • b) Das ressortbezogene Weisungsrecht
  • c) Die kommissionsinterne Organisationsgewalt
  • aa) Die strukturelle Organisationsgewalt
  • (1) Die Auf- und Umverteilung der Portefeuilles
  • (2) Weitere formelle Organisationskompetenzen
  • (3) Die Sitzungsleitung
  • bb) Die personelle Entscheidungsbefugnis
  • (1) Die Entwicklung und Funktionen der Aufforderung zur Amtsniederlegung
  • (2) Voraussetzungen der Aufforderung zur Amtsniederlegung
  • (3) (Rechts-)Folgen der Aufforderung
  • d) Das Verhältnis der präsidialen Führung zum Kollegialprinzip
  • aa) Die Zuordnung der präsidialen Führung zum Kollegialprinzip
  • bb) Das Verhältnis der präsidialen Führung zum Inhalt der kollegialen Beschlussfassung
  • (1) Der Wirkungsbereich der Leitlinien und Weisungen des Präsidenten
  • (2) Die Bindungswirkung der präsidialen Vorgaben
  • cc) Ergebnis zum Ausgleich der Organisationsprinzipien
  • 3. Die Ressortzuständigkeit
  • a) Das Verhältnis zum Kollegialprinzip
  • b) Der Umfang der Sachgewalt im Rahmen der Ressortzuständigkeit
  • c) Die besondere Stellung des Hohen Vertreters
  • d) Der Einfluss auf die Personalpolitik im Bereich des Ressorts
  • e) Die strukturelle Organisationsgewalt
  • f) Das Verhältnis des Ressortleiters zu den Generaldirektionen und anderen Dienststellen
  • g) Die Zusammenarbeit der Kabinette und Dienststellen
  • h) Das Verhältnis der präsidialen Führung gegenüber den Dienststellen
  • i) Die Ressortverantwortlichkeit
  • 4. Die Position der Vizepräsidenten
  • 5. Die Amtspflichten der Kommissionsmitglieder
  • a) Die individuellen Pflichten während der Amtszeit
  • aa) Pflichten im Rahmen der kommissionsinternen Tätigkeit
  • (1) Die Pflicht zur Ehrenhaftigkeit im engeren Sinne
  • (2) Die Interessenerklärung
  • (3) Ressortbezogene Pflichten
  • (4) Die Loyalitätspflicht
  • (5) Die Geheimhaltungspflicht
  • (6) Die Annahme von Geschenken und Auszeichnungen
  • bb) Externe Tätigkeiten während der Amtszeit
  • b) Die individuellen Pflichten nach Beendigung der Amtszeit
  • aa) Die Interims-Amts- bzw. Geschäftsführung
  • bb) Der Amtszeit nachfolgende Erwerbstätigkeiten
  • 6. Rechtliche Sanktionen gegen die einzelnen Kommissionsmitglieder
  • a) Das Verfahren
  • b) Die materiellen Sanktionsvoraussetzungen
  • aa) Die Gründe der Aberkennung von Ruhegehaltsansprüchen oder entsprechender Vergünstigungen
  • bb) Die besonderen Gründe der Amtsenthebung
  • c) Die Rechtsfolgen
  • II. Die dienstrechtliche Dimension der Amtsausübung
  • 1. Die Amtsbezüge
  • 2. Weitere Kostenerstattungen
  • 3. Das Protokoll (Nr. 7) über Vorrechte und Befreiungen der EU
  • a) Die einzelnen Vorrechte und Befreiungen
  • aa) Die amtshandlungsbezogene Immunität der Kommissionsmitglieder
  • bb) Erleichterungen im Bereich der Freizügigkeit
  • cc) Fiskalische Privilegierung
  • dd) Die soziale Sicherheit
  • (1) Die Krankheitsfürsorge
  • (2) Die Sicherung bei Unfällen und Berufskrankheiten
  • (3) Die Leistungen bei Geburt und im Todesfall
  • b) Der Umfang der Vorrechte und Befreiungen
  • 4. Die Versorgungsleistungen
  • a) Allgemeine Regelungen für die Versorgungsleistungen
  • b) Die einzelnen Versorgungsleistungen
  • aa) Das Übergangsgeld
  • bb) Die Altersversorgung
  • cc) Das Invalidengeld
  • dd) Die Hinterbliebenenversorgung
  • 5. Die Dienstzeiten/ Urlaubsregelungen
  • F. Die Charakterisierung des Amtsverhältnisses in Abgrenzung zum europäischen Beamten
  • I. Keine Beamten der Union
  • II. Keine politischen (Wahl-)Beamten
  • III. Zwischenfazit
  • G. Der Rechtsschutz des Kommissars
  • I. Der Rechtsschutz des Kommissionsmitglieds im Rahmen des Amtsverhältnisses iSd. Art. 263 AEUV
  • 1. Die Klageberechtigung
  • a) Keine ausdrücklich geregelte Parteifähigkeit
  • b) Die entsprechende Anwendung des Art. 263 UAbs. 3 AEUV
  • c) Die Anwendbarkeit des Art. 263 UAbs. 4 AEUV
  • 2. Der Klagegegenstand
  • a) Der Ausschluss von der Entscheidungsfindung
  • aa) Die verbindliche Rechtswirkung
  • bb) Die Außenwirkung
  • b) Sachbeschlüsse
  • c) Organisationsakte in der Kommission
  • d) Die Aufforderung zur Amtsniederlegung
  • 3. Der Klagegegner
  • 4. Die Klagebefugnis
  • 5. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie der Klagegrund
  • a) Der Klagegrund beim Ausschluss von der Entscheidungsfindung
  • b) Der Klagegrund bei der Aufforderung zur Amtsniederlegung
  • 6. Das Rechtsschutzbedürfnis
  • II. Der Rechtschutz hinsichtlich der dienstrechtlichen Stellung
  • 1. Die Aufhebung der Immunität
  • 2. Die Besoldung, Sozial- und Versorgungsleistung
  • a) Die Anwendung des Rechtsschutzsystems iSd. Art. 90 ff. BSt
  • b) Die analoge Anwendung des beamtenrechtlichen Rechtsschutzsystems
  • aa) Der Rechtsfolgenvergleich
  • bb) Das administrative Vorverfahren
  • c) Die Zuständigkeit des Gerichts
  • H. Die Beendigung des Amtes
  • I. Die Beendigungsgründe
  • II. Die Amtsnachfolge
  • 1. Die Rechtsfolgen für ehemalige Amtsinhaber
  • 2. Die Neubesetzung des Amtes
  • I. Zusammenfassendes Ergebnis
  • Anlagen
  • Anlage 1
  • Anlage 2
  • Literaturverzeichnis
  • Abkürzungen

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A. Einleitung

I. Problemstellung und Untersuchungsziel

Der Begriff der Europäischen Kommission wird in zwei Bedeutungen verwendet. Zum einen bezeichnet er die Mitglieder der Kommission, d.h. jene Männer und Frauen, die vom Europäischen Parlament ernannt wurden, um das Organ zu führen und in dessen Namen zu beschließen. Zum anderen umfasst der Begriff das gesamte Organ mit seinen Generaldirektionen und allen in den einzelnen Diensten im Verwaltungsunterbau tätigen Mitarbeiter.1 Die Kommission insgesamt findet in der rechtswissenschaftlichen Diskussion vorrangig wegen ihrer institutionellen Bedeutung für die Europäische Union Berücksichtigung. So werden ihre in Art. 17 EUV verankerte Funktion als Exekutiv- und Regierungsorgan sowie ihre Aufgaben, beispielsweise als „Hüterin der Verträge“ und „Motor der Integration“, in der Rechtswissenschaft eingehend behandelt. Die Stellung der einzelnen Kommissionsmitglieder wird hingegen nur vereinzelt rechtswissenschaftlich erörtert.2 Sie ist ausschließlich in Fällen möglicher Verfehlungen Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussionen. So führten beispielsweise ein mögliches Fehlverhalten des ehemaligen Kommissars M. Bangemann im Zusammenhang mit seinem Wechsel in ein Privatunternehmen3 sowie auch der Vorwurf der Günstlingswirtschaft gegenüber der Kommissarin E. Cresson4 zu einer Thematisierung der amtsbezogenen Rechte und Pflichten in der unionsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur. Die nähere Erörterung erfolgte jedoch stets anlassbezogen und wird voraussichtlich durch die Klage des zuletzt zurückgetretenen Kommissionsmitglieds J. Dalli wegen einer vermeintlichen Aufforderung zur Amtsniederlegung durch den Präsidenten5 erneut ausgelöst. Eine umfassende Betrachtung der Rechtsstellung der einzelnen „Kommissare“6 ist ← 13 | 14 → bisher jedoch ausgeblieben. Dabei erscheint diese durch die Entwicklung des Organs besonders interessant.

Die Kommission war zu Beginn, wie bereits vor der Fusion der Hohen Behörde der EGKS mit den Kommissionen der EWG und EURATOM, als eine technokratische Behörde zu charakterisieren. Sie war ehemals überwiegend mit hohen Verwaltungsbeamten als Spezialisten aus einzelnen Politikfeldern besetzt.7 Dies führte beispielsweise zu Kritik, wie die des damaligen französischen Staatspräsidenten C. de Gaulle, der das Kommissionskollegium als einen „technokratischer Club vaterlandloser Herren ohne politische Verantwortung“8 bezeichnete. Seit dieser Zeit hat sich die Kommission zunehmend zu einem politischen Regierungsorgan entwickelt. Daher kam es im Laufe der Jahre auch zu einer Politisierung des Kollegiums. Verstärkt wurden erfahrene und hochrangige Politiker aus den Mitgliedstaaten und weniger Bürokraten als Mitglieder der Kommission ausgewählt.9 Beispielsweise waren in der ersten Kommission-Barroso drei frühere Premierminister, fünf ehemalige Außenminister und drei frühere Finanzminister Teil des Kollegiums. Auch die Mitglieder des derzeitigen Kollegiums bekleideten vor ihrem Amt als Kommissar ganz überwiegend hohe nationale oder europäische politische Ämter. So setzt sich das Kollegium unter anderem aus zwei ehemaligen Premierministern, zwei Stellvertretern, einem Ministerpräsidenten und elf ehemaligen Ministern zusammen.

Die Politisierung des Organs und seiner Mitglieder hat zu einer verstärkt politischen Ausrichtung des Amtes eines Kommissars geführt. In Folge dessen ist es notwendig, dem einzelnen Kommissar auch einen politischen Gestaltungsspielraum bei der Ausübung seines Amtes einzuräumen. Der Umfang eines solchen Gestaltungsspielraumes wird aber entscheidend durch die rechtliche Ausgestaltung des Amtes insgesamt und die einzelnen Rechte und Pflichten im Amt bestimmt.

Diese Ausarbeitung soll sich daher allein auf den einzelnen Amtsträger, seine Position im Kollegium und in der übrigen Kommission, aber auch im Verhältnis zu anderen Unionsorganen und den Mitgliedstaaten, konzentrieren. Das Ziel besteht darin, weitgehend losgelöst von der funktionellen und materiellen Tätigkeit der Kommission, das Dienstrecht der Kommissare zu erarbeiten. Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet eine systematische Analyse der Anforderungen und Ausgestaltung des Amtsverhältnisses. Dafür werden aus den Aufgaben des Organs die Rahmenbedingungen der Amtstätigkeit entwickelt und die spezifische Ausgestaltung ← 14 | 15 → des Amtes mittels einer Differenzierung zwischen der organschaftlichen Amtsausübung und dem dienstrechtlichen Aspekt des Amtes konkretisiert.

II. Gang der Untersuchung

Nach einer kurzen Darstellung des Untersuchungsgegenstandes werden aus den Funktionen und Tätigkeitsfeldern des Organs, unter Berücksichtigung der Neuerungen durch den Vertrag von Lissabon, das Aufgabenfeld der Kommissionsmitglieder skizziert und die schematischen Arbeitsabläufe innerhalb der Kommission im Überblick dargestellt.

Auf Grundlage der materiellen Aufgaben werden konzeptionelle Folgerungen für das Amt des Kommissars erarbeitet. Diese umfassen die Ausgestaltung des Unabhängigkeitsgebotes als Hauptpflicht der Mitglieder zur Sicherung der supranationalen Zweckbestimmung der Kommission, wobei dem Organisationsprinzip der Kollegialität ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird. Weiterhin werden die institutionell-organisatorischen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Kommissare unter Betonung der politischen kommissionsinternen sowie -externen Bindungswirkungen, die sich insbesondere durch den Präsidenten der Kommission sowie im Verhältnis zu anderen Unionsorganen ergeben, abgesteckt und die Geltung des Fürsorgeprinzips als Korrelat zur Gemeinwohlverpflichtung erläutert.

Anschließend sind die Auswahl und Berufung der Kommissionsmitglieder unter Berücksichtigung der Kompetenzverschiebungen im Institutionengeflecht der Union sowie des Kompetenzzuwachses des Präsidenten Gegenstand der Untersuchung.

Der darauf folgende Abschnitt stellt den Hauptteil der Ausarbeitung dar und konzentriert sich auf die Amtsausübung durch die Mitglieder. Diese wird in eine organschaftliche Komponente sowie in eine dienstrechtliche Komponente gegliedert.

Im ersten Teil werden die Organisationprinzipien der Kommission und ihre tatsächlichen Ausformungen detailliert erläutert und versucht, mögliche Konfliktkonstellationen herauszuarbeiten und miteinander in Ausgleich zu bringen. Im Anschluss an die Untersuchung des Spannungsfeldes der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung, der Führungsrolle des Präsidenten und der Ressortzuständigkeit der einzelnen Mitglieder, bilden die individuellen Amtspflichten der Mitglieder den Forschungsgegenstand. Diese werden durch die Art. 17 EUV und 245 AEUV nur partiell primärrechtlich festgelegt und bedürfen im Hinblick auf ihre Geltung während sowie nach der Amtszeit unter Heranziehung eines Verhaltenskodex des Kollegiums als auch der entsprechenden Rechtsprechung des Gerichtshofes einer Konkretisierung. Zur umfassenden Darstellung des organschaftlichen Aspektes der Amtsausübung werden die Rechtsschutzmöglichkeiten der einzelnen Mitglieder gegenüber dem Kollegium und dem Präsidenten erläutert. Im Gegenzug bilden die rechtlichen Sanktionen gegen einzelne Mitglieder den Abschluss der organschaftlichen Betrachtung.

Der nachfolgende Teil behandelt die dienstrechtliche Ausgestaltung des Amtes und umfasst im Wesentlichen die Darstellung der finanziellen und sozialrechtlichen Absicherung der Mitglieder sowie entsprechender Rechtsschutzverfahren. ← 15 | 16 →

Nach der Betrachtung der prinzipiellen inhaltlichen Zusammensetzung der Amtsausübung wird eine Charakterisierung des Amtsverhältnisses in Abgrenzung zum europäischen Beamtentum vorgenommen. Den abschließenden Teil der Bearbeitung bilden die verschiedenen Formen der Beendigung des Amtes und ihre Rechtsfolgen.

1 D. Spence, in: Spence/Edwards, S. 128 ff.; U. Haltern, Rn. 153; C. Giering, in: Ronge, S. 203, 214; Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 EUV Rn. 34.

2 Die Politikwissenschaft beschäftigt sich hingegen mit dem Kommissionskollegium, wobei es jedoch vor allem um die Auswahl der einzelnen Mitglieder und die politisch motivierte personelle Zusammensetzung der Kommission geht; so z.B. A. Wonka, S. 54; D. Spence, in: ders./Edwards, S. 25 ff.; N. Nugent, S. 82; A. Smith, JCMS 2003, S. 137.

3 EuGH, Rs. C-290/99 (ABl. C 314 v. 30.10.1999, S. 2/ABl. C 122 v. 29.04.2000, S. 17); W. Hummer/W. Obwexer, europablätter 1999, S. 119; M. E. Kurth, ZRP 2000, S. 251.

4 EuGH, Rs. C-432/04.

5 EuG, Rs. T-562/12 (Dalli/Kommission), nur mit Klagegründen veröffentlicht im ABl. EU 2013 C 46/24.

6 Die Bezeichnung „EU-Kommissar“ bzw. „Kommissar/-in“ ist kein dem Primärrecht entlehnter Rechtsbegriff. In den Verträgen finden ausschließlich die Begriffe „Mitglied/ Mitglieder der Kommission“ Verwendung. Da die Unionsorgane die Kommissionsmitglieder jedoch insbesondere in der jeweiligen englisch und französischen, aber auch in der deutschen Sprachfassung ihren Dokumenten als Kommissar/ Kommissare bezeichnen, werden die Begriffe nachfolgend synonym verwandt. Weiterhin unterbleibt eine geschlechtsspezifische Differenzierung, so dass von der Bezeichnung „Kommissar“ männliche wie weibliche Mitglieder erfasst werden.

7 J. Schild, integration 2005, 33, 36.

8 W. Wessels, S. 225.

9 H. Döring, S. 21; W. Wessels, S. 244; J. Schild, integration 2005, 33, 36.

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B. Die Tätigkeit der Kommission

Die Aufgaben der Kommissionsmitglieder sind im Primärrecht nur sehr vereinzelt geregelt. Der Kommission als Unionsorgan werden jedoch ihre Aufgaben primärrechtlich zugewiesen.10 Aus der Rechtsstellung und den Funktionen der Kommission lassen sich vielfach die Aufgaben und die Rechtsstellung ihrer Organwalter ableiten. Die Tätigkeit des Organs bestimmt somit entscheidend die organschaftliche und individuelle Rechtsposition der Kommissare.

I. Die Aufgabenfelder der Kommission und ihrer Mitglieder

Als Hüterin des Unionsrechts, Initiatorin der Gesetzgebung, strategische Planerin und Repräsentantin der Union bildet die Kommission – gemeinsam mit dem Rat und dem Europäischen Rat – die europäische Regierung.11 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Kollegium. Der Kommission kommen als genuin supranational ausgeprägte Leitungsinstanz im Organgefüge der EU12 überwiegend Exekutiv- und Regierungsaufgaben zu.

1. Die Förderung des Unionsinteresses

Nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 EUV fördert die Kommission die allgemeinen Interessen der Union und ergreift geeignete Initiativen zu diesem Zweck. Ihr kommt somit im Unterscheid zu den national geprägten Interessen des Rates und des Europäischen Rates sowie den rein politischen Erwägungen des mit unmittelbar demokratisch legitimierten Vertretern der Mitgliedstaaten besetzten Europäischen Parlaments die ausdrückliche Verpflichtung zu, das Unionsinteresse zu hüten und fördern. Dies ergibt sich vornehmlich aus den grundlegenden Werten und Zielen der Union iSd. Art. 2 und 3 EUV, aber auch aus der Berücksichtigung der Interessen der Bürger und Mitgliedstaaten iSd. Art. 11 EUV.13

Die Aufgabe der Förderung der Unionsziele und -interessen erfährt die deutlichste Ausprägung durch das in Art. 17 Abs. 2 EUV vertraglich normierte Initiativrecht der Kommission im Gesetzgebungsverfahren. Diese Funktion führt zur ← 17 | 18 → Charakterisierung der Kommission als „Motor der Integration“.14 Gemäß Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV verfügt die Kommission grundsätzlich über ein Vorschlagsmonopol15 in Bezug auf Gesetzgebungsakte, die nach Art. 289 Abs. 3 AEUV Ergebnis eines ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren sind. Hinsichtlich anderer Rechtsakte hat die Kommission gemäß Art 17 Abs. 2 S. 2 AEUV ein Vorschlagsrecht, wenn es, wie überwiegend der Fall, die vertraglichen Regelungen vorsehen.16 Das Europäische Parlament wie auch der Rat sind nach Art. 225 und 241 AEUV lediglich befugt, die Kommission aufzufordern, zur Durchführung der Verträge und zur Verwirklichung der Unionsziele für nötig gehaltene Vorschläge zu erarbeiten und vorzulegen. Die Diskussion um die Rechtsverbindlichkeit einer solchen Aufforderung17 wurde durch den Vertrag von Lissabon entschärft. Entsprechend der Interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“18 wurde nun primärrechtlich bestimmt, dass die Kommission bei Ablehnung der Aufforderung dem jeweiligen Initiator die Gründe ihrer Entscheidung darzulegen hat. Nach Art. 11 Abs. 4 EUV besteht ein Aufforderungsrecht gegenüber der Kommission auch durch eine europäische Bürgerinitiative, der wohl eine entsprechende Bindungswirkung zukommt.19

Das Initiativrecht der Kommission iSd. Art. 293 AEUV setzt sich auch im Gesetzgebungsverfahren fort. Demnach kann der Rat einen Kommissionsvorschlag grundsätzlich nur durch einen einstimmigen Beschluss ändern. Gemäß Art. 293 Abs. 2 AEUV kommt der Kommission das Recht zu, ihren Vorschlag bis zur Annahme des ← 18 | 19 → Rechtaktes durch den Beschluss des Rates zu ändern.20 Die Kommission ist somit befugt, während des gesamten Rechtsetzungsverfahrens auf den jeweiligen Vorschlag Einfluss zu nehmen, um diesen zu aktualisieren oder die Entscheidungsfindung im Rat und Parlament zu begünstigen.21 Darüber hinaus kann die Kommission ihre Vorschläge ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage aus dem „actus contrarius- Gedanken“ des Initiativrechts bis zur Beschlussfassung des Rates auch vollständig zurücknehmen.22

Details

Seiten
263
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653056440
ISBN (ePUB)
9783653962543
ISBN (MOBI)
9783653962536
ISBN (Hardcover)
9783631663318
DOI
10.3726/978-3-653-05644-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Kollegialprinzip präsidiale Führungsrolle Ressortzuständigkeit Versorgung Rechtsstellung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 263 S.

Biographische Angaben

Pia Braukmann (Autor:in)

Pia Braukmann studierte Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg und absolvierte das Referendariat am Oberlandesgericht Celle. Nach ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Europarecht von Herrn Prof. Dr. Hatje an der Universität Hamburg arbeitet sie als Syndikusanwältin eines Energieversorgungsunternehmens.

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