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Die Unabhängigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

Unter besonderer Berücksichtigung ihrer Organisation als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts

von Myeongjin Han (Autor:in)
©2015 Dissertation 203 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin untersucht, ob die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durch den Anstaltstatus mehr Unabhängigkeit gewinnt als die ehemaligen Aufsichtsbehörden. Zudem stellt sie die Frage, ob die Unabhängigkeit im Rahmen der hierarchischen Verwaltung für ihre Aufgabenausführung ausreichend ist. In diesem Zusammenhang untersucht sie die Möglichkeit politischer Einflussnahmen auf den Verwaltungsrat der Bundesanstalt in Bezug auf die Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen im Vergleich zum Weisungsrecht gegenüber den ehemaligen Aufsichtsbehörden. Können die Dienstherrenfähigkeit der BaFin und die vollständige Trennung vom Bundeshaushalt tatsächlich zu ihrer Unabhängigkeit führen? Insbesondere wird im Rahmen der budgetären Unabhängigkeit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der von der BaFin erhobenen Umlage diskutiert.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Finanzmarktaufsicht durch die BaFin
  • I. Die Errichtung der BaFin
  • 1. Die ehemaligen Aufsichtsbehörden
  • 2. Das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG)
  • II. Die Organisationsstruktur der BaFin
  • 1. Allgemeines
  • 2. Gremien
  • a) Organe, Satzung
  • b) Leitung
  • c) Verwaltungsrat
  • d) Fachbeirat, Verbraucherbeirat und andere Beiräte
  • III. Überblick über die Aufgaben und Befugnisse der BaFin
  • 1. Die Aufgaben der BaFin
  • a) Die einschlägigen Vorschriften des FinDAG
  • b) Bankenaufsicht als Aufgabe der BaFin
  • c) Wertpapieraufsicht als Aufgabe der BaFin
  • d) Versicherungsaufsicht als Aufgabe der BaFin
  • 2. Die Befugnisse der BaFin
  • a) Allgemeines
  • b) Der Erlass von Rechtsverordnungen
  • c) Der Erlass von Verwaltungsvorschriften
  • d) Der Erlass von Verwaltungsakten
  • e) Die Ermächtigung der hoheitlichen Befugnisse der BaFin
  • C. Die Unabhängigkeit der BaFin im organisationsrechtlichen Bereich
  • I. Die Grundform der Staatsverwaltung
  • 1. Bundesunmittelbare Verwaltung
  • 2. Bundesmittelbare Verwaltung
  • 3. Die BaFin als bundesunmittelbare Verwaltungsform
  • II. Die BaFin als eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts
  • 1. Zum Verständnis der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts
  • 2. Rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts
  • 3. Die Abgrenzung von den drei bisherigen Behörden
  • a) Grundlage
  • aa) Der Bundesminister als Verwaltungsspitze
  • bb) Das Weisungsrecht des Ministers
  • b) Organisatorische Abgrenzung der Anstalten von Behörden
  • c) Die Vorgängerbehörden der BaFin
  • aa) Die Bedeutung der „selbständigen“ Bundesoberbehörde im Sinne des Art. 87 Abs. 3 GG
  • bb) Die Kontrolle des BMF über die drei bisherigen Bundesoberbehörden
  • III. Postulat der anstaltlichen Verselbständigung der BaFin
  • 1. Die BaFin als bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts
  • 2. Die Unabhängigkeit weiterer Aufsichtsbehörden
  • a) Deutsche Bundesbank
  • b) Bundesnetzagentur
  • 3. Die Rolle der anstaltlichen Rechtsfähigkeit
  • 4. Postulat der anstaltlichen Verselbständigung
  • 5. Die Verwirklichung der Unabhängigkeit der BaFin
  • a) Ausgangspunkt
  • b) Begrenzte Aufsicht
  • aa) Die prinzipielle Anerkennung der Aufsicht über die öffentlichen Anstalten
  • bb) Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht in der Verwaltungspraxis
  • cc) Zwischenergebnis
  • c) Die eigene Willensbildung
  • aa) Die umfassende Einflussnahmemöglichkeit des BMF auf die BaFin
  • bb) Begrenzte Autonomie des Verwaltungsrates
  • d) Die Selbstverwaltung
  • aa) Satzungshoheit als Selbstverwaltungskorrelat
  • bb) Die mangelnde Satzungshoheit der BaFin
  • IV. Ergebnis
  • D. Die Unabhängigkeit der BaFin im personellen Bereich
  • I. Die Unabhängigkeit im Bereich des Direktoriums
  • 1. Die besondere Nähe des politischen Beamten zur Staatsleitung
  • 2. Die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Mitglieder des Direktoriums
  • II. Die Unabhängigkeit im Bereich der Mitglieder des Verwaltungsrats
  • 1. Die bisherige personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrats
  • 2. Die neue personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrats
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Die Unabhängigkeit im Bereich der Verwaltungsbediensteten
  • 1. Personelle Zusammensetzung der Verwaltungsbediensteten der BaFin
  • a) Beamte
  • b) Angestellte, Arbeiter und Auszubildende
  • c) Zwischenergebnis
  • 2. Die Einstellung hoch qualifizierter Spezialisten
  • 3. Die eigene Dienstherrenfähigkeit der BaFin
  • a) Der Begriff der Dienstherrenfähigkeit
  • b) Voraussetzungen der Dienstherrenfähigkeit
  • aa) Allgemeines
  • bb) Bedeutende hoheitliche Befugnisse der BaFin
  • c) Die Rolle der Dienstherrenfähigkeit für die Verselbständigung der Anstalt
  • 4. Der Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG)
  • a) Der Begriff des Funktionsvorbehalts
  • b) Relevanter Geltungsbereich des Funktionsvorbehalts
  • c) Tatbestandsmerkmale des Funktionsvorbehalts
  • aa) „Regelcharakter“
  • bb) „Als ständige Aufgabe“
  • cc) Ausübung hoheitlicher Befugnisse
  • d) Die Rolle des Funktionsvorbehalts im personellen Bereich
  • IV. Ergebnis
  • V. Exkurs: Der Funktionsvorbehalt und die „Zweispurigkeit“ im öffentlichen Dienst
  • E. Die Unabhängigkeit der BaFin im budgetären Bereich
  • I. Finanzierungssystem der BaFin
  • 1. Deckung der Kosten der Aufsicht
  • 2. Finanzierung im Wege von Gebühren und gesonderten Erstattungen
  • 3. Finanzierung im Wege von Umlagen
  • 4. Die Form der Eigenfinanzierung der BaFin
  • a) Hintergrund der Finanzierungsform der BaFin
  • b) Problem der Finanzierungsform der BaFin
  • II. Abgabensystematische Einordnung der Umlage
  • 1. Einordnung der Umlage als Gemeinlast
  • a) Wesentlicher Charakter der Steuer
  • b) Qualifizierung der Umlage als Steuer
  • 2. Einordnung der Umlage als Vorzugslast
  • a) Einordnung als Gebühr
  • aa) Wesentlicher Charakter der Gebühr
  • bb) Qualifizierung der Umlage als Gebühr
  • b) Einordnung als Beitrag
  • aa) Wesentlicher Charakter des Beitrags
  • bb) Die Qualifizierung der Umlage als Beitrag
  • 3. Einordnung der Umlage als Sonderabgabe
  • a) Charakter der Sonderabgabe mit Finanzierungszweck
  • b) Qualifizierung der Umlage als Sonderabgabe mit Finanzierungszweck
  • c) Die Anforderungen bei der Erhebung von Sonderabgaben mit Finanzierungszweck
  • aa) Sachzweck
  • bb) Die Gruppenhomogenität der Abgabeverpflichteten
  • cc) Spezifische Sachnähe der Abgabenschuldner
  • dd) Finanzierungsverantwortung der abgabepflichtigen Gruppe
  • ee) Die gruppennützige Verwendung des Abgabenaufkommens
  • ff) Verfahrensrechtliche Anforderungen
  • gg) Zwischenergebnis
  • III. Die Verfassungsmäßigkeit der Umlageerhebung bei der BaFin
  • 1. Bestimmter Sachzweck
  • 2. Homogene Gruppe der Abgabenschuldner
  • 3. Besondere Sachnähe
  • 4. Gruppenverantwortung
  • 5. Gruppennützliche Verwendung
  • 6. Verfahrensrechtliche Kontrolle
  • 7. Qualifizierung der Umlage als Typus sui generis
  • 8. Die nichtsteuerliche Finanzierung in den weiteren wirtschaftlichen Bereichen
  • a) Der Bereich des Telekommunikationsgesetzes
  • b) Der Bereich nach dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung
  • c) Zwischenergebnis
  • 9. Die Bedeutung der Öffentlichkeitsklausel des § 4 Abs. 4 FinDAG
  • 10. Zwischenergebnis
  • IV. Ergebnis
  • F. Schlussbemerkung
  • Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

Das zunehmende Verschwimmen der Grenzen zwischen den Märkten für Bank-, Versicherungs- und Wertpapierprodukte und das wachsende Bedürfnis nach einer einheitlichen Finanzmarktaufsicht führten zu der Forderung nach einer integrierten Aufsichtsinstanz. Vor diesem Hintergrund wurde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (abgekürzt: BaFin) durch das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (abgekürzt: FinDAG) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen als eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts i. S. d. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG im Jahr 2002 geschaffen. Durch das FinDAG wird sie als eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in Form des Allfinanz-Konzeptes konzipiert.

In der Begründung zum Entwurf des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht heißt es, dass die Bundesanstalt ihre Aufgaben selbständig wahrnimmt. Überdies wird darin auch erwähnt, dass sie durch den Anstaltstatus und die damit einhergehende Loslösung vom Bundeshaushalt mehr Unabhängigkeit im budgetären, organisationsrechtlichen und personellen Bereich gewinne, obgleich sie jedoch staatsrechtlich Teil der Bundesverwaltung sei und als verselbständigter Träger der öffentlichen Verwaltung der Bindung an Recht und Gesetz und der Kontrolle des Bundes als Anstaltsträger unterliege.1 Mit dem Ziel, mehr Aufgaben selbständig zu erfüllen, wurden die ehemaligen Aufsichtsbehörden in eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt.

Nach Errichtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht besteht jedoch die Kontrolldichte der Bundesregierung in gleichem Maße wie vor der Errichtung fort. Diesbezüglich soll kein Zweifel daran bestehen, dass die Wahl der Rechtsform der Bundesanstalt für die Aufgabe „Finanzmarktaufsicht“ verfassungsrechtlich zulässig ist. All das legt nun die Frage nahe, warum sich der Gesetzgeber des Errichtungsgesetzes der Bundesanstalt überhaupt darauf einlässt, solche Gebilde zu kreieren. Überwiegend wird diese Frage damit beantwortet, dass dies zur Bewältigung der durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht aufgeworfenen Probleme besonders geeignet ist. ← 13 | 14 →

Für diese Untersuchung ist herauszuarbeiten, ob die BaFin in ihrer konkreten Ausgestaltung den im Gesetzesentwurf genannten Zielen entspricht. Hierbei soll besonders die Unabhängigkeit der Bundesanstalt in den Fokus der Untersuchung gerückt werden, weil die BaFin dem regulierenden unabhängigen Verwaltungsträgermodell nachgebildet ist.2

Deshalb wird nachfolgend diskutiert, ob die BaFin durch den Anstaltstatus mehr Unabhängigkeit gewinnt als die ehemaligen Aufsichtsbehörden. Zudem wird zu fragen sein, ob die Unabhängigkeit im Rahmen der hierarchischen Verwaltung für ihre Aufgabenausführung ausreichend ist. In diesem Zusammenhang wird im Folgenden die Möglichkeit politischer Einflussnahmen auf den Verwaltungsrat der Bundesanstalt in Bezug auf die Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen im Vergleich zum Weisungsrecht der ehemaligen Aufsichtsbehörden untersucht. Darüber hinaus wird auch behandelt, ob die Dienstherrenfähigkeit der BaFin und die vollständige Trennung vom Bundeshaushalt tatsächlich zu ihrer Unabhängigkeit führen können. Insbesondere wird dabei im Rahmen der budgetären Unabhängigkeit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der von der BaFin erhobenen Umlage diskutiert.

Um diese Probleme besser verständlich zu machen, wird auf die innere Organisationsstruktur, die Aufgaben und Befugnisse, die Grundform der Bundesverwaltung und die Kenntnis der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts eingegangen. In Bezug auf die im Folgenden untersuchte Diskussion ist daher der Grund der Rechtsformwahl zu beleuchten und ein Vergleich zu den früheren drei Bundesoberbehörden durchzuführen.

1 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, BR-Drs, 14/7033, S. 33; siehe auch Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) über die BAFin I.

2 Vgl. Bullinger, DVBl. 2003, S. 1355 (1356); Yoo, Umlagefinanzierte Regulierung, S. 33; zudem lag der Unabhängigkeitsindex der BaFin in einer Untersuchung des International Monetary Funds (IMF) über die Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit einer Aufsichtsbehörde bei lediglich 0, 47: Eine Bewertung, die zeigt, dass die BaFin – ähnlich wie die Aufsichtsbehörden Japans und Schwedens – ein relativ niedriges Unabhängigkeitsniveau hat (vgl. dazu Masciandaro/Quintyn/Taylor, Financial Supervisory Independence and Accountability, IMF Working Paper, WP/08/147, S. 8). Allerdings kann der Untersuchung keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden, weil nicht die praxisbezogene Modalität der Finanzaufsicht, sondern nur die rechtliche Struktur ihre Grundlage bildet. Deswegen hätte bloß rechtlich gesehen, die BaFin eine niedrige Unabhängigkeit, denn sie ist eine Anstalt, ein Teil der Bundesverwaltung. Im Gegensatz zum Unabhängigkeitsniveau wurde ihre „Accountability“ relativ hoch beurteilt. Dies wäre vor dem Hintergrund zu verstehen, dass aufgrund der Eingliederung in die Hierarchienkette die Verantwortung der BaFin durch das Bundesministerium der Finanzen gewährleistet wird und damit die Verbindungen zur parlamentarischen Verantwortung sowie zur demokratischen Legitimation gegeben sind.

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B. Finanzmarktaufsicht durch die BaFin

I. Die Errichtung der BaFin

1. Die ehemaligen Aufsichtsbehörden

Bevor die BaFin gegründet wurde, gab es drei staatliche Aufsichtsämter für den Finanzmarkt, nämlich das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (abgekürzt „BAKred“), das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen (abgekürzt „BAV“) und das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (abgekürzt „BAWe“). Sie wurden nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG als selbständige Bundesoberbehörden eingerichtet und nahmen ihre Aufgaben in den Finanzsektoren gemäß den jeweiligen Vorschriften3 unabhängig voneinander wahr.4 Dabei wurden die Aufgaben ohne Abstimmung mit der für den jeweiligen Sektor zuständigen Behörde ausgeführt.5 Die Wertpapieraufsichtsbehörde war den Bank- und Versicherungsaufsichtsbehörden nachgebildet.6 Dadurch kann man die organisatorische Ähnlichkeit zwischen den drei Ämtern erkennen, auch wenn sie unabhängig voneinander ihre Aufgaben wahrnahmen.

2. Das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG)

Das zunehmende Verschwimmen der Grenzen zwischen den Märkten für Bank-, Versicherungs- und Wertpapierprodukte und das wachsende Bedürfnis nach einer einheitlichen Finanzmarktaufsicht führten zu dem Vorschlag, die drei bisherigen Bundesaufsichtsämter BAKred, BAV und BAWe zu einer neuen, bundesunmittelbaren und rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts für die Finanzaufsicht ← 15 | 16 → über den gesamten Finanzmarkt zu vereinen.7 Am 22. März 20028 wurde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungaufsicht durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht9 mit Wirkung zum 01. Mai 2002 gegründet. Sie wurde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen als eine rechtsfähige, bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts i.S.d. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG durch die Verschmelzung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel errichtet (§ 1 Abs. 1 FinDAG).10 Zusätzlich wurde am 20.10.2009 auch die Finanzmarktstabilisierungsanstalt gegründet.11 Durch das ← 16 | 17 → FinDAG wurde eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet und damit das Allfinanz-Konzept verwirklicht.12 Denn im Sinne des Allfinanz-Konzeptes beinhaltet das FinDAG Vorschriften über die Rechtsform, die Rechts- und Fachaufsicht, den Anstaltszweck, die Organisation der Anstalt, die Finanzierung, das Personalrecht und das Vollstreckungsverfahren.13 Das Gesetz stellt die Finanzierung der Aufsicht auf eine völlig neue Grundlage.14

Als konkrete Ziele des Gesetzes werden „Solvenzaufsicht“, „Marktaufsicht“ und „Kundenschutz“ genannt.15 Dies ist vor allem im Hinblick auf die Grundsätze der dauerhaften Gewährleistung der Funktionsfähigkeit, Stabilität und Integrität des gesamten Finanzsystems zu beachten.16 Insbesondere spiegeln sich diese Grundsätze in der später untersuchten Fachaufsicht des BMF über die BaFin wider. Zudem sind sie auch bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „öffentlichen Interesses“ in § 4 Abs. 4 FinDAG zu berücksichtigen. Darüber hinaus gab es anlässlich der Einigung der Koalitionsfraktion Ende 2010 im Bereich des Aufsichtsrechts folgende Änderung, um auf die seit der Finanzkrise veränderten Anforderungen zu reagieren17: Erlass eines neuen Gesetzes zur Überwachung der Finanzstabilität (FinStabG), teilweise Änderung des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) sowie der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem FinDAG (FinDAGKostV). Um die sektorspezifischen Erfordernisse zu gewährleisten, blieb jedoch der wichtigste Teil der grundsätzlichen Aufsichtsmechanismen im Wesentlichen unverändert.18 ← 17 | 18 →

II. Die Organisationsstruktur der BaFin

1. Allgemeines

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen in Form einer bundesunmittelbaren, selbständigen und rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet worden (§ 1 Abs. 1 FinDAG).19 Für Klagen gegen die Bundesanstalt, mit Ausnahme20 beamtenrechtlicher und arbeitsrechtlicher Streitigkeiten, gilt Frankfurt am Main als Sitz der Behörde (§ 1 Abs. 3 Satz 1 FinDAG).21 Man spricht in diesem Zusammenhang von einem – im Interesse der Rechtsklarheit geschaffenen – einheitlichen Gerichtsstand.22 Die Anstalt ist bei Verfahren vor ordentlichen Gerichten von der Zahlung der Gerichtskosten befreit (§ 1 Abs. 4 FinDAG).23 Für Klagen wegen Amtspflichtverletzungen regelt die örtliche Zuständigkeit jedoch § 32 ZPO.24

Die BaFin gliedert sich in vier Organisationsbereiche, die sog. „Aufsichtssäulen“. In ihnen spiegelt sich das Konzept der integrierten Finanzaufsicht insbesondere aus organisatorischer Sicht wider. Aus den drei ehemaligen selbständigen Aufsichtsämtern wurden die drei Aufsichtssäulen „Bankenaufsicht“, „Versicherungs- und Pensionsfondaufsicht“ und „Wertpapieraufsicht/Asset-Management“. Daneben führt die vierte Säule „Querschnittsaufgaben-Innenverwaltung“ den Bereich der allgemeinen Aufsicht aus (§ 6 Abs. 4 FinDAG), zu deren Aufgaben die sektorübergreifende Finanzaufsicht, Rechtsfragen und Research – z.B. Fragen des Anleger- und Verbraucherschutzes und Geldwäsche ← 18 | 19 → oder Aktionärskontrolle – gehören können.25 In der Z-Abteilung des Querschnittsaufgabenbereichs werden die zentralen Aufgaben – z.B. Haushalt, Controlling, Organisation oder Personalwesen – wahrgenommen.26 Diese Referate befassen sich im Wesentlichen mit Beschwerden und Anfragen geschädigter oder getäuschter Anleger.27 In jedem der Geschäftsbereiche haben die Exekutivdirektoren, die die Ressortverantwortung im Rahmen der vom Präsidenten vorgegebenen Rahmenrichtlinien für ihren Geschäftsbereich tragen, bestimmte Kompetenzen.28 Bei der BaFin sind etwa 2.336 Mitarbeiter beschäftigt, davon sind rund 66% Beamte sowie rund 34% Tarifbeschäftigte.29

2. Gremien

a) Organe, Satzung

Die Organe der Bundesanstalt bestehen aus dem Direktorium, dem Präsidenten oder der Präsidentin und dem Verwaltungsrat (§ 5 Abs. 1 FinDAG). Diese organisatorische Form ist ein wesentliches Merkmal für den Unterschied zwischen dem Verwaltungsaufbau der Bundesanstalt und demjenigen der bisherigen Aufsichtsbehörden.30 Die Satzung der Bundesanstalt, die von dem Bundesministerium durch eine Rechtsverordnung erlassen wird (§ 5 Abs. 3 Satz. 1 FinDAG), bestimmt die Aufgaben und Befugnisse der Organe (§ 5 Abs. 2 FinDAG). Die Satzung kann durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums unter Mitwirkung des Verwaltungsrats verändert werden (§ 5 Abs. 3 FinDAG). Die Satzung enthält dabei im Wesentlichen die Organisationsstruktur der Bundesanstalt, die Rechte und Pflichten der Organe der Bundesanstalt, Bestimmungen bezüglich der Bestellung und Abberufung der Verwaltungsmitglieder und der Mitglieder des Fachbeirats, die Haushaltsführung und die Rechnungslegung der Bundesanstalt (§ 5 Abs. 3 Nr. 1–5 FinDAG). ← 19 | 20 →

b) Leitung

Die Bundesanstalt wird von einem Präsidenten als Behördenleiterim Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben eigen- und gesamtverantwortlich geleitet und verwaltet. Das Direktorium besteht seit 2008 aus dem Präsidenten und vier Exekutivdirektoren, unter deren Leitung jede der vier Säulen, also Versicherung, Banken, Wertpapier und Querschnittsaufgaben-Innenverwaltung, stehen (§ 6 Abs. 1 FinDAG). Nach der Gesetzesbegründung ist die Präsidialführung der im Bereich der Eingriffsverwaltung notwendigen Klarheit und Einheit der Leitung und Verwaltung, auch im Hinblick auf die bestehende Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen, zuträglicher als andere Führungsmodelle. Denn die Präsidialführung – „primus inter pares“ – hat den Vorteil der eindeutigeren Zuordnung von Entscheidungen und Verantwortung.31 Aber tatsächlich wird die Zuständigkeit des Präsidenten, der keine Ressortverantwortung für einen der Aufsichtsbereiche trägt, in einigen Bereichen durch die Organisationsform begrenzt.32

Details

Seiten
203
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653057768
ISBN (ePUB)
9783653963922
ISBN (MOBI)
9783653963915
ISBN (Hardcover)
9783631665022
DOI
10.3726/978-3-653-05776-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
Aufsichtsbehörden politische Einflussnahme Dienstherreneigenschaft Anstaltstatus
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 203 S.

Biographische Angaben

Myeongjin Han (Autor:in)

Myeongjin Han studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Dankook (Südkorea) und Regensburg.

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