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Wirtschaftsdelikte im Vertrags- und Privatarztsektor

Ein Beitrag zum Prinzip der Strafgesetzlichkeit im Gesundheitswesen

von Mathias Alexander Grzesiek (Autor:in)
©2016 Dissertation 209 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch leistet einen Beitrag zur Diskussion über die Strafbarkeitsrisiken der an der Umsetzung des gesetzlichen Gesundheitsauftrages beteiligten niedergelassenen Ärzte in Bezug auf Wirtschaftsdelikte. Der Schwerpunkt liegt in einer rechtsdogmatischen Analyse typischer Fallkonstellationen der Manipulation ärztlicher Leistungsvergütungen. Im Speziellen geht der Autor dabei auf die Besonderheiten des Bereichs vertragsärztlicher Leistungserbringung in Abgrenzung zum Privatarztsektor ein. Ausgangslage der Betrachtung bildet ein dargelegtes Verständnis eines rechtsstaatlichen und prinzipienorientierten Strafrechts. Ferner diskutiert der Autor Fragestellungen aus dem Bereich der unzulässigen Medikamentenverschreibung und die aktuelle Thematik der Korruption im Gesundheitswesen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Verzeichnis der Beispielsfälle
  • Einleitung und Gang der Untersuchung
  • Betrachtung der Ausgangslage
  • Vorgehensweise der Arbeit
  • Teil 1. Grundlagen ärztlicher Behandlungsvergütung
  • A. Historische Entwicklung des Gesundheitswesens
  • I. Bismarck und die Etablierung der Prinzipien des KVG
  • II. Die Geburtsstunde der privaten Krankenversicherung
  • III. Kodifikation der sozialrechtlichen Grundlagen durch die RVO
  • IV. Reformerfordernisse nach der Weltwirtschaftskrise
  • V. Nationalsozialismus und Krankenversicherung
  • VI. Neuordnung der Krankenversicherung nach 1949
  • VII. Trend zur Kostenreduktion seit der Wiedervereinigung
  • VIII. Aktuelle Bestrebungen und Ausblick
  • B. Private Krankenversicherung (PKV)
  • I. Der Privatpatient und die privaten Versicherungsträger
  • II. Die privatärztliche Leistungsvergütung
  • 1. Berechnung der Behandlungsgebühr nach der GOÄ
  • 2. Honorarvereinbarung
  • 3. Analoge Berechnung einer Gebühr
  • C. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
  • I. Die Parteien im GKV-Viereck
  • 1. Der GKV-Patient
  • 2. Die Krankenkassen
  • 3. Die Vertragsärzte
  • 4. Die Kassenärztlichen Vereinigungen
  • 5. Zusammenfassung
  • II. Die vertragsärztliche Abrechnung
  • 1. Gesamtvergütung der Krankenkassen
  • 2. EBM und HVM als Abrechnungsgrundlage
  • 3. Die Abrechnung des Vertragsarztes
  • III. Abrechnungsüberprüfung und Honorarbescheid
  • 1. Umfang und Funktion des Prüfungsverfahrens
  • 2. Prüfung durch die Krankenkassen
  • 3. Honorarbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung an den Arzt
  • 4. Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen
  • IV. Privatärztliche Leistungsvergütung im Bereich der GKV
  • D. Zusammenfassung
  • Teil 2: Grundlagen eines rechtsstaatlichen Strafrechts
  • A. Die Aufgabe des Strafrechts im Rechtsstaat
  • B. Strafgesetzlichkeit als Begrenzung des staatlichen Machtmonopols
  • I. Feuerbach und die Einführung der Strafgesetzlichkeit ins deutsche Recht
  • II. Der Verlust der Strafgesetzlichkeit während des Nationalsozialismus
  • III. (Wieder-)Einführung der Strafgesetzlichkeit durch das Grundgesetz
  • C. Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips
  • I. Bestimmtheitsgebot – nullum crimen, nulla poena sine lege certa
  • II. Analogieverbot – nullum crimen, nulla poena sine lege stricta
  • III. Gewohnheitsrechtsverbot – nullum crimen, nulla poena sine lege scripta
  • IV. Rückwirkungsverbot – nullum crimen, nulla poena sine lege praevia
  • V. Zusammenfassung
  • D. Ultima ratio und der fragmentarische Charakter des Strafrechts
  • I. Die Subsidiarität des Strafrechts
  • II. Bewusste Schutzlücken des Strafrechts
  • E. Zusammenfassung
  • Teil 3. Abrechnungsmanipulationen im Vertragsarztbereich
  • A. Typische Begehungsweisen der Abrechnungsmanipulation
  • I. Grundfall: Abrechnungsbetrug durch fingierte Leistungen
  • 1. Objektive Voraussetzungen des § 263 StGB
  • a) Täuschung über Tatsachen
  • Exkurs: Tatbestand des Computerbetruges, § 263a StGB
  • b) Irrtum
  • c) Vermögensverfügung
  • aa) Dreiecksbetrug
  • bb) Konkrete Durchführung der Vermögensverfügung
  • cc) Zusammenfassung
  • d) Vermögensschaden
  • 2. Subjektive Voraussetzungen des § 263 StGB
  • 3. Ergebnis und Zusammenfassung
  • II. Abrechnung von nicht persönlich erbrachten Leistungen
  • 1. Unterschied zum Grundfall
  • 2. Streng formale Betrachtungsweise des Sozialversicherungsrechts
  • III. Abrechnung unwirtschaftlicher Leistungen
  • IV. Abrechnung im verdeckten Anstellungsverhältnis
  • 1. Verdecktes Anstellungsverhältnis
  • 2. Strohmannfall
  • B. Die streng formale Betrachtungsweise auf dem dogmatischen Prüfstand
  • I. Ansicht der Rechtsprechung
  • II. Meinungsstand in der Literatur
  • 1. Befürworter der Anwendung der streng formalen Betrachtungsweise
  • 2. Kritiker der Anwendung der streng formalen Betrachtungsweise
  • III. Eigene Stellungnahme zur streng formalen Betrachtungsweise
  • 1. Abrechnung von Leistungen ohne Leistungsbezug
  • 2. Abrechnung von Leistungen mit Leistungsbezug
  • a) Vermögensschaden der GKV-Patienten
  • b) Vermögensschaden bei der Kassenärztlichen Vereinigung
  • c) Vermögensschaden bei der Krankenkasse
  • aa) Leistungsabrechnung ohne vertragsärztliche Zulassung
  • bb) Abrechnung von nicht delegierbaren Leistungen
  • d) Vermögensschaden der anderen Vertragsärzte
  • 4. Schaden außerhalb des geschützten Rechtsgutes
  • 5. Schadensermittlung durch Hochrechnung
  • IV. Schlussfolgerung
  • C. Die streng formale Betrachtungsweise aus rechtsstaatlicher Sicht
  • I. Bestimmtheitsgebot
  • II. Das Verbot von Analogie
  • 1. Wortlaut
  • 2. Gesetzgeberischer Wille
  • 3. Gesetzeszweck
  • 4. Ergebnis
  • III. Das Verbot von Gewohnheitsrecht
  • IV. Ultima Ratio
  • V. Ergebnis
  • D. Weitere Fallkonstellationen vertragsärztlicher Strafbarkeit
  • I. Missbräuchliche Verordnung von Medikamenten
  • 1. Ausgangsfall
  • 2. Vertragsgestaltung
  • 3. Rechtliche Würdigung
  • II. Korruption medizinischer Entscheidungsträger
  • 1. Strafbarkeit wegen Untreue zu Lasten der Krankenkasse
  • 2. Strafbarkeit des Vertragsarztes nach § 331 StGB
  • 3. Strafbarkeit des Vertragsarztes nach § 299 StGB
  • a) Die Auffassung Pragals und des OLG Braunschweig
  • b) Die Entscheidung des Großen Senats des BGH
  • c) Bewertung der Entscheidung aus dem Blickwinkel eines rechtsstaatlichen Strafrechts
  • 4. Ausblick zur aktuellen Gesetzesreform
  • a) Grundsatz: Die Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts
  • b) Doppelter Rechtsgüterschutz
  • c) Berufsrechtliche Strafbarkeitsrisiken
  • d) Zusammenfassung
  • 5. Ergebnis
  • III. Strafbarkeit des Beauftragten bei der Kassenärztlichen Vereinigung und Krankenkasse
  • E. Zusammenfassung
  • Teil 4. Privatärztliche Rechnungsmanipulationen
  • A. Abrechnung von Luftleistungen bei PKV-Patienten
  • I. Täuschung
  • II. Irrtum
  • III. Vermögensverfügung
  • IV. Vermögensschaden
  • V. Vorsatz und Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung
  • VI. Ergebnis
  • B. Liquidation unwirtschaftlicher Leistungen
  • I. Täuschung durch Unterlassen
  • II. Ergebnis
  • C. Liquidation überhöhter Gebühren
  • I. Täuschung
  • II. Vermögensschaden
  • III. Ergebnis
  • D. Delegation privatärztlicher Laborleistungen
  • I. Täuschung und Irrtum
  • II. Irrtum und Vermögensverfügung
  • III. Vermögensschaden
  • 1. Pauschaler Ausschluss der Kompensation
  • 2. Tatsächlicher Vermögensschaden
  • IV. Ergebnis
  • E. Fazit
  • Teil 5. Systemische Ursachen ärztlichen Fehlverhaltens und ihre Folgen
  • A. Ursachen für ärztliche Delinquenz
  • B. Systemische Zwickmühle des Vertragsarztes
  • C. Folge: Abwanderung in den Privatarztsektor
  • Ergebniszusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

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Verzeichnis der Beispielsfälle

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Einleitung und Gang der Untersuchung

Das Phänomen des wirtschaftlichen Fehlverhaltens im Gesundheitswesen beschäftigt seit geraumer Zeit Justiz, Jurisprudenz und Gesetzgebung. Zuletzt sorgte der Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des BGH1 vom 29.03.2012 für Aufsehen. Die Richter hoben in ihrer Entscheidung hervor, dass der niedergelassene Vertragsarzt weder als Amtsträger noch als Beauftragter der Krankenkassen anzusehen ist. Der Erhalt von Zuwendungen für die Verschreibung von Fertigarzneimitteln durch Pharmakonzerne2 fällt nicht unter die vorhandenen Korruptionstatbestände des StGB. Somit wird ein solches Verhalten niedergelassener Vertragsärzte de lege lata strafrechtlich nicht erfasst. Tausende Korruptionsverfahren gegen Mediziner wurden daraufhin eingestellt3, es gibt jedoch gegenwärtig Bemühungen der politisch Verantwortlichen, sich dieses Problems anzunehmen. Der Gesetzgeber bemüht sich seither4 um die Ausarbeitung von Strafnormen, um die vorhandene Strafbarkeitslücke zu schließen.5

Beachtenswert macht den oben benannten Beschluss insbesondere die Tatsache, dass dem anhaltenden Trend der Kriminalisierung ärztlicher Delinquenz mit „vermögensrechtlichem Einschlag“6 erstmalig ein Dämpfer versetzt wurde. Teile der Rechtswissenschaft gehen davon aus, dass es in der Vergangenheit zu einer Akzentverschiebung der staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen Ärzte gekommen ist. Neben den klassischen Vorwürfen aus dem Bereich der Tötungs- und Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff., 211 ff. StGB) und den für medizinisches Personal relevanten Arznei- und Betäubungsmitteldelikten treten ← 21 | 22 → zunehmend wirtschaftsstrafrechtlich geprägte Ermittlungsverfahren im Betrugs- (§ 263 StGB), Untreue- (§ 266 StGB) und Korruptionsstrafrecht (§§ 299, 331, 332 StGB) hinzu.7 Diese These lässt sich anhand statistischer Werte untermauern. Laut einem Bericht des GKV-Spitzenverbandes verfolgten die Krankenkassen 2010 und 2011 zusammen rund 53.000 Verdachtsfälle von Betrug und Fehlverhalten.8 In etwa 2.600 Fällen ermittelte die Staatsanwaltschaft. Seit 2009 wird der Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen in der polizeilichen Kriminalstatistik gesondert aufgeführt. 2011 wurden insgesamt 2.876 Fälle erfasst, 2012 waren es bereits 4.379 Fälle. Honorarfalschabrechnungen treten vor allem im Bereich der niedergelassenen Vertragsärzte bei der Abrechnung von ärztlichen Leistungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen9, aber auch im Privatarztbereich zwischen Arzt und Patient auf10. Doch nicht nur in der Justiz und Politik erlangte das Phänomen in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung. Die Präsenz der Stichworte „Abrechnungsbetrug“ und „Ärztebestechung durch Pharmakonzerne“ in den Medien11 zeugt von einem wachsenden Interesse auch außerhalb der Fachwelt. Das erstaunt nicht sonderlich, denn die Problematik betrifft nicht nur die Krankenkassen, Ärzteschaft und öffentlichen Haushalte, sondern auch und vor allem den Versicherten, der letzten Endes für die finanziellen Verluste aufkommen muss. Es lässt sich folglich durchaus konstatieren: „Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen ist in aller Munde.“12

Diese Untersuchung soll sich primär auf die strukturidentischen wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbestände im Vertrags- und Privatarztsektor beschränken. An prominenter Stelle gehören zu den weiteren drängenden Problemen der Strafgesetzlichkeit im Gesundheitswesen zwar die möglichen Straftaten gegen Personen in der Organtransplantation und spezifische Korruptionsprobleme, die in der ← 22 | 23 → Förderung medizinischer Forschung und in dem Verhältnis von Medizinproduktfirmen, Krankenhäusern und Ärzten aufgetreten sind.13 Gleichwohl ist es primäre Intention dieser Arbeit, für die wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbestände im Vertrags- und Privatarztsektor handhabbare Maßstäbe einer rechtsstaatlich gesicherten Strafgesetzlichkeit zu schärfen.

Betrachtung der Ausgangslage

Der Bereich der Gesundheitsfürsorge gehört zu den wichtigsten Ausgabebereichen unserer Volkswirtschaft.14 Im Jahr 2012 überstiegen die Gesundheitsausgaben in Deutschland insgesamt erstmals die 300-Milliarden-Euro-Marke und betrugen 11,3 % des Bruttoinlandsproduktes.15 Mit 172 Milliarden Euro entfiel der Großteil der Ausgaben auf die gesetzliche Krankenversicherung, 27 Milliarden Euro entfielen dagegen auf den Sektor der privaten Krankenversicherung.16 2013 lagen die Gesamtausgaben bereits bei 314 Milliarden Euro.17

Steigende Ausgaben und stagnierende Einnahmen führen dazu, dass speziell im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung seit Beginn der 2000er-Jahre strukturelle Veränderungen getroffen wurden18, um der chronischen Unterfinanzierung Herr zu werden.19 Diesen Trend verfolgt der Gesetzgeber seither mit anhaltendem Eifer. Eine vielversprechende Möglichkeit, die Ausgaben zu verringern, ohne den Qualitätsstandard einzubüßen, besteht in der Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten unzulässiger Leistungsvergütung. Nach Einschätzung des „European Healthcare Fraud & Corruption Network (EHFCN)“ belief sich die Schadenssumme im EU-Gesundheitssektor im Jahr 2005 auf insgesamt 56 ← 23 | 24 → Milliarden Euro.20Transparency International“ geht davon aus, dass in Deutschland jährlich durch Korruption, Abrechnungsbetrug und Falschabrechnung im Gesundheitswesen21 Schäden von bis zu 20 Milliarden Euro entstehen.22 Anderen Schätzungen zufolge sollen sich die Einbußen im einstelligen Milliardenbereich23 oder im hochstelligen Millionenbereich bewegen24. Allerdings geht man, was für Korruptionsdelikte typisch ist,25 von einer erheblich höheren Dunkelziffer aus. Nicht jede Vertragsgestaltung, ärztliche Kooperationsform oder fehlerhafte Abrechnung medizinischer Leistungen, die berufsrechtlich oder berufsethisch unzulässig ist und folglich gemeinhin als Fehlverhalten verstanden wird, entfaltet zwangsläufig auch strafrechtliche Relevanz.

Vorgehensweise der Arbeit

Um informiert die Frage beantworten zu können, ob den (finanziellen) Schwierigkeiten des Gesundheitswesens mit dem Strafrecht begegnet werden soll, widmet sich diese Arbeit der Thematik der wirtschaftsbezogenen Delinquenz im Vertrags- und Privatarztbereich niedergelassener Ärzte. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist es mithin, wirtschaftsstrafrechtlich bedeutsame Konstellationen ärztlichen Fehlverhaltens darzulegen und die hierzu einschlägige Rechtsprechung auf der Basis eines rechtsstaatlichen und prinzipienorientierten Strafrechts zu beleuchten. Das ist zwar nur ein einzelner, aber bedeutsamer ← 24 | 25 → Schritt hin zu einem Verständnis dessen, dass das Prinzip der Strafgesetzlichkeit im Gesundheitswesen rechtsstaatlich zu sichern ist.

In einem ersten Schritt erfolgt deshalb eine Darstellung der für die privat- und vertragsärztliche Leistungserbringung notwendigen sozial- und berufsrechtlichen Grundlagen (Teil 1). Ziel dieser Darstellung ist es, einen verständlichen Überblick über das komplexe Regelungsgeflecht zu geben, in welchem sich der im deutschen Gesundheitswesen tätige niedergelassene Arzt bewegen muss. Aufgrund des Umfangs der Materie kann nur auf wesentliche Grundlagen des Arztrechts, die für die spätere Untersuchung erforderlich sind, eingegangen werden. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem komplizierten System, insbesondere der vertragsärztlichen Versorgung, ist für die vorliegende Arbeit wenig zielführend, denn dabei handelt es sich sprichwörtlich um ein „Wespennest voller juristischer Probleme“26.

Im nächsten Schritt werden die Rahmenbedingungen aufgezeigt, die für die anschließende strafrechtliche Begutachtung der Problemlage zwingend notwendig sind. Ausgehend von einem freiheitlich orientierten Verständnis eines rechtsstaatlichen Strafrechts wird ein besonderer Wert auf die Herleitung und Darlegung der zugriffsbegrenzenden Prinzipien der Strafgesetzlichkeit gelegt (Teil 2). Anschließend werden typische Fallkonstellationen der Wirtschaftsdelikte im Vertragsarztbereich aufgeführt und die vorherrschende Auffassung der Rechtsprechung – anhand der im vorherigen Teil dargelegten Maxime eines rechtsstaatlichen Strafrechts – einer kritischen Würdigung unterzogen (Teil 3). Der Fokus wird hierbei auf die Darlegung systembezogener Delinquenz von Vertragsärzten in Verbindung mit den Besonderheiten des gesetzlichen Gesundheitssystems gelegt. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildet der Vergleich der im Bereich der GKV-Behandlung ermittelten Ergebnisse mit denen, die im Bereich des Privatarztrechts (Teil 4) festgestellt wurden, dessen Besonderheiten anhand ausgewählter Fallkonstellationen thematisiert werden. Im letzten Teil der Arbeit (Teil 5) werden die Gründe für Fehlverhalten und Korruption anhand einer systemischen Betrachtung der Ursachen in einem Ausblick kurz angesprochen. ← 25 | 26 →


1 BGHSt 57, 202 f. = BGH, NJW 2012, 2530 f. = BGH, NStZ 2012, 505 f.

2 Auf die Problematik wird in einem späteren Teil der Arbeit noch detailliert eingegangen werden. Die kurze Schilderung dient nur dem Problemaufriss.

3 Vgl. „Staatsanwaltschaft stellt Ratiopharm-Ermittlungen ein“, Deutsches Ärzteblatt, v. 22.05.2013; „Korrupte Ärzte kommen davon“, WirtschaftsWoche, v. 21.08.2013.

4 Bisherige Bestrebungen blieben erfolglos, vgl. Gesetzesentwurf des Bundesrates, v. 05.07.13, BR-Drucks. 451/13 ‒ Gesetzesentwurf war eingebracht in BT-Drs. 17/14575.

5 „Wir werden einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch schaffen“, vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, S. 55.

6 Nach Ulsenheimer hat die strafrechtliche Verfolgung ärztlichen Fehlverhaltens in den letzten Jahren ein erhebliches praktisches Gewicht erlangt, vgl. Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 1.

Details

Seiten
209
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783631699904
ISBN (ePUB)
9783631699911
ISBN (MOBI)
9783631699928
ISBN (Hardcover)
9783631667880
DOI
10.3726/978-3-631-69990-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Juni)
Schlagworte
niedergelassene Ärzte Abrechnungsbetrug Privatarztbereich Bestechung Vertragsarztuntreue
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 209 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Mathias Alexander Grzesiek (Autor:in)

Mathias Alexander Grzesiek studierte Rechtswissenschaften und wurde in Frankfurt am Main promoviert. Er ist Mitarbeiter am Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie an der Universität Frankfurt am Main.

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