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Zur Problematik der Bildung sogenannter schwarzer Kassen in Kapitalgesellschaften

von Isabel Kollenberg-Ahrens (Autor:in)
©2016 Dissertation 221 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch beschäftigt sich mit dem Problem schwarzer Kassen in der strafrechtlichen Praxis und Theorie. Bis zu den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts in der sogenannten «Siemens-Affäre», in der es um ein System schwarzer Kassen, dunkler Verbindungen und illegaler Geschäfte in der Wirtschaft ging, haben sich Rechtsprechung und Literatur weitestgehend auf die Untersuchung schwarzer Kassen im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der politischen Parteien beschränkt. Durch die «Siemens-Affäre» steht die Frage der Strafbarkeit schwarzer Kassen nach § 266 StGBin Kapitalgesellschaften im Fokus der Öffentlichkeit und der Strafrechtswissenschaft. Die Autorin untersucht die Ansätze von Literatur und Rechtsprechung zur Lösung der Problematik unter dem Gesichtspunkt der Untreuestrafbarkeit, die sich speziell bei der Bildung und Unterhaltung schwarzer Kassen in der Wirtschaft stellt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • I. Einführung
  • II. Problemaufriss und Gang der Untersuchung
  • 1. Kapitel: Grundlagen zu schwarzen Kassen
  • I. Die schwarze Kasse – Definition
  • II. Begriffliche Abgrenzung „öffentlicher Bereich“ und „privater Bereich“
  • 1. Die schwarze Kasse im öffentlichen Bereich
  • 2. Die schwarze Kasse im privaten Bereich
  • III. Der Zweck schwarzer Kassen
  • 1. Die schwarze Kasse in der öffentlichen Verwaltung
  • 2. Die schwarze Kasse in der Partei
  • 3. Die schwarze Kasse in Kapitalgesellschaften
  • 4. Zwischenergebnis
  • 2. Kapitel: Die Strafbarkeit der Bildung und Verwendung schwarzer Kassen in Kapitalgesellschaften
  • I. In Frage kommende Straftatbestände
  • 1. Untreue, § 266 StGB
  • 2. Betrug, § 263 StGB
  • 3. Unterschlagung, § 246 StGB
  • 4. Korruptions- und Steuerdelikte, §§ 299 ff. StGB, §§ 331 ff. StGB, §§ 370 ff. AO
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Die Untreue – Konturlosigkeit und verfassungsrechtliche Bedenken?
  • III. Das geschützte Rechtsgut von § 266 StGB: Nur das Vermögen?
  • 1. Geschichtlicher Hintergrund
  • 2. Das Schutzgut des § 266 in der heutigen Fassung
  • IV. Die Tathandlung der Untreue: Die Pflichtverletzung
  • 1. Einordnung der schwarzen Kassen in eine Tatbestandsalternative des § 266 StGB – Missbrauch oder Treubruch?
  • 2. Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht – die Pflichtwidrigkeit als Unrechtskern der Untreue
  • 3. Ansätze der Rechtsprechung und Literatur zur Pflichtwidrigkeit bei Einrichtung und Verwaltung schwarzer Kassen
  • a) Rechtsprechung und Literatur zur Pflichtwidrigkeit im öffentlichen Bereich
  • b) Rechtsprechung und Literatur zur Pflichtwidrigkeit im parteipolitischen Bereich
  • aa) Das Reichsgericht im „NSDAP-Fall“ – unordentliche Buchführung
  • bb) Hessen-CDU
  • cc) Kohl
  • c) Rechtsprechung und Literatur zur Pflichtwidrigkeit in privatwirtschaftlichen Unternehmen
  • aa) Die Pflichtwidrigkeit bei der Siemens-Entscheidung
  • (1) Das Landgericht Darmstadt – Verstoß gegen § 667 BGB
  • (2) Der Zweite Strafsenat des BGH – fehlende Offenbarung und Verbuchung
  • (3) Das Bundesverfassungsgericht
  • bb) Die „Trienekens“ – Entscheidung
  • cc) Ansätze der Literatur
  • d) Zwischenergebnis
  • 4. Bestimmung der Pflichtwidrigkeit im privatwirtschaftlichen Unternehmen
  • a) Gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung
  • aa) Explizites Verbot der Einrichtung schwarzer Kassen
  • bb) Verstoß gegen konkrete (gesetzliche) Regelung
  • (1) Verstoß gegen Buchführungspflichten
  • (2) Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften bzw. Vertretungsregelungen
  • (3) Verstoß gegen Compliance-Regelungen
  • (4) Zwischenergebnis
  • cc) Gesellschaftsrechtliche Generalklauseln
  • b) Erforderlichkeit einer gravierenden Pflichtverletzung und strafrechtlich bestimmte Pflichtverletzung
  • aa) Die Rechtsprechung zur gravierenden Pflichtverletzung
  • bb) Zwischenergebnis
  • c) Die schwarze Kasse als strafrechtliches Risikogeschäft
  • aa) Der Wert der schwarzen Kasse
  • bb) Gravierende Pflichtverletzung bei der geschäftsbezogenen schwarzen Kasse
  • cc) Pflichtwidrigkeit bei einer allgemeinen schwarzen Kasse
  • 5. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • V. Einverständnis zur Bildung schwarzer Kassen
  • 1. Vermögenszuordnung in der Kapitalgesellschaft
  • 2. Zuständigkeit und Wirksamkeit des Einverständnisses
  • a) Das Einverständnis in der GmbH
  • b) Das Einverständnis in der Aktiengesellschaft
  • 3. Das Einverständnis in die Bildung schwarzer Kassen
  • a) Zur Wirksamkeit des Einverständnisses in die Bildung schwarzer Kassen
  • b) (Hypothetisches) Einverständnis der zuständigen Organe zur Einrichtung der schwarzen Kasse – Regelfall oder Ausnahme?
  • c) Hypothetisches Einverständnis
  • e) Zwischenergebnis
  • VI. Der Erfolg der Untreue: Der Vermögensnachteil
  • 1. Das Vermögen – Begriff, Inhalt und Relevanz
  • 2. Die Vermögensgefährdung
  • 3. Ermittlung des Vermögensnachteils – Kompensation durch Vermögensvorteile
  • 4. Ansätze der Rechtsprechung und Literatur zum Vermögensnachteil bei schwarzen Kassen
  • a) Die Rechtsprechung zum Vermögensnachteil im öffentlichen Bereich
  • b) Auswertung unter Berücksichtigung der Literatur
  • aa) Unkontrollierte Verfügungsmöglichkeit als Vermögensnachteil
  • bb) Eigentumsverlust als Vermögensnachteil
  • cc) Kompensationsmöglichkeit
  • c) Zwischenergebnis
  • d) Rechtsprechung zum Vermögensnachteil im parteipolitischen Bereich
  • aa) Das Reichsgericht im „ NSDAP-Fall“: Verwendungsabsicht
  • bb) Kohl
  • cc) Hessen-CDU
  • (1) Landgericht Wiesbaden 1. Entscheidung
  • (2) OLG Frankfurt a. M.
  • (3) Landgericht Wiesbaden 2. Entscheidung
  • (4) Der Bundesgerichtshof
  • e) Auswertung unter Berücksichtigung der Literatur
  • aa) Faktische Einbuße der Verfügungsmacht als Vermögensnachteil
  • bb) Verlustgefahr als Kriterium zur Bestimmung des Vermögensnachteils
  • (1) Abgrenzungskriterien nach Weimann
  • (2) Abgrenzungskriterien nach Saliger und Tsagkaraki
  • (3) Abgrenzungskriterien nach Strelczyk
  • (4) Zwischenergebnis
  • cc) Kosten durch die Unterhaltung schwarzer Kassen
  • f) Zwischenergebnis
  • e) Rechtsprechung zum Vermögensnachteil in privatwirtschaftlichen Unternehmen
  • aa) RG 15.1.1940: Tatsächliche Beeinträchtigung der Rechte
  • bb) RGSt 75 227 („Baufirmaentscheidung“)
  • cc) Der Fünfte Strafsenat des BGH: Trennung der Einrichtung der schwarzen Kasse von der Verwendung des Kasseninhalts
  • dd) OLG Frankfurt a. M.: Wirtschaftliche Gesamtbetrachtung
  • ee) Exkurs: Der Vierte Strafsenat im Bundesligaskandal
  • ff) Der Vermögensnachteil in der „Siemensentscheidung“
  • (1) LG Darmstadt: Verlust der Kontrolle als Vermögensnachteil
  • (2) Der Zweite Strafsenat des BGH
  • (3) Das Bundesverfassungsgericht
  • gg) Die „Trienekens“ – Entscheidung
  • f) Auswertung unter Berücksichtigung der Literatur
  • aa) Wirtschaftliche Gesamtbetrachtung und Saldierung
  • bb) Unordentliche Buchführung
  • cc) Zwischenergebnis
  • VII. Subjektiver Tatbestand der Untreue
  • VIII. Zusammenfassung und Ergebnis
  • Literaturverzeichnis

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I.  Einführung

Die Behandlung schwarzer Kassen stellt seit jeher ein Problem in der strafrechtlichen Praxis und Theorie dar. Bis zu den Entscheidungen des Zweiten Strafsenats des Bundesgerichtshofs1 und daran anschließend des Bundesverfassungsgerichts2 in der sogenannten „Siemens-Affäre“, die im November 2006 ihren Anfang nahm, in der es um ein System schwarzer Kassen, dunkler Verbindungen und illegaler Geschäfte in der Wirtschaft ging, haben sich die obergerichtlichen Entscheidungen und die strafrechtswissenschaftliche Literatur weitestgehend auf die Untersuchung schwarzer Kassen im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der politischen Parteien beschränkt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können jedoch nicht einfach auf die Untersuchung schwarzer Kassen in der Privatwirtschaft übertragen werden. Denn es besteht ein kategorialer Unterschied zwischen der Verwendung von öffentlichen Geldern – auf die sich rein wirtschaftliche Gesichtspunkte kaum übertragen lassen – und der Anlegung von Kapital in der Wirtschaft.

Durch die „Siemens-Affäre“ steht die Frage der Strafbarkeit schwarzer Kassen nach § 266 StGB in Kapitalgesellschaften im Fokus der Öffentlichkeit und der Strafrechtswissenschaft3.

Diese Arbeit untersucht die Ansätze von Literatur und Rechtsprechung zur Lösung der Problematik unter dem Gesichtspunkt der Untreuestrafbarkeit, die sich speziell bei der Bildung und Unterhaltung schwarzer Kassen in der Wirtschaft stellt.

II.  Problemaufriss und Gang der Untersuchung

Da schwarze Kassen in der Regel im wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaften selbst eingerichtet werden, etwa zur Verheimlichung bestimmter Geschäftsaktivitäten, zur äußeren Minderung von steuerpflichtigen Gewinnen oder um geheime Gelder vorzuhalten, mit denen etwa zur Kundenakquise und Förderung erhoffter, lukrativer Aufträge in der Regel gesetzwidrige, auf alle Fälle aber anrüchige Schmiergeldzahlungen geleistet werden können, ist die Strafbarkeit der Bildung einer solchen Kasse und ihrer späteren Verwendung höchst zweifelhaft. ← 15 | 16 →

Als möglicher Straftatbestand kommt in solchen Fällen insbesondere der der Untreue nach § 266 StGB in Betracht. Wegen der häufig kritisierten – vermeintlichen – Unschärfe dieses Tatbestandes stellen sich die dazu ergangene Rechtsprechung und Literatur als eine Art Case Law dar: Problemfelder werden einzeln untersucht und isoliert bewertet.

Ziel der Untersuchung ist es, einen Weg zu einer dogmatisch vertretbaren Lösung des strafrechtlichen Problems schwarzer Kassen in Kapitalgesellschaften aufzuzeigen, die sich an den allgemeinen Grundsätzen zur Untreue orientiert.

Zunächst erfolgt eine systematische Sammlung, Bewertung und Fortbildung der vorhandenen Beiträge zum Thema der strafrechtlichen Problematik „schwarze Kassen“. Die Erscheinungsformen der schwarzen Kassen werden in den Teilbereichen öffentliche Verwaltung, politische Parteien sowie Privatwirtschaft beschrieben und voneinander abgegrenzt.

Anschließend werden die möglichen strafbaren Tatbegehungen, die bei der Bildung schwarzer Kassen in Kapitalgesellschaften vorliegen können, näher bestimmt. Aufgrund ihrer Rechtsform als juristische Personen sind Kapitalgesellschaften im Einzelnen oder als Eingliederungen in einen Konzern im besonderen Maße „prädisponiert“ für eigenmächtige Vorgehensweisen ihrer sie vertretenden Geschäftsführer, Vorstände oder ihrer sonstigen leitenden Angestellten. Die Bestimmung des Täterkreises des Sonderdelikts der Untreue nach § 266 StGB in Wirtschaftsunternehmen ist nötig und die Strukturierung der in Frage kommenden Tathandlungen erforderlich.

Wegen der gerade durch die „Siemensaffäre“ ausgelösten aktuellen juristischen Auseinandersetzungen, soll darüber hinaus der Untersuchungsgegenstand eingegrenzt werden. Die schwarze Kasse taucht in der Rechtsprechung und Literatur in vielen Bereichen auf. Das Augenmerk der hiesigen Untersuchung liegt hingegen bei schwarzen Kassen in Kapitalgesellschaften, namentlich im sog. privaten Bereich4.

Dabei sollen mögliche Fallkonstellationen aufgezeigt und auf ihre Strafbarkeit untersucht werden. Die Entscheidung, in welchen Fällen eine Strafbarkeit durch die Bildung oder die anschließende Verwendung einer schwarzen Kasse im Bereich von Kapitalgesellschaften in Frage kommt, setzt voraus, sowohl Grundzüge des Aufbaus von Kapitalgesellschaften zu verdeutlichen als auch Grundfragen der in Frage kommenden Vermögensdelikte zu klären.


1 BGHSt 52, 323.

2 BVerfGE 126, 170.

3 Bezeichnend ist die Anmerkung Eidams, der einen „Wildwuchs an Meinungen“ zum Problemkreis „schwarze Kassen“ konstatiert, vgl. Eidam, Unternehmen und Strafe, Rn 1928.

4 Der Begriff „privater Bereich“ wurde von der Literatur geformt und ständig verwendet; auf diese Begrifflichkeit wird im Folgenden unter A. II. eingegangen.

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1. Kapitel: Grundlagen zu schwarzen Kassen

Vor der rechtlichen Untersuchung erfolgt ein Überblick über schwarze Kassen im Allgemeinen. Zum einen soll der Begriff „schwarze Kasse“ näher beleuchtet werden und zum anderen ein Blick auf die Motive zur Einrichtung schwarzer Kassen erfolgen.

I.   Die schwarze Kasse – Definition

Unter sog. schwarzen Kassen werden gemeinhin vor der Öffentlichkeit, vor dem Vermögensinhaber selbst oder vor zuständigen Stellen geheim gehaltene Konten oder auch Bar-Depots verstanden, in denen Gelder des jeweiligen Vermögensträgers angesammelt werden, um im Anschluss im wirklichen oder vermeintlichen Interesse des Vermögensinhabers verwendet zu werden5.

In der Rechtswissenschaft werden unterschiedliche Anforderungen an das Vorliegen einer schwarzen Kasse gestellt.

So bestimmt Saliger das Vorliegen einer schwarzen Kasse anhand folgender drei Kriterien: Erstens verstoße die durch die Einrichtung einer schwarzen Kasse geschaffene Vermögenslage gegen Pflichten des Handelnden6. Zweitens werde die schwarze Kasse vor dem Geschäftsherrn/Dienstherrn/Vermögensinhaber bzw. den ihn vertretenden zuständigen Stellen geheim gehalten. Und drittens bleibe die beabsichtigte Mittelverwendung im Aufgabenbereich des Schwarzkassenverwalters und damit im Verwendungszweckbereich des Geschäftsherrn.

Während die beiden letztgenannten Kriterien uneingeschränkt Zustimmung erfahren können, ist das erste von Saliger aufgestellte Kriterium zur Bestimmung schwarzer Kassen erläuterungsbedürftig. Saliger spricht als erste Voraussetzung ← 17 | 18 → für das Vorliegen einer schwarzen Kasse von einem „Pflichtverstoß“ des Handelnden bei ihrer Einrichtung.

Für seine Definition unterstellt er vorab, dass die Vermögensverlagerung pflichtwidrig erfolgt. Dieses Merkmal des Untreuetatbestandes des § 266 StGB ist jedoch gerade wesentliches Problem bei der Beurteilung der Strafbarkeit im Problembereich schwarzer Kassen. Die Frage, ob es sich im zu beurteilenden Fall überhaupt um eine Konstellation schwarzer Kassen handelt, muss jedoch vor der Feststellung des Vorliegens bestimmter Tatbestandsmerkmale beantwortet werden.

Die Definition der schwarzen Kasse ist eine der Beurteilung der Strafbarkeit oder des Vorliegens einzelner Tatbestandsmerkmale voranzustellende Frage.

Möglicherweise geht Saliger bei dem Kriterium des Pflichtenverstoßes von der Verletzung irgendeiner Pflicht aus, wie etwa von einem Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche oder öffentliche Bestimmungen, nicht aber von einer untreuespezifischen Pflichtverletzung.

Ähnlich sieht es auch Weimann, wenn er die schwarze Kasse als einen aus solchen Geldern bestehenden Sonderfonds definiert, der unter Missachtung bestimmter Pflichten verborgen gehalten wird und dessen beabsichtigte Verwendung in Beziehung zur beruflichen oder sonst aufgabenbezogenen Tätigkeit desjenigen steht, der die Gelder verbirgt7.

Ob und gegen welche Pflichten die Bildung schwarzer Kassen verstoßen kann, ist jedoch erheblich vom Einzelfall abhängig, gerade davon, in welchem Bereich oder zu welchem Zweck die vermeintliche schwarze Kasse angelegt wird. Das Merkmal „bestimmte“ Pflichten ist insoweit ungenau und erklärungsbedürftig.

Zum einen kann es ausschließlich darum gehen, die Kasse vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, etwa um Steuerverpflichtungen zu entgehen, zum anderen kann es dem Schwarzkassenverwalter auf die unkontrollierte und freie Verwendung des Geldes, die durch die Schaffung einer schwarzen Kasse ermöglicht wird, ankommen.

Im ersteren Fall kommt ein Verstoß gegen öffentliche Bestimmungen in Frage – z. B. Verstöße gegen die Abgabenordnung – und im letzteren Fall etwa gesellschaftsrechtliche Verstöße gegen Buchführungsvorschriften. All dies sind aber Fragen des Einzelfalls und ist daher für eine generelle, abstrakte voranzustellende Definition zwar nicht falsch, aber ungenau. ← 18 | 19 →

Das Kriterium des Pflichtenverstoßes als Bestandteil der Definition der schwarzen Kasse ist daher abzulehnen – es ist auch nicht erforderlich.

Entscheidend für die Feststellung, ob abstrakt eine „schwarze Kasse“ vorliegt, das heißt ohne eine Wertung im strafrechtlichen Sinne, sind die drei Kriterien „Vermögensverschiebung“, „Geheimhaltung“ und „Uneigennützigkeit“8.

Das Kriterium „Uneigennützigkeit“ grenzt den problematischen Fall schwarzer Kassen von den strafrechtlich leicht zu bewertenden verheimlichten Sondervermögen in der Wirtschaft ab, bei denen die Täter die Gelder zur Eigenbereicherung anlegen oder abzweigen. Die Täter wollen sich in derartigen Fällen aus einem heimlichen Fonds unbemerkt bedienen, indem sie durch Umbuchung oder Umleitungen auf geheime Konten Gelder verschleiern, um sich von diesen Konten zu eigenen, unternehmensfremden Zwecken zu bedienen. Eine Untreue gem. § 266 StGB liegt dann unproblematisch vor, wenn der Täter die Gelder zu eigenen Zwecken und daraus folgend zum Schaden der vermögensinhabenden Gesellschaft verwendet.

Details

Seiten
221
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653062519
ISBN (ePUB)
9783653953572
ISBN (MOBI)
9783653953565
ISBN (Paperback)
9783631670408
DOI
10.3726/978-3-653-06251-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Januar)
Schlagworte
Pflichtverletzung Schmiergeld Privatwirtschaft Vermögensnachteil
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 221 S.

Biographische Angaben

Isabel Kollenberg-Ahrens (Autor:in)

Isabell Kollenberg-Ahrens studierte Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Sie ist als Richterin des Landes Nordrhein-Westfalen tätig.

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