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Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren im Lichte der Genehmigungswirkungen

Zugleich ein Beitrag zu den vermeintlichen Gegensätzen zwischen Beschleunigung und Öffentlichkeitsbeteiligung

von Stefanie Judex (Autor:in)
©2016 Dissertation XVIII, 336 Seiten

Zusammenfassung

Beschleunigungsdebatten und Großvorhaben wie «Stuttgart 21» lassen auf die Ausgestaltung und Durchführung von Genehmigungsverfahren blicken. Die Autorin untersucht die bislang selten thematisierte Wechselbeziehung zwischen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungswirkungen und dem Verfahren sowie die Grenzen von Verfahrensbeschleunigungen und möglichen Modifikationen. Nach eingehender Analyse der Rechtswirkungen, wie die materielle Präklusion und ihre Bedeutung für den Rechtsschutz potentieller Drittbetroffener, werden die Facetten des Genehmigungsverfahrens untersucht. Zentrale Fragen sind sozialpsychologische Aspekte in der Antragsberatung, der Zwiespalt des E-Government, die Anforderungen an Auslegung, Einsichtnahme und den Substantiierungsgrad der Einwendungen sowie der Erörterungstermin.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Problemstellung und Zielsetzung
  • B. Gang der Untersuchung
  • 1. Kapitel Grundlagen
  • A. Die Genehmigung nach BImSchG
  • I. Genehmigungspflicht
  • II. Genehmigungsarten
  • 1. Obligatorische Genehmigung
  • 2. Fakultative Genehmigung
  • 3. Modifikationen
  • B. Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren
  • I. Förmliches und vereinfachtes Verfahren
  • II. Verfahrensablauf
  • C. Genehmigungswirkungen
  • 2. Kapitel Immissionsschutzrechtliche Genehmigungswirkungen
  • A. Allgemeine Wirkungen
  • I. Gestattung und Gestaltungswirkung
  • II. Feststellung und Bindungswirkung
  • III. Folgen aus den allgemeinen Genehmigungswirkungen
  • B. Präklusionswirkung
  • I. Formen der Präklusion
  • 1. Formelle Präklusion
  • 2. Materielle Präklusion
  • a) Anspruchs- und Einwendungspräklusion
  • b) Horizontale und vertikale Einwendungspräklusion
  • II. Umfang immissionsschutzrechtlicher Präklusion
  • 1. Erfasste Ansprüche
  • 2. Grenzen der Präklusionswirkung
  • a) Fehlende Kenntnis vom Vorhaben
  • b) Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen
  • c) Nachträglich entstandene Betroffenheit
  • d) Schuldloses Versäumen der Einwendungsfrist
  • e) Reichweite gesetzlicher Bestandskraft
  • f) Keine Verzögerung des Verfahrens
  • III. Immissionsschutzrechtliche Präklusion im Lichte der Verfassung
  • 1. Wyhl und Sasbachwalden – zwei höchstrichterliche Vorgaben
  • a) Die Beurteilung durch das BVerwG
  • b) Bestätigung durch das BVerfG
  • c) Prüfungsmaßstäbe
  • 2. Immissionsschutzrechtliche materielle Präklusion und Art. 19 IV GG
  • a) Prozessuales Jedermann-Grundrecht
  • b) Eigenes subjektives Recht
  • c) Mögliche Rechtsverletzung durch einen Akt öffentlicher Gewalt
  • d) Eingriff in Art. 19 IV GG
  • aa) Behördlicher Ausschluss von der Verfahrensbeteiligung
  • bb) Gerichtliche Ablehnung einer Klage
  • cc) Gesetzliche Anordnung
  • dd) Genehmigungserteilung
  • e) Rechtfertigung
  • aa) Grundrechtsschutz Dritter
  • (1) Folgen einer Öffentlichkeitsbeteiligung ohne materielle Präklusion
  • (a) Vielzahl an Einwendern
  • (b) Kostensteigerung durch verzögertes Genehmigungsverfahren
  • (c) Unkalkulierbare Investitionsgefährdung
  • (aa) Potentielle Kläger
  • (bb) Kalkulation der Investitionsgefährdung
  • (cc) Reduktion des Verfahrensrisikos durch materielle Präklusion
  • (dd) Komplexität der Planung
  • (d) Konsequenz
  • (2) Beeinträchtigung Betroffener durch den Einwendungsausschluss
  • (a) Fehlende Konkretisierung des Vorhabens
  • (aa) Veränderliche Informationsgrundlage
  • (bb) Ausstehende behördliche Prüfung
  • (b) Strenge Anforderungen an die Einwendungserhebung
  • (aa) Kenntnisnahme
  • (bb) Einwendungsfrist
  • (cc) Substantiierte Darlegung
  • (c) Konsequenz
  • (3) Beurteilung
  • bb) Rechtfertigung durch Öffentlichkeitsbeteiligung
  • cc) Die Entlastung der Verwaltung
  • dd) Weitere Rechtfertigungsgründe
  • f) Bewertung
  • IV. Anforderungen aus der Präklusionswirkung an das Verfahren
  • 1. Hinweis auf ein zur Genehmigung anstehendes Vorhaben
  • a) Informationsbedürfnis
  • b) Individueller oder öffentlicher Hinweis
  • 2. Information zum Vorhaben und seinen Auswirkungen
  • 3. Aufforderung zur Mitwirkung
  • 4. Möglichkeit rechtswahrenden Vortrags durch Drittbetroffene
  • 5. Mündliche Erörterung
  • a) Grundsatz rechtlichen Gehörs
  • b) Kompensation der Präklusionswirkung
  • aa) Vorverlagerung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens
  • bb) Regulativ für Veränderungen im Genehmigungsverfahren
  • cc) Verbesserung von Information und Rechtsschutz
  • (1) Präzisierung erhobener Einwendungen
  • (2) Umfassende Sachverhaltsaufbereitung
  • (3) Vermeidung überraschender Entscheidung
  • c) Zwischenergebnis: Kompensationsfunktion des Erörterungstermins
  • V. Zusammenfassung
  • C. Privatrechtsgestaltende Wirkung
  • I. Rechtsfolgen und betroffene Ansprüche
  • II. Verfassungsrechtliche Dimension
  • III. Folgerungen
  • D. Konzentrationswirkung
  • I. Konzentrationsmodelle
  • 1. Mögliche Bündelungen
  • a) Einheitliche gesetzliche Grundlage
  • b) Bündelung von Zuständigkeit und Verfahren
  • c) Einheitliche Genehmigung
  • 2. Konzentrationsformen
  • a) Umweltgesetzbuch
  • b) Unechte Konzentration
  • c) Echte Konzentration
  • aa) Rezessive Konzentrationen
  • bb) Dominante Konzentrationen
  • II. Rechtsfolgen immissionsschutzrechtlicher Konzentration
  • 1. Materielle Konzentration
  • 2. Formelle Konzentration
  • III. Folgen für das immissionsschutzrechtliche Verfahren
  • 1. Mitwirkung verdrängter Behörden
  • 2. Verbändebeteiligung
  • 3. Beteiligung von Angrenzern
  • IV. Zwischenergebnis
  • E. Ergebnis
  • 3. Kapitel Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren
  • A. Behördliche Beratung vor Antragstellung
  • I. Zielsetzung und Umsetzung in der Praxis
  • 1. Form informellen Verwaltungshandelns
  • a) Innovatives Handlungsinstrument
  • b) Gefahr faktischer Bindung
  • 2. Die Antragsberatung in der Praxis
  • II. Inhalt und Drittbeteiligung
  • 1. Inhalt behördlicher Beratung
  • a) Anhaltspunkte aus dem Wortlaut
  • b) Telos
  • c) Antragsberatung im Laufe der Zeit
  • d) Verfassungsrechtlicher Hintergrund
  • aa) Anforderungen aus dem Untersuchungsgrundsatz
  • (1) Verstoß bei ausdrücklicher Einigung
  • (2) Nachvollziehende Amtsermittlung
  • (3) Ermessensfehlerfreie Sachverhaltsaufklärung
  • (4) Zwischenergebnis
  • bb) Verfahrensfairness
  • cc) Rechte Drittbetroffener
  • (1) Keine Rechtsverletzung durch verfahrensrechtliche Vereinbarungen
  • (2) Gefährdung effektiver Betroffenenbeteiligung durch inhaltliche Beratung
  • (a) Bindende Einigung
  • (b) Vorprägung und faktische Bindung
  • (aa) Exkurs: Sozialpsychologischer Hintergrund
  • (bb) Auswirkungen auf den Rechtsschutz
  • (3) Folgerungen für den Inhalt der Antragsberatung
  • e) Fazit
  • 2. Beteiligung weiterer Akteure
  • a) Andere Behörden
  • b) Dritte
  • aa) Praxis
  • bb) Beteiligung an verfahrensrechtlicher Beratung
  • cc) Beteiligung an materiellrechtlicher Beratung
  • 3. Ergebnis
  • III. Regelungsalternativen zur Antragsberatung
  • 1. Entbehrlichkeit einer Regelung
  • 2. Regulierung von Vorgesprächen
  • a) Formelle Verfestigung
  • b) Teilformalisierungen
  • aa) Beschränkung des Beratungsgegenstandes
  • bb) Behördliche Transparenz durch Dokumentation
  • cc) Entkoppelung von Beratung und Entscheidung
  • dd) Hinzuziehung weiterer Personen
  • 3. Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens
  • a) Frühe Einbeziehung Dritter
  • b) Mediativer Dialog
  • aa) Eignung
  • bb) Zeitpunkt
  • c) Zwischenergebnis
  • 4. Erweiterter gerichtlicher Rechtsschutz
  • IV. Ergebnis
  • B. Antragstellung
  • I. Antragsdokumente
  • II. Vollständigkeitsprüfung
  • III. Ergebnis und Ausblick
  • C. Öffentliche Bekanntmachung
  • I. Bedeutung öffentlicher Bekanntmachung
  • II. Medium und Inhalt
  • 1. Bekanntmachungsmedien
  • a) Amtliches Veröffentlichungsblatt
  • b) Örtliche Tageszeitungen
  • aa) Räumlicher Verbreitungsbereich
  • bb) Auswahl anhand der Informationsvermittlungsfunktion
  • (1) Ein-Zeitungs-Kreise
  • (2) Mehrere örtliche Tageszeitungen
  • cc) Zwischenergebnis
  • c) Internet
  • aa) Internetbasiertes Verwaltungshandeln
  • bb) Eignung digitaler Publikationen
  • (1) Verbesserte theoretische Kenntnisnahme
  • (a) Räumlicher Bekanntmachungskreis
  • (b) Zeitliche Verfügbarkeit
  • (2) Erschwerte tatsächliche Kenntnisnahme
  • (a) Technische Voraussetzungen und Fähigkeiten
  • (b) Wahrnehmung
  • (3) Ergebnis
  • d) Wahl des Bekanntmachungsmediums
  • aa) Alternative: Internet oder örtliche Tageszeitung
  • bb) Kumulative Bekanntmachung
  • e) Entwicklungstendenzen
  • 2. Bekanntmachungsinhalt
  • a) Zur Fortwirkung im Gerichtsverfahren
  • b) Zur Substantiiertheit
  • c) Besondere Hinweise bei gleichförmigen Einwendungen
  • d) Ergebnis
  • III. Modifikationen
  • 1. Individuelle Benachrichtigung
  • 2. Erweiterter Einsatz neuer Medien
  • 3. Umfang des Bekanntmachungsinhalts
  • IV. Ergebnis
  • D. Auslegung
  • I. Bedeutung der Auslegung
  • II. Umfang und Modalitäten der Einsichtnahme
  • 1. Umfang der auszulegenden Unterlagen
  • a) Antrag
  • b) Unterlagen des Antragstellers
  • aa) Reduktion auf schädliche Umwelteinwirkungen
  • bb) Geheime Unterlagen
  • (1) Geheimniseigenschaft
  • (2) Geheimnisschutz versus Informationsbedürfnis
  • (a) Übereinstimmende Beurteilung
  • (b) Divergenz
  • (3) Zwischenergebnis
  • cc) Verzeichnis eingereichter Unterlagen
  • dd) Kurzbeschreibung
  • c) Unterlagen der Behörde
  • aa) Entscheidungserhebliche Berichte und Empfehlungen
  • bb) Begrenzte Auslegung
  • d) Nach Auslegungsbeginn eingehende Unterlagen
  • aa) Allgemeiner Informationsanspruch
  • bb) Ergänzende Öffentlichkeitsbeteiligung bei Vorhabensänderung
  • cc) Nachgereichte Informationen zu nachteiligen Auswirkungen auf Dritte
  • 2. Modalitäten der Einsichtnahme
  • a) Einsichtsberechtigte
  • b) Einsichtsdauer
  • aa) Länge des Auslegungszeitraums
  • bb) Einsichtszeiten
  • cc) Fristverlängerung
  • c) Auslegungsort
  • d) Erreichbarkeit und Vervielfältigung der ausgelegten Unterlagen
  • aa) Erreichbarkeit der ausgelegten Unterlagen
  • bb) Duplikate von ausgelegten Unterlagen
  • (1) Anspruch auf Abschriften und Vervielfältigungen
  • (2) Abschriften durch die Behörde
  • (3) Erstellung eigener Abschriften
  • (a) Handschriftliche Abschriebe und Diktate
  • (b) Fotokopieren, scannen und abfotografieren
  • (4) Zwischenergebnis
  • III. Zusammenfassung und Ausblick
  • E. Einwendungserhebung
  • I. Funktion und Praxis
  • II. Gesetzliche Ausgestaltung
  • 1. Einwendungsbefugnis
  • 2. Formelle Anforderungen an die Einwendungserhebung
  • 3. Inhaltliche Anforderungen
  • a) Vorliegen einer Einwendung
  • aa) Begriff
  • bb) Vortrag, der keine Einwendung darstellt
  • b) Notwendiger Inhalt
  • aa) Der Detaillierungsgrad im Laufe der Rechtsprechung
  • (1) Vor Whyl und Sasbachwalden
  • (2) Whyl und Sasbachwalden
  • (3) Folgezeit
  • (4) Änderung im Jahr 1996
  • (5) Rechtsprechungspraxis bis heute
  • (6) Beurteilung der Entwicklung
  • bb) Darlegung eigener Betroffenheit
  • cc) Abhängigkeit vom Detaillierungsgrad ausgelegter Unterlagen
  • dd) Vom Wissen eines durchschnittlichen zu dem eines individuellen Laien
  • ee) Begründung oder Darlegung der Rechtsbeeinträchtigung
  • ff) Tatsächliche oder rechtliche Hinweise
  • gg) Zwischenergebnis
  • c) Sonderfall: Bezugnahmen in Einwendungen
  • aa) Auf ein anderes Vorhaben in einem anderen Verfahren
  • bb) Zum selben Vorhaben im selben Verfahren
  • cc) Zum gleichen Vorhaben im anderen Verfahren
  • dd) Zusammenfassende Grundaussage
  • 4. Einwendungsfrist
  • a) Verfassungs- und Europarechtskonformität
  • b) Relevanter Einwendungszeitraum
  • aa) Einwendungen allein vor Fristbeginn
  • bb) Vorbringen vor und während der Einwendungsfrist
  • 5. Weitere Behandlung durch die Behörde
  • III. Ergebnis und Ausblick
  • F. Erörterungstermin
  • I. Höhepunkt der Partizipation oder überflüssiger Kampftermin?
  • 1. Intention der Erörterung
  • 2. Der Erörterungstermin in der Praxis
  • 3. Reformbemühungen
  • II. Rechtliche Rahmenbedingungen
  • 1. Wegfall des Erörterungstermins
  • a) Wegfall mangels (erörterungsfähiger) Einwendungen
  • b) Behördliche Entscheidung über eine Erörterung
  • aa) Praxis
  • bb) Erwägungen des Gesetzgebers
  • (1) Sachgerecht und erforderlich
  • (2) Wunsch des Antragstellers
  • (3) Vorrangige gesetzliche Regelung
  • cc) Vorgaben aus höherrangigem Recht
  • (1) Europarecht
  • (2) Verfassungsrechtliche Verankerung
  • (a) Partizipatorische Erwägungen
  • (b) Kein Gebot des Rechtsstaatsprinzips
  • (c) Grundrechtsschutz durch Verfahren
  • dd) Ermessensausübung
  • (1) Drittrechtsbezug und Genehmigungsrelevanz
  • (2) Sammeleinwendungen und Unterschriftenlisten
  • (3) Relevanz der Einwenderzahl
  • (4) Erörterung (gerade) bei umstrittenen Großprojekten
  • (5) Sachverhaltsaufklärung und Rechtsschutzfunktion
  • (6) Ergebnis
  • 2. Durchführung
  • a) Vorbereitungsphase
  • b) Durchführungsphase
  • aa) Erörterungsberechtigte
  • bb) Erörterungsgegenstand: erörterungsfähige Einwendungen
  • cc) Leitung
  • dd) Verlauf des Erörterungstermins
  • c) Abschlussphase
  • 3. Folgen eines Erörterungstermins
  • III. Modifikationsmöglichkeiten
  • 1. Entbehrlichkeit
  • 2. Veränderungspotential
  • a) Einschränkungsmöglichkeiten
  • aa) Entfallenlassen mangels Widerspruch
  • bb) Beschränkung erörterungsberechtigter Personen
  • (a) Betroffenen-Einwender
  • (b) Erörterung allein mit Umweltverbänden
  • b) Veränderte Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens
  • c) Verbesserte Verhandlungsführung im Erörterungstermin
  • 3. Ergebnis
  • IV. Zusammenfassung und Ausblick
  • G. Mitwirkung weiterer Behörden
  • I. Bedeutung und Praxis
  • II. Beteiligungsumfang und zu beteiligende Behörde
  • 1. Stellungnahme
  • 2. Vollständige Koordination
  • III. Folgerungen
  • H. Verbändebeteiligung
  • I. Bedeutung
  • II. Naturschutzrechtliche Mitwirkung
  • 1. Beteiligungsvoraussetzungen
  • 2. Beteiligungsumfang
  • a) Information
  • b) Anhörung
  • III. Folgerungen
  • I. Beendigung des Verfahrens
  • 4. Kapitel Fazit
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

A. Problemstellung und Zielsetzung

Immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren rücken immer wieder durch umstrittene Projekte – wie das Kohlekraftwerk Staudinger oder Windkraftanlagen – in den Fokus öffentlicher Wahrnehmung. Sie offenbaren einen Konflikt zwischen der Umweltnutzung Einzelner und dem damit verbundenen Schädigungspotential für die Allgemeinheit. Einen Ausgleich vermittelt das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Danach besteht eine Genehmigungspflicht für Anlagen, die als grundsätzlich schädlich eingestuft sind. Industrielle Anlagen bedürfen so häufig für ihre Errichtung und Inbetriebnahme sowie für ihre Änderung einer Genehmigung. Handelt es sich dabei um einen Anlagentyp, dem abstrakt betrachtet ein besonders hohes Gefährdungs- und Beeinträchtigungspotential zugeschrieben wird, so ist die Genehmigungserteilung vom Durchlaufen eines Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung abhängig.

Für die Wirtschaft bedeutet diese Genehmigungspflicht verbunden mit dem entsprechenden Verfahren einen (oft erheblichen) Aufwand an Zeit und Kosten. Innovative Ideen bedürfen längerer Vorlaufzeiten, um auf dem Markt angeboten werden zu können. Gleiches gilt für Veränderungen und Expansionen bereits bestehender Werke. Aus Sicht der Wirtschaft hemmt daher das Genehmigungserfordernis wirtschaftliche Aktivitäten.

Andererseits drückt sich ein Wachstum im industriellen Bereich nicht nur in der Zunahme des Bruttoinlandproduktes sondern auch im zunehmenden Flächenverbrauch und der Zahl jährlich beantragter immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen aus.1 In Verbindung mit einer Verdichtung des Siedlungsraumes bedeutet eine Ausdehnung industrieller Tätigkeit zumeist eine Kollision mit nachbarlichen und ökologischen Interessen. Einschränkungen der Lebensqualität – etwa durch Schweinemastbetriebe – bis hin zur Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum – etwa durch explodierende Fabriken2 – werden befürchtet.

Eine Grundentscheidung zum Ausgleich der kollidierenden Interessen enthalten die Genehmigungsvoraussetzungen. Zudem sind die durch die Anlage ← 1 | 2 → betroffenen Personen am Genehmigungsverfahren zu beteiligen.3 Das Verfahren stellt daher die Arena dar, in der der Ausgleich widerstreitender Interessen errungen wird, der zwar vom Gesetzgeber grob vorgegeben, aber im Einzelfall mit Leben zu füllen ist. Idealerweise werden dabei die verschiedenen Interessen nicht nur erfasst, sondern angemessen berücksichtigt und einer einvernehmlichen Lösung zugeführt.

Da dies nicht immer gelingt, entfachen insbesondere umstrittene Großprojekte häufig Grundsatzdiskussionen und die Forderung nach Gesetzesänderungen. Das Immissionsschutzrecht kann daher als Paradigma für das gesamte Umweltrecht gesehen werden, in dem sich Fragen der modernen Verwaltung widerspiegeln und das sich zur Erprobung neuer Instrumente zur Verfahrensbeschleunigung anbietet – wie etwa materielle Präklusionen, öffentliche Bekanntmachungen, Entscheidungsfristen, Internetbekanntmachungen oder fakultative Erörterungstermine.

Trotz der teilweise weitgehenden Verfahrensänderungen sowie der Reduktion der Genehmigungspflicht verstummen die Forderungen nach Beschleunigung und Bürokratieabbau nicht.4 Die Gefährdung des Wirtschaftsstandortes ← 2 | 3 → Deutschland durch überlange Verfahrensdauer wird beschworen.5 Auflagen und Genehmigungsverfahren hätten in Deutschland ein höheres Maß erreicht als in vielen anderen Ländern, so dass im internationalen Vergleich deutschen Unternehmen Kosten- und Zeitnachteile erwüchsen.6 Nicht selten implizierten allerdings solche Änderungen, die den Faktor Zeit betonten, die Zurückdrängung von Beteiligungsrechten.7

Eine Wende in der auf Beschleunigung ausgerichteten Entwicklung schien mit den erheblichen Bürgerprotesten um ‚Stuttgart 21‘8 erreicht. Der baden-württembergische Ministerpräsident Mappus plante in Reaktion auf die Proteste, einen Maßnahmenkatalog nicht nur zur Beschleunigung von Planungsverfahren, sondern auch zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung vorzulegen. Ein „unabhängiger Moderator“ sollte von Beginn an in die Verfahren einbezogen werden.9 Keine zwei Monate später gab die Bundesregierung bekannt, dass sie die Planfeststellungsverfahren beschleunigen wollte. Eine Verbesserung der Bürgerbeteiligung war damit nicht angestrebt, vielmehr sollten die Beteiligungsrechte der Bürger bei Großprojekten (noch weiter) eingeschränkt werden.10 Gegen diesen Trend vermochte auch die Wahl des „Wutbürgers“ zum Wort des Jahres 201011 nichts zu bewirken. ← 3 | 4 →

Im europaweiten Vergleich steht damit der deutsche Trend zum „Beschleunigungsmaximum“12 im deutlichen Gegensatz zum europäischen Bemühen um mehr Bürgerbeteiligung.13 Die Kommunikation mit dem Bürger erscheint verbesserungswürdig: „Versteckt in irgendwelchen Behördenlabyrinthen liegen Bebauungspläne aus, zu unattraktiven Zeiten in muffigen Schulhallen finden Anhörungen statt, und Einladungen zu solchen Veranstaltungen werden nicht etwa an die Bürger verschickt, sondern hinter drei schiefen Eichen in einer Sackgasse an einem alten Aufsteller plakatiert.“14

Mit einem Blick auf die bereits veranlassten Beschleunigungen mag sich die Frage aufdrängen, wie viel Beschleunigung im Genehmigungsverfahren überhaupt noch möglich ist und welche Bedeutung dem Verfahrensrecht noch zukommt.15

Zur Beantwortung der Frage kann das Genehmigungsverfahren nach möglichen Beschleunigungspotentialen untersucht werden. Dies ist vielfach geschehen,16 doch hat dieser Ansatz – eine isolierte Überprüfung der Verfahrensausgestaltung auf Beschleunigungspotentiale – ein Manko: Er verliert das Endprodukt des Verfahrens, die Genehmigung mit ihren Wirkungen, aus dem Blick. Es scheint, als ← 4 | 5 → stünden Verfahren und Genehmigung isoliert nebeneinander, ein mögliches Zusammenspiel wird nur selten betrachtet.17

Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen Verfahren und Genehmigung auszugehen: Das Genehmigungsverfahren dient dem staatlichen Interesse an gerechter Entscheidung und dem Interesse der Betroffenen an Beachtung ihrer Belange. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist hingegen im Interesse des Antragstellers mit weitreichenden Wirkungen insbesondere hinsichtlich ihrer Bestandskraft ausgestattet. In der Ausgestaltung von Verfahren und Genehmigung spiegelt sich somit erneut ein Ausgleich der verschiedenen Interessen wieder.18

Hier setzt die vorliegende Arbeit an: Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist im Lichte der Genehmigungswirkungen zu sehen. Verfahren und Genehmigung stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Sie bilden ein Gesamtgefüge, das auf den Ausgleich widerstreitender Interessen zielt.

Werden Teile dieses Gefüges verändert, ist daher sicherzustellen, dass hierdurch die Gesamtstruktur und der damit bezweckte Interessenausgleich nicht verschoben werden. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es daher, die Verfahrensschritte herauszufiltern, die unentbehrlich sind, um der Genehmigung die Wirkungen zukommen zu lassen, die sie aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage entfaltet. Veränderliche Verfahrensschritte werden hierdurch ebenso deutlich wie die Grenzen möglicher Verfahrensbeschleunigung. So ist es denkbar, dass eine Veränderung im Verfahren, etwa die (erhebliche) Verkürzung von Beteiligungsrechten, nur mit einer gleichzeitigen Änderung der Genehmigungswirkungen einhergehen kann. Dies besagt nicht, dass diese Verfahrensschritte unveränderlich sind. Sie sind nur nicht ohne gleichzeitige Änderung der Genehmigungswirkungen unbedenklich möglich. ← 5 | 6 →

B. Gang der Untersuchung

Für die Untersuchung wird zunächst ein Überblick über Genehmigung, Verfahren und Genehmigungswirkungen nach dem BImSchG gegeben (1. Kapitel). Hieran schließt sich im 2. Kapitel eine tiefer gehende Betrachtung der Genehmigungswirkungen sowie der für ihre Verfassungskonformität erforderlichen Anforderungen an das Verfahren an. Dabei beschränkt sich die Untersuchung vorrangig auf nationales Recht.

Die durchaus sehr spannenden Europarechtsfragen – gerade im Hinblick auf die Entwicklung zu einer möglichen Europarechtswidrigkeit materieller Präklusionen19 oder die Verbandsbeteiligung – bleiben ausgeklammert. Ihre eingehende Betrachtung würde den Rahmen der Arbeit sprengen und von ihrem eigentlichen Ziel, dem Aufzeigen der Wechselbeziehung zwischen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und ihren Wirkungen einerseits und dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren andererseits ablenken.

Abschließend werden die jeweiligen Verfahrenschritte eingehend untersucht, sowohl hinsichtlich ihrer momentanen Ausgestaltung, ihrem Zusammenhang zu den Genehmigungswirkungen sowie zu möglichen Modifikationen (3. Kapitel).


1 Lediglich im Jahr der Wirtschaftskrise 2009 wies das Bruttoinlandsprodukt nach den Daten des Statistischen Bundesamtes keinen Anstieg auf. Diese Daten sowie der Flächenverbrauch sind unter www.destatis.de abrufbar.

2 Wie etwa im April 2013 die Düngemittelfabrik in Waco, Texas.

3 Ein Rechtsanspruch auf ein geordnetes Verfahren wird aus den Grundrechten Art. 2 II und 14 GG abgeleitet (BVerfGE 53, 62 ff., ausführlicher etwa Beyerlin, NJW 1987, 2713 (2715 f.); Song, Kooperatives Verwaltungshandeln, S. 76). Genehmigung und Verfahren kommt Ausgleichsfunktion zu (Steinberg, DÖV 1982, 619 (621)).

4 Zum „Beschleunigungswettlauf“ der 90er Jahre Baer, Bürger, S. 166; BMWi, Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren – Bericht der unabhängigen Expertenkommission, 1994; Cancik, DÖV 2007, 107 ff.; Dose/Holznagel/Weber, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, 1994; Erbguth, DÖV 2009, 921 (921 ff.); Fisahn, ZUR 2004, 136 (138 m.w.N.); ders., Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 278 ff.; Hansmann, NVwZ 1997, 105 (105 f.) m.w.N.; Jacoby, Beschleunigung, S. 3 m.w.N.; Lauer, 3. AtRS, 47 (49); Pünder, NuR 2005, 71 ff.; Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, 1993; Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, 40 (42 ff.); Sparwasser, AnwBl 2000, 658 (658) zum Kampfbegriff „schlanker Staat“; Steinbeiß-Winkelmann, DVBl. 1998, 809 (809) mit geschichtlichem Überblick; Teßmer, ZUR 2006, 469 ff.; Voßkuhle, DV 34 (2001), 347 ff.; Wahl, DVBl. 1993, 517 (517) zur Welle überbeschleunigter Gesetzgebungstätigkeit; Weinreich, NVwZ 1997, 949 (949); Wittreck, VerwArch 100 (2009) 71 (71); Wulfhorst, LKV 1995, 316 (316). Beschleunigungsgesetze mit entsprechend hektischer Gesetzesverabschiedung sowie vermeintlichem – nicht eruierten – Beschleunigungsbedürfnis führen auch in anderen Bereichen zu begrenzter Rechtswahrnehmung zugunsten vermeintlich schnellerer Verfahren. Zum Asylrecht etwa eindrücklich Schenk, DÖV 1981, 212 ff. Zu ähnlich hektischem Gesetzerlass Wulfhorst, LKV 1995, 316 (316); Ziekow, Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, 1998.

5 Song, Kooperatives Verwaltungshandeln, S. 89; ähnlich Geschka, Wettbewerbsfaktor Zeit, S. 20; dazu Hansmann, NVwZ 1997, 105 (105 f.); Harder, Genehmigungsverfahren, S. 62; Held, Grundrechtsbezug, S. 170 f.; Kaupe, Beschleunigung, S. 8 ff.; Lecheler, DVBl. 2005, 1533 (1533 f.). Kritisch Jacoby, Beschleunigung, S. 3: die Grundaussage einer (überlangen) Verfahrensdauer sei zu hinterfragen; ebenso Durner, ZUR 2011, 354 (356); Steinbeiß-Winkelmann, DVBl. 1998, 809 (809 f.). Die Verfahrensdauer wird als nicht signifikant negativer Standortfaktor beurteilt von SRU Sondergutachten Februar 2007 Rz. 244 ff.; Schütz, VBlBW 2007, 441 (441). Die Klage um den „Standort Deutschland“ und dessen Leiden unter staatlicher Regulierung beurteilt Wittreck, VerwArch 100 (2009) 71 (71) als zum Standardreperatoire bundesdeutscher Wahlkämpfer gehörend.

6 Geschka, Wettbewerbsfaktor Zeit, S. 20.

7 Eine Übersicht über die insbesondere in den 1990er Jahren erfolgten Beschleunigungen im BImSchG bei Püttner/Guckelberger, JuS 2001, 218 (220 f.).

8 Hierbei handelt es sich um ein Bahnprojekt, das im 21. Jahrhundert verwirklicht werden soll. Sein Kernstück stellt der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs von einem Kopf- in einen Durchgangsbahnhof dar. Teilweise wird das Projekt auch ‚S21‘ genannt.

9 FAZ Artikel v. 08.11.2010.

Details

Seiten
XVIII, 336
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653067781
ISBN (ePUB)
9783653950397
ISBN (MOBI)
9783653950380
ISBN (Paperback)
9783631672358
DOI
10.3726/978-3-653-06778-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Juni)
Schlagworte
Internetpublikation Erörterungstermin, Effektiver Rechtsschutz Materielle Präklusion, substantiierte Einwendungen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XVIII, 336 S.

Biographische Angaben

Stefanie Judex (Autor:in)

Stefanie Judex studierte Rechtswissenschaften an der Universität Mannheim. Dort arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht.

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