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Kohärenz und indirekte Anaphorik

von Zsófia Haase (Autor:in)
©2016 Dissertation 172 Seiten
Reihe: Metalinguistica, Band 27

Zusammenfassung

Ausgehend von einer Sprecherbefragung mit deutschem Sprachmaterial untersucht die Autorin die Verwendung von indirekten pronominalen Anaphern im Deutschen. Die Ergebnisse der empirischen Arbeit bestätigen die zentrale Hypothese der Abhandlung: Den Muttersprachlern erscheint die Verwendung von indirekten pronominalen Anaphern im Deutschen als akzeptabel, wenn der implizite Referent nuklearer Bestandteil der gegebenen Diskursrepräsentation ist. Die Autorin kann somit auf der Grundlage von Grammatikalitätsurteilen zeigen, dass indirekte pronominale Anaphern akzeptierte Kohärenzmittel sind.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Einleitung
  • 1. Wissenschaftshistorische Präliminarien – Der Einfluss der kognitiven Wende auf die Textlinguistik
  • 1.1 Die Kognitive Wende in den Wissenschaften
  • 1.2 Die Kognitive Wende in der Linguistik
  • 1.3 Die Kognitive Wende in der Textlinguistik
  • 2. Kohärenz und Kohäsion – Begriffsdeutung vor dem Hintergrund diverser textlinguistischer Forschungsansätze
  • 2.1 Auffassungen von Kohärenz und Kohäsion in den verschiedenen textlinguistischen Forschungsansätzen – Eine wissenschaftshistorische Skizze
  • 2.1.1 Einführung
  • 2.1.2 Der sprachsystematisch ausgerichtete Forschungsansatz / Transphrastik
  • 2.1.3 Der kommunikativ-pragmatische Ansatz / Kommunikationsorientierte und handlungstheoretisch ausgerichtete Ansätze
  • 2.1.4 Kohärenz und Kohäsion aus kognitiver Sicht
  • 2.2 Zusammenfassung
  • 2.3 Die anaphorische Verweisung – Mittel der Kohäsion oder der Kohärenz?
  • 2.3.1 Die anaphorische Verweisung
  • 2.3.2 Die koreferenten/referenzidentischen Anaphern
  • 2.3.3 Die nicht koreferente Anapher
  • 2.3.3.1 Die auf semantischer Kontiguität beruhende anaphorische Verweisung
  • 2.3.3.2 Die indirekte Anapher in der Auffassung von Schwarz (2000)
  • 2.3.3.3 Neubewertung des Verhältnisses von indirekten und direkten Anaphern
  • 2.3.4 Schlussfolgerungen
  • 2.4 Schlussbemerkungen
  • 3. Indirekte Anaphern in Texten
  • 3.1 Anaphern in der (Text)Linguistik
  • 3.1.1 Die traditionelle Auffassung
  • 3.1.2 Die anaphorische Konstruktion
  • 3.1.3 Referentialisierung und Anapherninterpretation aus kognitiver Sicht
  • 3.2 Indirekte Anaphern
  • 3.2.1 Indirekte Anaphern in der Textlinguistik
  • 3.2.2 Indirekte Anaphern als textuelles Referenzphänomen
  • 3.2.3 Indirekte Anaphorik als ein Typ der referentiellen Unterspezifikation
  • 3.2.4 Typen indirekter Anaphern
  • 3.2.5 Zu einem einheitlichen Interpretationsmodell für direkte und indirekte Anaphern
  • 4. Indirekte pronominale Anaphern in Texten
  • 4.1 Problemstellung
  • 4.2 Indirekte pronominale Anaphern nach Postal (1969); Ward et al. (1991) und Schwarz (2000)
  • 4.3 Indirekte pronominale Anaphern nach Erkü & Gundel (1987); Sanford et al. (1983) (aufbauend auf Sanford und Garrod (1981)); Yule (1979, 1982) und Cornish et al. (2005)
  • 4.4 Indirekte pronominale Anaphern in Englisch und Französisch: Zwei Experimente – Cornish et al. (2005); Cornish (2007)
  • 4.4.1 Zwei Experimente – Gestaltung, Materialien und Methode
  • 4.4.2 Ergebnisse
  • 4.4.3 Schlussfolgerung: Auswertung der Ergebnisse
  • 4.5 Zusammenfassung
  • 5. Indirekte pronominale Anaphern im Deutschen: Eine Sprecherbefragung
  • 5.1 Vorbemerkungen
  • 5.2 Die Sprecherbefragung
  • Methode
  • Testpersonen/Subjekte
  • Design/Gestaltung und Materialien
  • Ablauf
  • Voraussagen
  • 5.3 Auswertung der Daten – Ergebnisse und Diskussion
  • 5.4 Zusammenfassung
  • 6. Schluss und Ausblick
  • Schluss
  • Ausblick
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

Entsprechend dem Titel ist Gegenstand der vorliegenden Abhandlung das Phänomen der indirekten Anaphorik im Deutschen, mit besonderer Rücksicht auf die indirekten pronominalen Anaphern. ANAPHERN wie

(1) EINE KATZE wollte einmal ihrer Herrin eine Freude machen. Sie fing eine Maus und legte sie ihr auf die Schwelle.1

sind seit den Anfängen der Textlinguistik im Fokus der Untersuchungen gewesen. Sprachliche Ausdrücke in einem Text, die Koreferenz, Genus- und Numeruskongruenz bzw. Sinnidentität mit ihrem Bezugsausdruck aufweisen (sie in Bsp. (1)) und die grundsätzlich als Kontinuitätssignale in dem Text zu erfassen sind (in der Terminologie von Schwarz (2000) die klassischen direkten Anaphern), sind bereits in den ersten textorientierten linguistischen Arbeiten thematisiert und ausführlich behandelt worden (vgl. z.B. Harweg 1968; Isenberg 1971; Hartmann 1971). INDIREKTE ANAPHERN (auch Kontiguitätsanaphern, Assoziative Anaphern, Antezedenslose Anaphern genannt) wie

(2) Ich ging mit DEM HUND SPAZIEREN. Die Leine zerriss nach fünf Minuten.

haben in der modernen Linguistik an Interesse gewonnen (siehe Schwarz 2000; Hawkins 1978; Yule 1979; Erkü & Gundel 1987; Pause 1991; Vater 1996; Cornish 1996 u.a.). Diese Anaphern (wie die Leine in Bsp. (2)), die keine Koreferenz, Genus- und Numeruskongruenz bzw. Sinnidentität mit ihren Bezugsausdrücken („Ankern“) aufweisen, sind auch nicht einfach als Kontinuitätssignale in dem Text aufzufassen, obwohl sie die Kontinuität zweifellos auch gewährleisten. Der Sonderfall der PRONOMINA ALS INDIREKTE ANAPHERN

(3) Ich wäre wunschlos glücklich, wenn Sie nicht immer auf dem LEHRERPARKPLATZ PARKEN würden. Das nächste mal lasse ich ihn abschleppen. (Beispiel aus der Seifen-Oper Beverly Hills 90210, RTL, 31.8.95, in Consten, 2001, zit. in Cornish 2007: 23) ← 9 | 10 →

wurde auch vielfach problematisiert (Postal 1969; Ward et al. 1991; Schwarz 2000; Erkü & Gundel 1987; Sanford et al. 1983; Yule 1982; Greene et al. 1994), wobei aber nicht zufriedenstellend festgelegt wurde, unter welchen Bedingungen Pronomina als indirekte Anaphern verwendet werden können (Grundfrage=GF). Cornish et al. (2005) haben diese Frage bzw. die Spezifikation der GF zu klären versucht. In ihren zwei Experimenten mit französischem bzw. englischem Sprachmaterial versuchten sie die Hypothese zu überprüfen, dass die Wiederaufnahme eines impliziten Referenten durch (Nicht-Subjekt-)Pronomina möglich sei, aber nur unter der Bedingung, dass der implizite Referent ‚nuklear‘ (d.h. nuklearer/zentraler Bestandteil der gegebenen Diskursrepräsentation, was aufgrund lexikalischer Bedeutung (Prädikat-Argument Struktur) oder allgemeinen, kulturspezifischen Wissens begründet werden kann – siehe später Kapitel 4.) und nicht ‚peripher‘ (prototypisches Mittel/Instrument oder erwartete Begleiterscheinung der Handlung, die von dem Prädikat bezeichnet wird) ist. Die Ergebnisse haben die Voraussagen der Forschergruppe weitgehend bestätigt. Von den Annahmen und Ergebnissen von Cornish et al. (2005) ausgehend wurde beabsichtigt, die Verwendbarkeit von indirekten pronominalen Anaphern im Deutschen zu untersuchen. Dabei wurde folgender Denkweise gefolgt: Da in dem zweiten Experiment von Cornish et al. (2005) (mit englischem Sprachmaterial) die Ergebnisse des ersten (französisches Sprachmaterial) reproduziert werden konnten, kann behauptet werden, dass Referenten-Zentralität in der Tat konzeptueller und nicht rein sprachlicher Natur ist. Daraus folgt, dass die Ergebnisse der Forschergruppe replizierbar sein sollten, wenn die Voraussagen in einer anderen Sprache oder sogar mit einer anderen Methode getestet werden. Angenommen, dass Referenten-Zentralität auch für das Deutsche gilt, wurde intendiert, eine Sprecherbefragung mit deutschem Sprachmaterial durchzuführen mit dem Ziel, folgende Hypothese zu überprüfen: Ein Pronomen, das sich nicht in Subjektstelle befindet, kann einen impliziten Referenten erfolgreich (felicitously) wieder aufnehmen, ohne dass dabei die Grammatikalitätsurteile von Muttersprachlern negativ ausfallen würden – das aber nur unter der Bedingung, dass der implizite Referent nuklear und nicht peripher ist. Ein weiteres Ziel der Arbeit war außerdem, Grammatikalitätsurteile als aufschlussreiche Quellen von Informationen in linguistischer Erkenntnis darzustellen.

Den theoretischen Rahmen der Arbeit liefert der Kognitivismus, die Kognitive (Text)Linguistik in der Auffassung von Monika Schwarz (2000, 2008), was auch impliziert, dass durchgehend der Begriffsapparat dieses Ansatzes verwendet wird. Auch wegen der Wahl des theoretischen Hintergrunds wurde es als angebracht empfunden, im allerersten Kapitel den Kognitivismus wissenschaftshistorisch zu untersuchen. Daher wird am Anfang die kognitive Wende in den Wissenschaften, ← 10 | 11 → in der Linguistik und insbesondere in der Textlinguistik ab den 1960er Jahren zusammenfassend dargestellt. Als Nächstes folgt eine Untersuchung der beiden textlinguistischen Grundbegriffe Kohärenz und Kohäsion. Dieser Teil der Arbeit ist deshalb als sinnvoll und notwendig zu betrachten, weil laut Schwarz (2000) die textuelle Relevanz indirekter Anaphern in erster Linie in ihrer kohärenzstiftenden und referenzetablierenden Funktion zu erfassen ist2, was die Frage aufwerfen kann, warum wohl indirekte pronominale Anaphern als Kohärenzmittel und nicht als Kohäsionsmittel untersucht werden (sollen). So wird im zweiten Kapitel dieser Frage nachgegangen und ein Versuch unternommen, sie zu klären. Um eine Antwort zu finden, wurde eine historische Perspektive gewählt, durch die auch eine Klärung der Begriffsverhältnisse ermöglicht wird. Im darauf folgenden Kapitel werden die indirekten Anaphern in Texten anhand der Monographie von Schwarz (2000) detailliert behandelt. Nach der Behandlung von Anaphern, der anaphorischen Konstruktion und der Referentialisierung und Anapherninterpretation aus kognitiver Sicht, werden indirekte Anaphern mit Rücksicht auf ihren Status als textuelles Referenzphänomen, Typen, Definition und ihren Begriffsinhalt zusammenfassend vorgestellt.

Im zweiten großen Abschnitt der Arbeit erfolgt die Vorstellung meiner theoretischen bzw. empirischen Untersuchungen und deren Ergebnisse. Im ersten Schritt werden zum einen die Gründe für die Unbeantwortetheit der oben genannten GF ermittelt, zum anderen wird die Arbeit von Cornish et al. (2005) in Detail vorgestellt, da sie zu wichtigen Erkenntnissen hinsichtlich der Verwendung indirekter pronominaler Anaphern führte, wodurch auch die Spezifikation des Grundproblems gelöst zu sein scheint (siehe hierzu Kapitel 4). Im zweiten Schritt wird die oben bereits erwähnte Sprecherbefragung (Methode), die anhand von Online-Fragebögen mit vorgegebenem Sprachmaterial (Dialogen) durchgeführt wurde, detailliert beschrieben, und abschließend werden die Ergebnisse der empirischen Arbeit zusammengefasst und diskutiert (Kapitel 5). Eine Schlussfolgerung steht in Kapitel 6, wo im Ausblick auch offene Fragen und problematische Aspekte des Themas behandelt werden.


1 Die Anaphern werden in der Arbeit konsequent fett vorgehoben, während ihre Bezugsausdrücke mit GROßEN BUCHSTABEN markiert werden. In dem Beispiel (1) werden nur eine Anapher und ihr Bezugsausdruck angezeigt. An einigen Stellen jedoch wurde die Markierung der Quelle beibehalten.

2 Schwarz (2000: 158).

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1. Wissenschaftshistorische Präliminarien – Der Einfluss der kognitiven Wende auf die Textlinguistik

Details

Seiten
172
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653066012
ISBN (ePUB)
9783653960563
ISBN (MOBI)
9783653960556
ISBN (Hardcover)
9783631673508
DOI
10.3726/978-3-653-06601-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Kognitive Linguistik Kohäsion Pronomen Grammatikalitätsurteile
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 172 S., 8 farb. Abb., 11 Tab.

Biographische Angaben

Zsófia Haase (Autor:in)

Zsófia Haase studierte Anglistik und Germanistik und promovierte in Linguistik. Sie ist Universitätsassistentin am Lehrstuhl für germanistische Linguistik an der Universität Debrecen (Ungarn). Ihr Forschungsinteresse liegt im Bereich der Textlinguistik und der Kognitiven Linguistik.

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