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Persönlichkeitsschutz von Kindern und Jugendlichen

Eine Untersuchung zum zivilrechtlichen Schutz von Minderjährigen in der modernen Medienlandschaft

von Henrike Ehrhorn (Autor:in)
©2016 Dissertation 432 Seiten

Zusammenfassung

Der Persönlichkeitsschutz junger Menschen hat im gegenwärtigen Medienumfeld neue Aktualität erlangt. Im Zentrum der Diskussionen steht die natürliche Schutzbedürftigkeit, durch die auch die geltende Grenzziehung zur kollidierenden Presse- und Äußerungsfreiheit berührt wird. Die Autorin entwickelt daran anknüpfend ein Konzept, wie die Spannungsfelder der Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen in einen möglichst schonenden Ausgleich mit widerstreitenden Interessen gebracht werden können. Die Untersuchung wird durch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und die maßgeblichen Wertungsgrundlagen fundiert und rechtsvergleichend flankiert. Anhand einer Aufarbeitung der problematischen Rechtsfragen zur Einwilligung sowie zur Güter- und Interessenabwägung entfaltet die Verfasserin wesentliche Grundlinien für den Minderjährigenschutz gegenüber der Presse und im Internet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsübersicht
  • Vorwort
  • Kapitel 1: Einführung
  • § 1 Gegenstand der Untersuchung
  • A. Junge Menschen in der modernen Informationsgesellschaft
  • B. Persönlichkeitsschutz als Antwort auf Gefährdungen menschlicher Identität und Integrität
  • C. Individualschutz an der Schnittstelle von Persönlichkeits- und Minderjährigenschutz
  • D. Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte
  • § 2 Standortbestimmung
  • A. Grundsätze des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes
  • I. Schutz gegen wahre Tatsachenbehauptungen
  • II. Schutz gegen Werturteile
  • B. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
  • § 3 Gang der Darstellung
  • Kapitel 2: Sozialwissenschaftliche Grundlagen
  • § 1 Methodische Vorbemerkungen zu sozialwissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten
  • § 2 Konturierung des Untersuchungsausschnitts
  • A. Das Forschungsfeld der Privatheit im Überblick
  • B. Kindheit und Jugend in den Sozialwissenschaften
  • I. Begriffsbestimmung
  • II. Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung
  • C. Forschungsstand und konkrete Fragestellung der sozialwissenschaftlichen Untersuchung
  • § 3 Privatheit aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen
  • A. Theoretische Forschung
  • I. Erleben und Verstehen von Privatheit
  • II. Natürliche Barrieren
  • B. Empirische Forschung
  • I. Vorstellung und Verständnis nach Laufer und Wolfe
  • II. Verständnis und Verhalten im Internet
  • III. Verständnis im Kontext der physischen Umwelt
  • IV. Zusammenfassung
  • § 4 Privatheit im Kindes- und Jugendalter aus funktionaler Sicht
  • A. Selbst und Selbstwert
  • B. Intime Bindungen
  • C. Autonomie
  • § 5 Folgen des Eingreifens in die Privatheit
  • A. Verhaltensdruck durch Öffentlichkeit
  • B. Reziproke Effekte
  • C. Folgen von Bullying
  • D. Folgerungen aus der Funktionsanalyse
  • § 6 Zusammenfassende Würdigung
  • Kapitel 3: Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen in den Vereinigten Staaten von Amerika
  • § 1 Grundlegende Rahmenbedingungen des Persönlichkeitsschutzes im Kindes- und Jugendalter
  • A. Schutz von Persönlichkeitsinteressen im tort law
  • B. Inhalt und Reichweite des right of privacy in der U.S. Constitution
  • I. Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court zu verfassungsrechtlichen Garantien von Kindern und Jugendlichen
  • 1. Anerkennung von Kinderrechten in der Constitution: In re Gault
  • 2. Anerkennung des right of privacy im Kindes- und Jugendalter: Planned Parenthood of Central Missouri v. Danforth
  • II. Selbstbestimmung und Zurückgezogenheit als geschützte Rechtspositionen
  • III. Right of privacy im Kontext zu Elternrechten und Staatsverantwortlichkeit
  • IV. Der Konflikt zur freedom of speech
  • § 2 Erklärung und Bindungswirkung der Einwilligung in Persönlichkeitsrechtseingriffe
  • A. Einwilligungsfähigkeit und Einwilligungserklärung
  • I. Incapacity theory und elterliche Einwilligungserklärung
  • II. Einschränkungen zugunsten der Selbstbestimmung und des Schutzes
  • 1. Stärkung der Selbstbestimmung durch die mature minor doctrin
  • 2. Unterausnahmen durch gesetzliche Regelungen
  • 3. Schutz durch Einzelstaatenrecht zum right of publicity
  • B. Bindung an Einwilligungserklärungen
  • I. Disaffirmance rights
  • II. Beschränkungen zugunsten der Vertragstreue
  • C. Zusammenfassung
  • § 3 Schutz des right of privacy durch tort law
  • A. Fallgruppen des right of privacy
  • I. Schutz vor Informations- und Bildnisbeschaffung
  • 1. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen der intrusion upon seclusion
  • a. Vorsätzliches Eindringen in den privaten Bereich
  • b. Verletzungsschwelle
  • 2. Minderjährigenpersönlichkeitsschutz durch den intrusion tort
  • a. Minderjährigenschutz im case law
  • b. Einzelstaatliches Gesetzesrecht zum Minderjährigenschutz
  • c. Standpunkte der Rechtslehre
  • II. Schutz vor Offenlegung von Privatangelegenheiten
  • 1. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen des disclosure of private facts
  • a. Veröffentlichung von privaten Tatsachen
  • b. Verletzungsschwelle
  • c. Kein legitimes öffentliches Interesse
  • aa. Das newsworthiness privilege der Medien
  • bb. Die Rechtsfigur der public figure
  • 2. Minderjährigenpersönlichkeitsschutz durch den disclosure tort
  • a. Minderjährigenschutz im case law
  • aa. Bestimmung des privaten Bereichs im Kindes- und Jugendalter
  • bb. Öffentliches Interesse an Informationen
  • cc. Verletzungsschwelle
  • b. Gesetzesrecht zum Minderjährigenschutz
  • c. Standpunkte der Rechtslehre
  • III. Schutz vor unwahren Darstellungen
  • 1. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen des false light
  • 2. Minderjährigenpersönlichkeitsschutz durch den false light tort
  • IV. Schutz vor kommerzieller Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen
  • 1. Geschütztes Interesse
  • 2. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen der appropriation
  • 3. Minderjährigenpersönlichkeitsschutz durch den appropriation tort
  • B. Schutz vor kommerzieller Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen durch das right to publicity
  • C. Das amerikanische Ehrschutzrecht – Law of defamation
  • I. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen der defamation
  • 1. Äußerung einer diffamierenden Tatsachenbehauptung
  • 2. Diffamierender Inhalt der Äußerung
  • II. Minderjährigenpersönlichkeitsschutz durch den Tatbestand der defamation
  • D. Ansprüche aus unerlaubten Handlungen
  • I. Ansprüche auf Ersatz von Schäden, Unterlassung und Gegendarstellung
  • II. Verantwortlichkeit
  • E. Zusammenfassende Würdigung
  • Kapitel 4: Konstitutionelle, völkerrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Wertungsgrundlagen
  • § 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen
  • A. Die verfassungsrechtliche Stellung im Kindes- und Jugendalter
  • I. Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsmündigkeit
  • II. Verantwortung für Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung
  • B. Schutzgehalt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Kindes- und Jugendalter
  • I. Selbstentfaltung und Selbstdarstellung
  • II. Das Schutzgut der ungestörten Persönlichkeitsentwicklung
  • 1. Grundlagen zum Schutzgehalt
  • 2. Schutzzweck und systematische Einordnung
  • III. Grundrechtsbezüge zur Kommerzialisierung der Persönlichkeit
  • C. Bindung und Begrenzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Elternverantwortung
  • I. Minderjährigenpersönlichkeitsschutz im Kontext des Art. 6 GG
  • II. Das Recht auf Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten
  • III. Kindliche Selbstbestimmung und Elternverantwortung
  • 1. Struktur des Elternrechts in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG
  • 2. Verhältnis des kindlichen Selbstbestimmungsrechts zur Elternverantwortung
  • D. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im Spannungsverhältnis zu den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG
  • I. Die Freiheitsrechte des Art. 5 GG im Persönlichkeitsschutz
  • II. Kommunikationsgrundrechte und Minderjährigenschutz
  • 1. Allgemeiner Wertevorzug des Minderjährigenschutzes?
  • 2. Die Schranke des Jugendschutzes in Art. 5 Abs. 2 GG
  • 3. Schutzbedürftigkeit im Abwägungsgebot
  • E. Wirkung der Grundrechte und Verfassungsprivatrecht
  • F. Zusammenfassung
  • § 2 Gewährleistungen des Übereinkommens über die Rechte des Kindes
  • A. Menschenrechte im kinderspezifischen Kontext
  • I. Elternrecht und Staatsverantwortlichkeit
  • II. Die besondere Rolle des childrens best interest
  • 1. Geltungsbereich und Begriffsbestimmung
  • 2. Das Vorrangprinzip
  • 3. Innerstaatliche Tragweite des Art. 3 KRK
  • III. Entwicklungsschutz
  • B. Grundrechtliche Garantien von Persönlichkeitsinteressen
  • I. Das Recht auf Privatheit (privacy)
  • II. Das Recht auf Achtung der Ehre und des Rufs
  • III. Das Recht auf Identität und Namen
  • IV. Das Recht auf Freiheit von jedweder Gewalt
  • C. Persönlichkeitsschutz und Elternverantwortung
  • I. Das Elternrecht in Art. 5 KRK
  • II. Selbstbestimmung und Elternrecht
  • D. Spannungsverhältnis mit Kommunikationsfreiheiten
  • I. Das Recht auf Privatleben und die Medienfreiheiten
  • II. Gewichtung der Persönlichkeitsinteressen in Art. 16 KRK
  • E. Zusammenfassung
  • § 3 Gewährleistungen in der Europäischen Menschenrechtskonvention
  • A. Minderjährige als Rechtsträger
  • B. Der Schutz des Privatlebens in Art. 8 EMRK (private life)
  • C. Persönlichkeitsschutz und Elternverantwortung
  • D. Abwägungsleitlinien im Spannungsfeld zu Kommunikationsfreiheiten
  • I. Schutzgehalt des Art. 10 EMRK
  • II. Leitlinien für die Güterabwägung
  • 1. Abwägungsgesichtspunkte
  • 2. Interessenabwägung in der Rechtsprechung des EGMR
  • E. Zusammenfassung
  • § 4 Persönlichkeitsrechtsgarantien und Minderjährigenschutz im Unionsrecht
  • A. Minderjährigenschutz im Kontext des Unionsrechts
  • B. Unionsrechtliche Gewährleistung von Persönlichkeitsrechten und ihre Grenzen
  • I. Die widerstreitenden Grundrechtspositionen
  • II. Minderjährigenschutz hinsichtlich persönlicher Daten
  • § 5 Zusammenfassende Würdigung
  • Kapitel 5: Grundprinzipien in den Anwendungsfeldern des Diskretions-, Bildnis- und Ehrschutzes
  • § 1 Dogmatische Grundlegung des Minderjährigenpersönlichkeitsschutzes
  • A. Grunddogmatik im Persönlichkeitsschutz
  • B. Ausstrahlung des Entwicklungsschutzes in das Privatrecht
  • I. Lösungsmodelle im Minderjährigenpersönlichkeitsschutz
  • 1. Persönlichkeitsentwicklung als kinderspezifische Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • 2. Persönlichkeitsentwicklung als eigenständiges Recht
  • 3. Persönlichkeitsentwicklung als Maßstab des Schutzumfangs
  • II. Stellungnahme
  • § 2 Die rechtfertigende Einwilligung in Persönlichkeitsrechtseingriffe
  • A. Die Problematik der Einwilligungsfähigkeit
  • I. Meinungsstand im Persönlichkeitsschutz
  • 1. Strenge Rechtsgeschäftstheorie
  • 2. Theorie der Alleinentscheidungsbefugnis von Minderjährigen
  • 3. Theorie der kumulativen Doppelzuständigkeit
  • 4. Die grundlegenden Weichen
  • II. Entscheidungsbefugnisse zur Disposition über Persönlichkeitsrechte
  • 1. Der Dispositionsbereich
  • a. Einseitige Einwilligung (Einwilligung im engeren Sinne)
  • b. Einwilligung in schuldrechtlichen Verträgen
  • c. Die Diskussion um die Möglichkeit der Rechtsübertragung
  • 2. Gesetzesbindung und normativer Ausgangspunkt
  • 3. Einwilligung in den Persönlichkeitsrechtseingriff durch Geschäftsunfähige
  • a. Alleinentscheidungsbefugnis der Eltern
  • b. Realisierung selbstbestimmender Einflüsse in Form des natürlichen Kindeswillens
  • 4. Einwilligung in den Persönlichkeitsrechtseingriff durch beschränkt Geschäftsfähige
  • a. Alleinige Einwilligungserklärung der Eltern
  • aa. Einwilligung als Ausübung des Selbstbestimmungsrechts
  • bb. Wesen und Zweck der Elternverantwortung
  • cc. Schutzzweck der §§ 107 ff. BGB
  • dd. Kindeswille und Kindeswohl
  • ee. Einseitige und schuldrechtliche Einwilligung
  • ff. Fazit
  • b. Alleinige Einwilligungserklärung des beschränkt Geschäftsfähigen
  • aa. Höchstpersönliche Natur der Persönlichkeitsrechte
  • bb. Minderjährigenschutz
  • cc. Mischcharakter persönlichkeitsrechtlicher Dispositionen
  • dd. Elternverantwortung
  • ee. Alltägliche und unwesentliche Eingriffe
  • ff. Grad der Mitbestimmung
  • c. Gemeinsame Einwilligung
  • III. Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit
  • 1. Das Kritierum der natürlichen Einsichtsfähigkeit
  • 2. Präzisierung für den Eingriff in Persönlichkeitsrechte
  • 3. Feststellung der Einsichtsfähigkeit
  • a. Einzelfallbezogener Maßstab
  • b. Fester Maßstab mittels Altersgrenzen
  • c. Vermutungslösung
  • IV. Grenzen der Dispositionsmacht
  • 1. Einwilligungsschranke zum Schutz der Menschenwürde
  • 2. Kindeswohl als Korrektiv der Dispositionsfreiheit
  • B. Die Einwilligungserklärung
  • I. Erklärungsformen
  • 1. Analoges Schriftformerfordernis?
  • 2. Stillschweigende und konkludente Einwilligungserklärung
  • 3. Einwilligungserklärung im Internet
  • a. Nutzung von sozialen Netzwerkseiten durch Minderjährige
  • b. Transparenzanforderungen
  • c. Elektronische Einwilligung
  • d. Zulässigkeit formularmäßiger Einwilligung
  • e. Anforderungen an die konkludente Einwilligungserklärung
  • II. Aufklärungs- und Informationspflichten
  • 1. Adaption des Informed-consent
  • 2. Informationspflichten gegenüber Einwilligungsunfahigen?
  • 3. Adressat, Inhalt und Ausgestaltung der Informationen
  • III. Umfang der Einwilligungserklärung
  • C. Bindung an die Einwilligungserklärung
  • I. Widerruf einer gemeinsam erteilten Einwilligung
  • II. Widerruf einer von den Eltern erklärten Einwilligung
  • III. Entscheidungsbefugnis
  • IV. Erklarung und Folgen eines Widerrufs
  • D. Zusammenfassung
  • § 3 Persönlichkeitsrechte von Minderjährigen im Spannungsfeld zu Kommunikationsfreiheiten
  • A. Wertentscheidungen der Rechtsprechung im Überblick
  • I. Schutz vor Indiskretionen und ungewollter Publizitat
  • 1. Umfassender Schutz im Rahmen der Sphärenzuordnung
  • 2. Relativierung des Schutzbedürfnisses
  • II. Schutz des Rechts am eigenen Bild
  • III. Schutz der Ehre
  • B. Die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte
  • I. Kommunikationsinhalt und -zweck
  • II. Sphärentheorie im Lichte des Minderjährigenschutzes
  • 1. Grundsätze der Sphärenzuordnung
  • 2. Indizwirkung im Minderjährigenpersönlichkeitsschutz?
  • III. Belange von Minderjährigen in der Gewichtung von Persönlichkeitsrechten
  • 1. Das Recht auf ungestörte Persönlichkeitsentwicklung
  • a. Konturierung der Einbeziehung
  • aa. Schutzzweck und Schutzmaßstab des Art. 2, Art. 1 GG
  • bb. Erkenntnisgrundlagen zur Bewertung des Gefährdungspotentials
  • cc. Gefährdung der Entwicklung durch Äußerungen
  • (1). Medienberichterstattungen
  • (2). Sonstige Persönlichkeitsrechtseingriffe
  • b. Inhalt und Umfang einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung
  • c. Ausstrahlungswirkung des Grundrechtsgehalts
  • 2. Tragweite des natürlichen Entwicklungsstandes der betroffenen Person im Übrigen
  • a. Relativierung der Schutzbedürftigkeit mangels Kognition?
  • b. Lineare Bestimmung der Schutzbedürftigkeit?
  • 3. Kindeswohl des betroffenen Rechtsträgers
  • a. Die völkerrechtliche Verpflichtung in Art. 3 KRK und der Rechtsbegriff des Kindeswohls im deutschen Recht
  • b. Berücksichtigung von Kindesbelangen im Persönlichkeitsschutz
  • 4. Verstärkung des Schutzgehalts durch Art. 6 GG
  • a. Einbeziehung des zusätzlichen Grundrechtsgehalts in der Rechtsprechung
  • b. Konkretisierung der Einbeziehungsfälle im Minderjährigenpersönlichkeitsschutz
  • c. Verstärkungswirkung
  • 5. Zusammenfassung
  • IV. Gewichtung kommerzieller Persönlichkeitsrechtsbestandteile
  • 1. Vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt
  • 2. Schutzwürdigkeit
  • V. Einfluss des Vorverhaltens
  • 1. Bewertung des Eigenverhaltens von Minderjährigen
  • a. Eingeschränkte Geltung der Verzichtstheorie
  • b. Eingeschränktes Gegenschlagsrecht
  • 2. Zurechnung des Verhaltens der Eltern
  • VI. Wertungsgesichtspunkte zur Gewichtung der Kommunikationsfreiheiten
  • 1. Die Vermutung der Zulässigkeit freier Rede
  • a. Legitimation im Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen
  • b. Konsequenzen für die Güter- und Interessenabwägung
  • 2. Schutzwürdigkeit des Unterhaltungsinteresses
  • a. Schutz des Art. 5 GG
  • b. Gewichtung von unterhaltenden Beiträgen
  • 3. Gewichtung anonymer Äußerungen
  • VII. Tragweite des Bekanntheitsgrades
  • 1. Die Person des öffentlichen Lebens
  • 2. Zuordnung von Kindern und Jugendlichen
  • a. Zuordnungen in der Rechtsprechung
  • b. Einstufungsgrundsätze
  • VIII. Sorgfaltspflichten
  • IX. Zusammenfassende Würdigung
  • C. Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen gegenüber Medien
  • I. Eingriffe durch Wort- und Bildberichterstattungen
  • II. Grundsätze zur Zulässigkeit von Wortberichterstattungen über Minderjährige
  • 1. Schutz vor ungewollter Publizität
  • 2. Schutz vor wahren Tatsachenbehauptungen
  • 3. Schutz vor unwahren Tatsachenbehauptungen
  • 4. Schutz vor Werturteilen
  • III. Grundsätze zur Zulässigkeit von Bildberichterstattungen über Minderjährige
  • 1. Schutz vor ungewollter Publizität und Indiskretionen
  • 2. Schutz vor unbefugter kommerzieller Nutzung der Publizität
  • 3. Rechtswidrige Bildnisherstellung
  • IV. Rechtsfolgen unzulässiger Berichterstattung
  • 1. Rechtsschutz durch Unterlassungsansprüche
  • a. Die Kontroverse zum generellen Unterlassungsanspruch
  • b. Stellungnahme
  • 2. Geldentschädigungsanspruch
  • a. Anspruchsausschluss aufgrund Minderjährigkeit?
  • b. Unabwendbares Bedürfnis
  • c. Schwere Persönlichkeitsrechtverletzung
  • d. Schweres Verschulden des Äußernden
  • e. Höhe der Geldentschädigung
  • V. Zusammenfassung
  • D. Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen gegenüber der Informationsverbreitung im Internet
  • I. Problemfelder
  • II. Persönlichkeitsrechtseingriffe in sozialen Netzwerken
  • III. Schutz vor ungewollter Publizität und Indiskretionen
  • 1. Zulässigkeit der Zurschaustellung von Bildnissen
  • a. Verbreiten und öffentliches Zurschaustellen
  • b. Zulässigkeit einwilligungsloser Zurschaustellung
  • 2. Zulässigkeit der Verbreitung von Informationen aus dem Privatleben
  • a. Abgrenzung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit
  • b. Wiederaufleben der Privatheit
  • c. Zulässigkeit einwilligungsloser Tatsachenbehauptungen
  • IV. Schutz vor Anprangerungen in sozialen Netzwerken
  • V. Schutz persönlicher Daten
  • 1. Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Nutzers
  • a. Datenverarbeitende Stellen
  • b. Personenbezogene Daten
  • 2. Zulässigkeit der Datenverwendung durch Netzwerkanbieter
  • a. Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung
  • b. Zulässigkeitsmaßstab bei personenbezogenen Daten Minderjähriger
  • 3. Zulässigkeit der Datenverwendung durch Dritte am Beispiel externer Suchmaschinenbetreiber
  • 4. Zusammenfassung
  • VI. Kernfragen der Rechtsverwirklichung
  • 1. Rahmenbedingungen
  • 2. Lösungsansätze zum Schutze Minderjähriger
  • a. Altersverifikation für soziale Netzwerke?
  • aa. Pflicht zur Einführung
  • bb. Umsetzbarkeit
  • b. Realisierung von Selbstschutz und Selbstbestimmung
  • aa. Informationspflichten gegenüber minderjährigen Nutzern
  • bb. Verpflichtung technischer Einstellungen
  • c. Schutzmechanismen zum Fremdschutz
  • aa. Prüfpflichten der Anbieter sozialer Netzwerke
  • bb. Haftung der Anbieter sozialer Netzwerke
  • cc. Haftung von Suchmaschinenbetreibern
  • dd. Auskunftsansprüche gegen Diensteanbieter
  • (1). Grenze des Datenschutzes zugunsten des Diensteanbieters
  • (2). Stellungnahme
  • (3). Identitätspflicht
  • d. Anspruch auf Löschung oder das „Recht auf Vergessen“
  • VII. Zusammenfassung
  • Kapitel 6: Ergebnisse in Thesenform
  • § 1 Der Stellenwert des Persönlichkeitsschutzes von Minderjährigen
  • § 2 Das Modell des U.S. amerikanischen Persönlichkeitsschutzes
  • § 3 Grund- und menschenrechtlicher Rahmen
  • § 4 Grunddogmatik des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes von Minderjährigen
  • § 5 Grundprinzipien der rechtfertigenden Einwilligung
  • § 6 Grundprinzipien zur Güter- und Interessenabwägung im Spannungsfeld zu Kommunikationsfreiheiten
  • § 7 Zulässigkeit medialer Berichterstattung in Wort und Bild
  • § 8 Internetkommunikation und ihre spezifischen Problemfelder
  • Literaturverzeichnis
  • Internetdokumente

Kapitel 1:  Einführung

§ 1   Gegenstand der Untersuchung

“The children’s loss of privacy is one of the costs of the retention of a free marketplace of ideas”,1 statuierte der California Supreme Court in seiner Entscheidung vom 24. Oktober 1969, in der über die Zulässigkeit der Verbreitung von Informationen über die persönlichen Lebensumstände der minderjährigen Kinder einer Stadtratskandidatin in einem Zeitungsartikel zu entscheiden war. Hinter diesem nüchternen Befund verbirgt sich ein Konflikt rechtlich geschützter Interessen, der auf dem „Marktplatz der Ideen“ in der modernen Informationsgesellschaft regelmäßig auch jungen Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen begegnen kann. Eltern und ihre Kinder sehen sich heute der Herausforderung gegenüber, Chancen und Risiken einer Medienumgebung zu bewältigen, in der die Entfaltung und Bewahrung der menschlichen Persönlichkeit und Integrität gestärkt und zugleich in besonderer Weise gefährdet sind.

A.     Junge Menschen in der modernen Informationsgesellschaft

Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Lebenssituation von jungen Menschen und die Wandlung des Kindbildes hat es unter anderem mit sich gebracht, dass auch die Öffentlichkeit ein Interesse an Informationen über ihr Aufwachsen, ihre Belange und persönlichen Lebensumstände entwickelt hat. Die vielgestaltigen Informationsbedürfnisse werden klassisch durch die Presse und den Rundfunk befriedigt, die sich zunutze machen, dass junge Menschen ihre Emotionen offener zeigen, ihr Herz auf der Zunge tragen und sich insgesamt natürlicher und ungezwungener verhalten als Erwachsene, die gelernt haben, sich anzupassen.2 Beispielgebend für den Fokus vieler Boulevardblätter auf Kinder von Prominenten ist die eingangs genannte Supreme-Court-Entscheidung. Die Kinder von nichtprominenten Eltern rücken demgegenüber vor allem dann ins Licht der Öffentlichkeit, wenn sie im Zusammenhang mit berichtenswerten Ereignissen wie Sorgerechtsprozessen, Krieg, Naturkatastrophen oder Straftaten stehen. Dabei nutzen die Medien die Kraft, die Bilder von Kindern besitzt: sie können weniger Fassung bewahren, herzzerreißend weinen oder sich überbordend freuen – die Empfindungen spiegeln sich in ihren Gesichtern eindrucksvoll wider.3 So wird die verheerende Auswirkung des Napalm-Einsatzes in Vietnam für viele Menschen für immer mit dem Bildnis des 9-jährigen ← 21 | 22 → Mädchens verbunden sein, das nackt eine Straße entlang läuft.4 Entsprechend gängiger Marktregeln werden die Medien zudem von jungen Menschen bzw. ihren Eltern gezielt dazu genutzt, Prominenz zu erlangen oder zu vergrößern und daraus, zum Teil mit erheblichem Erfolg, Kapital zu schlagen.5 Eine demgegenüber alltäglichere Konstellation im komplexen Verhältnis von jungen Menschen und Medien ist ihre aktive Nutzung von Angeboten des Internet, in dem sich vor allem Jugendliche heute wie selbstverständlich zu bewegen scheinen, um soziale Netzwerke zu pflegen und unterhalten zu werden.6 Im Mittelpunkt steht dabei die Nutzung von Angeboten des Internet, die unter den Schlagworten „web 2.0“ oder „Social Web“ zusammengefasst werden und den Wandel des Internet vom passiven Medium zu einem solchen der Kommunikation und sozialen Interaktion kennzeichnen, also Webblogs, Foren, Film- und Bildsammlungen, Podcasts und Networking-Plattformen.7 Laut der jüngsten Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest nutzen 43 Prozent der Internetnutzer zwischen 6 und 13 Jahren und 73 Prozent der Internetnutzer zwischen 12 und 19 Jahren in Deutschland Online Communities, wobei die Nutzerzahlen bei letzterer Personengruppe seit 2011 deutlich zurückgegangen sind.8 Die Besonderheit liegt darin, dass der Internetnutzer zum Teilnehmer und Gestalter wird und die Netzwerke zur Selbstdarstellung, Identitätsbildung und -gestaltung sowie zum Beziehungsmanagement nutzt.9

So richtig und gewichtig diese Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Medienlandschaft für das öffentliche Bild, die gesellschaftliche Wahrnehmung und nicht zuletzt ihre persönliche Freiheit und Teilhabe ist, so unerlässlich ist es auf der anderen Seite, zum Wohlergehen von jungen Menschen Grenzen zu setzen. Ihre Persönlichkeit, Integrität und Ehre kann durch unerwünschte Berichterstattungen ← 22 | 23 → in Form der Veröffentlichung von privaten Urlaubsfotos, Berichte über jugendliche Fehltritte oder negative Bewertungen des Aussehens ebenso verletzt sein als wenn diese Äußerungen eine erwachsene Person betreffen. Auch der Freiheit im Internet stehen die oft angemahnten Gefahren für das Wohlergehen von jungen Menschen gegenüber wie Online – Kontakte mit einer unbekannten Person, die Konfrontation mit ungeeigneten Inhalten, „Cyberbullying“ (Online-Schikanierung), Datenmissbrauch und neuestens auch „Happy Slapping“ (Verbreiten von mit Mobilfunkkameras aufgezeichneten Filmen, die gewalttätige Angriffe auf andere Kinder zeigen) und „Sexting“ (Senden und Empfangen von Bildern/Mitteilungen mit sexuellen Inhalten unter Gleichaltrigen).10 Schließlich haben auch ein Drittel der Eltern, die ein soziales Netzwerk nutzen, Informationen über ihr Kind im Alter von 2–5 Jahren in Form von Fotos oder Informationen hinterlegt.11

B.     Persönlichkeitsschutz als Antwort auf Gefährdungen menschlicher Identität und Integrität

Dem Schutz derartiger persönlicher Belange in Privatrechtsverhältnissen dient bekanntlich das zivilrechtliche System des Persönlichkeitsschutzes, das zu einer höchst komplexen, detailliert durchleuchteten Rechtsmaterie ausgewachsen ist. Im Mittelpunkt des Systems steht das (zivilistische) Allgemeine Persönlichkeitsrecht, dessen Anerkennung durch den Bundesgerichtshof in seiner Leserbrief-Entscheidung12 anerkanntermaßen den Durchbruch zu einer umfassenden Erweiterung sowie dogmatischen Neugestaltung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes brachte.13 Demnach ist jede natürliche Person befugt, Eingriffe in persönliche Belange abzuwehren, wenn sich die grundrechtlich gesicherten Persönlichkeitsgüter gegen die widerstreitenden Interessen durchsetzen, es sei denn, der Rechtsträger hat wirksam seine Einwilligung erklärt. Traditionelle Schutzgüter sind der private Lebensbereich, die Ehre und Identität sowie das Recht auf Selbstdarstellung, die zugleich verfassungsrechtlich in Art. 2, Art. 1 GG gesichert sind. Mediale Berichterstattung und Kommunikation im Internet können diese Belange beeinträchtigen. Da die Persönlichkeitsentfaltung in einem sozialen Miteinander aber nicht schrankenlos gewährleistet werden kann, kann dies durch überwiegende, rechtlich fundierte und legitime Interesse gerechtfertigt sein. Die widerstreitende Meinungsäußerungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG ist unbestritten von herausragender Bedeutung für die freiheitliche Gesellschaft, konstitutives Wesenselement des demokratischen Rechtsstaates und zugleich unmittelbarer ← 23 | 24 → Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit.14 Die Aufgabe der Medien als „vierte Gewalt“ ist es, umfassende Informationen zu ermöglichen, die gesellschaftliche Debatte in Gang zu halten, Meinungen abzubilden und selbst Stellung zu beziehen.15 Aufgrund der Eigenart des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht erfolgt die Bewertung eines Verhaltens als rechtswidrig im Wege der Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall. Abzuwägen sind also das Recht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK einerseits und die Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits.

C.     Individualschutz an der Schnittstelle von Persönlichkeits- und Minderjährigenschutz

Entsprechend bilden die Rechtsposition des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild gem. § 22 KUG den Prüfstein für effektiven Individualschutz junger Menschen gegenüber den Phänomenen der Medien- und Internetöffentlichkeit. Eine Schlüsselstellung nimmt auch für sie der wohlbekannte Grundkonflikt zwischen dem verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrecht und den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG ein. Angesichts der konstitutiven Bedeutung der freien Rede in unserer Gesellschaft ist nicht die Frage, ob überhaupt Nachrichten und Meinungen in Presse, Rundfunk und Internet im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen geäußert und verbreitet werden dürfen, sondern nur inwieweit. Die besondere Schutzgruppe der Minderjährigen kam jedoch lange Zeit nur am Rande des zivilrechtlichen Diskurses vor, weil sich die Gerichte mit ihrem Persönlichkeitsschutz schlicht nicht zu befassen hatten. Die Genese des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes vollzog sich deshalb nahezu vollständig aus Anlass der Beeinträchtigung erwachsener Rechtsträger. Ob dies einer ehemaligen Zurückhaltung der Medien bei der Berichterstattung oder einer Zurückhaltung der Eltern bei der Geltendmachung der Rechte ihrer Kinder geschuldet war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Umso bemerkenswerter ist der mühsame Weg, den Caroline von Monaco beschritt. Seit den 1990er Jahren geht die Fürstentochter konsequent gegen Medienberichterstattungen in der Boulevardpresse über ihr Privatleben und das ihrer damals minderjährigen Kinder vor. Es ist vor allem ihrem leidenschaftlichen Kampf vor den deutschen und europäischen Gerichten zu verdanken, dass dem Minderjährigenpersönlichkeitsschutz erstmals mehr Aufmerksamkeit zu Teil wurde und die Rechtsentwicklung in Gang brachte.

Als Leitentscheidung ist insofern das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Caroline von Monaco II zum Privatsphärenschutz der Fürstentochter zu bezeichnen.16 Hierin stellt das Gericht erstmals grundlegende Prinzipien für den Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen auf, die in nachfolgenden Entscheidungen ← 24 | 25 → zur Zulässigkeit von Wort- und Bildberichterstattungen bestätigt und präzisiert wurden. Konkret zur Entscheidung stand die Veröffentlichung verschiedener Fotografien in einer Boulevardzeitschrift, die unter anderem Caroline von Monaco im Zusammensein mit ihren damals minderjährigen Kindern in privaten Situationen zeigten. Das Bundesverfassungsgericht berücksichtigte im Rahmen der diesbezüglichen Interessenabwägung zwischen dem Recht auf Privatsphäre und der Medienfreiheit den allgemeinen Grundsatz, dass Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen. „Dieses Schutzbedürfnis besteht auch hinsichtlich der Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen. Deren Persönlichkeitsentfaltung kann dadurch empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen.“17 Der besondere Schutz wirke sich zudem zugunsten der klagenden Mutter aus, deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht bei der Störung elterlicher Hinwendung durch Art. 6 GG eine Verstärkung erfahre.

Kernpunkt ist somit das Paradigma der kindlichen Entwicklung, also unsere historisch gewachsene Sicht auf Kinder als „Menschen in Entwicklung“, die damit erstmals im Persönlichkeitsschutz einbezogen wurde.18 Unbestritten sind Minderjährige erziehungs- und schutzbedürftige Wesen und haben dementsprechend einen Anspruch auf Fürsorge und Schutz.19 Insbesondere seit Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention wird es jedoch mehr und mehr abgelehnt, diese Schutz- und Hilfsbedürftigkeit mit Blick auf die Rechtsstellung Minderjähriger in den Mittelpunkt zu stellen. Stattdessen wird eine weitergehendere Anerkennung und klarere Betonung des Kindes in seiner Stellung als eigenständiger Rechtsträger, ergo Rechtssubjekt, das abhängig vom Stand der Entwicklung Entscheidungen treffen und Handlungen vornehmen kann, gefordert.20 Wesentliche Beiträge dazu leisten die Sozialwissenschaften, die Kinder und Jugendliche als Gestalter ihrer Entwicklung und Beziehungen und kompetente soziale Akteure in den Blick nehmen.21 Vor diesem Hintergrund wird wiederkehrend auch die gesetzliche Ver ← 25 | 26 → ankerung eines dementsprechenden Kindesgrundrechts in Deutschland politisch befürwortet.22 Letzterer Akzentuierung entspricht es, dass dem eigenen Grundrecht von Minderjährigen auf Achtung ihrer Persönlichkeit verstärkt Bedeutung beigemessen wird.23 Diesem gewandelten Verständnis hat der Gesetzgeber unter anderem mit der Schaffung der Leitnorm in § 1626 Abs. 2 BGB durch das SorgeRG 1979 Rechnung getragen, wonach das Ziel der Erziehung die Heranführung in eigenverantwortliches und selbständiges Handeln ist.24 Relevant wurde dieser Aspekt in jüngster Vergangenheit etwa bei der Debatte über die Entscheidungszuständigkeit bei religiös motivierter Beschneidung männlicher Kinder infolge des sog. „Beschneidungsurteils“ des Landgerichts Köln, der nunmehr der Gesetzgeber mit § 1631a BGB Rechnung getragen hat.25

Ungeachtet dessen ist die Persönlichkeit von jungen Menschen naturgegeben stärker als in anderen Lebensabschnitten im Fluss und entwickelt sich ebenso wie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten dynamisch. Sie durchlaufen erst zahlreiche Entwicklungsphasen, bevor sie eine eigenverantwortliche Persönlichkeit herausgebildet haben. Wegen dieser naturbedingt schwächeren Position bedürfen sie grundsätzlich eines konkretisierten Schutzes, dem die Rechtsordnung in vielen Rechtsbereichen Rechnung trägt (z. B. Art. 6 GG, §§ 1626 ff. BGB, §§ 104 ff. BGB, § 828 BGB).26 Entsprechend stellte das Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren über ein Geburtenhoroskop klar, dass der Schutzumfang vom Schutzzweck her unter Berücksichtigung der Entwicklungsphasen des Kindes zu bestimmen sei.27 Die Zivilrechtsprechung setzt diese Maxime im einfachen Recht um, indem im Rahmen der einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung ein besonderes Schutzbedürfnis Beachtung findet. Demgemäß wird der Privatsphären- und Bildnisschutz von Minderjährigen gegenüber medialer Berichterstattung in räumlicher und thematischer Hinsicht grundsätzlich weiter gefasst als bei Erwachsenen.28 Die Rechtsposition von Minderjährigen wird dabei wiederholt als „Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit - auf Person werden“ oder ein „Recht auf ← 26 | 27 → kindgemäße Entwicklung“ gekennzeichnet.29 Obwohl die rechtswissenschaftliche Literatur dem Grundsatz besonderer Schutzbedürftigkeit beipflichtet, sind die Einbeziehung der grundrechtlichen Wertungen, der konkrete Inhalt, die Reichweite und Tragweite des besonderen Minderjährigenschutzes noch nicht hinreichend ausgelotet. Gewiss ist, dass das Paradigma die dogmatische Ausformung, die regulären Abwägungsleitlinien und die herkömmlichen Vorzugsregeln im zivilrechtlichen System zum Schutz der Persönlichkeit grundlegend in Frage stellt.

D.     Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte

Nicht zu vernachlässigen ist daneben das Institut der Einwilligung als Ausprägung des grundrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts in Art. 2, Art. 1 GG, das entsprechend dem Grundsatz volenti non fit inuiria die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs ausschließt. Seine rechtliche Handhabe im Falle von Persönlichkeitsrechten von Kindern und Jugendlichen wird seit einer viel beachteten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Einwilligung in ärztliche Heilbehandlungen30 im Hinblick auf die Einwilligungsfähigkeit lebhaft diskutiert. Zu berücksichtigen sind nicht nur die begrenzten Fähigkeiten und Fertigkeiten des Rechtsträgers. Unmittelbare Konsequenz aus dem Paradigma des Minderjährigenschutzes ist es zudem, dass in die normalerweise dyadische Beziehung zwischen zwei Rechtsträgern auch die Sorgeberechtigten, also zumeist die Eltern, involviert sind.31 Art. 6 GG trägt der existentiellen Grundbeziehung zwischen Eltern und ihren Kindern durch die vorrangige Zuweisung der Erziehung und Bildung an die Eltern Rechnung.32 Sie sind Bewahrende der Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder, soweit diese nicht zur Ausübung und Wahrnehmung in der Lage sind. In der Praxis stellt sich Fotografen, Internetdiensteanbietern und anderen Geschäftspartnern deshalb die Frage, ob Eltern entsprechend den gesetzlichen Regelungen zu Rechtsgeschäften allein in die Beeinträchtigung von Persönlichkeitsinteressen ihrer Kinder wirksam einwilligen können oder inwieweit die Rechtsträger selbst zu fragen sind. Entsprechend der langwierigen Debatte im Medizinrecht ist für die Ausübung der Persönlichkeitsrechte eine verhältnismäßige Verwirklichung des Rechts auf Selbstbestimmung in Ansehung von Elternrechten, Verkehrsschutz und Staatsverantwortung zu finden.

Zu den gewichtigsten Kernbeständen unserer Grundrechtsordnung zählt die Zielvorstellung, dass Kinder und Jugendliche zu eigenständigen und selbstverantwortlichen Persönlichkeiten heranwachsen. Unsere Gesellschaft ist auf starke Persönlichkeiten angewiesen, die sich selbst erhalten und unter Wahrung der eigenen ← 27 | 28 → Würde entfalten können.33 Ein Baustein sind die Persönlichkeitsrechte, die unsere Gesellschaft Kindern und Jugendlichen einräumt. Die Chancen und Risiken der gegenwärtigen Medien- und Internetkultur für die Freiheit und Sicherheit von jungen Menschen geben Anlass, den nachgezeichneten rechtlichen Rahmen für die Kommunikation in Privatrechtsverhältnissen grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. Dieser Aufgabe möchte sich die Untersuchung stellen und im Bewusstsein um den höchst sensiblen Bereich ein mögliches Konzept vorstellen, wie die verschiedenen Spannungsverhältnisse im Zusammenhang mit den Persönlichkeitsrechten Minderjähriger in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können. Anhand einer breit aufgestellten, grundlegenden Untersuchung der Rechtsmaterie sollen tragende Rechtsgrundsätze herausgearbeitet und der Stellenwert der Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen konkretisiert werden.

§ 2   Standortbestimmung

A.     Grundsätze des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes

So unterschiedlich die Entfaltungsformen des Menschen sind, so vielgestaltig sind auch die Verhaltensweisen, die in die Schutzgüter der Persönlichkeitsrechte eingreifen können und die dahinterstehenden Gegeninteressen. Im Äußerungsrecht ist hauptsächlich die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen entscheidend. § 22 KUG stellt insoweit konkreter die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen unter Einwilligungsvorbehalt.34 Bei Persönlichkeitseingriffen durch Äußerungen stellen sich deshalb als Grundfragen die Bestimmung des Aussagegehalts von Äußerungen, die Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen sowie die Frage, ob Äußerungen als rechtswidrig anzusehen sind.35 Aufbauend auf diese grundlegende Unterscheidung hat die Rechtsprechung für die fallbezogene Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und Kommunikationsfreiheiten im Laufe der Zeit Regeln und Vermutungen erarbeitet, präzisiert und bestätigt.36

I.       Schutz gegen wahre Tatsachenbehauptungen

Bei persönlichkeitsrelevanten Tatsachenbehauptungen kommt es maßgeblich auf den Wahrheitsgehalt der Aussage an. Grundsätzlich muss die Verbreitung wahrer, auch nachteiliger Tatsachen hingenommen werden, wahrheitswidrige Tatsachen ← 28 | 29 → hingegen nicht, wobei die Abgrenzung nicht immer ganz einfach ist.37 Die Grenze der Zulässigkeit wahrer Tatsachenbehauptungen markiert der Privatsphärenschutz. Ein traditionelles Schutzgut des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist der private Bereich autonomer Lebensgestaltung des Einzelnen, in dem er sich selbst gehört und seine Individualität unter Ausschluss anderer wahren und entwickeln kann.38 Die begriffliche Erfassung und inhaltliche Ausfüllung des geschützten persönlichen Lebensbereichs bereitet naturgemäß Schwierigkeiten. Im Vordergrund steht das Interesse, dass Vorgänge, die den persönlichen Rückzugsbereich betreffen, unerörtert bleiben, obwohl bzw. gerade weil es um wahre Tatsachen geht (hier sog. Diskretionsinteresse).39

Trotz anhaltender Kritik wird im Zivilrecht nach wie vor maßgeblich auf diese Zuordnung der beeinträchtigenden Verhaltensweise oder Information zu Sphären zurückgegriffen.40 So sind wahre Tatsachen aus der Intimsphäre des Betroffenen sehr weitgehend vor Veröffentlichungen durch die Medien oder im Internet geschützt. Hierzu zählen grundsätzlich Belange, die von Natur aus einen Anspruch auf Geheimhaltung und Diskretion beanspruchen, wie Vorgänge aus dem sexuellen Bereich, Krankheiten und Abbildungen des nackten Körpers, wobei auch hier die Reichweite nicht klar umrissen ist.41 Die schwierigsten Abgrenzungsprobleme ergeben sich in den Bereichen, die der außerordentlich bedeutsamen Privatsphäre zuzuordnen sind, die je nach öffentlichem Informationsinteresse und Bekanntheit der betroffenen Person unterschiedlich weit geschützt ist. Thematisch sind der Privatsphäre grundsätzlich alle Angelegenheiten zuzuordnen, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise der engeren persönlichen Lebensführung zugeschrieben werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst.42 In räumlicher Hinsicht wird Privatsphäre im Sinne eines Rückzugsraums bestimmt, in dem der Betroffene zu sich kommen, sich entspannen oder ← 29 | 30 → auch gehen lassen kann und wo er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass er sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit.43 Informationen, die diesen Sphären nicht zuzuordnen sind, werden häufig unter den Rechtsbegriffen der Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre zusammengefasst, die in der Regel hinter die Gegeninteressen zurücktritt.44 Hierüber können Medien grundsätzlich berichten, ohne dass der Einzelne dagegen Schutz beanspruchen könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat in der angesprochenen Leitentscheidung Caroline von Monaco II ausdrücklich klargestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht kein „allgemeines und umfassendes Verfügungsrecht“ bereithält.45 Insbesondere verleiht das Persönlichkeitsrecht dem Einzelnen keinen Anspruch, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es dem eigenen Bild entspricht oder gewünscht wird.46

Die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildern ist überwiegend anhand derselben Zuordnung zu beurteilen. Das Recht am eigenen Bild gem. § 22 KUG dient der personalen Selbstbestimmung darüber, ob, wann und wie der Einzelne bildlich dargestellt wird, und ist insofern eine unter Sonderschutz gestellte besondere Erscheinungsform des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.47 Es ist besonders eng mit dem Diskretionsschutz verbunden, da das unerlaubte Herstellen von Fotografien im privaten Lebensbereich einen erheblichen Eingriff in letzteres Schutzgut darstellen kann.48 Der Schutzbereich der §§ 22 ff. KUG erfasst jede Form der Wiedergabe des äußeren Erscheinungsbildes einer Person, also unter anderem Fotografien, Zeichnungen, Film-, Fernseh- und Fotoaufnahmen.49 Zentralnorm für die Bewertung der Rechtswidrigkeit ist § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, auf deren Grundlage über den Vorrang der widerstreitenden Interessen entschieden wird.50 Im Vordergrund stand nach der alten Dogmatik der Personen der Zeitgeschichte im Anschluss an Neumann-Duisberg51 in erster Linie der Bezug des Abgebildeten zur Zeitgeschichte. Absolute Personen der Zeitgeschichte, also durch Geburt, Stellung, Leistung, Taten oder Untaten hervorgehobene Persönlichkeiten im Blickfeld der ← 30 | 31 → Öffentlichkeit, mussten nach bisheriger Rechtsprechung Bildberichterstattungen auch aus dem Privatleben hinnehmen, da an ihnen ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse besteht. Relative Personen der Zeitgeschichte, die mit der Zeitgeschichte durch familiäre Verbindungen oder ein zeitgeschichtliches Ereignis vorübergehend in Berührung kommen, mussten Bildnisveröffentlichungen hingegen nur im Zusammenhang mit dem betreffenden Ereignis der Zeitgeschichte bzw. der betreffenden Person dulden.52

Nach dem vielbeachteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen „Caroline von Monaco“ vom 24. Juni 200453 ist die deutsche Rechtsprechung von der Anwendung der Rechtsfiguren der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte weitestgehend abgerückt bzw. hat ihre Bedeutung jedenfalls relativiert und entscheidet nunmehr anhand des sog. „abgestuften Schutzkonzepts“:54 Die Rechte des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK und die Rechte von Presse und Rundfunk aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 10 EMRK müssen demnach schon bei der Beurteilung gegeneinander abgewogen werden, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte iSd § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt.55 Nur wenn die Presse- bzw. Meinungsäußerungsfreiheit die Rechte des Abgebildeten überwiegt, liegt überhaupt ein zeitgeschichtliches Ereignis vor.56 Dies ist vor allem dann abzulehnen, wenn die Veröffentlichung in die Privatsphäre des Abgebildeten eingreift oder zu reinen Werbezwecken verwendet wird.

Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Tatsachenbehauptung sind Ansprüche des Betroffenen auf Widerruf, Unterlassung und Schadenersatz aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB iVm einem Schutzgesetz wie § 22 KUG, § 1004 analog BGB oder § 280 BGB. Daneben kommt auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB in Betracht, wenn Persönlichkeitsmerkmale wie Name, Bild oder Stimme ohne Erlaubnis für Werbezwecke eingesetzt werden.57 Schließlich erkennt der Bundesgerichtshof seit der Herrenreiter-Entscheidung rechtsergänzend einen Anspruch auf Geldentschädigung aus § 823 BGB iVm Art. 1, 2 GG an.58 Ein medienrechtliches Schutzinstrumentarium ist der presserechtliche Gegendarstellungsanspruch aus den Landespressegesetzen (etwa § 11 PresseG BW, § 11 NPresseG), der Betroffenen die ← 31 | 32 → Möglichkeit gibt, seinen entgegengesetzten Standpunkt zu Tatsachenbehauptungen öffentlich mitzuteilen.59

II.     Schutz gegen Werturteile

Demgegenüber lässt die Rechtsprechung das Persönlichkeitsrecht bei Werturteilen mit Hinweis auf die konstitutive Bedeutung weitestgehend hinter Art. 5 Abs. 1 GG zurücktreten. Verletzungen des Rechts der persönlichen Ehre sind denkbar, wenn der Einzelne beschimpft, verächtlich gemacht oder herabgewürdigt wird.60 Der zivilrechtliche Ehrschutz dient der Sicherung eines jeden Menschen auf Achtung seiner inneren und seiner äußeren Ehre und steht neben dem strafrechtlichen Ehrschutz in §§ 185 ff. StGB.61 Das Schutzgut der inneren Ehre meint dabei die Haltung des Einzelnen zu sich selbst, mithin die Selbstachtung. Zum anderen umfasst die Ehre aber auch das Ansehen des Einzelnen im Urteil seiner Mitmenschen, seinen Wert in den Augen anderer. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht zielt insoweit auch auf den Schutz des sozialen Geltungsanspruchs.62 Davon nicht immer klar zu unterscheiden ist der Schutz der Person vor Entstellung ihrer Identität. Dieses Schutzgut ist betroffen, wenn Verhaltensweisen geeignet sind, die Person ins falsche Licht zu rücken, also etwa wenn falsche Umstände vorgespiegelt werden.63

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs darf man sich angesichts der heutigen Reizüberflutung auch einprägsamer, starker Formulierungen bedienen, auch bei scharfer und abwertender Kritik. Im Falle von Beiträgen zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage soll sogar eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede kämpfen.64 Die Grenze ist erst erreicht, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde erweist oder als Schmähkritik oder Formalbeleidigung anzusehen ist.65 Entscheidend ist dabei, ob die Meinungsäußerung noch einen sachlichen Bezug zu dem sachlichen Anliegen aufweist oder nur auf eine Ehrkränkung abzielt.66 Damit wird dem Informationsinteresse insbesondere ← 32 | 33 → im Verhältnis zur persönlichen Ehre ein besonders hoher Rang eingeräumt, der Ehrschutz tritt fast vollständig zurück.67 Auch die Rechtsfolgenseite beschränkt sich auf deliktische und quasinegatorische Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche.

B.     Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Eine erfolgreiche Analyse mit interdisziplinären und rechtsvergleichenden Bezügen setzt zunächst klare Begrifflichkeiten voraus. Der zentrale Begriff des Persönlichkeitsrechts lässt sich nicht abschließend definieren und ist auch nur schwer zu umschreiben. In dieser Arbeit soll der Begriff der Persönlichkeitsrechte, soweit nicht explizit anders besetzt, eng gefasst werden und sich auf diejenigen Rechtsgüter beschränken, die Gegenstand des zivilrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind.68 Heute ist nahezu unbestritten, dass auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ein subjektives Recht ist, wovon auch in dieser Untersuchung ausgegangen wird.69 Abweichend von Helle70 sollen hier kodifizierte Teile des Persönlichkeitsrechts als besondere Persönlichkeitsrechte, und alle anderen als Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bezeichnet werden.71 Das weit verzweigte System zum Schutz dieser Rechte umfasst gesetzliche Regelungen des Strafrechts und des Öffentlichen Rechts sowie die zumeist ungeschriebenen subjektiven Rechte des Privatrechts. Letztere stehen im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Beleuchtet wird ihr Spannungsverhältnis zu Kommunikationsgrundrechten, also im weiteren Sinne das Äußerungsrecht. Das Spannungsverhältnis zur Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG bleibt außer Betracht.

In den internationalen Quellen des Völkerrechts sowie im US-amerikanischen Recht werden die in diesen Persönlichkeitsrechten verkörperten Rechtsgüter in unterschiedlichen Begriffen („right of privacy“, „right to private life“) zusammengefasst. Während zweiterer Ausdruck hier zwanglos mit „Recht auf Privatleben“ zu übersetzen ist, gibt es für den ersten Begriff kein etabliertes Äquivalent in der deutschen Alltagssprache. Deshalb soll dieser mit dem etwas künstlich wirkenden Begriff des „Recht auf Privatheit“ übersetzt werden. Damit geht keine inhaltliche Kongruenz mit dem Begriff der Privatsphäre einher, der aus deutscher rechtswis ← 33 | 34 → senschaftlicher Sicht streng betrachtet bereits besetzt ist als Bezeichnung einer bestimmten Schutzsphäre im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.72 Des Weiteren werden die in den Persönlichkeitsrechten verkörperten Schutzgüter in der mehrheitlich englischsprachigen Literatur der Sozialwissenschaften im Grundsatz ebenfalls unter dem Begriff „privacy“ zusammengefasst. Auch hier wird in den deutschen Sozialwissenschaften und teilweise auch in der Rechtswissenschaft, wenn sie sozialwissenschaftliche Bezüge herstellt, zumeist auf den Kunstbegriff der „Privatheit“, dann im sozialwissenschaftlich weiten Sinne, zurückgegriffen.73

Der Begriff der Minderjährigkeit bedarf hingegen keiner weitgehenden Klärung und bezeichnet bekanntlich im deutschen Rechtsraum alle Personen unter 18 Jahren. Synonym verwendet werden in dieser Arbeit die Begriffe des Heranwachsenden und jungen Menschen. Weit weniger einheitlich finden die Begriffe „Kind“ und „Jugendlicher“ im Sprachgebrauch Verwendung. Angesichts der sozialwissenschaftlichen Bezüge, deren altersbestimmte Fassung von Kindheit und Jugend von derjenigen des Rechts abweicht, ist eine Festlegung für diesen Rahmen erforderlich. Die Begriffe werden also in der Regel wie folgt verwendet, ohne dass dies in aller Strenge geschieht: Als „Kind“ werden Personen bezeichnet, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Unter „Jugendlicher“ werden die Personen über 14 Jahren verstanden, die noch nicht 18 Jahre alt sind (§ 7 SGB VIII). Im Zusammenhang mit verwandtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Eltern-Kind-Beziehung, wird diese Unterscheidung nicht aufrechterhalten. Mit „Kind“ ist dann schlicht Abkömmling gemeint. Auch in diesem Verhältnis stellen sich persönlichkeitsrechtliche Probleme, etwa wenn es um das Lesen von Tagebüchern oder das Betreten des Kinderzimmers geht (intrafamiliäre Privatsphäre). Naturgemäß ist der rechtliche Schutz im Eltern-Kind-Verhältnis grundlegend anders strukturiert und ausgestaltet, da die Familie als primärer Sozialisationsraum besonderen Regeln unterliegen muss. Für persönlichkeitsrechtliche Fragestellungen ist oftmals das Familienrecht einschlägig, das unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Art. 2, Art. 1 GG insbesondere auch dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes Rechnung trägt. Gegenstand dieser Untersuchung sind jedoch nur die Normgehalte der subjektiven Persönlichkeitsrechte des Kindes im Zivilrecht. Ob und wie nicht nur Schutz durch die Eltern, sondern auch Schutz vor den Eltern gewährleistet ist, kann in dieser Arbeit nur im Hinblick auf einzelne Fragenstellungen behandelt werden und muss im Übrigen Untersuchungen an anderer Stelle vorbehalten bleiben.74 ← 34 | 35 →

§ 3   Gang der Darstellung

Nach dem einleitenden ersten Kapitel, das in erster Linie der Einführung und Standortbestimmung im Persönlichkeitsschutz dient, wird im zweiten Kapitel untersucht, ob und inwieweit außerrechtliche Erkenntnisse aus den Sozialwissenschaften für die rechtliche Betrachtung fruchtbar zu machen sind. Das dritte Kapitel befasst sich sodann mit Lösungsansätzen, die in der traditionell einflussreichen U.S.-amerikanischen Rechtsordnung für Rechtsfragen im Minderjährigenpersönlichkeitsschutz vorhanden sind. Im Anschluss werden im vierten Kapitel die rechtlichen Grundparameter ermittelt, die den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz durchdringen und vorzeichnen. Rechtsquellen sind neben dem deutschen Grundgesetz und der EMRK auch die UN-Kinderrechtskonvention und Teile des Unionsrechts. Daran anknüpfend stehen im Zentrum des fünften Kapitels die Grundprinzipien des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. Nach einer dogmatischen Grundlegung folgt das Recht zur Einwilligung zu Eingriffen in Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen. Im anschließenden Teil wird ermittelt, inwieweit Minderjährige gegen ungewollte Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte geschützt sind. Die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte werden herausgearbeitet und in den ausgesuchten Anwendungsfeldern gegenüber Medien und im Internet umgesetzt. Das abschließende sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der Untersuchung schließlich in Thesenform zusammen. ← 35 | 36 → ← 36 | 37 →


1     Kapellas v. Kofman, 459 P.2d 924 (1969).

2     Westphal, GreifRecht 13/2012, 32 [33].

3     Westphal, GreifRecht 13/2012, 32 [33].

4     Weitere Beispiele bei Jempson, Shocking Images, www.mediawise.org.uk/children/ (11.04.2015).

5     Zu diesen Rollen Bruns, JZ 2005, 428 [428 f.]; Der Verkauf von Exklusivrechten an den allerersten Fotos von Celebrity-Babys ist beispielsweise ein Geschäft, durch das, wie bei den Zwillingen von Jolie und Pitt, erhebliche Summen erzielt werden können (angeblich rund 14 Millionen Dollar).

6     Och/Löw, in: Buchmann, Internet Privacy, S. 40; Nach der jüngsten KIM-Studie 2014 wird die Internetnutzung mit durchschnittlich etwa 10 Jahren relevant, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, KIM-Studie 2014, S. 73, abrufbar unter http://www.mpfs.de (11.04.2015).

7     Niemann/Schenk, in: Schenk/Niemann/Reinmann/Roßnagel, Digitale Privatsphäre, S. 19.

8     Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, KIM-Studie 2012, S. 37 ff. und JIM-Studie 2014, S. 35, wonach im Jahr 2011 noch 88 %, 2012 87 % und 2013 83 % der Jugendlichen Onlinecommunities nutzten; für Europa vgl. EU Kids Online Report, abrufbar unter http://www.lse.ac.uk/media@lse/research/EUKidsOnline/Home.aspx (11.04.2015); eine Leistungsbeschreibung und eine vertragliche Analyse bei der Nutzung sozialer Netzwerke findet sich bei Redeker, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 12 Rn. 415 ff.

9     Frölich/Lehmkuhl, Computer und Internet erobern die Kindheit, S. 5 ff.

10   Europäische Kommission, KOM (2012) 196 endg., mit Nachweisen.

11   Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, miniKIM-Studie 2012, S. 26, abrufbar unter http://www.mpfs.de (11.04.2015).

12   BundesgerichtshofZ 13, 334.

13   Kannowski, in: Staudinger BGB, Vorbem. § 1 Rn. 24; Rixecker, in: MüKo BGB, Anh. § 12 Rn. 9.

14   BVerfG, NJW 1966, 1603 – Spiegel; BVerfG, NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher.

15   Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 5 Rn. 37.

16   BVerfGE 101, 361 – CvM II.

17   BVerfGE 101, 361 [385] – CvM II.

18   Vgl. zur Entwicklung der Kinderrechtsdebatte nur Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 46; allgemein Aries, Geschichte der Kindheit; einen geschichtlichen Überblick zum römischen und germanischen Recht gibt Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, S. 9 ff.; zum Stellenwert von Kindern in unserer Gesellschaft (insbs. bzgl. innerfamilialer Gewalt) vgl. Lack, Möglichkeiten und Grenzen der Gesetzgebung, S. 10 ff.

19   St. Rspr., vgl. nur BVerfGE 24, 119 [144] – Adoption I; weitere Nachweise bei Steindorff-Classen, Das subjektive Recht des Kindes auf seinen Anwalt, S. 2.

20   Dazu Steindorff-Classen, Das subjektive Recht des Kindes auf seinen Anwalt, S. 2 m.w.N.; aus jüngerer Vergangenheit etwa Michel, Rechte von Kindern in medizinischen Heilbehandlungen; Heuser, JR 2013, 125 ff.

21   Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 46 m.N.

22   Vgl. nur jüngst Lütkes/Sedlmayr, FRP 2012, 187 ff.; Homann-Dennhardt, FPR 2012, 185; siehe dazu auch BR-Drucks. 386/11 v. 29.06.2011 und BT-Drucks. 17/3644; 17/3938, 5; Lack, Möglichkeiten und Grenzen der Gesetzgebung, S. 74 ff.

23   Signifikant insbesondere in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur BVerfG, NJW 2013, 847 [848] zur Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner.

24   Rauscher, Familienrecht, § 33 Rn. 595.

25   LG Köln, FamRZ 2012, 1421; dazu nur Spickhoff, FamRZ 2013, 337 ff.; Germann, MedR 2013, 412 ff.; Schneider, Die männliche Beschneidung (Zirkumzision) Minderjähriger als verfassungsrechtliches und sozialrechtliches Problem.

Details

Seiten
432
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653066340
ISBN (ePUB)
9783653959802
ISBN (MOBI)
9783653959796
ISBN (Paperback)
9783631673744
DOI
10.3726/978-3-653-06634-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (März)
Schlagworte
Minderjährigenschutz Presse Internet Soziale Netzwerke
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 432 S.

Biographische Angaben

Henrike Ehrhorn (Autor:in)

Henrike Ehrhorn studierte Rechtswissenschaften an der Universität Jena. Sie arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für deutsches und ausländisches Zivilprozessrecht und als Lehrassistentin für die Rechtswissenschaftliche Fakultät an der Universität Freiburg, an der sie auch promovierte. Derzeit ist sie als Richterin tätig.

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Titel: Persönlichkeitsschutz von Kindern und Jugendlichen
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