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Die Kriegsrechtfertigung in der attischen Rhetorik des 4. Jh. v. Chr.

Vom Korinthischen Krieg bis zur Schlacht bei Chaironeia (395–338 v. Chr.)

von Thomas Bounas (Autor:in)
©2016 Dissertation 605 Seiten
Reihe: PRISMATA, Band 21

Zusammenfassung

Das Spektrum des Argumentierens über die Begründung und Rechtfertigung des Krieges in der attischen Rhetorik des 4. Jh. v. Chr. gestaltete sich breiter und komplexer als bisher angenommen. Der Autor analysiert einschlägige historische Reden und publizistische Ausarbeitungen, die unmittelbar Bezug auf Einstellungen und Mehrheitsmeinungen der damaligen Zeit genommen haben. Neben dem formalen Recht stehen auch ethische Aspekte sowie die Frage nach dem materiellen und machtpolitischen Nutzen im Mittelpunkt. Durch eine vergleichende Analyse von Texten des Andokides, Lysias, Isokrates und Demosthenes wird eine systematisierende Bilanz zur konzeptionellen Klassifizierung der Kriegsrechtfertigungen gezogen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhalt
  • I. Einleitung
  • II. Andokides
  • 1. Athen und Sparta am Anfang des 4. Jh.
  • 2. Andokides und seine erhaltenen Reden
  • 3. Andokides’ Friedensrede
  • 3.1 Friede, Krieg und Demokratie
  • 3.2 Gerechter Friede
  • 3.3 Widerlegung weiterer Argumente für den Krieg
  • 3.3.1 Gerechte Kriegsgründe
  • 3.3.2 Krieg aus materiellen und machtpolitischen Gründen
  • 3.3.3 Die Erfolgsaussichten des Krieges
  • 3.4 Der allgemeine Friede
  • 4. Die Gründe für die friedliebende Haltung des Andokides
  • 4.1 Die παραπρεσβείας γραφή im politischen Kontext
  • 4.2 Die politischen und persönlichen Intentionen des Andokides
  • 5. Fazit
  • III. Lysias
  • 1. Lysias und seine zu untersuchenden Reden
  • 2. Der Epitaphios
  • 2.1 Der Krieg im Epitaphios
  • 2.1.1 Krieg gegen Barbaren
  • 2.1.1.1 Mythische Vergangenheit
  • 2.1.1.2 Historische Vergangenheit
  • 2.1.2 Krieg unter Hellenen
  • 2.1.2.1 Mythische Vergangenheit
  • 2.1.2.2 Historische Vergangenheit
  • 2.1.2.3 Gegenwart
  • 2.2 Fazit
  • 3. Der Olympiakos
  • 3.1 Kriege unter Hellenen und gegen Barbaren: Φιλία und τιμωρία
  • 3.2 Fazit
  • IV. Isokrates
  • 1. Isokrates und seine zu untersuchenden Reden
  • 2. Der Panegyrikos
  • 2.1 Die Kriegsrechtfertigung im Panegyrikos
  • 2.1.1 Krieg gegen Persien zum συμφέρον der Hellenen
  • 2.1.1.1 Krieg zur Beendigung der innergriechischen Kriege
  • 2.1.1.2 Krieg zur Mehrung des Wohlstands der Hellenen
  • 2.1.2 Krieg gegen das Perserreich im Hinblick auf das δίκαιον
  • 2.1.2.1 Krieg für die Freiheit
  • a. Krieg für die Freiheit der Hellenen Kleinasiens
  • b. Krieg als Hilfeleistung
  • 2.1.2.2 Rachekrieg und natürliche Feindschaft
  • a. Krieg als Racheaktion
  • b. Krieg gegen den natürlichen Feind und den Erbfeind
  • 2.1.2.3 Krieg wegen des Königsfriedens
  • a. Die Verletzung des Königsfriedens
  • b. Die Benachteiligung der Hellenen
  • c. Der Königsfrieden als Diktat des Artaxerxes II.
  • 2.1.3 Krieg gegen das Perserreich im Hinblick auf das δυνατόν und πρέπον
  • 2.1.4 Fazit
  • 3. Der Plataikos
  • 3.1 Athen, Sparta und Theben in den Jahren 379–371
  • 3.2 Isokrates’ Plataikos
  • 3.3 Die Kriegsrechtfertigung im Plataikos
  • 3.3.1 Thebens Argumente gegen Plataia
  • 3.3.1.1 Syntelie
  • 3.3.1.2 Bestrafung der Plataier im Interesse des Seebundes
  • 3.3.2 Isokrates’ Argumente gegen Theben: τὰ πάτρια und der Friede von 375
  • 3.3.3 Athen gegen Theben und für Plataia
  • 3.3.3.1 Logische Argumente: Eide und Verträge – Gleichgewichtspolitik – Gerechter Krieg
  • a. Αὐτονομία und ἐλευθερία
  • b. Die ῥοπή und der diplomatische Weg
  • c. Πόλεμος und δίκαιον
  • 3.3.3.2 Emotionale Argumente
  • a. Τοῖς ἀδικουμένοις βοηθεῖν – ἱκεσία
  • b. Εὔνοια – εὐεργεσία – εὐσέβεια
  • c. Ἔχθρα der Thebaner
  • 3.3.4 Fazit
  • 4. Die Archidamosrede
  • 4.1 Athen, Sparta und Theben von 371 bis 366
  • 4.2 Isokrates’ Archidamos
  • 4.3 Die Kriegsrechtfertigung im Archidamos
  • 4.3.1 Anspruch Spartas auf Messenien
  • 4.3.1.1 Historisch-mythologische Begründung
  • 4.3.1.2 Die langjährige Besitzdauer Messeniens und das Urteil Athens und Persiens
  • 4.3.1.3 Die Heloten
  • 4.3.2 Das δίκαιον und das συμφέρον
  • 4.3.3 Das δυνατόν, πρέπον und καλόν des Krieges
  • 4.3.4 Politische Argumente zur Kriegsrechtfertigung
  • 4.3.4.1 Krieg für materielle Vorteile
  • 4.3.4.2 Kritik an dem Frieden
  • 4.3.5 Fazit
  • 5. Der Areopagitikos , die Friedens- und die Antidosisrede
  • 5.1 Isokrates in den Jahren 357–355
  • 5.2 Der Areopagitikos
  • 5.3 Die Friedensrede
  • 5.3.1 Gegen den Bundesgenossenkrieg: Argumente für den Frieden von 355
  • 5.3.1.1 Materieller Nutzen
  • 5.3.1.2 Ansehen Athens und gerechtes Handeln
  • 5.3.2 Gegen die ungerechten Kriege während der Arché
  • 5.3.3 Hegemonie, Prostasie und gerechte Kriegführung
  • 5.4 Fazit
  • 5.5 Die Antidosisrede
  • 6. Isokrates’ Philippos
  • 6.1 Die Kriegsrechtfertigung im Philippos
  • 6.1.1 Der Krieg um Amphipolis
  • 6.1.2 Der panhellenische Perserkrieg
  • 6.1.2.1 Das συμφέρον des Krieges
  • a. Krieg zur Beendigung der innergriechischen Kriege
  • b. Krieg zur Mehrung des Wohlstands der Hellenen und Philipps
  • 6.1.2.2 Das δίκαιον und πρέπον des Krieges
  • 6.1.2.3 Das καλόν des Krieges und die δόξα Philipps
  • 6.1.2.4 Das ῥᾴδιον und δυνατόν des Krieges
  • 6.1.3 Fazit
  • 7. Der Panathenaikos
  • 7.1 Die Rechtfertigung der Kriege
  • 7.1.1 Der Krieg gegen die Barbaren
  • 7.1.2 Die Kriege unter Hellenen: Athen gegen Melos, Skione und Torone
  • 7.1.2.1 Der Panegyrikos
  • 7.1.2.2 Der Panathenaikos
  • 7.1.3 Die ungerechten Kriege Spartas und Athens gerechte Kriege
  • 7.1.4 Fazit
  • V. Demosthenes
  • 1. Demosthenes und seine zu untersuchenden Reden
  • 2. Die hellenischen Demegorien
  • 2.1 Die Rede Über die Symmorien
  • 2.1.1 Demosthenes gegen den Krieg
  • 2.1.1.1 Nicht allein gegen den gemeinsamen Feind – balance of threat
  • 2.1.1.2 Angriffs- vs. Verteidigungskrieg
  • 2.1.1.3 Der gerechte Krieg
  • 2.1.2 Δίκαιον und συμφέρον
  • 2.1.3 Fazit
  • 2.2 Die Rede Für die Megalopoliten
  • 2.2.1 Krieg zur Bewahrung der balance of power
  • 2.2.2 Die Gerechtigkeit des Krieges
  • 2.2.2.1 Hilfe für Unrecht Leidende
  • 2.2.2.2 Reaktion auf die expansive Politik Spartas
  • 2.2.2.3 Beschützen alter Poleis vor der Vernichtung
  • 2.2.2.4 Das zwischenstaatliche Recht und das Gerechte
  • 2.2.3 Fazit
  • 2.3 Die Rede Für die Freiheit der Rhodier
  • 2.3.1 Befreiungskrieg
  • 2.3.2 Krieg als Hilfeleistung
  • 2.3.2.1 Hilfeleistung für Hellenen
  • 2.3.2.2 Hilfeleistung für die Demokratie
  • 2.3.3 Recht des Stärkeren
  • 2.3.4 Fazit
  • 2.4 Die hellenischen Demegorien: Ausblick
  • 3. Die I. Philippische und die drei Olynthischen Reden
  • 3.1 Athen und Philipp von 359 bis 351 und die I. Philippika
  • 3.2 Der Kampf um Olynthos und die Olynthischen Reden
  • 3.3 Die Kriegsrechtfertigung in den Jahren 351–348
  • 3.3.1 Forderung nach Reaktion auf den bereits bestehenden Amphipoliskrieg
  • 3.3.2 Krieg wegen Zurückeroberung verlorenen Landes
  • 3.3.3 Krieg um die Vorherrschaft
  • 3.3.4 Krieg als Hilfeleistung
  • 3.3.5 Philipps Inferiorität
  • 3.3.6 Philipp als Bedrohung und Hassfigur wegen seines Charakters
  • 3.4 Fazit
  • 4. Die Rede Über den Frieden
  • 4.1 Der Philokratesfrieden
  • 4.2 Demosthenes’ Friedensrede im Jahr 346
  • 4.3 Friede für das συμφέρον der Polis
  • 4.3.1 Das μὴ δυνατόν des Krieges
  • 4.3.2 Πρόφασις κοινοῦ πολέμου
  • 4.4 Der Krieg als Hilfeleistung und das Mächtegleichgewicht
  • 4.5 Der Krieg und das δίκαιον
  • 4.6 Fazit
  • 5. Die Reden der Jahre 344–341 ( II., III., IV. Philippika ; Rede Über die Truggesandtschaft ; Chersonesosrede )
  • 5.1 Philipps Expansionsversuche von 346 bis 344 und die II. Philippika
  • 5.2 Philipps Interventionen von 343–341 in Hellas und die demosthenischen Reden dieser Zeit
  • 5.2.1 Die Ereignisse
  • 5.2.1.1 Philipps Interventionen auf der Peloponnes und auf Euboia
  • 5.2.1.2 Philipps Interventionen in Mittel- und Nordgriechenland
  • 5.2.1.3 Die Veränderung des politischen Klimas in Athen und die Angelegenheiten auf der Chersones
  • 5.2.1.4 Der Weg zur Kriegserklärung
  • 5.2.2 Die demosthenischen Reden der Jahre 343–341
  • 5.3 Das Problem der Kriegserklärung
  • 5.4 Die formelle und sachliche Kriegsbegründung
  • 5.4.1 Krieg wegen Bruchs des Friedensvertrags
  • 5.4.1.1 Die παραβάσεις des Friedens in der II. Philippika
  • 5.4.1.2 Die παραβάσεις der Territorialklausel
  • a. Philipps Feldzug in Thrakien ἐνεἰρήνῃ καὶ σπονδαῖς
  • b. Die Chersones und die Ansprüche Athens auf Kardia
  • 5.4.2 Krieg wegen de facto Bruchs des Friedens
  • 5.4.3 Krieg wegen des bestehenden ‚ungerechten‘ Friedens
  • 5.4.4 Fazit
  • 5.5 Die Kriegsbegründung hinsichtlich der Machtpolitik
  • 5.5.1 Philipps Arché
  • 5.5.2 Athens Prostasie
  • 5.5.3 Fazit
  • 5.6 Die Kriegsbegründung hinsichtlich der Staatsverfassung
  • 5.6.1 Attische Demokratie vs. makedonische Monarchie
  • 5.6.2 Kennzeichen der Tyrannis
  • 5.6.2.1 Erteilung von Befehlen
  • 5.6.2.2 Gegen die Freiheit und die Gesetze
  • 5.6.2.3 Gegen die Demokratie
  • 5.6.2.4 Gegen die Autonomie
  • 5.6.3 Fazit
  • 5.7 Die Kriegsrechtfertigung hinsichtlich des Panhellenismus und der Hilfeleistung
  • 5.7.1 Panhellenismus als Kriegsrechtfertigung von 354 bis 346
  • 5.7.2 Panhellenismus als Kriegsrechtfertigung von 344 bis 330
  • 5.7.3 Fazit
  • VI. Zusammenfassung und Auswertung der einzelnen Konzeptionen
  • 1. Konzeptionelle Klassifizierung der Kriegsrechtfertigung anhand historischer Exempla
  • 1.1 Formal und sachlich abgesicherte Begründung einer Kriegsrechtfertigung
  • 1.1.1 Die Ungerechtigkeit eines bestehenden Vertrags
  • 1.1.2 Krieg wegen Vertragsbruchs
  • 1.1.3 Krieg zur Zurückeroberung verlorenen Landes
  • 1.1.4 Krieg für die Freiheit Athens
  • 1.1.5 Krieg für die Freiheit der Hellenen
  • 1.1.6 Krieg als Hilfeleistung für hellenische Poleis
  • 1.2 Situativ bedingte, einseitige Begründung einer Kriegsrechtfertigung
  • 1.2.1 Krieg gegen Barbaren: Rachekrieg, natürliche Feindschaft, gemeinsamer Feind
  • 1.2.2 Der Rachekrieg gegen Hellenen
  • 1.2.3 Krieg um die Vormachtstellung in Hellas
  • 1.2.4 Krieg zum συμφέρον der Polis
  • 1.2.5 Krieg zur Bewahrung des Mächtegleichgewichts
  • 1.2.6 Das ῥᾴδιον und δυνατόν des Krieges
  • 1.2.7 Das καλόν des Krieges
  • 2. Schlussfazit: Die Kriegsrechtfertigung
  • Abkürzungsverzeichnis und Bibliographie
  • I. Abkürzungen
  • II. Quellen
  • III. Literatur
  • Quellenregister

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I.  Einleitung

Der griechische Begriff πόλεμος bezeichnet den Krieg mit einem auswärtigen Feind. Davon unterscheidet die griechische Staatsphilosophie den Terminus στάσις, der den Bürgerkrieg bzw. den Aufruhr im Innern einer Polis wiedergibt.1 Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Begründung des πόλεμος, also des zwischenstaatlichen Krieges, und seine Rechtfertigung in den überlieferten Schriften attischer Redner bzw. Rhetoren2 des 4. Jh.3

Der Peloponnesische Krieg des 5. Jh. (431–404), die Leiden, die er verursachte, und seine einschneidenden Folgen führten einen großen Teil der griechischen Welt in eine äußerst kritische Situation; trotzdem rückte nach seinem Ende in den hellenischen Poleis nicht der Friedensgedanke in den Vordergrund, sondern Debatten über diverse Kriegsmöglichkeiten bestimmten das Meinungsbild. Daraus ergab sich, dass die ständigen Kriege zwischen hellenischen Poleis das Bild des gesamten 4. Jh. prägten und zum Untergang der klassischen Polis-Welt führten. Nicht zu unterschätzen ist dabei das Auftreten einer unkalkulierbaren Macht aus dem griechischen Norden in den 350er Jahren, nämlich Makedoniens unter seinem König Philipp II., der schließlich im Jahr 338 die vereinigten Kontingente hellenischer Poleis endgültig besiegte. Der Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit wird somit auf das 4. Jh. bis zur Schlacht bei Chaironeia im Jahr 338 begrenzt.

Gegen die vornehmlich in der älteren Forschung vertretene These, dass nicht der Friede (εἰρήνη), sondern der permanente Kriegszustand das zwischenstaatliche Verhältnis der griechischen Poleis kennzeichnet,4 wird nunmehr der Krieg in Hellas ← 19 | 20 → lediglich als ein Mittel der Rechtsexekution wahrgenommen.5 Es herrschte nicht automatisch Krieg, wenn der Friede nicht vertraglich festgelegt war, vielmehr war der Krieg „eine Unterbrechung dessen, was die Regel war, nämlich des Friedens“6; da Anfang und Ende des Krieges rituell markiert waren, gab es weder den unerklärten noch den unbeendeten Krieg.7 Doch besteht kein Zweifel daran, dass die Schwelle zwischen Krieg und Frieden nicht sehr hoch war und dass die zwischenstaatlichen Konflikte meist schnell zu Kriegen führten, sodass die drohende Kriegsgefahr und damit die existenzielle Bedrohung permanent in den griechischen Poleis präsent waren.8 Demzufolge war es nicht selten, dass die Entscheidung über Krieg und Frieden auf der Tagesordnung der Volksversammlungen stand. Nicht zuletzt in Athen wurden häufig Demegorien,9 also öffentliche beratende Reden, für oder wider einen Krieg in der ἐκκλησία vorgetragen.10 Neben den Demegorien griffen weitere politische Reden dieselbe Thematik auf, die ebenfalls zur beratenden Beredsamkeit (γένος συμβουλευτικόν)11 gehörten, doch unabhängig von den politischen Institutionen in der Form von Pamphleten publiziert wurden und sowohl die Mitbürger der Polis als auch weitere Kreise im hellenischen Raum erreichen konnten.12 ← 20 | 21 →

Andere Zielsetzung hatten freilich die Gerichtsreden (γένος δικανικόν), obwohl sie ebenfalls einen symbuleutischen bzw. demegorischen Charakter einnehmen konnten, da sie sich an ein zahlenmäßig großes Auditorium wandten;13 wenn es der Logograph14 für nötig hielt, wurde in einigen Fällen auf politische Hintergründe hingewiesen sowie Stellungnahme hinsichtlich politischer Angelegenheiten artikuliert.

Eine Aufforderung zum Krieg oder Begründung eines Krieges konnte zusätzlich Teil einer Prunkrede sein. Zur epideiktischen Gattung (γένος ἐπιδεικτικόν) gehörten öffentliche Fest- (λόγοι πανηγυρικοί) und Grabreden (λόγοι ἐπιτάφιοι) sowie Lob- (λόγοι ἐγκωμιαστικοί) und sonstige Musterreden, die vorrangig als Lehrmaterial für den Rhetorikunterricht dienten.15 Die Panegyriken konnten gegebenenfalls vor einem panhellenischen Publikum anlässlich eines gemeingriechischen religiösen Festes vorgetragen werden. Die Epitaphien wurden meist von ihrem Verfasser selbst auf die gefallenen Mitbürger einer Schlacht gegen einen auswärtigen Feind gehalten.

Abgesehen von der Rhetorik sind die zeitgenössische Geschichtsschreibung, die Staatsphilosophie und die dramatische Dichtung wichtige literarische Quellen zur Untersuchung der Kriegsrechtfertigung im klassischen Hellas. Diese Bereiche weisen andere Merkmale als die beratenden und epideiktischen Reden auf. Die griechischen Historiker haben seit Thukydides den Versuch unternommen, zwischen Anlässen und Gründen von Kriegen zu differenzieren, objektiv Kriegsbegründungen darzustellen und diese exemplarisch auszuwerten.16 Die bei Thukydides und Xenophon überlieferten Demegorien zeichnen sich durch andere Merkmale als die wirklich gehaltenen politischen Reden des 4. Jh. aus und wenden sich eher an elitäre Bürgergruppen als an die breite Masse.17 Die Staatsphilosophie hingegen befasst sich mit Fragen der Kriegsrechtfertigung in theoretischer Ausrichtung, freilich ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung sowie die Realpolitik zu nehmen.18 Die dramatische Dichtung wertet dagegen die Kriegsbegründung zumeist als eine idealistische Verteidigung des sozialethisch Gerechten und des sakralen Gewohnheitsrechts. Die vorliegende Arbeit befasst sich lediglich mit der Publizistik, nicht nur damit der Umfang des Forschungsgegenstandes begrenzt wird, sondern gerade ← 21 | 22 → weil in diesem Bereich einige Besonderheiten auftauchen, die einen historischen Ausblick auf die allgemeine Wahrnehmung der Kriegsbegründung in bestimmten zeitlichen Perioden erlauben. In den symbuleutischen und epideiktischen Reden wurde zwangsläufig mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung sowie auf die Realpolitik argumentiert, sodass die vorgetragenen Gesichtspunkte Ausdruck einer weitgehend etablierten Auffassung der politischen Praxis und des Zeitgeistes waren.19 Besonders die Begründung einer Kriegsrechtfertigung oder -aufforderung zielte strikt auf die Beeinflussung der Zuhörer und spiegelte somit die wahren Motive als Entscheidungshilfen wider. Gerade die Wechselbeziehung der Reden zwischen ihren Verfassern und ihren Adressaten gewährleistet zuverlässige Einschätzungen in Bezug auf das Denken und das politische Handeln. Es bestehen folglich aufschlussreiche Gründe, rhetorische Schriften unter dem Aspekt ihrer historischen Wirkung zu analysieren; die Ansicht B. Naefs, dass „das Spektrum des Argumentierens über Krieg und Frieden im 4. Jahrhundert größer war, als es Aristoteles, Polybios oder auch gewisse moderne Stimmen glauben machen wollen“20, wird durchaus bestätigt.

Darüber hinaus ist die vorliegende Untersuchung aufgrund einer weitgehenden Ignorierung des Themas in der althistorischen Forschung zustande gekommen, da bislang keine monographische Abhandlung speziell über die Kriegsrechtfertigung in der griechischen Rhetorik des 4. Jh. vorliegt.

Ausgenommen von dieser Tendenz gibt es zwei wichtige Publikationen, die sich mit Teilaspekten der Thematik beschäftigen: Einerseits die im Jahr 1985 publizierte Dissertation von S. Clavadetscher-Thürlemann ‚Πόλεμος δίκαιος und bellum iustum; Versuch einer Ideengeschichte’ und andererseits die im Jahr 2010 erschienene Monographie von P. Hunt, ‚War, Peace and Alliance in Demosthenes’ Athens‘.

S. Clavadetscher-Thürlemann untersucht im ersten Teil ihrer Dissertation die Frage nach der Gerechtigkeit der Kriege im hellenischen Raum und versucht somit eine Vorgeschichte zur römischen bellum-iustum-Theorie greifbar zu machen. Aus diesem Grund befasst sie sich konkret mit dem Terminus der Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dem Krieg, seiner Eröffnung und Durchführung, indem sie sämtliches griechisches Schrifttum vom Anfang des 5. Jh. bis zur hellenistischen Zeit in Betracht zieht. Es handelt sich um eine terminologisch-philosophische Abhandlung, in der die Frage nach dem Feind, den Gründen und dem Vorgehen während des Krieges gestellt wird.21 Es wird jedoch keine Rücksicht auf die speziellen Gattungen des griechischen Schrifttums, ihre Abfassungszeit und die Intention des jeweiligen Verfassers genommen, sodass beliebig Stellen aus der Historiographie, Philosophie, dramatischen Dichtung und Rhetorik einer sehr langen Periode hellenischer Geschichte zum Nachweis der Ergebnisse zusammengetragen werden, allerdings ohne sie in ihren historischen und sozialpolitischen Kontext einzuordnen. Dieses ← 22 | 23 → Vorgehen praktiziert die Verfasserin auch in Bezug auf politische Reden, wobei sie nicht nur die genuin rhetorischen Schriften, sondern auch fiktive Reden anderer literarischer Gattungen erfasst.

P. Hunt untersucht anhand von gehaltenen, attischen Reden das Problem, wie die Athener das außenpolitische Verhalten ihrer Polis sowie den Krieg und den Frieden im Zusammenhang mit den zwischenstaatlichen Beziehungen wahrnahmen. Die Kriegsrechtfertigung ist aber nur ein Teilaspekt seiner Untersuchung; diese bezieht sich sonst auf die ökonomisch bedingten Motivationen der Reden und die athenische ‚militaristische Kultur‘, also das Selbstverständnis der Athener als Großmacht. Ferner spricht P. Hunt über die metaphorische Beurteilung des außenpolitischen Verhaltens der Polis in den Reden entsprechend dem Verhalten einer Privatperson im Haushalt, den Amoralismus in der attischen Außenpolitik und den Versuch der Athener, ihr innerstaatliches Recht und ihre Rechtsauffassung analog auf die zwischenstaatlichen Beziehungen zu übertragen. Weiterhin bezieht er sich auf die grundsätzlichen Ansichten in Athen über Krieg und Frieden. Es ist gleichfalls kein Ziel seiner Untersuchung, die Kriegsrechtfertigung und -aufforderung der Argumentation aufgrund der Intention der jeweiligen Rede und in Anbetracht der Auffassungen des jeweiligen Redners zu erforschen und zu beurteilen; somit können zwar allgemeine Ansichten über Krieg und Frieden, aber keine Konzeptionen zur Kriegsbegründung in der Rhetorik aufgezeigt werden. Darüber hinaus ist die Untersuchung auf die Zeit zwischen 354 und 330 begrenzt. Mit Ausnahme der Friedensrede des Andokides aus dem Jahre 392/1 stammen die achtzehn übrigen untersuchten Reden aus diesen 24 Jahren. Es handelt sich um fünfzehn Reden des Demosthenes, davon dreizehn politische Demegorien sowie die Rede Über die Truggesandtschaft und die Kranzrede, zusätzlich die zwei gerichtlichen Gegenreden des Aischines, ferner die Halonnesosrede, die Hegesippos zugeschrieben wird, und die ins Corpus Demosthenicum aufgenommene, aber unechte Rede Über den Vertrag mit Alexander.22

Außerdem sind zahlreiche Publikationen erschienen, die sich mit Krieg und Frieden in Hellas befassen; allerdings wird selten und lediglich beiläufig Bezug auf die Kriegsrechtfertigung in der attischen Rhetorik genommen.23 Darüber hinaus sind ← 23 | 24 → Veröffentlichungen instruktiv, die sich mit einzelnen Rednern und ihren Schriften auseinandersetzen; diese bieten häufig eine wesentliche Argumentationshilfe für die vorliegende Arbeit, besonders wenn in ihnen Stellen über die Kriegsbegründung kommentiert werden.24 Allerdings wird die Kriegsrechtfertigung einzelner Redner lediglich in wenigen Aufsätzen, also zwangsläufig in begrenztem Umfang und mit begrenzter Zielsetzung, als Zentralthema erforscht.25

Während im 5. und 4. Jh. fiktive Reden in der Form von Demegorien oder Grabreden sowohl in der Geschichtsschreibung als auch in philosophischen Schriften ← 24 | 25 → zu finden sind,26 sollen lediglich genuin rhetorische Texte Gegenstand dieser Arbeit sein, die von Rhetoren bzw. politischen Rednern verfasst und entweder durch öffentliche Vorträge oder als Flugschriften verbreitet wurden, um Einfluss auf kurz- oder langfristige politische Entscheidungen auszuüben.27

Wichtige historische Etappen der hier behandelten Periode sind zunächst der Korinthische Krieg (395–387/6), wodurch ein Bündnis zwischen Athen, Theben, Korinth und Argos der spartanischen Vorherrschaft in Hellas nach dem Peloponnesischen Krieg ein Ende machen wollte. Der Krieg wurde durch den Königsfrieden – auch Antalkidasfrieden genannt – im Jahr 387/6 beendet; dieser für den Ablauf der folgenden Ereignisse äußerst wichtige Friedensvertrag sah zwar einen ‚allgemeinen Frieden‘ (κοινὴ εἰρήνη) vor, kam allerdings auf Initiative des persischen Großkönigs Artaxerxes II. zustande bzw. wurde von ihm den Hellenen diktiert. Im Jahr 378/7 wurde der Zweite Attische Seebund gegründet, womit sich die Athener die Wiedererlangung ihrer Seeherrschaft erhofften. Nach der vernichtenden Niederlage Spartas und seiner Verbündeten durch Theben im Jahr 371 begann die Phase der thebanischen Hegemonie über Hellas; diese dauerte bis zur Niederlage der Boioter und ihrer Verbündeten durch Sparta, Athen und deren Bundesgenossen im Jahr 362 bei Mantineia. In den Jahren 357–355 führte Athen mit seinem Seebund Krieg gegen die abgefallenen Bundesgenossen Chios, Rhodos und Kos sowie das vermutlich bereits unabhängige Byzantion. Athen verlor den Krieg und musste die Unabhängigkeit der gegnerischen Poleis akzeptieren. Im Jahr 359 übernahm Philipp II. das makedonische Königtum und begann anschließend mit einer expansionsorientierten Politik. Als er 357 die sehr bedeutende und im athenischen Einflussbereich gelegene Stadt Amphipolis einnahm, erklärte ihm Athen den Krieg; damit begann eine zehnjährige Auseinandersetzung zwischen den zwei Mächten, die sich durch den Konflikt um die chalkidische Stadt Olynthos im Jahr 349/8 zuspitzte und schließlich mit dem Abschluss des sogenannten Friedens des Philokrates 346 zu ihrem Ende kam. Darüber hinaus führte zwischen 356 und 346 die pyläisch-delphische Amphiktionie28 Krieg gegen die Phoker. Philipp nutzte die Gelegenheit, in diesem sogenannten Dritten Heiligen Krieg der Seite der Amphiktionie beizutreten und somit seinen Einfluss ← 25 | 26 → in Mittelgriechenland zu verstärken. Im Jahr 346 erlang der Makedonenkönig de iure und de facto eine unumstrittene Hegemonialstellung innerhalb der Amphiktionie und hatte zusätzlich Makedonien zur stärksten Macht im hellenischen Raum geführt. Nach dem Philokratesfrieden setzte er seine expansive Politik fort, sodass spätestens ab 343 die Beziehungen mit Athen unter großen Spannungen standen, die im Konflikt über die thrakische Chersones von 343 bis 341 ihren Ausdruck fanden. Im Jahr 340/39 kam auf athenische Initiative der sogenannte Hellenische Bund, eine defensive Symmachie unter Führung Athens und Thebens gegen Philipp, zustande. Diese Allianz wurde 338 bei Chaironeia durch die Makedonen besiegt, sodass Philipp nunmehr die Vorherrschaft in ganz Hellas erlangte, was auf dem Korinthischen Kongress von hellenischen Staaten und dem Makedonenkönig im Jahr 338/7 auch de iure bestätigt wurde. Nachdem er nun seine Stellung in Hellas durchgesetzt hatte, plante er einen gemeinsamen Krieg gegen das Perserreich.

Betrachtet man die Jahre von 395 bis 338 insgesamt, so handelte es sich um eine Zeit in Hellas, die von Hegemonialkriegen gekennzeichnet ist.29 In diesen konzentrierten sich Sparta, Athen, Theben und Philipp II. darauf, die Vormachtstellung zu erringen oder zu bewahren. Dabei spielte der Perserkönig zuweilen die Rolle des Schiedsrichters oder des Manipulators bei innergriechischen Konflikten.

Es gibt demzufolge nachhaltige Gründe, weshalb die Zeit zwischen dem Korinthischen Krieg und der Schlacht bei Chaironeia zum Erforschen der Fragestellung dieser Arbeit gewählt wurde. Eine große Vielfalt von – in den Quellen hinreichend dokumentierten – Kriegen, Friedensverträgen und Bündnisschlüssen steht zur Verfügung, sodass Kriege unterschiedlicher Art im Schrifttum der Redner dieser Epoche diskutiert und begründet werden; es handelt sich dabei um Angriffs- und Verteidigungskriege von Hellenen gegen Hellenen, Hellenen gegen Barbaren sowie um Hegemonialkriege zwischen hellenischen Mächten bzw. um Kriege, die als Hilfe gegenüber Bundesgenossen oder Poleis dienten, denen Unrecht geschah. Die meisten überlieferten rhetorischen Schriften stammen aus dem Athen des 4. Jh.; somit können Vergleiche der Ansichten unterschiedlicher Redner in derselben Zeitspanne und in einigen Fällen sogar mit Bezug auf dieselben Ereignisse und historischen Hintergründe angestellt werden. Die Ansätze der Redner in Bezug auf die Kriegsbegründung sind zahlreich und von großer Bedeutung für das hier abzuhandelnde Thema. Demzufolge gibt es gute Voraussetzungen, dass die Frage nach einheitlichen Konzeptionen der Kriegsrechtfertigung in einer Periode, die zeitlich mehr als ein halbes Jahrhundert umfasst, gestellt werden kann. Die in Betracht gezogenen Reden enden im Jahr 338, da die Schlacht bei Chaironeia einen wichtigen Wendepunkt der Polisgeschichte markiert. Die Zeit danach, also die Zeit der makedonischen Vorherrschaft, weist ganz unterschiedliche Merkmale auf, die selbstverständlich auch die Inhalte der Reden beeinflusst haben. ← 26 | 27 →

Die zielführende Leitfrage ist die Kriegsrechtfertigung und die Begründung der Aufforderung zum Krieg. Jedes einzelne Argument dazu wird systematisch analysiert. Auch wenn es sich in einigen Fällen um das Abraten vom Krieg bzw. um eine Stellungnahme für den Frieden handelt, lässt sich daraus für die Fragestellung Grundsätzliches entnehmen. Zum rhetorischen Vorgehen der beratenden Reden im Allgemeinen ist die zutreffende Kategorisierung der unterschiedlichen Gesichtspunkte, die Aristoteles später τέλη nannte,30 durch Anaximenes von Lampsakos hilfreich. Demnach sollte ein Rhetor zeigen, dass das, wofür er plädiert, δίκαιον, νόμιμον, συμφέρον, καλόν, ἡδύ, bzw. ῥᾴδιον sei.31 Jedes Argument sollte mindestens einer dieser Kategorien entsprechen. Δίκαιον ist das Gerechte, das den ungeschriebenen Gewohnheiten aller oder zumindest der meisten entspricht, das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Νόμιμον ist das, was sich nach den schriftlich festgelegten Gesetzen richtet. Συμφέρον ist das Nützliche sowohl in Bezug auf das Bewahren des vorhandenen Guten als auch auf die Hinzufügung von neuem sowie auf die Verhinderung eines zu erwartenden Übels. Καλόν ist das den Taten Ehre und Ruhm Bringende. Ἡδύ ist das Angenehme, das Freude bereitet. Ῥᾴδιον ist das leicht zu schaffende bzw. jenes, welches mit dem kleinsten Aufwand durchzuführen ist.32 Wenn allerdings keines dieser Ziele zu erreichen ist, sollte das Angeratene als δυνατόν (möglich) und ἀναγκαῖον (notwendig) – also als das unter göttlichem und menschlichem Zwang Geschehene – dargestellt werden.33

In dem Sinne konnte ein Krieg mit Bezug auf das formale Recht, das Gerechte im sozialethischen Sinne, den ethischen Aspekt, den zu gewinnenden materiellen und machtpolitischen Nutzen sowie mit Bezug auf die Durchführbarkeit und Erfolgsaussichten des Krieges begründet werden. Von der Kategorisierung des Anaximenes ausgehend, bildet die Untersuchung hauptsächlich der genannten Faktoren den Kern dieser Arbeit. Weitere Hinweise oder Berichte der Reden, die sich sowohl auf Krieg und Frieden als auch auf politische Aspekte beziehen, werden nur dann analysiert, wenn dies dem eigentlichen Gegenstand der Untersuchung dient. Die Abhandlung begrenzt sich somit auf eine selektive Interpretation der rhetorischen Zeugnisse unter den oben genannten Gesichtspunkten.

Die Zielsetzung der Abhandlung umfasst freilich eine Reihe von weiteren Teilfragen:

Wie wurde der Krieg gegenüber dem Feind und wie gegenüber den Mitbürgern, Mitgriechen oder Bundesgenossen gerechtfertigt? Eine öffentliche Rede konnte sich zugleich an unterschiedliche Adressaten richten, auch wenn sie sich in der Anrede an ganz bestimmte Zuhörer wandte. ← 27 | 28 →

Waren der ethische Faktor oder die eigennützigen, machtpolitischen oder imperialistischen34 Motive die eigentliche Triebkraft der jeweiligen Argumentation? Es handelt sich in erster Linie um die zwei Pole des δίκαιον und des συμφέρον, worauf meist die ganze Argumentation der Rhetoren abzielt.

Welche Rolle spielten historische Hintergründe sowie innen- und außenpolitische Umstände? Davon war nämlich die Intention der Reden abhängig. Kein Krieg wurde ohne Rücksicht auf Faktoren wie die Vorgeschichte einer Auseinandersetzung, die Friedensverträge, die Bündnispolitik oder die militärische und wirtschaftliche Ausgangsposition der eigenen Polis gefordert.

Inwieweit hat die persönliche und politische Ausgangsposition des Redners seine Argumentation ideologisch und konzeptionell beeinflusst? Dabei soll die jeweils unterschiedliche Tätigkeit der Redner, die als Politiker, Logographen, Rhetoriklehrer sowie Vertreter eigener Überzeugungen oder politischer Gruppierungen auftraten, erörtert werden. Zusätzlich ist die Entwicklung des politischen Denkens eines jeden Redners in Bezug auf die Kriegsrechtfertigung zu berücksichtigen.

Ist im rhetorischen Vorgehen einer epideiktischen im Vergleich zu einer symbuleutischen Rede eine Gemeinsamkeit im Hinblick auf die Kriegsrechtfertigung zu erkennen, die über die festen Formeln, also die rhetorischen Topoi,35 hinausgeht? Hierbei ist besonders die Tatsache zu beachten, dass auch die epideiktischen Reden häufig bestimmte politische Ziele verfolgen, sodass ihre Intention und Argumentation nicht nur im Rahmen einer rhetorischen Stilübung betrachtet werden darf.

Abschließend ist der Frage nachzugehen, ob sich die Kriegsrechtfertigung und -aufforderung nach einheitlichen Konzeptionen richteten, sodass deren Klassifizierung und das sich ergebende Modell der Begründung einer Kriegsrechtfertigung in der attischen Rhetorik des 4. Jh. dargelegt wird.

In Bezug auf die Fragestellung werden die Reden des Andokides, Lysias, Isokrates und Demosthenes systematisch kommentiert und analysiert. Beachtenswert ist, dass alle vier Redner im Vergleich sehr unterschiedlichen Tätigkeiten nachgingen ← 28 | 29 → und differenzierte politische Einstellungen aufwiesen. Zusammen vermitteln sie ein repräsentatives Bild der attischen Rhetorik, denn es handelt sich bei ihnen sowohl um Rhetoriklehrer, Logographen oder aktive Redner als auch um Politiker mit unterschiedlichen persönlichen sowie politischen Zielen und Prioritäten.36

Andokides war ein athenischer Aristokrat und aktiver Politiker. Seine Rede Über den Frieden mit Sparta trug er im Jahr 392/1, also während des Korinthischen Krieges, in der athenischen Volksversammlung vor. Er riet zum Abschluss eines Friedens von Athen mit Sparta, den er kurz zuvor als Mitglied der athenischen Gesandtschaft in Sparta verhandelt hatte. Interessant sind dabei seine Definition und Bewertung eines gerechten Friedens sowie seine Auffassung über politisch annehmbare Kriegsgründe. Zwei weitere überlieferte Reden von ihm, eine politische Demegorie und eine Prozessrede, beide im letzten Jahrzehnt des 5. Jh. gehalten, sind für diese Abhandlung irrelevant, denn Andokides versucht in ihnen angesichts von Anschuldigungen wegen Religionsfrevel lediglich sein persönliches Handeln zu verteidigen und nimmt keinen Bezug auf außenpolitische Fragestellungen.

Lysias war kein athenischer Bürger, sondern ein aus Syrakus stammender Metöke, der in Athen hauptsächlich als Logograph wirkte. Trotzdem durfte er im Jahr 392 einen Epitaphios auf die athenischen Gefallenen einer Schlacht des Korinthischen Krieges verfassen. Darüber hinaus schrieb er eine panegyrische Festrede, den Olympiakos, die während des Olympiafestes vermutlich des Jahres 388, also ein Jahr vor Beendigung des Korinthischen Krieges, vorgetragen wurde; leider ist uns aber vom Olympiakos lediglich die Einleitung überliefert. Diese epideiktischen Reden bilden eine Ausnahme im sonst aus Gerichtsreden bestehenden Corpus Lysiacum und enthalten aufschlussreiche Gedanken des Rhetors in Bezug auf den Krieg. In diesem Zusammenhang untersuche ich speziell die unterschiedliche Bewertung und Begründung der Kriege unter Hellenen und der gegen Barbaren sowie die panhellenische Sichtweise des Rhetors bezüglich der Kriegsrechtfertigung.

Isokrates war ein athenischer Logograph und Rhetoriklehrer, der selbst nie als aktiver Redner auftrat. Seine diesbezüglichen Reden, Sendschreiben und Briefe erstrecken sich über eine Zeitspanne von vier Jahrzehnten. Es handelt sich um den Panegyrikos (380), den Plataikos (373), den Brief an Dionysios I. von Syrakus (367), den Archidamos (366), den Areopagitikos (357), die Friedensrede (355), die Antidosisrede (353), den Philippos (346), zwei Briefe an Philipp II. von Makedonien (346 und 344) und den Panathenaikos (342–339). Die Gattung und Form dieser Schriften sind unterschiedlich. Gemeinsam weisen sie allerdings mehr oder weniger politische und beratende Elemente auf. Hauptpunkte nachstehender Untersuchung ← 29 | 30 → sind die Begründung der isokrateischen Aufforderung zum panhellenischen Krieg gegen das Perserreich in verschiedenen zeitlichen Perioden, seine Bewertung des Königsfriedens im Jahr 387/6 und die damit verbundene Definition vom gerechten Friedensvertrag. Wichtig ist auch Isokrates’ Begründung für die Aufforderung zu Kriegen gegen Theben in den Reden der 370er und 360er Jahre, die zur Eindämmung der thebanischen Machtentfaltung dienen sollten. Gleichermaßen bedeutend ist die Umorientierung seines außenpolitischen Denkens in Zusammenhang mit der Kritik an expansiven und ungerechten Kriegen in den Reden der 350er Jahre und schließlich seine Bewertung vergangener Kriege Athens und Spartas in seiner letzten epideiktischen Rede, die kurz vor der Schlacht bei Chaironeia veröffentlicht wurde.

Vom isokrateischen Corpus werden folglich nur jene Schriften behandelt, die darauf abzielen, politischen Einfluss auszuüben und Stellung in Bezug auf Begründung von Kriegen zu nehmen. Ausgenommen werden daher die Gerichtsreden aus der frühen Tätigkeit des Rhetors als Logograph. Ferner werden jene Reden nicht berücksichtigt, die Auftragsarbeiten waren und lediglich zum Lob einer Einzelpersönlichkeit geschrieben wurden,37 paränetische Schriften, die das Bildungsideal des Isokrates zum Ausdruck bringen sollten, und jene Briefe an Einzelpersönlichkeiten, deren Inhalt für das zu untersuchende Thema irrelevant ist.

Demosthenes hatte sowohl eine logographische Tätigkeit als auch eine als aktiver Redner und Politiker. Ein großer Teil seines überaus umfangreichen Werkes ist überliefert. Unbedeutend für die Fragestellung der Arbeit sind neben seinen Gerichtsreden in privatrechtlichen Prozessen auch die meisten in politischen Prozessen. Untersucht werden dagegen seine ersten drei Demegorien zu außenpolitischen Fragen, also die Symmorienrede (354/3), die Rede Für die Megalopoliten (353/2) und die Rede Für die Freiheit der Rhodier (352 oder 351/0). Dadurch werden die Ansichten des Rhetors in Bezug auf die Gerechtigkeit eines athenischen Krieges gegen das Perserreich sowie die Begründung militärischer Hilfeleistung Athens für hellenische Poleis deutlich. Weiterhin werden die I. Philippische (351/0) und die drei Olynthischen Reden (349/8) in Betracht gezogen. Wichtig ist dabei die Art und Weise, wie Demosthenes den Antagonismus in Bezug auf die Vormachtstellung in Hellas zwischen Athen und dem Makedonenkönig Philipp II. wahrnimmt und folglich ein aktives militärisches Vorgehen gegen Makedonien und militärische Hilfeleistung für die chalkidische Polis Olynthos fordert und begründet. Ferner ist die Friedensrede (346) des Demosthenes insofern wichtig, dass der Redner darin zu diesem Zeitpunkt ausnahmsweise argumentativ für den Frieden mit dem Makedonenkönig eintritt. Ansichten über den gerechten Krieg sowie über den eventuellen Vertragsbruch durch den Feind als Vorwand zum Krieg sind in dieser Rede enthalten. In die zweite Hälfte der 340er Jahre gehören die politischen Reden II. Philippika (344), die Rede Über die Angelegenheiten auf der Chersonesos (341), die III. Philippika (341) und die IV. Philippika (340). Der Redner setzt sich in ihnen mit allen Mitteln für den Krieg gegen ← 30 | 31 → Philipp ein. Da seit 346 durch den Philokratesvertrag Friede zwischen Athen und Makedonien herrschte, befasst sich Demosthenes mit der Frage der Kriegsschuld, der Kriegserklärung sowie mit der Darstellung des Krieges als Verteidigungs- und Existenzkrieg, da ihm sowohl die athenische als auch die hellenische Freiheit als bedroht erscheinen. Die Begründung des Krieges enthält zusätzlich panhellenische Argumente für den Abschluss neuer Defensivbündnisse, damit Athens Vormachtstellung in Hellas gefördert werde.

Außer den politischen Demegorien des Demosthenes wird auf weitere Reden des Autors Bezug genommen, wenn dies für die Untersuchung erforderlich ist. Zu erwähnen ist die Rede Über die Truggesandtschaft, also eine Anklagerede im Jahr 343 gegen den athenischen Redner und Politiker Aischines, der ein Vertreter der promakedonischen Politik war. Darüber hinaus werden einige Stellen der politischen Rede Über Halonnesos (343/2) ausgewertet; diese Schrift wurde vermutlich von einem – dem Demosthenes gleichgesinnten – Redner, namentlich Hegesippos, verfasst und gehalten, ist aber dennoch dem Corpus Demosthenicum zugeordnet.

In den demosthenischen Reden nach 338 handelt es sich nicht mehr um die Begründung von Kriegen bzw. von Kriegsaufforderungen. Der uns erhaltene Epitaphios (338) auf die Gefallenen bei Chaironeia ist vermutlich lediglich eine Nachahmung der originalen, ursprünglichen Rede; hierin geht der Rhetor ohnehin kaum über die sonst üblichen rhetorischen Topoi der attischen Grabreden hinaus. Andererseits ist sein Meisterwerk die Verteidigungsrede gegen eine Anklage des Aischines gegen die öffentliche Kranzehrung des Demosthenes wegen seiner Verdienste um den Staat im Jahr 336 in Athen.38 Die sogenannte Kranzrede (330) ist eine sehr lebendige Verteidigung des Demosthenes für sein gesamtes Handeln seit seinem Eintritt in die politische Laufbahn. Bezüglich des Krieges mit Philipp stellt Demosthenes hierbei acht Jahre nach der Niederlage bei Chaironeia die Frage, was die Athener hätten tun sollen. In dieser Rechtfertigung des ohnehin längst verlorenen Krieges fügt der Redner keine Gedanken hinzu, die nicht bereits in den Reden vor 338, als es tatsächlich um den Einfluss auf die aktuellen politischen Entscheidungen der Ekklesia ging, emphatisch dargestellt wurden. Somit spielt diese ohnehin spektakuläre Gerichtsrede lediglich eine sekundäre Rolle in Bezug auf die Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung.

Die Reden des Aischines stellen keinen Gegenstand dieser Arbeit dar. Von seinen drei überlieferten Schriften, die alle im Rahmen von prozessrechtlichen Auseinandersetzungen mit Demosthenes verfasst wurden, kämen zwei davon, nämlich die Verteidigungsrede Über die Truggesandtschaft (343) und die Anklagerede Gegen Ktesiphon (330), die durch die Kranzrede des Demosthenes zurückgewiesen wurde, in Frage. Beide sind mit bestimmter Zielsetzung gegen seinen politischen Gegner Demosthenes geschrieben, von denen nur die erste in die zu untersuchende Zeit, also vor 338, gehört. Darin versucht Aischines seine persönliche Rolle in Hinblick auf den Abschluss des Philokratesfriedens und die promakedonische Politik in Athen ← 31 | 32 → zu verteidigen. Weder die Kriegsbegründung noch das Abraten vom Krieg gehören zur Zielsetzung oder zum eigentlichen Gegenstand der Gerichtsreden des Aischines.

Der Hauptteil der Arbeit lässt sich anhand der zu behandelnden Autoren in vier Kapitel gliedern. Nach ihrem zeitlichen Auftreten wird zunächst Andokides, danach Lysias, daraufhin Isokrates und zuletzt Demosthenes abgehandelt. Jedes dieser vier Kapitel beinhaltet relevante Informationen zum Lebenslauf und der politischen und rhetorischen Tätigkeit des jeweiligen Redners. Zusätzlich vermitteln sie Informationen über das historische Umfeld der entsprechenden Rede sowie die Einschätzung der Intention ihres Verfassers. Ferner werden Analyse und Systematisierung der Argumente zum An- oder Abraten eines Krieges einbezogen.

Die Einführung zum Andokides-Kapitel bezieht sich auf die Geschichte Athens unmittelbar nach dem Peloponnesischen Krieg und auf die Ursachen und den Ablauf des Korinthischen Krieges. Sie dient somit als Darlegung historischen Kontextes sowohl der Friedensrede des Andokides als auch des nächsten Kapitels über den Epitaphios und den Olympiakos des Lysias, die alle in der Zeit zwischen 392 und 388 verfasst wurden.

Wegen der zeitlichen Nähe überschneiden sich die historischen Einführungen der Reden der 350er und 340er Jahre des Isokrates und Demosthenes in einigen Punkten. Über die Fakten des Bundesgenossenkrieges 357–355 wird detailliert als Hintergrund der demosthenischen Symmorienrede berichtet, da diese unmittelbar mit Bezug auf die außenpolitischen Umstände der Zeit gehalten wurde. Dieselbe Darlegung kann auch als Einführung zur Friedensrede des Isokrates dienen. Dasselbe gilt bezüglich des Kapitels über den Philokratesfrieden, das zwar das Umfeld der Friedensrede des Demosthenes beleuchtet, aber auch zum Verständnis des isokrateischen Philippos wichtig ist.

Das dritte und vierte Kapitel, die die Reden des Isokrates und des Demosthenes untersuchen, sind umfangreicher als die zwei ersten, denn es wird darin eine viel größere Anzahl von überlieferten und themenrelevanten Schriften in Betracht gezogen. Im Isokrates-Kapitel wird die jeweilige Schrift einzeln untersucht, denn sie wurde mit einem gewissen Zeitabstand von der nächsten Rede publiziert, die folglich aus anderem Anlass verfasst war und teilweise oder gänzlich verschiedene Ziele verfolgte. Darüber hinaus sind die Schriften des Isokrates strukturell und inhaltlich ein explizites Ergebnis sorgfältiger Arbeit eines Rhetoriklehrers; unter diesem Aspekt soll die Argumentation jeder einzelnen Rede dargelegt werden. Im Gegensatz dazu sind Inhalt und Struktur der Argumentation des Demosthenes weniger von theoretischen Richtlinien abhängig. Seine politischen Reden sind eng mit der Real- und Tagespolitik verbunden; es war daher nicht selten, dass aufgrund der Tagesordnung der Volksversammlungen mit kleinem zeitlichem Abstand Reden über dasselbe oder ein ähnliches Thema gehalten wurden. Es werden demzufolge mehrere Reden des Demosthenes gemeinsam untersucht. Die I. Philippika und die drei Olynthischen Reden wurden in der Zeit von 351 bis 348, also unter gleichen Umständen und ähnlicher Zielsetzung, verfasst. Dasselbe gilt bezüglich vieler Aspekte für die politischen Reden der zweiten Hälfte der 340er Jahre, dementsprechend auch für die II., III. und IV. Philippika sowie für die Chersonesosrede. ← 32 | 33 →

In einem fünften Kapitel erfolgt die abschließende Zusammenfassung und Auswertung der einzelnen Ergebnisse. Die Kriegsrechtfertigung in der attischen Rhetorik der zu untersuchenden Zeit wird somit anhand historischer Exempla konzeptionell klassifiziert. Es handelt sich auf der einen Seite um die formal und sachlich abgesicherte und auf der anderen um die situativ bedingte, einseitige Begründung einer Kriegsrechtfertigung in den abgehandelten Schriften. ← 33 | 34 →


1 Vgl. Noethlichs, RAC 22 (2007) s. v. Krieg 1–76, bes. 2f. Zum Unterschied zwischen πόλεμος und στάσις vgl. Plat. Phaid. 66c; speziell zu στάσις vgl. Plat. rep. 5,470b; leg. 1,629d sowie die eingehende Abhandlung von H.J. Gehrke, Stasis. Untersuchungen zu den inneren Kriegen in den griechischen Staaten des 5. und 4. Jh. v. Chr. Den griechischen Begriffen πόλεμος und στάσις entsprechen lateinisch bellum und bellum civile bzw. tumultus (vgl. Noethlichs, RAC 22 [2007] s. v. Krieg 1–76, bes. 4; Baltrusch, Außenpolitik 23).

2 Auch wenn in einigen Fällen die Reden nicht von ihren Verfassern vorgetragen wurden, werden in dieser Arbeit Andokides, Lysias, Isokrates und Demosthenes ‚Redner‘ bzw. ‚Rhetoren‘ genannt, da alle in irgendeiner Weise die ῥητορικὴ τέχνη ausübten. Der Begriff Rhetor wird hier demzufolge auch über seine terminologisch-technische Bedeutung eines Bürgers, der am politischen Leben aktiv teilnahm, indem er regelmäßig vor der Ekklesia oder der Boulé auftrat (vgl. Hansen, GRBS 24 [1983] 33–55, bes. 39ff.; ders., The Athenian Democracy in the Age of Demosthenes 143ff.), hinaus verwendet.

3 Die chronologischen Angaben dieser Arbeit beziehen sich auf die Zeit vor Christi Geburt, solange sie nicht näher definiert werden.

4 Die These, dass man den Krieg als einen Normalzustand ansah, hat als erster der Altphilologe B. Keil (Εἰρήνη 7) vertreten. Ferner hat der Soziologe Max Weber (Wirtschaft und Gesellschaft 595) die antike Polis als eine Kriegerzunft bezeichnet. Zu ähnlichen Positionen vgl. Romilly, Guerre et paix entre cités, in: Vernant, Problèmes de la guerre en Grèce ancienne 207–220, bes. 207; Finley, Politics 67; Eckstein, Mediterranean Anarchy 42f.

5 Vgl. Meier, HZ 251 (1990) 555–605, bes. 588f. Anm. 103.

6 Meier, HZ 251 (1990) 555–605, bes. 562.

7 Burkert, Griechische Religion 400.

8 Dazu sowie zur These, dass der Krieg nicht der Normalzustand war, vgl. Gehrke, Jenseits von Athen und Sparta 52f.; Meier, HZ 251 (1990) 555–605, bes. 559. 561f. 588f. mit Anm. 103; Naef, Klio 79 (1997) 317–340, bes. 319f.; Baltrusch, Außenpolitik 24. Im frühen Hellas sind drei Typen zwischenstaatlichen Verhältnisses zu unterscheiden: a. überhaupt keine Beziehungen, b. Krieg und c. Freundschaft (vgl. Alonso, War, in: Raaflaub, War and Peace 206–238, bes. 209–214).

9 Jede öffentliche beratende Rede konnte mit dem Begriff δημηγορία wiedergegeben werden. Vgl. dazu Anaximen. rhet. Alex. 1421b 11–14.

10 Bereits in der zweiten Hälfte des 4. Jh. haben Aristoteles und Anaximenes von Lampsakos die Stellungnahme über Krieg oder Frieden den typischen Themenbereichen der beratenden bzw. politischen Reden zugeordnet. Vgl. Aristot. rhet. 1359b 19–24; Anaximen. rhet. Alex. 1423a 21–26.

11 Aristoteles unterscheidet drei rhetorische Gattungen, nämlich die beratende, gerichtliche und prunkende (γένος συμβουλευτικόν, δικανικόν, ἐπιδεικτικόν), während Anaximenes die πολιτικοὶ λόγοι in demegorische, prunkende und gerichtliche (γένος δημηγορικόν, ἐπιδεικτικόν und δικανικόν) teilt. Vgl. Aristot. rhet. 1358b 7f.; Anaximen. rhet. Alex. 1421b 7f.

12 Dazu gehören die beratenden Reden des Isokrates (vgl. Usener, Isokrates und sein Adressatenkreis, in: Orth, Isokrates 18–33, bes. 21). Auf der anderen Seite hatte Demosthenes seine politischen Reden selbst in der Ekklesia gehalten, doch einige von ihnen auch als Pamphlete publiziert (vgl. Adams, Pamphlete, in: Schindel, Demosthenes 139–157).

13 Vgl. Anaximen. rhet. Alex. 1421b 12–15; Cooper, Forensic Oratory, in: Worthington, Greek Rhetoric 203–219, bes. 207.

14 Λογογράφος war der Verfasser von Gerichtsreden. Seine Tätigkeit entsprach in mancher Hinsicht der eines heutigen Rechtsanwalts. Allerdings mussten die Prozessparteien selbst vor Gericht antreten, sodass der Logograph unerkannt im Hintergrund blieb. Vgl. Jaeger, Paideia III, 114; Rhodes/Thür, DNP 7 (1999) s. v. Logographos 401.

15 Vgl. Carey, Epideictic Oratory, in: Worthington, A Companion to Greek Rhetoric 236–252.

16 Vgl. Momigliano, Some Observations on Causes of War in Ancient Historiography, in: ders., Studies in Historiography 112–126.

17 Vgl. Hunt, War 22.

18 Platon in seiner Politeia und Aristoteles in seinen Politika beschäftigen sich am Rande mit der Kriegsrechtfertigung, und zwar als Teilaspekt ihrer Staatstheorie.

19 Vgl. Hansen, Athenian Democracy 12f.; Piepenbrink, Diskurs 97f.

20 Naef, Klio 79 (1997) 317–340, bes. 328f.

21 Vgl. dazu Ziegler, Rez. zu S. Clavadetscher-Thürlemann: Πόλεμος δίκαιος und bellum iustum, Versuch einer Ideengeschichte, in: ZRG 104 (1987) 711–716.

22 Vgl. dazu Harris, Rez. zu P. Hunt: War, in: CJ-Online, 2012.03.09, <http://www.camws.org/CJ/files/reviews/2012/2012.03.09%20Harris%20on%20Hunt,%20War,%20Peace,%20and%20Alliance.pdf>; Christ, Rez. zu P. Hunt: War, Peace and Alliance in Demosthenes’ Athens, in: BMCR, 2010.10.57, <http://bmcr.brynmawr.edu/2010/2010-10-57.html>; Eckstein, Rez. zu P. Hunt: War, in: JHS 131 (2011) 212–215; Lape, Rez. zu P. Hunt: War, in: CR 61 (2011) 536f.

23 Beiträge über Krieg, Frieden, Waffenstillstand, internationales Recht, Friedensverträge, Imperialismus im klassischen Hellas und im Athen des 4. Jh. sind in folgenden Sammelbänden zu finden: P.D.A. Garnsey/C.R. Whittaker (Hg.), Imperialism in the Ancient World; G. Binder/B. Effe (Hg.), Krieg und Frieden im Altertum; H.v. Wees (Hg.), War and Violence in Ancient Greece; K. Raaflaub (Hg.), War and Peace in the Ancient World; P. de Souza/J. France (Hg.), War and Peace in Ancient and Medieval History. Für die Diskussionen und Verhandlungen über Krieg und Frieden in der Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg bis zum Ende des Korinthischen Krieges ist die Monographie von P. Funke Homónoia und Arché relevant. Ebenfalls bietet die Arbeit von M. Jehne, Koine Eirene. Untersuchungen zu den Befriedungs- und Stabilisierungsbemühungen in der griechischen Poliswelt des 4. Jahrhunderts. v. Chr. eine Reihe von wertvollen Informationen in Bezug auf die Friedensschlüsse des 4. Jh. Bezüglich der zwischenstaatlichen Beziehungen im klassischen Hellas ist die Publikation von P. Low, Interstate Relations in Classical Greece: Morality and Power, maßgebend; es wird hierbei die Verbindung zwischen Recht und griechischer Gesellschaft in Bezug auf die internationalen Beziehungen herausgearbeitet und gezeigt, dass sich die Griechen nach denselben moralischen Normen in der Innen- und Außenpolitik orientierten. Die Interventionen in hellenischen Poleis und somit die Einschränkung ihrer Autonomie werden von P. Low als Hilfe für die Bedrängten wahrgenommen; folglich beurteilt sie den Krieg als Hilfeleistung aus der Sicht des Intervenierenden und stimmt dabei der einseitigen Argumentation der attischen Rhetoren zu.

24 Als Referenzwerke sind folgende zu erwähnen: Zu Andokides: A. Missiou, The Subversive Oratory of Andocides. Politics, Ideology and Decision-making in Democratic Athens; M. Edwards (Hg. und Übers.), Greek Orators IV: Andocides; zu Lysias: B. Kartes, Der Epitaphios des Lysias; S.C. Todd, A commentary on Lysias, Speeches 1–11; K. Brodersen (Hg.), Lysias, Reden. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Ingeborg Huber; zu Isokrates: G. Mathieu, Les idées politiques d’ Isocrate; E. Buchner, Der Panegyrikos des Isokrates. Eine historisch-philologische Untersuchung; K. Bringmann, Studien zu den politischen Ideen des Isokrates; G. Dobesch, Der panhellenische Gedanke im 4. Jh. v. Chr. und der „Philippos” des Isokrates. Untersuchungen zum Korinthischen Bund I; F. Seck (Hg.), Isokrates; D. Grieser-Schmitz, Die Seebundpolitik Athens in der Publizistik des Isokrates; P. Roth, Der Panathenaikos des Isokrates; W. Orth (Hg.), Isokrates. Neue Ansätze zur Bewertung eines politischen Schriftstellers; zu Demosthenes: W. Jaeger, Demosthenes. Der Staatsmann und sein Werden; M. Opitz, Das Bild Philipps II. von Makedonien bei den attischen Rednern im ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft; U. Schindel (Hg.), Demosthenes; J. Radicke, Die Rede des Demosthenes für die Freiheit der Rhodier (or. 15); I. Worthington (Hg.), Demosthenes: Statesman and Orator; I. Hajdú, Kommentar zur 4. Philippischen Rede des Demosthenes; Ch. Karvounis, Demosthenes, Studien zu den Demegorien orr. XIV, XVI, XV, IV, I, II, III.; G.A. Lehmann, Demosthenes von Athen. Ein Leben für die Freiheit; D.M. MacDowell, Demosthenes the Orator; W. Will, Demosthenes.

25 Auf diese Aufsätze wird im Hauptteil der Arbeit und in Bezug auf den jeweilig untersuchten Aspekt der Kriegsrechtfertigung verwiesen.

26 Man denke z. B. an die Demegorien im thukydideischen Werk, darunter den berühmten Epitaphios, den Thukydides dem Staatsmann Perikles in den Mund legt, oder an den platonischen Menexenos, also die fiktive und anachronistische Grabrede, die angeblich Aspasia, die Ehegattin des Perikles, auf die Gefallenen einer Schlacht des Korinthischen Krieges vorträgt.

27 Dass einige Reden für die Veröffentlichung in schriftlicher Form überarbeitet worden sind (vgl. Worthington, History and Oratorical Exploitation, in: ders. (Hg.), Persuasion. Greek Rhetoric in Action 109–129, bes. 114–118), ändert nichts in Bezug auf die Auswertung ihrer Argumentation, da sie meistens immer noch darauf abzielten, das politische Geschehen zu beeinflussen (dazu Piepenbrink, Diskurs 96f.).

28 Es handelt sich um einen bedeutenden Kultbund alter griechischer Stammesverbände, der in klassischer Zeit seinen Sitz in Delphi hatte. Vgl. Mannzmann, KlP 1 (1979) s. v. Ἀμφικτυονία 311ff.

29 Nach M.I. Finley (War and Empire, in: ders., Evidence and Models 67–87, bes. 79) waren alle wichtigen Kriege in der Antike, zumindest von dem Zeitpunkt an, als es in spätarchaischer Zeit große Kampfverbände gab, Kämpfe um die Hegemonie.

30 Vgl Aristot. rhet. 1358b 20. Hermogenes von Tarsos nannte sie τελικὰ κεφάλαια (vgl. Hermog. prog. 6, 12). Vgl. dazu Martin, Antike Rhetorik 169f.

31 Vgl. Anaximen. rhet. Alex. 1421b 23–33.

32 Vgl. Martin, Antike Rhetorik 169f.

33 Vgl. Anaximen. rhet. Alex. 1421b 26ff. 1422a 19–22; Dazu Martin, Antike Rhetorik 169f.; Anderson Jr., Glossary 17f.

Details

Seiten
605
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653067316
ISBN (ePUB)
9783653959567
ISBN (MOBI)
9783653959550
ISBN (Hardcover)
9783631674017
DOI
10.3726/978-3-653-06731-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
gerechter Krieg Rhetoren Arché Panhellenismus
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 605 S.

Biographische Angaben

Thomas Bounas (Autor:in)

Thomas Bounas hat Germanistik an der Universität Athen und Europastudien (M.E.S.) an der RWTH-Aachen studiert. Er wurde an der RWTH-Aachen im Fachbereich Alte Geschichte promoviert. Er ist als Lehrer an griechischen Gymnasien tätig.

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