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Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe bei GmbH-Beschlüssen

von Bettina Buddenberg (Autor:in)
©2016 Dissertation XIV, 174 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin befasst sich mit dem Beschlussmängelrecht in der GmbH; insbesondere damit, wann ein Beschluss in der GmbH als anfechtbar oder sogar als nichtig einzuordnen ist. Da sich das Beschlussmängelrecht der GmbH nicht auf eine Regelung im GmbHG stützen lässt, macht dies den Rückgriff auf andere Vorschriften erforderlich. Die analoge Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen ist hier im Grundsatz allgemein anerkannt. Bei einer entsprechenden Heranziehung ist jedoch stets die Struktur der GmbH zu beachten. Die Autorin untersucht anhand einzelner Fehlertatbestände, inwieweit eine analoge Anwendung des Aktiengesetzes in Betracht kommt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1.  Kapitel: Einleitung und Fragestellung
  • 2.  Kapitel: Grundlagen der Beschlussfassung
  • A.  Beschlussfassung in den Kapitalgesellschaften
  • I.    Die GmbH
  • 1.   Der GmbH-Gesellschafter
  • 2.   Die Gesellschafterversammlung
  • 3.   Die Geschäftsführung
  • 4.   Das Stimmrecht
  • a)    Stimmrechtsverbot
  • b)    Einschränkung der Stimmrechtsmacht
  • 5.   Stimmrechtsbindung
  • a)    Rechtsnatur einer Stimmbindung
  • b)    Sinn und Zweck von Stimmbindungen
  • c)    Zulässigkeit von Stimmbindungen
  • d)    Rechtsfolgen von Stimmbindungen
  • II.   Die AG
  • 1.   Der Aktionär
  • 2.   Die Hauptversammlung
  • 3.   Vorstand und Aufsichtsrat – die Handlungsorgane
  • 4.   Das Stimmrecht
  • III.  Zusammenfassung
  • B.  Stimmabgabe und Beschluss
  • I.    Die Stimmabgabe
  • 1.   Rechtsnatur der Stimmabgabe
  • 2.   Auswirkungen nichtiger Stimmabgabe
  • II.   Der Beschluss
  • 1.   Begriff
  • 2.   Rechtsnatur des Beschlusses
  • 3.   Verfahren der Beschlussfassung in der GmbH
  • a)    Beschlussantrag
  • b)    Abstimmung
  • c)    Mehrheitserfordernisse
  • d)    Ergebnisfeststellung und Verkündung
  • e)    Form und Protokollierung
  • f)    Zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen
  • III.  Zusammenfassung
  • 3.  Kapitel: Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen in der GmbH
  • A.  Einleitung
  • B.  Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen nach bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen
  • I.    Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, § 134 BGB
  • II.   Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts, § 138 BGB
  • III.  Verstoß gegen Formvorschriften, § 125 BGB
  • IV.  Abschließende Bewertung
  • V.   Zusammenfassung
  • C.  Unterteilung von Beschlussmängeln in verschiedene Fehlertatbestände – Anfechtbarkeit und Nichtigkeit
  • D.  Nichtige Gesellschafterbeschlüsse
  • I.    Notwendigkeit einer Einschränkung bürgerlich-rechtlicher Nichtigkeitsfolgen
  • II.   Nichtigkeit von Beschlüssen in Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften
  • 1.   Die Nichtigkeitsvorschriften des AktG im Einzelnen und deren Übertragbarkeit auf die GmbH
  • a)    Verstoß gegen Einberufungsvorschriften, § 241 Nr. 1 AktG
  • aa)   Befugnis zur Einberufung, § 121 II AktG
  • bb)   Fehlerbehaftete Einladung, § 121 III 1 AktG
  • cc)   Bekanntmachung der Gesellschafterversammlung, § 121 IV AktG
  • dd)   Vollversammlung nach § 51 III GmbHG
  • b)    Verstoß gegen Formvorschriften, § 241 Nr. 2 AktG
  • c)    Wesentlicher Rechtsverstoß, § 241 Nr. 3 AktG
  • aa)   Entstehungsgeschichte
  • bb)   Das Verhältnis der einzelnen Tatbestandsalternativen
  • cc)   Das Wesen der AG, § 241 Nr. 3 Alt.1 AktG
  • dd)   Gläubigerschützende Vorschriften, § 241 Nr. 3 Alt. 2 AktG
  • ee)   Schutz des öffentlichen Interesses, §241 Nr. 3 Alt. 3 AktG
  • d)    Inhaltlicher Verstoß gegen die guten Sitten, 241 Nr. 4 AktG
  • e)    Sittenwidrigkeit von Beschlüssen im Rahmen der sog. Firmenbestattung
  • f)    Unklare Beschlüsse
  • g)    Nichtigkeit durch Anfechtungsurteil, § 241 Nr. 5 AktG
  • h)    Löschung des Beschlusses im Handelsregister, § 241 Nr. 6 AktG
  • i)    Nichtigkeit der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds, § 250 AktG
  • j)    Fehlerhaftigkeit des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 256 AktG
  • k)    Nichtigkeit von Beschlüssen über die Gewinnverwendung
  • 2.   Heilung der Nichtigkeit
  • III.  Zusammenfassung
  • E.  Anfechtbare Gesellschafterbeschlüsse
  • I.    Verbindlichkeit eines Beschlusses
  • 1.   Festgestellte Beschlüsse
  • 2.   Einer förmlichen Feststellung gleichstehende Maßnahmen
  • 3.   Nicht festgestellte Beschlüsse
  • II.   Anfechtungsgründe
  • 1.   Formelle Anfechtungsgründe
  • a)    Fehler bei der Vorbereitung der Gesellschafterversammlung
  • b)    Fehler bei der Durchführung der Gesellschafterversammlung
  • c)    Mangelhafte Auskunft
  • d)    Fehler bei Feststellung des Abstimmungsergebnisses
  • 2.   Materielle Anfechtungsgründe
  • a)    Verstöße gegen Vorschriften der Satzung
  • aa)   Verstoß gegen den Gesellschaftszweck
  • bb)   Verstoß gegen den Unternehmensgegenstand
  • cc)   Verstoß gegen Verschmelzungs- und Unternehmensverträge
  • dd)   Weitere Satzungsverstöße
  • b)    Verstöße gegen Bestimmungen des Gesetzes
  • aa)   Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
  • bb)   Verletzung der Treuepflicht
  • cc)   Verstoß gegen die guten Sitten
  • dd)   Erstreben von Sondervorteilen, § 243 II AktG
  • ee)   Fehler bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
  • ff)   Fehler bei der Feststellung des Jahresabschlusses
  • gg)   Fehler bei der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung
  • hh)   Anfechtung einer Kapitalerhöhung, § 255 II AktG
  • 3.   Materielle Inhaltskontrolle
  • 4.   Auswirkungen eines Verstoßes gegen Gesellschaftervereinbarungen
  • a)    Meinungsstand
  • b)    Stellungnahme
  • 5.   Beseitigung von Mängeln
  • III.  Zusammenfassung
  • 4.  Kapitel: Geltendmachung von Beschlussmängeln in der GmbH
  • A.  Einleitung
  • B.  Die Etablierung des Anfechtungsklageerfordernisses
  • C.  Gegenauffassung
  • I.    Bedürfnis für eine alternative Geltendmachung
  • II.   Alternativen zur Anfechtungsklage
  • D.  Analogie zu § 243 AktG
  • I.    Sinn und Zweck der Anfechtungsklage in der AG
  • II.   Vergleichbarkeit der Interessenlagen in GmbH und AG
  • III.  Ergebnis
  • E.  Lösungskonzepte vor dem Hintergrund eines Abgrenzungsbedürfnisses.
  • I.    Anfechtungsklageerfordernis als allgemeines Prinzip des Verbandsrechts
  • 1.   Verfassungsmäßigkeit der Institutionenbildung
  • 2.   Grenzen
  • II.   Umsetzbarkeit bereits entwickelter Abgrenzungskriterien
  • III.  Neuer Lösungsansatz
  • 1.   Die UG als Abgrenzungskriterium
  • 2.   Ergebnis
  • F.  Zusammenfassung
  • 5.  Kapitel: Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse und Ausblick
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

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1.  Kapitel: Einleitung und Fragestellung

Das Beschlussmängelrecht der GmbH lässt sich nicht auf eine Regelung im GmbHG stützen. Bereits bei der Einführung des GmbHG im Jahr 1892 unterließ der Gesetzgeber die Aufnahme konkreter Bestimmungen in Bezug auf das Beschlussmängelrecht in der GmbH.1 Aus diesem Grund bedurfte es von jeher einer Einschaltung der Rechtsprechung.2 Einig war man sich in der Rechtsprechung bereits frühzeitig dahingehend, dass bei fehlerhaften Gesellschafterbeschlüssen keine uneingeschränkte Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften möglich sein dürfe, da dies zur Konsequenz hätte, dass eine Unterscheidung zwischen Nichtigkeits- und Anfechtbarkeitsgründen unterbleiben müsse und Beschlussmängel ausschließlich zur Nichtigkeit des Beschlusses führen würden.3 Ein solcher Umgang mit Beschlussmängeln könne weder den Interessen der Gesellschaft, noch denen der Gesellschafter gerecht werden.4 Das Recht eines GmbH-Gesellschafters, sich gegen gesetzes- und satzungswidrige Beschlüsse zur Wehr zu setzen, wurde von Beginn an von Seiten der Rechtsprechung anerkannt.5 In daran anschließenden Entscheidungen wurde die Tendenz in der Rechtsprechung deutlich, einer Anlehnung an das AktG den Vorzug geben zu wollen.6 So sah das RG u. a. den Bedarf, Anfechtungsklage zu erheben, auch für die GmbH als gegeben an.7 Der BGH schloss sich in seiner Rechtsprechung dem RG an und bestimmte, dass „Vorschriften des Aktienrechts sinngemäß angewendet werden könnten, soweit Besonderheiten der GmbH keine Abweichung notwendig machten.“8 Der BGH wich in seiner weiteren Rechtsprechung von diesem eingeschlagenen Weg nicht mehr ab.9 Er bejaht nach wie vor eine entsprechende Anwendung aktienrechtlicher Anfechtungsvorschriften.10 So sind denn auch vom Versammlungsleiter festgestellte Beschlüsse zunächst verbindlich und ihnen anhaftende Anfechtbarkeitsmängel können ausschließlich mittels Anfechtungsklage geltend gemacht werden.11 Die h. A. in der Literatur pflichtet dem BGH in seiner ← 1 | 2 → Rechtsprechungs-Praxis bei.12 In jüngster Zeit wurden jedoch auch kritische Stimmen laut.13 So wird vertreten, Nichtigkeits- und Anfechtungsklage seien ein allgemeines Institut des Verbandrechts und dementsprechend hätte eine Ausdehnung auf Personengesellschaften und Vereine zu erfolgen.14 Andere kritisieren u. a. den Ausschluss aller anderen Rechtsbehelfe bei der GmbH.15 In diesem Bereich seien die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften nicht gegeben. Es bestehe mithin vor allem keine vergleichbare Interessenlage bei AG und GmbH.16 So muss sich die bislang h. M. neuerdings mit Kritik auseinandersetzen.

In Ermangelung jedweder gesetzlicher Regelung im Bereich des Beschlussmängelrechts der GmbH kommt der hier behandelten Thematik also eine besondere Bedeutung im Rahmen des Gesellschaftsrechts zu. So überrascht es nicht, dass das Beschlussmängelrecht der GmbH in der Diskussion steht. Einerseits erscheint es nahe liegend, aufgrund der augenscheinlich kapitalistischen Struktur der GmbH die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend heranzuziehen, andererseits können auch gewisse Parallelen der GmbH zu den Personengesellschaften nicht bestritten werden. Die GmbH ist als Gesellschaftsform also strukturell zwischen AG und Personengesellschaft angesiedelt.17 Dieser Umstand wirft einige Fragen auf. So bereitet die rechtliche Einordnung des Beschlussmängelsystems der GmbH größere Schwierigkeiten. Ob eine Orientierung am Personengesellschaftsrecht zu erfolgen hat oder ob die aktienrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen sind, ist im Detail entscheidend für die Frage, wann ein Beschluss als fehlerhaft einzustufen ist. Daran schließen sich Überlegungen dahingehend an, welche Möglichkeiten den Gesellschaftern an die Hand zu geben sind, die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen geltend zu machen. Diese Arbeit soll der Aufklärung dieser Fragestellungen dienen. Es soll der Versuch unternommen werden, einen Beitrag zur Entscheidungsfindung im Rahmen der aktuellen Diskussion zu leisten. ← 2 | 3 →

Diese Untersuchung untergliedert sich in vier Teile. In einem ersten Schritt bedarf es für eine umfängliche Beurteilung der Thematik einer Grundlegung. So sollen zunächst die Struktur von GmbH und AG betrachtet sowie der Bedeutung von Stimmabgabe und Beschluss nachgegangen werden. Die Bestimmung der Rechtsnatur von Beschluss und Stimmabgabe ist wesentlich für eine spätere Einordung der einzelnen Fehlertatbestände sowie für deren Geltendmachung. Eine Kategorisierung des Beschlusses als Rechtsgeschäft führt zu einer Anwendbarkeit der das Rechtsgeschäft regelnden bürgerlich-rechtlichen Vorschriften und darauf aufbauender Spezialvorschriften.18 Um schließlich eine Einordnung unter die verschiedenen Fehlertatbestände vornehmen zu können, ist es wichtig, sich mit den Teilhabe- und Partizipationsrechten des einzelnen Gesellschafters auseinanderzusetzen, vor allem mit dem Stimmrecht, welches sich als das herausragende Verwaltungsrecht des einzelnen Gesellschafters darstellt.19 Insofern nimmt auch die Betrachtung von Stimmbindungen einen gewissen Stellenwert ein, da hierdurch die Freiheit zur Stimmrechtsausübung, als „das“ Teilhaberecht, eine Einschränkung erfährt.20 Allein im Rahmen von Stimmabgabe und Beschlussfassung kann also eine Reihe von Fehlern auftreten, die schließlich dazu führen, dass der Beschluss nichtig ist oder doch zumindest angreifbar wird.

An die Grundlegung schließt sich der Schwerpunkt dieser Untersuchung an. Dort werden die Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe, die als solche einen Beschluss zu Fall bringen können, genau betrachtet. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Fragestellung, ob die aktienrechtlichen Nichtigkeitsvorschriften auch bei Beschlüssen der GmbH zur Anwendung gelangen. Dies wird zumeist als fast schon selbstverständlich hingenommen,21 lohnt aber einer eingehenden Betrachtung. Im Rahmen der Nichtigkeitsgründe werden zuallererst Verstöße gegen Einberufungsvorschriften i.S.v. § 241 Nr. 1 AktG beleuchtet. Vor allem die Einberufung durch Unbefugte ist von besonders praktischer Relevanz; denn Streitigkeiten über die wirksame Bestellung eines Geschäftsführers, welcher i.d.R. die Gesellschafterversammlung einberufen wird, sind nicht unüblich und das Bedürfnis nach Rechtsklarheit ist in diesem Bereich daher groß. Auch die Bestimmung des § 241 Nr. 3 AktG, welche bei wesentlichen Rechtsverstößen eingreift, bedarf aufgrund der Unbestimmtheit der darin enthaltenen Begriffe einer genauen Untersuchung. Es erfolgt ← 3 | 4 → eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 241 Nr. 3 AktG zueinander. So soll eine kritische Auseinandersetzung mit der von Einigen vertretenen Auffassung erfolgen, der Alternative „Unvereinbarkeit mit dem Wesen der AG“ könne keine eigene Regelungskompetenz zugestanden werden.22 Alsdann soll die Anwendbarkeit der „Wesensalternative“ auf die GmbH mit Hilfe einer Hervorhebung der wichtigsten Strukturmerkmale der GmbH näher beleuchtet werden. Es folgen Ausführungen zu den Alternativen, Verletzung von gläubigerschützenden Vorschriften (§ 241 Nr. 3 Alt. 2) und Schutz des öffentliches Interesses (§ 241 Nr. 3 Alt. 3 AktG).

Fraglich ist des Weiteren, wann ein inhaltlicher Verstoß gegen die guten Sitten (§ 241 Nr. 4 AktG) in der GmbH gegeben sein kann. Auch hier wird über die richtige Auslegung der Vorschrift gestritten.23 Vor allem in Diskussion steht die Frage der Reichweite des Nichtigkeitsgrundes „Sittenwidrigkeit“. Darf nur auf den inneren Gehalt eines Beschlusses abgestellt werden oder kann es auch auf die Motive ankommen, die die Gesellschafter zur Beschlussfassung bewogen haben?24 Hier fügt sich auch die aktuell in der Rechtsprechung zutage tretende Problematik der sogenannten Firmenbestattung ein. So hat sich die Rechtsprechung derzeit verstärkt mit der Frage der Unwirksamkeit von Beschlüssen im Rahmen einer Firmenbestattung, die die Bestellung bzw. Abberufung von Geschäftsführern zum Inhalt haben, zu beschäftigen.25 Aber auch die Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 250 AktG oder die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 256 AktG können oftmals wegen ihrer Fehleranfälligkeit die Nichtigkeit eines Beschlusses zur Folge haben.

Im Rahmen der Anfechtungsgründe bedarf es zunächst der Klärung, wann ein Beschluss als verbindlich anzusehen ist; denn an die Verbindlichkeitswirkung knüpft letztlich die Anfechtbarkeit eines Beschlusses an.26 Die Anfechtungsgründe gliedern sich im Wesentlichen in formelle und materielle Anfechtungsgründe. So kommen als formelle Fehler solche bei der Vorbereitung sowie bei der Durchführung der Gesellschafterversammlung oder bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses in Betracht. Aber auch die Verletzung der Auskunftserteilungspflicht gegenüber den Gesellschaftern kann als formeller Fehler zur Anfechtbarkeit des ← 4 | 5 → Beschlusses führen.27 Als materielle Fehler kommen Verstöße gegen Vorschriften der Satzung oder gegen Bestimmungen des Gesetzes in Betracht (§ 243 AktG analog). So führt eine Satzungsdurchbrechung, sofern diese nicht dauerhaft ist, zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses. Möglich sind in diesem Bereich insbesondere Verstöße gegen den Gesellschaftszweck, den Unternehmensgegenstand sowie Verstöße gegen Verschmelzungs- und Unternehmensverträge.28 Soweit es Verletzungen gegen Bestimmungen des Gesetzes anbelangt, kommt dem Grundsatz auf Gleichbehandlung und der Treuepflicht besondere Bedeutung zu. Im Rahmen der Treuepflicht besteht vor allem erhebliches Konfliktpotential, soweit es die Verfolgung eigener Interessen anbetrifft.29 Ferner ist die Rechtsprechung dazu übergegangen, Beschlüsse einer sog. materiellen Inhaltskontrolle auf Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht zu unterwerfen. Beschlüsse werden dahingehend überprüft, ob sie „sachlich berechtigt“ sind und nicht willkürlich beschlossen wurden.30 Umstritten ist jedoch, ob diese Kontrolle nur auf bestimmte strukturändernde Beschlüsse anzuwenden ist.31 Ebenfalls hervorzuheben sind Verstöße gegen Gesellschaftervereinbarungen. Es ist zu prüfen, welche Auswirkungen ein solcher Verstoß auf den Beschluss tatsächlich haben kann. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Bestimmung der Rechtsnatur solcher Vereinbarungen. Sind sie als materieller Satzungsbestandteil anzusehen, so bedeutet eine Verletzung die Anfechtbarkeit des Beschlusses.32 Fraglich ist, wie solche Vereinbarungen zu behandeln sind, wenn sie sich außerhalb des Satzungstextes befinden oder diese nur formeller Bestandteil der Satzung geworden sind. Es steht in Diskussion, ob Verstöße gegen schuldrechtliche Nebenabreden die Anfechtbarkeit eines Beschlusses begründen können.33

Im sich daran anschließenden Kapitel wird die Frage der Geltendmachung solcher Beschlussmängel behandelt. So ist es äußerst umstritten, ob Mängel des ← 5 | 6 → Beschlusses, wie in der AG, ausschließlich gemäß § 246 AktG analog mittels Anfechtungsklage geltend gemacht werden können oder ob es den Gesellschaftern einer GmbH ermöglicht werden muss, Mängel auch auf andere Weise geltend zu machen.34 Die bestehenden Auffassungen werden einander gegenübergestellt und neue Lösungsansätze vorgestellt.

Die Arbeit schließt im letzten Kapital mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ab.


1 Michalski/Römermann, Anh. § 47 Rn. 1 ff.; Bork/Schäfer/Casper, § 47 Rn. 61.

2 Michalski/Römermann, Anh. § 47 Rn. 1 ff.

3 RGZ 49, 141 (145); RGZ 64, 14 (14); RGZ 80, 330 (335).

4 RGZ 49, 141 (145); RGZ 64, 14 (14); RGZ 80, 330 (335).

5 RGZ 49, 141 (145); RGZ 64, 14 (14); RGZ 80, 330 (335).

6 RGZ 85, 311 (313); RGZ 89, 367 (379); RGZ 131, 141 (144 f.); BGHZ 11, 231 (235); BGHZ 14, 25 (30); BGHZ 101, 113 (116 ff.); BGHZ 104, 66 (68); BGHZ 108, 21 (23).

7 RGZ 85, 311 (313); RGZ 89, 367 (379); RGZ 131, 141 (144 f.).

8 BGHZ 11, 231 (235).

9 BGHZ 14, 25 (30); BGHZ 101, 113 (116 ff.); BGHZ 104, 66 (68); BGHZ 108, 21 (23).

Details

Seiten
XIV, 174
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653067378
ISBN (ePUB)
9783653959543
ISBN (MOBI)
9783653959536
ISBN (Paperback)
9783631674048
DOI
10.3726/978-3-653-06737-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Beschlussmängelrecht Fehlertatbestände Aktienrecht Beschlussfassung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XIV, 174 S.

Biographische Angaben

Bettina Buddenberg (Autor:in)

Bettina Buddenberg studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität in Marburg und der Université de Poitiers. Sie ist als Rechtsanwältin tätig und wurde an der Marburger Fakultät für Rechtswissenschaften promoviert.

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