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Die grenzüberschreitende Verlustverrechnung international agierender Unternehmen

Unter besonderer Berücksichtigung aktueller EuGH-Rechtsprechung

von Lars Fähling (Autor:in)
©2016 Dissertation 302 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch befasst sich mit der Frage, ob und wie international tätige Unternehmen europäische Auslandsverluste bei der inländischen Besteuerung geltend machen können. Im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung steht die Rechtsprechungsentwicklung des EuGH seit der Rechtssache Marks & Spencer. Mit zunehmender Anzahl an Gerichtsentscheidungen wurde die grenzüberschreitende Verlustverrechnung im Rahmen der «finalen Verluste» Gegenstand intensiver und kontroverser Rechtsdiskussion. Die vorliegende Arbeit nimmt eine kritische Bestandsaufnahme des nationalen Steuerrechts vor. Dabei untersucht der Autor, welche Folgen mit der EuGH-Rechtsprechung einhergehen und welche Lösungsansätze einen gangbaren Weg ebnen könnten, um dem Europäischen Gedanken eines gemeinsamen Binnenmarkts gerecht zu werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Kapitel: Gang der Untersuchung, Überblick über die grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Unionsrecht und die Bedeutung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
  • I. Gang der Untersuchung
  • II. Überblick über die grenzüberschreitende Verlustverrechnung
  • 1. Der Verlustbegriff und seine Bedeutung für grenzüberschreitende Unternehmungen
  • a) Der Verlustbegriff
  • b) Verlustvarianten
  • aa) Anlaufverluste
  • bb) Laufende Verluste
  • cc) Endgültige bzw. finale Verluste
  • dd) Stellungnahme
  • 2. Stufen der Verlustverrechnung
  • a) Grundlegendes
  • b) Die einzelnen Stufen der Verlustverrechnung
  • aa) Intraperiodische Verlustverrechnung
  • bb) Interperiodische Verlustverrechnung
  • (1) Verlustvortrag
  • (2) Verlustrücktrag
  • (3) Besondere Bedeutung bei der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung
  • cc) Intersubjektive Verlustverrechnung
  • 3. Handlungsformen der grenzüberschreitenden Unternehmungen
  • a) Konzernkonstellation
  • aa) „Pooling“
  • (1) Grundlegendes
  • (2) Variante der nationalen Organschaftsregelung
  • (a) Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft
  • (b) Gewerbesteuerliche Organschaft
  • bb) Konzerninterner Verlustübertrag
  • cc) (Voll-)konsolidierung bzw. Consolidation
  • dd) Besonderheit der grenzüberschreitenden Gruppenbesteuerung
  • ee) Anderweitige Verlustverrechnungsvorschriften
  • b) Betriebsstättenkonstellation
  • aa) Grundlegendes
  • bb) Betriebsstättenbegriff
  • 4. Nationale Verlustverrechnungsvorschriften und deren Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben
  • a) Grundlegendes
  • b) Einkommen- und Körperschaftsteuer
  • aa) Verfassungsrecht bei rein inländischer Unternehmung
  • bb) Verfassungsrecht bei ausländischer Unternehmung
  • c) Gewerbesteuer
  • aa) Verfassungsrecht bei rein inländischer Unternehmung
  • bb) Verfassungsrecht bei ausländischer Unternehmung
  • d) Beurteilung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
  • 5. Doppelbesteuerungsabkommen
  • 6. Unionsrecht und die besondere Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung
  • a) Unionsrecht und direkte Steuern
  • b) Primäres Unionsrecht
  • aa) Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes
  • bb) Grundfreiheiten
  • (1) Vorgaben
  • (a) Diskriminierungsverbot
  • (b) Beschränkungsverbot
  • (2) Gewährleistung unter Vorbehalt
  • c) Sekundäres Unionsrecht
  • aa) Grundlegendes
  • bb) Harmonisierungsmaßnahmen für die grenzüberschreitende Verlustverrechnung
  • (1) Gescheiterte Vorhaben
  • (2) Gegenwärtige Vorhaben
  • (3) Zusammenfassung
  • cc) Sogenannte Verstärkte Zusammenarbeit
  • d) Besondere Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung
  • 7. Zwischenergebnis
  • 2. Kapitel: EuGH-Rechtsprechungsentwicklung zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung
  • I. Die Leitentscheidung in der Rs. Marks & Spencer
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Schlussanträge des Generalanwalts
  • 3. Rechtsprechung: Grenzüberschreitende Verlustverrechnung nur im Finalitätsfall
  • 4. Beurteilung der Marks & Spencer-Rechtsprechung
  • 5. Vergleichbarkeit mit der deutschen Unternehmensbesteuerung
  • II. Rs. Oy AA
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Oy AA-Rechtsprechung
  • III. Rs. Lidl Belgium
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Lidl Belgium-Rechtsprechung
  • IV. Rs. Krankenheim Ruhesitz am Wannsee
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Rechtsprechung
  • V. Rs. X Holding
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der X Holding-Rechtsprechung
  • VI. Rs. Philips Electronics UK
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Philips Electronics UK-Rechtsprechung
  • VII. Rs. A Oy
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der A Oy-Rechtsprechung
  • VIII. Rs. K
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der K-Rechtsprechung
  • IX. Rs. Felixstowe Dock and Railway
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Felixstowe Dock and Railway-Rechtsprechung
  • X. Rs. SCA Group Holding
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der SCA Group Holding-Rechtsprechung
  • XI. Rs. Nordea Bank
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Nordea-Rechtsprechung
  • XII. Rs. EU-Kommission gegen UK
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Rechtsprechung
  • XIII. Rs. Groupe Steria SCA
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der Groupe Steria-Rechtsprechung
  • XIV. Rs. IFN
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteilsgründe
  • 3. Beurteilung der IFN-Rechtsprechung
  • XV. Zwischenergebnis
  • 3. Kapitel: Nationale Umsetzung der unionsrechtlichen und bilateralen Vorgaben
  • 1. Abschnitt Körperschaftsteuerliche Organschaft
  • I. Der Rechtsstreit AWD Holding AG
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Urteil des BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10
  • 3. Urteil des Niedersächsischen FG vom 11.02.2010 - 6 K 406/08
  • II. Die Niedersächsische FG-Entscheidung als Anknüpfungspunkt für die allgemeinen Auswirkungen der aktuellen EuGH-Rechtsprechung
  • 1. Allgemeines zur deutschen Organschaftbesteuerung
  • a) Gesetzliche Voraussetzungen nach §§ 14 ff. KStG
  • b) Existenz einer grenzüberschreitenden Organschaft
  • 2. Grenzüberschreitende Verlustverrechnung
  • a) Verzicht auf den doppelten Inlandsbezug bei dem Organträger gemäß § 14 Absatz 1 Satz 1 KStG
  • aa) Voraussetzungen bis zur Gesetzesänderung 2013
  • bb) Voraussetzungen seit der sog. kleinen Organschaftsreform
  • b) Verzicht auf den doppelten Inlandsbezug bei der Organgesellschaft
  • c) Neufassung des § 14 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 KStG
  • d) Zwischenergebnis
  • 3. Gewinnabführungsvertrag gemäß § 14 Absatz 1 Nr. 3 KStG
  • a) Gesellschaftsrechtlicher Einfluss: Frage des anzuwendenden Rechts bei Vertragsschluss
  • aa) Ausländische Kapitalgesellschaft
  • bb) Inländische Kapitalgesellschaft im Inland
  • b) Gegenläufige Ansicht
  • c) Konsequenz aus der Unionsrechtswidrigkeit des Gewinnabführungsvertrag
  • 4. Die Umsetzung der EuGH-Vorgaben durch das Niedersächsische FG
  • a) Rechtliche Würdigung der ergänzenden Voraussetzungen: „Vorherige“ Verlustübernahmevereinbarung für die Mindestdauer von fünf Jahren
  • b) Kompetenzüberschreitung oder legitime Unanwendbarkeit/ normerhaltende Reduktion der Organschaftsregelungen
  • aa) Allgemeine Pflichten der nationalen Finanzgerichte
  • (1) Vorlagepflicht der nationalen Finanzgerichte
  • (2) Bindungspflicht an die Organschaftsregelungen nach §§ 14 ff. KStG
  • bb) Möglichkeiten der Korrektur von unionsrechtswidrigen Steuervorschriften
  • (1) Teilunanwendbarkeit der Organschaftsregelungen
  • (2) Gestalterisches Tätigwerden der nationalen Finanzgerichtsbarkeit
  • c) Allgemeine gestalterische Möglichkeiten zu den Organschaftsvoraussetzungen
  • aa) Normerhaltende Reduktion auf Gewährung finaler Verluste
  • bb) Faktische Organschaft
  • cc) Vollständige Erweiterung des Anwendungsbereichs auf grenzüberschreitende Konzernkonstellationen
  • dd) Reaktionen aus der Steuerpraxis
  • ee) Stellungnahme zu den Allgemeinen Möglichkeiten
  • III. Gesamtergebnis
  • 2. Abschnitt Gewerbesteuerliche Organschaft
  • I. EuGH-Rechtsprechung
  • II. BFH-Rechtsprechung
  • 1. Sachverhalt zum Urteil I R 54, 55/10
  • 2. Entscheidung des BFH
  • III. Reaktionen auf das Urteil I R 54, 55/10
  • 1. Finanzverwaltung
  • 2. Schrifttum
  • IV. Übertragbarkeit der Entscheidung auf die körperschaftsteuerliche Organschaft
  • V. Stellungnahme
  • 3. Abschnitt Grenzüberschreitende Verlustverrechnung von ausländischen Betriebsstätten
  • I. EuGH-Vorgaben seit der Rs. Lidl Belgium
  • II. Umsetzung der EuGH-Vorgaben
  • 4. Kapitel: Finalität ausländischer Verluste
  • 1. Abschnitt Grundlegende Frage: Wegfall der Forderung nach einer Berücksichtigung finaler Verluste seit der Rs. X Holding?
  • I. Bestandsaufnahme der ergangenen Rechtsprechung mit Finalitätsbezug
  • 1. EuGH-Rechtsprechung seit der Rs. Marks & Spencer
  • 2. BFH-Rechtsprechung
  • 3. Rechtsprechung der Finanzgerichte
  • II. Reaktion auf die Rechtsprechung
  • 1. Reaktion der Finanzverwaltung auf die BFH-Rechtsprechung
  • 2. Reaktion der Bundesregierung bzw. des Bundesfinanzministeriums
  • 3. Beurteilung der Reaktionen
  • III. Indizien für den Wegfall der Finalität in der Steuerwissenschaft
  • 1. Rs. X Holding
  • a) Bedeutung der „Beliebigkeitsgrenze“ für die Existenz der Verlustverrechnungspflicht im Finalitätsfall
  • aa) Abkehr von den Finalitätskriterien
  • bb) Ergänzung der Finalitätskriterien
  • b) Reduzierung des „Rechtfertigungstrias“
  • c) Unbeachtlichkeit der fehlenden Aussage zu finalen Verlusten
  • d) Vergleichspaarbildung
  • 2. (Kein) Wegfall auf Grundlage der Schlussanträge in der Rs. A Oy
  • a) Schlusanträge der Generalanwältin Kokott
  • b) Reaktion auf die Schlussanträge und Beurteilung
  • c) Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung
  • 3. Fortbestand der Marks & Spencer-Rechtsprechung in den Rs. K, Felixstowe, SCA Group Holding, Nordea Bank und EU-Kommission gegen UK
  • IV. Wegfall der Finalität mit den bevorstehenden EuGH-Entscheidung in der Rs. Timac Agro?
  • 1. Sachverhalt
  • 2. Besonderheit der Vorlagefrage durch das Finanzgericht
  • 3. Sog. Rüttelvorlage
  • 4. Reaktion und Beurteilung
  • 5. Schlussanträge von Generalanwalt Wathelet
  • a) Schlussanträge
  • b) Reaktion und Beurteilung
  • V. Stellungnahme
  • VI. Zwischenergebnis
  • 2. Abschnitt Berücksichtigung von finalen Verlusten bei der nationalen Ertragsteuer (KStG, EStG und GewSt)
  • I. Grundlegendes
  • II. Qualifizierung als final im Sinne der Verlustverrechnung im Ansässigkeitsstaat
  • 1. EuGH-Rechtsprechung
  • a) Rs. Marks & Spencer
  • b) Rs. Lidl Belgium
  • c) Rs. Krankenheim Ruhesitz am Wannsee
  • d) Rs. X Holding
  • e) Folgeurteile Rs. K, Felixstowe Dock and Railway, Nordea Bank und EU-Kommission gegen UK
  • f) Stellungnahme
  • 2. BFH-Rechtsprechung
  • a) BFH – I R 84/04, Urteil zu der Rs. Lidl Belgium
  • b) BFH – I R 100/09
  • c) BFH – I R 107/09
  • d) BFH – I R 16/10
  • e) BFH – I R 48/11
  • 3. Rechtsprechung der Finanzgerichte
  • III. Wann sind Verluste als final zu qualifizieren?
  • 1. Grundlegendes
  • 2. Maßgebendes Recht für die Feststellung finaler Verluste
  • 3. Tatsächliche Hinderungsgründe der Verlustnutzung
  • a) Liquidation bzw. Einstellung der ausländischen Unternehmung
  • aa) Liquidation der ausländischen Tochtergesellschaft
  • bb) Einstellung der ausländischen Betriebsstätte
  • (1) Schrifttum
  • (2) Stellungnahme
  • cc) Aktueller Vorstoß des FG Hamburg – 2 K 355/12
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Vorschreiten des FG Hamburg
  • b) Dauerhafte Verlusterzielung der ausländischer Unternehmungen
  • c) Umstrukturierungsmaßnahmen und Unternehmensveräußerung
  • aa) Grundlegendes
  • bb) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mantelkaufvorschriften
  • d) Zwischenergebnis
  • 4. Rechtliche Hinderungsgründe der Verlustnutzung
  • 5. Ausschlaggebender Hinderungsgrund zur Entstehung der Finalität
  • a) Rechtsprechung
  • b) Finanzverwaltung
  • aa) BMF-Schreiben vom 13.7.2009
  • bb) Bayerisches Landesamt für Steuern – Argumentationspapier vom 19.2.2010
  • c) Schrifttum
  • d) Stellungnahme
  • IV. Verfahrensrechtliche Ermittlung
  • 1. Vorgaben des EuGH
  • 2. Vorgaben des BFH
  • a) Gesonderte Verlustfeststellung nach § 10d EStG
  • b) Nachweispflicht des Unternehmens
  • V. Zeitpunkt der Verlustberücksichtigung
  • 1. Wirtschaftsjahr des Eintritts der Finalität (sog. „phasenverschobene“ Berücksichtigung)
  • a) Rechtsprechung
  • aa) Aktuelle Rechtsprechungspraxis des BFH
  • bb) FG Düsseldorf
  • cc) FG Hamburg
  • b) Finanzverwaltung
  • c) Schrifttum
  • d) Stellungnahme
  • 2. Wirtschaftsjahr der Entstehung der Verluste (sog. „phasengleiche“ Verlustberücksichtigung)
  • a) Rechtsprechung
  • aa) Ursprüngliche Rechtsprechungspraxis des BFH
  • bb) Finanzgericht
  • b) Finanzverwaltung
  • c) Schrifttum
  • d) Stellungnahme
  • 3. Kritik an der Finalitätslösung des BFH
  • 4. Zwischenergebnis zur Finalität bei der Körperschaftsteuer
  • VI. Berücksichtigung von finalen Verlusten bei der Gewerbesteuer
  • 1. Grundlegendes
  • 2. Rechtsprechungsentwicklung
  • a) BFH-Rechtsprechung
  • b) Finanzgericht Hamburg
  • 3. Stellungnahme
  • 5. Kapitel: Handlungsvorschläge und Reformentwürfe für eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung
  • I. Nationale Handlungsvorschläge
  • 1. Grundlegendes
  • 2. Sachbericht „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“
  • a) Konzernkonstellation
  • aa) Gruppenbeitrags-Modell
  • bb) Einkommenszurechnungs-Modell
  • cc) IFSt-Modell
  • dd) Bewertung der Modelle durch die Facharbeitsgruppe
  • ee) Stellungnahme
  • b) Betriebsstättenkonstellation
  • aa) Gesetzlicher Ausschluss der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung
  • bb) Verlustverrechnung von finalen Betriebsstättenverlusten
  • cc) Entscheidung der Facharbeitsgruppe
  • c) Vereinbarkeit des Reformvorschlags mit dem Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit
  • d) Reaktion auf den Reformvorschlag
  • 3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts
  • a) Grundlegendes
  • b) Änderungsvorschläge und deren Umsetzung
  • aa) Verlustrücktrag gemäß § 10d Absatz 1 Satz 1 EStG
  • bb) Sogenannte doppelter Inlandsbezug
  • (1) Organgesellschaft
  • (2) Organträger
  • cc) Gewinnabführungsvertrag
  • dd) Erweiterung der Verlustbeschränkung auf Organgesellschaften
  • ee) Feststellungsverfahren
  • c) Stellungnahme
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Europäische Handlungsvorschläge
  • 1. „Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ (GKKB)
  • a) Grundlegendes zum Richtlinienvorschlag zur „Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ (GKKB-RLV)
  • b) Grenzüberschreitende Verlustverrechnung im GKKB-RLV
  • aa) Zusammenfassender Überblick des GKKB-RLV
  • bb) Bildung einer Unternehmensgruppe
  • c) Vergleichbarkeit mit der geltenden Rechtslage
  • d) Auswirkungen auf das nationale Steuerrecht
  • e) Auswirkungen auf Doppelbesteuerungsabkommen
  • f) Stellungnahme
  • 2. Gemeinsame Bemessungsgrundlage (GKB)/Common Corporate Tax Base (CCTB)
  • a) Fortbestand von Teilaspekten der GKKB
  • b) Grenzüberschreitende Verlustverrechnung
  • c) Stellungnahme
  • III. Die österreichische Gruppenbesteuerung und Betriebsstättenbesteuerung – Allheilmittel oder vergebenes Jahrzehnt?
  • 1. Vergleichbare Ausgangslage der Konzernbesteuerung
  • a) Gemeinsame Historie
  • b) Steuerpolitische Zielvorgaben
  • 2. Gesetzliche Rahmenbedingungen für eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung
  • a) Grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung
  • aa) Begrenzung auf grenzüberschreitende Verlustverrechnung
  • bb) Voraussetzungen zur Gruppenbildung
  • cc) Zeitpunkt und Ermittlung der Verlustverrechnung
  • dd) Höhe der Verlustverrechnung
  • ee) Nachversteuerung zur Vermeidung der doppelten Verlustnutzung
  • (1) (Nicht genutzte) Verlustverrechnungsmöglichkeit im Ansässigkeitsstaat
  • (2) Ausscheiden des ausländischen Gruppenmitglieds
  • b) Keine vollumfängliche grenzüberschreitende Konzernbesteuerung
  • 3. Unionsrechtliche Prüfung der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung
  • a) Ungleichbehandlung gegenüber einer rein inländischen Unternehmensgruppe
  • b) Begrenzung auf bestimmte Gruppenmitglieder
  • c) Höhe der Verlustverrechnung
  • d) Nachversteuerung zur Vermeidung der doppelten Verlustnutzung
  • e) Stellungnahme
  • 4. Bestandsaufnahme der ersten Praxiserfahrungen
  • 5. Deckungsgleiches Übernahmepotential für die deutsche Konzernbesteuerung
  • 6. Grenzüberschreitende Verlustverrechnung in der Betriebsstättenkonstellation
  • a) Grundlegendes
  • b) Kritik an der geltenden Rechtslage
  • c) Vorbildfunktion für die deutsche Betriebsstättenbesteuerung
  • 7. Steuerstrategische Vergleichbarkeit von ausländischer Konzernkonstellation und Betriebsstättenkonstellation
  • 8. Stellungnahme
  • IV. Wiedereinführung einer Nachversteuerungsregelung nach dem Vorbild § 2a Absatz 3 EStG a.F.
  • 1. Grundlegendes
  • 2. Argumente für die Einführung einer Nachversteuerung
  • a) Liquidität
  • b) Verfassungsrechtliches und unionsrechtliches Gebot
  • c) Aktuelle Entwicklungen in Österreich
  • 3. Argumente gegen die Einführung einer Nachversteuerungsmethode
  • a) Steuerumgehung
  • b) Aktuelle Rechtsprechung
  • c) Widerlegung der Liquiditätsnachteile
  • 4. Vermittelnder Vorschlage zur Ausgestaltung
  • 5. Stellungnahme
  • V. Zwischenergebnis und Ausblick
  • Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Schlussbemerkung
  • Literaturverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis

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Einleitung

Die grenzüberschreitende Verlustverrechnung nimmt einhergehend mit der Globalisierung und der zunehmenden Vernetzung wirtschaftlicher Aktivitäten, insbesondere innerhalb der Europäischen Union (EU)1, eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Besteuerung der Unternehmen ein. Neben international agierenden Konzernen sind seit mehreren Jahren auch viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) zur Sicherung und Erschließung von Einkaufs- und Absatzmärkten europaweit und auf internationaler Ebene grenzüberschreitend tätig. Die Auslandsunternehmungen erwirtschaften nicht selten (Anlauf-)Verluste. Sobald die Verluste im Ausland nicht (mehr) genutzt werden können, versuchen die expandierenden Unternehmen die Auslandsverluste bei der inländischen Besteuerung geltend zu machen. Dabei treffen die Unternehmen auf nationale Verlustverrechnungsbeschränkungen, die ausländische Unternehmungen im Vergleich zu rein inländischen Unternehmungen schlechter stellen. Diese Ungleichbehandlung ist Folge eines zwar europapolitisch gewollten, aber noch nicht harmonisierten Europäischen Unternehmenssteuerrechts, deren Entwicklung für die Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes dringend notwendig ist. Die Mitgliedstaaten haben bis dahin bei der direkten Besteuerung die alleinige Steuerhoheit und können unter Wahrung des primären Unionsrechts, insbesondere der Grundfreiheiten, die grenzüberschreitende Verlustverrechnung beschränken. Die EU hat gegenwärtig nur auf zweierlei Wegen2 die Möglichkeit, Einfluss auf die nationale Steuergesetzgebung zu nehmen. Mangels Bereitschaft aller 28 Mitgliedsstaaten der EU zur Schaffung eines gemeinsamen Verlustverrechnungssystems nimmt damit der Gerichtshof der Europäischen Union3 (EuGH) die zentrale Rolle bei der Zielverwirklichung der Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes ein. Bis zum ersten wegweisenden EuGH-Urteil in der Rs. Marks & Spencer hatte der EuGH die Finanzautonomie der ← 21 | 22 → Mitgliedstaaten stark eingeschränkt4 und die Steuerwissenschaft war sich einig, dass der EuGH die europäischen Mitgliedstaaten zu Harmonisierungsmaßnahmen auch bei der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung zwingen würde5. Mit zunehmender Anzahl an Gerichtsentscheidungen auf europäischer6 und nationaler Ebene7 zu den direkten Steuern ist die grenzüberschreitende Verlustverrechnung im Rahmen der sogenannten finalen Verluste Gegenstand intensiver und kontroverser Rechtsdiskussion geworden.

Neben der Rs. Marks & Spencer8 folgten die Urteile in den Rs. X Holding9 und Philips Electronics UK10, A Oy11. K12, Felixstowe13, Nordea Bank14 zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung sowie mit mittelbar erheblichen Auswirkungen auf die Beurteilung der finalen Verluste das Urteil zur Rs. Oy AA15.

Der EuGH hat nach der Entscheidung in der Rs. Marks & Spencer in den anderen Urteilen die Finalität von Verlusten, die eine besondere Bedeutung bei der Beurteilung der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung einnimmt, nicht angesprochen16. Dagegen liegen für die Betriebsstättenkonstellation die EuGH-Urteile in den Rs. Lidl Belgium17 Krankenheim Ruhesitz am Wannsee18 sowie in der anhängigen ← 22 | 23 → Rs. Timac Agro19 vor, deren Rechtsstreitigkeiten sich auf („finale“)20 Verluste und die deutschen Steuervorschriften bezogen.

Der EuGH ließ dabei durchgängig in allen Verfahren die Frage unvollständig beantwortet, wann finale Verluste vorliegen sowie zu welchem Zeitpunkt die Verluste geltend gemacht werden können. Die nationalen Finanzgerichte nahmen sich dieser Frage an und kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, so dass der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst mehrere Entscheidungen hierüber traf, die es zu bewerten gilt.

In der Rechtsprechungsentwicklung wird inzwischen zum Teil eine Abkehr des EuGH von der negativen Integration hin zur positiven Integration gesehen. Zusätzliche Aktualität und Brisanz gewinnt die Rechtsprechungslinie durch das jüngst ergangene EuGH-Urteil in der Rs. X Holding21. Seit dem ist allein zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungshoheit der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit durch eine rein inländische Gruppenbesteuerung gerechtfertigt. Die sogenannten finalen Verluste werden nicht erwähnt. Stattdessen wird die „Beliebigkeitsgrenze“ angeführt22. Ob der EuGH hiermit eine Abkehr von der Grundsatzentscheidung in der Rs. Marks & Spencer vorgenommen hat, wird in der Steuerwissenschaft kontrovers diskutiert. Diese Entwicklung lässt die Annäherung von Unionsrecht und mitgliedstaatlicher Steuerhoheit im Rahmen des direkten Steuerrechts in ein neues Licht23. Der EuGH hat in der Rs. A Oy die Rechtsfigur der „finalen“ Verluste in einer Konzernkonstellation weiterhin fortbestehen lassen, aber den Anwendungsbereich negativ konkretisiert und deren Nichtvorliegen weiter definiert. Die von der Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen vorausgesagte abschließende Klärung der Behandlung von finalen Verlusten erfolgte dagegen nicht. Ihre Schlusanträge mit fortbestehender ← 23 | 24 → Darlegung der Gründe für eine Abkehr von den finalen Verlusten insbesondere in der Rs. Nordea Bank wurden von dem EuGH nicht aufgenommen. Auch im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Großbritannien und Irland, in dem sie mit ihren Schlussanträgen weiterhin versuchte dem EuGH das Ende der Rechtsfigur der finalen Verluste zu verdeutlichen blieb unbeachtet24.

Der Weg zu einer „herrschenden Meinung“ ist weiterhin noch nicht geebnet. Hierbei entstehen Probleme im Rahmen der Vergleichbarkeit der Einzelfallentscheidungen mit den unterschiedlichen nationalen Rechtsformen der Unternehmen und der damit einhergehenden individuellen steuerrechtlichen Behandlung in den jeweiligen Mitgliedsstaaten sowie bei der Anwendung der Freistellungsmethode aufgrund der bilateral geschlossenen völkerrechtlichen Verträge in Form von Doppelbesteuerungsabkommen.

In dieser Arbeit stellt sich die Frage, welche Folgen die EuGH-Rechtsprechung für das nationale Steuerrecht hat. In Deutschland gibt es mangels Vorabentscheidungsverfahren zu den Gruppenbesteuerungssystemen der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft keine aktuelle EuGH-Rechtsprechung. Der BFH hat keine verbindliche Aussage zu den einzelnen Voraussetzungen zur Bildung einer grenzüberschreitenden Organschaft bei der Körperschaftsteuer getroffen. Dabei lagen dem BFH aktuell mehrere Revisionsverfahren vor, in denen zuvor Finanzgerichte eine rechtliche Prüfung der grenzüberschreitenden Verlustverrechnungsbeschränkung vorgenommen haben25.

Im Gegensatz zum Niedersächsischen Finanzgericht (FG) hat der BFH die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft nicht auf deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht geprüft und hat damit auch eine mögliche Vorlage vor dem EuGH vermieden. Trotz der EuGH-Rechtsprechungsentwicklung zu den mitgliedstaatlichen Konzernbesteuerungsmodellen, deren Vergleichbarkeit mit der nationalen Organschaftsregelung weitestgehend angenommen wird, bestehen auch nach der sog. kleinen Organschaftsreform26 weiterhin erhebliche Zweifel an der unionskonformen Ausgestaltung der einzelnen Organschaftsvoraussetzungen der §§ 14 ff. KStG. Im Mittelpunkt steht das Erfordernis eines gemeinsamen Gewinnabführungsvertrags i. S. d. § 291 AktG. Diese Voraussetzung wird auch in einer rein inländischen Konzernkonstellation stark kritisiert. Zudem findet sie bei grenzüberschreitenden Unternehmungen mangels Regelungsbestands im Ausland keine Anwendungsmöglichkeit. Der Gesetzgeber verzichtet mit der Verabschiedung der kleinen Organschaftsreform durch den Bundesrat am 1.2.2013 auf den doppelten Inlandsbezug der Organgesellschaften, der bereits Gegenstand eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens war. Das Erfordernis ← 24 | 25 → der doppelten Anbindung des Organträgers wurde im Gegensatz zu der Organgesellschaft bereits vor mehreren Jahren abgeschafft. Sowohl der Sitz als auch die Gesellschaft soll nach diesem Prinzip im Inland liegen.

Das Niedersächsische FG versuchte die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Organschaftsregelungen normerhaltend zur Wahrung des Unionsrechts zu reduzieren. Dabei nahm das Gericht nicht nur eine Anpassung durch Nichtanwendung der unionsrechtswidrigen Rechtsvorschriften vor, sondern schaffte neue Voraussetzungen, die ersatzweise von den steuerpflichtigen Unternehmen im Falle der Grenzüberschreitung erfüllt werden mussten.

Seit der ersten BFH-Rechtsprechung zu den finalen Verlusten bei ausländischen Tochterkapitalgesellschaften und ausländischen Betriebsstätten wird die grenzüberschreitende Verlustverrechnung auch bei der inländischen Gewerbesteuerermittlung in engen Grenzen gefordert27. Dies wird von der Steuerpraxis teilweise abgelehnt28.

Die Gewerbesteuer nimmt anders als die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer grundsätzlich auf den ersten Blick bei grenzüberschreitenden Unternehmungen eine untergeordnete Rolle ein. Ursache hierfür ist die unterschiedliche Herangehensweise der Steuergesetzgeber bei der Besteuerung. Erfolgt in den meisten Ländern die einkommensteuerliche und körperschaftsteuerliche Gewinnermittlung nach dem Welteinkommensprinzip, ist die Gewerbesteuer, dem Territorialitätsprinzip folgend, ausschließlich auf die im Inland durch Gewerbebetriebe erwirtschafteten Erträge begrenzt und lässt somit die Auslandsunternehmungen bei der inländischen Besteuerung unberücksichtigt29.

Die Kritik an der BFH Rechtsprechung zu der Gewerbesteuer bei grenzüberschreitenden Unternehmungen findet ihren Höhepunkt in einem die grenzüberschreitende Verlustverrechnung nicht unmittelbar betreffenden Steuerfall. In der Sache I R 54, 55/1030 entschied der BFH, dass eine gewerbesteuerliche Organschaft zwischen einer inländischen Organgesellschaft und einer im europäischen Ausland ansässigen Mutterkapitalgesellschaft als Organträgerin gebildet werden könne, auch wenn die Gesellschaften über eine inländische Zwischenholding miteinander verbunden sind. Der BFH bezog sich bei der Urteilsfindung ausschließlich auf die abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote und ließ das Unionsrecht vollständig unangewandt. Damit wäre aus deutscher höchstrichterlicher Sicht eine über die mitgliedstaatlichen Grenzen hinausgehende Organschaftsbildung auch im Drittstaatenfall denkbar. ← 25 | 26 → Zu diesem Urteil erging ein Nichtanwendungserlass des BMF in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es sich hierbei um einen Einzelfall handele und die BFH-Grundsätze in anderen Steuerfällen keine Anwendung fänden31. Dies ist erstaunlich, erging doch das Urteil zu der Gesetzeslage im Jahr 1999, in dem der Gewinnabführungsvertrag noch keine Voraussetzung für die gewerbesteuerliche Organschaft war und der EuGH in der Zwischenzeit zumindest für laufende Verluste den Geltungsbereich von einer Gruppenbesteuerung ausschließlich für inländische Steuerpflichtige für unionsrechtskonform erachtet. Damit stellen sich im Schrifttum zweierlei besprochene Fragen: Erstens, ob die Verlustverrechnung ebenfalls bei der Gewerbesteuer im Finalitätsfall zu erfolgen hat32 und zweitens, ob die Voraussetzungen, die an die wirksame Organschaftsbildung gesetzt werden, umsetzbar sind und auch Auswirkungen auf eine grenzüberschreitende körperschaftsteuerliche Organschaft haben könnten33.

In Bezug auf die Finalität von Verlusten hat der BFH die Vorgaben des EuGH konkretisiert und deren Anwendungsbereich restriktiv für eine nationale Verlustverrechnung ausgelegt. Hierfür hat er im Rahmen eines obiter dictum drei Fallgruppen gebildet, in denen finale Auslandsverluste bei der nationalen Besteuerung der inländischen Muttergesellschaft oder des inländischen Stammhauses im Wirtschaftsjahr des Eintritts der Finalität phasenverschoben geltend gemacht werden können sollten. Dabei widerlegt der BFH seine zunächst vorgenommene Entscheidung, die finalen Verluste phasengleich in den Verlustentstehungsjahren rückwirkend zu berücksichtigen. Die Finanzgerichte haben dementsprechend keine einheitliche Judikatur finden können.

Laut BFH führen finale Verluste zum inländischen Verlustabzug, wenn die Auslandsverluste aus tatsächlichen Gründen innerhalb des im Ausland gewährleisteten Verlustverrechnungszeitfensters nicht mehr bei der ausländischen Besteuerung genutzt werden können. In folgenden Fällen soll die Verlustberücksichtigung vorliegen können: Umwandlung, Übertragung und vollständige Aufgabe.

Mit dieser Konkretisierung hat der BFH versucht, die Marks & Spencer-(Ausnahme-)Rechtsprechung auf nationaler Ebene umzusetzen, um eine unionskonforme Rechtslage bei der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung zu schaffen.

Auf Finanzgerichtsebene, in der Praxis und im Schrifttum bestehen weiterhin weitgehende Zweifel, zu welchem Zeitpunkt welche Auslandsverluste als finale Verluste in welcher Höhe bei der inländischen Besteuerung geltend zu machen sind.

Trotz bzw. wegen der aktuell erheblich in Kritik geratenen EuGH-Verfahren A Oy, K und Nordea Bank ist der BFH nicht von seiner Rechtsprechungslinie abgewichen, sondern folgt seinen aufgestellten Grundsätzen34. Der EuGH selbst sieht sich nicht ← 26 | 27 → bereit die von den Generalanwälten seit der Rs. X Holding geforderten Abkehr von finalen Verlusten nachzukommen und auf deren Begründung einzugehen35.

Umso mehr gewinnt daher die vom FG Köln am 19.2.2014 ergangene Rechtsprechung36 in der beim EuGH anhängigen Rs. Timac Agro37 an Bedeutung, weil erstmalig der EuGH eine Vorlagefrage von einem Finanzgericht vorgelegt bekommt, welches ständiger BFH-Rechtsprechung und der EuGH-Rechtsprechung entgegen tritt, dabei den BFH außen vorlässt und seine widerlegende Argumentation strukturiert und systematisch darzulegen versucht um die allseits geforderte Lösungsfindung der aufgeworfenen Fragen zu den finalen Verlusten abschließend klären zu können. Bemerkenswert ist dabei die als sog. „Rüttelvorlage“38 zu bezeichnebnde bezeichnende Vorlagefrage, in der die finalen Verluste einer generellen Neubewertung bedürfen. Das FG Köln (er-)kennt damit keinerlei nationale und europäische ergangene Rechtsprechung zu der Rechtsfigur der finalen Verluste an und widerspricht der ständigen Rechtsprechungspraxis auf naionaler und unionsrechtlicher Ebene. Es lässt die Vermutung zu, dass mit dieser Vorlagefrage alles auf Null gestellt werden soll um dem EuGH die Möglichkeit zu geben den Anwendungsbereich der Rechtfertigungsgründe dogmatisch sauber zu definieren um diese quantitativ und qualitativ voneinander abzugrenzen und die Frage zu klären, wie und wann finale Verluste überhaupt vorliegen.

Zudem hatte sich die Bundesregierung mit Beginn der 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages in ihren Koalitionsvereinbarungen die Reformierung des deutschen Unternehmenssteuerrechts zum Ziel gesetzt. Eine vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) eingesetzte Arbeitsgruppe hat die aus der Steuerwissenschaft entwickelten Reformvorschläge einer Prüfung unterzogen und eigene Handlungsvorschläge auf den Weg gebracht. Aufgrund der europäischen Staaten- und Finanzkrise wurde neben kleineren Gesetzesanpassungen und der sog. kleinen Organschaftsreform39 die ursprünglich geplante Reformierung nicht vollzogen. Die Reformbestrebungen auf EU-Ebene sind aufgrund eines von der EU-Kommission eingebrachten Richtlinienvorschlages für die Einführung einer „Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ (GKKB) auf den Weg gebracht40. Das vom EU-Parlament angenommene Reformbestreben befindet sich seit dem in Überarbeitungsschritten, ← 27 | 28 → die jeweis als Kompromissvorschläge vom Vorsitz des Rates (Dänemark41, Irland42 und Litauen43) vorgestellt wurden, die eine Berücksichtigung von finalen Verlusten nach gegenwärtigem Stand obsolet werden lassen. Die Bundesregierung hat in ihren Koalitionsverhandlungen die Prüfung bzw. Einführung einer GKKB vereinbart44. Deutschland und Frankreich verkündeten im Rahmen der Vorstellung eines Grünbuchs eine engere Zusammenarbeit zur Schaffung eines angepassten gemeinsamen Unternehmenssteuerrechts, deren Aktivitäten seit dem Regierungswechsel in Frankreich im Mai 2012 sehr schleppend wieder aufgenommen wurden.

Damit stellen sich weiter die Fragen: in welcher Form das geltende Steuerrecht den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht, ob die nationale Finanzgerichtsbarkeit entsprechend der EU-Vorgaben die finalen Verluste qualifiziert, ob die Reformvorschläge handhabbare Lösungsmöglichkeiten darstellen oder andere Alternativen eine bessere Wirkung erreichen. Österreich löste sich bereits im Jahr 2005 zugunsten eines modernen Gruppenbesteuerungsmodells von der Organschaft, die historisch bedingt der deutschen Regelung sehr ähnlich war.

Die vorliegende Arbeit soll eine kritische Bestandsaufnahme der nationalen Verlustverrechnung bei einer grenzüberschreitenden Unternehmung vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung erbringen und dabei einen Gesamtüberblick über die gegenwärtige steuerrechtliche und europarechtliche Lage der Unternehmen mit grenzüberschreitender Tätigkeit geben. Die Probleme bei der Besteuerung aufgrund der Verlustfrage sollen systematisch aufgezeigt und die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung rechtlich gewürdigt werden, die Reaktion der deutschen Finanzgerichtsbarkeit und der Finanzverwaltung bewertet und ein Weg für Auslandsengagements eines inländischen Unternehmens mit ausländischen Unternehmungen aufgezeigt werden. Diese Arbeit soll auch einen Beitrag leisten, zu der Frage wo das Europäische Steuerrecht steht.


1 Am 1.12.2009 ist der Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl. C 306 v. 17.12.2007, S. 1) in Kraft getreten. Damit einhergehend ist die EU nach Art. 1 Absatz 3 Satz 3 EUV die Rechtsnachfolgerin der Europäischen Gemeinschaft (EG). Des Weiteren wurde der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) inhaltlich geändert und trägt jetzt die Bezeichnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Der Vertrag über die Europäische Union (EUV) wurde ausschließlich inhaltlich geändert.

2 Entweder die Europäische Kommission schlägt eine gemeinsame Richtlinie vor, die dann einstimmig von allen 28 Mitgliedstaaten verabschiedet werden muss oder der EuGH stellt in einem Verfahren fest, dass das nationale Steuerrecht gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Ausführlich hierzu siehe 1. Kap.

3 Ehemals Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

4 Köhler, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung im EU-Kontext, in: FS Mellwig, S. 212; vgl. Kaiser, Zur Anerkennung funktionsschwacher Gesellschaften im deutschen Steuerrecht, IStR 2009, S. 121, 128.

5 Tumpel, Diskussion, in: von Groll, Verluste im Steuerrecht, DStJG Band 28, S. 316, 318.

6 Insbesondere die EuGH-Urteile in den Rs. Marks & Spencer, Oy AA, Lidl Belgium, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee, Columbus Container und Stahlwerke Ergste Westig, SGI, X Holding, Philips Electronics UK, A Oy, K, Felixstowe, Nordea, und die Schlussanträge in der Rs. Timac Agro.

7 Niedersächsisches FG, Urt. v. 11.2.2010, 6 K 406/08, BFH, Urt. v. 9.11.2010, I R 16/10; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.3.2010, 1 K 2406/07, Revision zurückgenommen: BFH, I R 34/10. Zu einem gewerbesteuerlichen „In-bound Fall“: BFH, Urt. v. 9.2.2011, I R 54, 55/10, BStBl I 2012, S. 106.

8 EuGH, Urt. v. 13.12.2005, Rs. C-446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, S. I-10837.

9 EuGH, Urt. v. 25.2.2010, Rs. C-337/08, X Holding, Slg. 2010, S. I-1215.

10 EuGH, Urt. v. 6.9.2012, Rs. C-18/11, Philips Electronics UK, Abl. EU 2011, Nr. C 89, S. 11, Vorinstanz: Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber), v. 12.1.2011.

11 EuGH, Urt. v. 21.2.2013, Rs. C-123/11, A Oy, EuZW 2013, S. 269 f.

12 EuGH, Urt. v. 7.11.2013, Rs. C-322/11, K.

13 EuGH, Urt. v. 14.4.2014, Rs. C-80/12, Felixstowe.

14 EuGH, Urt. v. 17.7.2014, Rs. C-48/13, Nordea Bank.

15 EuGH, Urt. v. 18.7.2007, Rs. C-231/05, Oy AA, Slg. 2007, S. I-6373, Verweis auf 2. Kap.

16 Musil, Was sind Verluste?, DB 2011, S. 2451, 2452.

17 EuGH, Urt. v. 15.5.2008, Rs. C-414/06, Lidl Belgium, Slg. 2008, S. I-3601.

18 a.A. Blumenberg, Die Zukunft der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung in der EU, in: FS Herzig, S. 211, 220, der in der Rs. Krankenheim Ruhesitz am Wannsee nicht den Abzug von Auslandsverlusten, sondern allein die Vermeidung der späteren Nachversteuerung als Verfahrensgegenstand sieht.

19 EuGH, C-388/14, Timac Agro.

20 Ausdrückliche Erwähnung der finalen Verluste nur in der Rs. Lidl Belgium.

Details

Seiten
302
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653068009
ISBN (ePUB)
9783653958881
ISBN (MOBI)
9783653958874
ISBN (Paperback)
9783631674253
DOI
10.3726/978-3-653-06800-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Finale Verluste Grenzüberschreitende Organschaft Marks & Spencer - Rechtsprechung Nachversteuerungsmethode
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 302 S.

Biographische Angaben

Lars Fähling (Autor:in)

Lars Fähling promovierte an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam.

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Titel: Die grenzüberschreitende Verlustverrechnung international agierender Unternehmen
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