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Whistleblowing

Eine Untersuchung arbeitsrechtlicher Aspekte und des Reformbedarfs nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

von Mario Brungs (Autor:in)
Dissertation 464 Seiten

Zusammenfassung

Der Autor untersucht die arbeitsrechtlichen Grenzen des Whistleblowings. Insbesondere diskutiert er die für die Praxis bedeutsamen Fragen des Kündigungsrechts unter Einbeziehung der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR, des BVerfG und des BAG. Ferner erörtert er neuere gesetzgeberische Initiativen zur Verbesserung des arbeitsrechtlichen Schutzes der Whistleblower und stellt einen eigenen Gesetzesentwurf vor.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung, Vorstellung des Themas
  • Gang der Untersuchung
  • 1. Teil: Externes Whistleblowing – Verhaltensbedingte Kündigung aufgrund der Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht
  • A. Die organisationsexterne Offenbarung eines betrieblichen Missstandes als Grund zur verhaltensbedingten Kündigung
  • I. Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis
  • 1. Verschwiegenheitspflicht
  • 2. Treue-, Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht
  • 3. Kündigungsrelevanz der Verletzung einer Nebenpflicht
  • II. Die Konkretisierung der Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB
  • 1. Grundrechte im Arbeitsrecht
  • 2. Die Grundrechte des Arbeitnehmers als Grenze der Loyalitätspflicht
  • a) Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG
  • aa) Bedeutung und Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG beim Whistleblowing
  • bb) Schutzbereichsverkürzung durch das Bundesarbeitsgericht
  • cc) Ablehnung der schutzbereichseinschränkenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
  • b) Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip
  • c) Art. 17 GG
  • 3. Das grundrechtlich geschützte Interesse des Arbeitgebers
  • 4. Abwägung unter Beachtung der Schranken-Dogmatik
  • 5. Der Abwägungsvorgang in der Rechtsprechung
  • 6. Abschließende Definition
  • a) Arbeitnehmer
  • aa) Whistleblowing in der Leiharbeit
  • (1) Rechtliche Konstruktion der Arbeitnehmerüberlassung
  • (2) Zulässigkeit und Notwendigkeit der Übertragung des Schutzmaßstabes
  • (a) Zulässigkeit der Übertragung des Schutzmaßstabes
  • (b) Notwendigkeit des Schutzes der Leiharbeitnehmer
  • (3) Verwirklichung des Schutzes
  • (4) Weitergehender Schutz für Leiharbeitnehmer?
  • (5) Ansprechpartner des Leiharbeitnehmers
  • (6) Ergebnis
  • bb) Der Compliance Officer
  • cc) Weitere arbeitsrechtliche Erscheinungsformen
  • b) Gesetzeswidrige Vorkommnisse oder sonstige unethische Missstände
  • c) Keine Beschränkung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
  • d) Organisationsinterne Missstände
  • e) Organisationsexterne Offenbarung
  • f) Drohung mit einer Offenbarung
  • aa) Abweichende instanzgerichtliche Rechtsprechung
  • bb) Ergebnis
  • g) Fazit
  • B. 1. und 2. Prüfungsebene
  • I. 1. Prüfungsebene – Ausschlusstatbestände
  • 1. Gesetzliche Pflicht zur Anzeige
  • 2. Straftaten unmittelbar gegen den Arbeitnehmer
  • 3. Drohende eigene strafrechtliche- oder ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers aufgrund eines betrieblichen Missstandes
  • 4. Irrtum über das Vorliegen eines Ausschlusstatbestands
  • II. 2. Prüfungsebene – Prüfungspflicht des Whistleblowers
  • 1. Ausgangspunkt: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juli 2001
  • a) Sachverhalt
  • b) Entscheidung
  • 2. Wissentlich unwahre Angaben
  • 3. Leichtfertig falsche Angaben
  • a) Maßstab der Leichtfertigkeit
  • b) Differenzierung zwischen der Prüfungspflicht und der sachlichen Berechtigung des Vorwurfes
  • c) Absenkung der Anforderungen an die Prüfungspflicht bei der Gefährdung von bedeutenden Rechtsgütern?
  • aa) Problematik
  • bb) Vergleichbare Konfliktlage in der Situation des einstweiligen Rechtsschutzes
  • cc) Keine Absenkung der Prüfungspflicht bei Gefährdung von bedeutenden Rechtsgütern
  • d) Leichtfertigkeit und Irrtum
  • aa) Irrtum über den Wahrheitsgehalt der Informationen
  • bb) Irrtum auf der Subsumtions- oder Rechtsebene und die Auswirkungen einer vorhergehenden anwaltlichen Beratung
  • 4. Wirkung außerhalb des Strafverfahrens
  • 5. Umsetzung durch das BAG, Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Juli 2003 – 2 AZR 235/02
  • a) Sachverhalt
  • b) Entscheidung
  • c) Bewertung
  • d) Kritik
  • 6. Kein enumerativer Kriterienkatalog des Bundesarbeitsgerichts
  • III. Fazit
  • C. 3. Prüfungsebene – Die Abwägungskriterien im Übrigen bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
  • I. Motivation des Beschäftigten
  • 1. Niedere Beweggründe als Motivation des Arbeitnehmers
  • 2. Das Kriterium der Motivation des Arbeitnehmers zum „Whistleblowing“ im Abwägungsprozess der Kündigung
  • a) Ablehnung des Kriteriums
  • b) Weitere Argumente für die Beibehaltung des Kriteriums
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Motivbündel
  • a) Die strafrechtliche Bewertung von Motivbündeln.
  • b) Arbeitsrechtliche Bewertung
  • aa) Die Bewertung von Motivbündeln im AGG
  • bb) § 612a BGB
  • c) Schlussfolgerung für den Umgang mit Motivbündeln beim Whistleblowing
  • d) Ergebnis
  • 4. Whistleblowing-Prämien
  • II. Die sachliche Berechtigung der Offenbarung
  • 1. Eignung des Kriteriums
  • 2. Vorrangige Gewichtung des Kriteriums
  • 3. Sachliche Berechtigung und Motivation
  • III. Innerbetriebliche Abhilfe
  • 1. Varianten neben der Verpflichtung zum vorherigen innerbetrieblichen Hinweis
  • a) Selbsthilfe
  • b) Leistungsverweigerungsrecht
  • aa) Gesetzliche Ausgangssituation
  • bb) Privilegierte Leistungsverweigerung beim Whistleblowing
  • (1) Einschätzungsprärogative
  • (2) Beamtenrechtliche Remonstrationspflicht
  • (3) Ergebnis
  • cc) Das Leistungsverweigerungsrecht als subsidiäre innerbetriebliche Maßnahme
  • dd) Berechtigte Leistungsverweigerung grundsätzlich erst nach erfolgtem innerbetrieblichen Hinweis und Abhilfeversuch
  • 2. Innerbetrieblicher Hinweis
  • a) Der Vorrang des innerbetrieblichen Hinweises
  • b) Ausnahmen von der Verpflichtung des vorhergehenden innerbetrieblichen Hinweises
  • aa) Ausschlusstatbestände
  • bb) Weitere Einschränkungen
  • (1) Schwerwiegende Straftat
  • (2) Differenzierung nach der Person, die die Straftat begangen hat
  • (3) Abhilfe ist berechtigterweise nicht zu erwarten
  • (4) Differenzierung nach den anzeigenden Personen
  • (5) Grundsätze der Erforderlichkeit einer Abmahnung – Abmahnung „vice versa“
  • (a) Konzept
  • (b) Kritik
  • (c) Fazit
  • cc) Auswirkungen eines bestehenden Hinweisgebersystems auf den innerbetrieblichen Klärungsversuch
  • c) Gesetzlich geregelte innerbetriebliche Beschwerderechte
  • IV. Die Rangfolge der Kriterien im Übrigen
  • 1. Motivation vorrangig gegenüber der sachlichen Berechtigung
  • 2. Verhältnis der Motivation gegenüber der internen Hinweisverpflichtung
  • 3. Ergebnis
  • V. Grundsatz der Abmahnung
  • 1. Entbehrlichkeit der Abmahnung beim Whistleblowing aufgrund fehlender Eignung
  • 2. Entbehrlichkeit der Abmahnung aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung
  • 3. Konzept zur Bestimmung der Entbehrlichkeit einer Abmahnung in Whistleblowing-Konstellationen
  • 4. Erfordernis der Abmahnung bei einer Kündigung außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG
  • a) Im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB
  • b) Treuwidrige und sittenwidrige Kündigungen
  • aa) Grundsätzlich keine Abmahnung bei einer ordentlichen Kündigung außerhalb des Schutzbereiches des KSchG
  • bb) Anwendbarkeit der Abmahnung in Whistleblowing-Konstellationen außerhalb des KSchG
  • cc) Kein Verstoß gegen das Abstandsgebot bei Anwendung der Grundsätze der Abmahnung
  • dd) Alternative Lösung, informelle Anhörung
  • 5. Ergebnis
  • VI. Erfordernis einer abschließenden Interessenabwägung
  • 1. Allgemeine abschließende Interessenabwägung im Sinne der Rechtsprechung
  • 2. Whistleblowing spezifizierte abschließende Interessenabwägung
  • VII. Erfordernis des Nachweises eines konkreten Schadens in Whistleblowing-Konstellationen
  • 1. Nachweisbarkeit der whistleblowingbedingten Schäden
  • 2. Der Schaden als Abwägungskriterium in anderen Konstellationen der verhaltensbedingten Kündigung
  • 3. Ergebnis
  • 4. Exkurs: Der Schadensersatzanspruch gegen den Whistleblower
  • a) Der materielle Schaden
  • b) Die Pflichtverletzung
  • c) Das Verschuldenselement
  • VIII. Fazit
  • D. 4. Prüfungsebene? – Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Heinisch vom 21. Juli 2011 – 28274/08, das besondere öffentliche Interesse der offenbarten Informationen
  • I. Sachverhalt
  • II. Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. März 2006 – 7 Sa 1884/05
  • III. Nichtzulassungsbeschwerde und Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde
  • IV. Kritische Würdigung der Entscheidung des LAG Berlin – 7 Sa 1884/05
  • 1. Wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben
  • a) Allgemeine Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess
  • b) Besondere Beweislastverteilung bei einer Kündigung aufgrund von Whistleblowing?
  • c) Die Anwendung der abgestuften Darlegungs- und Beweislast des Landesarbeitsgerichts Berlin im Fall Heinisch
  • aa) Eingehungsbetrug aufgrund fehlender Leistungsfähigkeit
  • bb) Abrechnungsbetrug
  • cc) Anwaltliche Beratung als Indiz gegen die Leichtfertigkeit und Auswirkungen der Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens
  • dd) Ergebnis
  • 2. Unverhältnismäßige Reaktion der Arbeitnehmerin
  • aa) Keine innerbetriebliche Abhilfe
  • bb) Klärung durch den MDK
  • (1) Staatliche Kontrollinstanz und individuelles Anzeigerecht
  • (2) Negative Indizwirkung einer individuellen Anzeige bei anderen Stellen als der originär zuständigen staatlichen Kontrollinstanz
  • (3) Negative Indizwirkung eines fehlenden Zuwartens auf das Ergebnis einer durchgeführten Kontrolluntersuchung
  • (a) Maßstab im Fall Heinisch
  • (b) Allgemeiner Maßstab zur Bestimmung der zumutbaren Zeitspanne
  • cc) Andere Ziele der Arbeitnehmerin, Motivation
  • 3. Weitere Kritik
  • a) Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses
  • b) Austausch der Kündigungsgründe
  • c) Entbehrlichkeit einer Abmahnung
  • 4. Fazit
  • V. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
  • 1. Entscheidung
  • 2. Die Verfahrensart vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
  • 3. Art. 10 EMRK und Art. 5 Abs. 1 GG
  • 4. Die Begründung der Entscheidung und die Abwägungskriterien
  • a) Innerbetrieblicher Hinweis
  • b) Öffentliches Interesse der offenbarten Informationen
  • aa) Eignung des Kriteriums – öffentliches Interesse als systemfremdes Element
  • (1) Fehlende dogmatische Legitimation der Einbeziehung des Kriteriums in den Abwägungsprozess
  • (a) Wünschenswerte Einbeziehung
  • (b) Orientierung an gesetzlichen Vorschriften
  • (c) Die Begrenzung auf die Interessen der Vertragsparteien in anderen Konstellationen der Kündigung
  • (2) Der Staat als Hüter der öffentlichen Interessen
  • (3) Die Einbeziehung der öffentlichen Allgemeininteressen in das Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien
  • (a) Einbeziehung über Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG
  • (b) Einbeziehung über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip
  • (c) Weitere Probleme der Einbeziehung
  • bb) Öffentliches Interesse nur bei Wirkung über den Einzelfall hinaus
  • cc) Zwischenergebnis
  • dd) Andere Bewertung aufgrund staatlicher Trägerschaft der Pflegeeinrichtung
  • ee) Auswirkung der Einbeziehung des öffentlichen Interesses durch den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
  • (1) Unmittelbare Auswirkungen auf das nationale Recht
  • (2) Mittelbare Auswirkungen auf das nationale Recht: Völkerrechtsfreundliche Auslegung und Restitutionsklage
  • ff) Zwischenergebnis
  • gg) Die Auswirkungen der Rechtsprechung des EGMR auf die zukünftige Entwicklung
  • (a) Die Einwirkung des öffentlichen Interesses auf die Arbeitsvertragsparteien in gesetzlichen Vorschriften
  • (b) Die Einflussnahme des öffentlichen Interesses nach den Grundsätzen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung
  • (c) LAG Köln, Urteil vom 2. Februar 2012 – 6 Sa 304/11
  • (aa) Sachverhalt
  • (bb) Entscheidung
  • (cc) Bewertung
  • (d) LAG Köln, Urteil vom 5. Juli 2012 – 6 Sa 71/12
  • (aa) Sachverhalt
  • (bb) Entscheidung
  • (cc) Bewertung
  • (e) BAG, Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 646/11
  • hh) Zwischenergebnis
  • c) Authentizität der offengelegten Informationen, Prüfungspflicht
  • d) Beweggründe des Whistleblowers
  • aa) Verknüpfung der Prüfung der Motivation mit weiteren Kriterien der Abwägung
  • bb) Die Einbeziehung eines öffentlichen Interesses an der offenbarten Informationen im Rahmen der Würdigung der Motivation des Hinweisgebers
  • cc) Guter Glaube
  • dd) Weitere Aussagen innerhalb des Prüfungsabschnittes
  • (1) MDK
  • (2) Umstände der Strafanzeige
  • (3) Die Benachrichtigung der Strafverfolgungsbehörden anstelle der Medien als Indiz für eine redliche Motivation
  • (4) Rangverhältnis bei der Information von externen Stellen
  • (5) Ausnahmen vom Vorrang der Information der zuständigen Behörden beim externen Whistleblowing
  • (a) Handlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Behörden
  • (b) Ausnahmen aufgrund der Umstände der Straftat
  • (c) Umgehung des Stufenverhältnisses aufgrund besonderer öffentlicher Interessen
  • (d) Fehlender behördlicher Adressat
  • e) Die Schwere der Sanktion gegenüber dem Whistleblower
  • f) Chilling effect
  • 5. Rangordnung der Abwägungskriterien
  • 6. Abweichende Rangfolge gegenüber den nationalen Rechtsprechungsgrundsätzen
  • 7. Kritische Würdigung: Grundsatzurteil oder lediglich marginale Abweichung von der deutschen Rechtsprechung?
  • E. Exkurs: Unterlassungs- und Widerrufsanspruch des Arbeitgebers gegen den Whistleblower
  • I. Unterlassungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis
  • II. Unterlassungsanspruch nach beendetem Arbeitsverhältnis
  • 1. Nachwirkung der Rücksichtnahme- sowie der Verschwiegenheitspflicht
  • 2. Ergebnis
  • III. Anspruch auf Widerruf
  • F. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse zum externen Whistleblowing in Thesen.
  • 2. Teil: Internes Whistleblowing
  • A. Die interne Offenbarung eines betrieblichen Missstandes als Grund zur verhaltensbedingten Kündigung – die Vornahme des internen Whistleblowings
  • I. Pflichtverletzung aufgrund der innerbetrieblichen Offenbarung eines Missstandes
  • 1. Keine Verletzung der Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht
  • 2. Verletzung der Verschwiegenheitspflicht
  • 3. Verletzung der Persönlichkeitsrechte von anderen Arbeitnehmern
  • 4. Störung des Betriebsfriedens
  • II. Sinngemäße Anwendung der Abwägungskriterien zum externen Whistleblowing auf die Konstellation des internen Whistleblowings
  • 1. Die Kündigung aufgrund des internen Whistleblowings im Spiegel der Rechtsprechung
  • a) LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Februar 1996 – 10 Sa 1090/95
  • b) LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. September 2007 – 4 Sa 192/07
  • c) BAG, Urteil vom 18. Juni 1970 – 2 AZR 369/69
  • d) LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28. Juni 2005 – 5 Sa 64/05
  • e) BAG, Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 646/11
  • f) Zwischenergebnis
  • 2. Literaturansichten
  • 3. Sinngemäße Anwendung
  • a) 1. und 2. Stufe des Prüfungskonzeptes im Rahmen des internen Whistleblowings
  • aa) Relativierung des Bedeutungsgehaltes der Motivation im Rahmen des internen Whistleblowings?
  • bb) Ergebnis
  • cc) Wertigkeit der sachlichen Berechtigung innerhalb der zweiten Prüfungsstufe
  • b) 3. Prüfungsstufe – originäre Kriterien des internen Whistleblowings, Betriebsfrieden und Persönlichkeitsrechte
  • 4. Strengere Anforderungen an eine Kündigung aufgrund des internen Whistleblowings
  • 5. Zwischenergebnis
  • III. Fazit
  • B. Die Nichtvornahme des internen Whistleblowings
  • I. Die Pflichtverletzung durch Unterlassen
  • 1. Allgemeine gesetzliche Meldepflicht
  • 2. Die vertragsimmanente Pflicht zur internen Offenbarung von betrieblichen Missständen
  • 3. Kriterien zur Bestimmung des Vorliegens einer dem Arbeitsvertrag immanenten Nebenpflicht zum Whistleblowing
  • a) Funktionale Abgrenzung nach den Arbeitsbereichen der Beschäftigten
  • b) Ausmaß des drohenden Schadens
  • c) Art des Fehlverhaltens
  • d) Korrektiv im Einzelfall durch die Zumutbarkeitsgrenze
  • aa) Nemo-tenetur-Grundsatz
  • (1) Meldepflicht über eigene straf- oder ordnungsrechtlich relevante Verhaltensweisen
  • (2) Meldepflicht über sonstiges eigenes Fehlverhalten
  • (3) Ergebnis
  • bb) Nähebeziehung
  • cc) Einwirken auf den Arbeitnehmer
  • dd) Kenntnis des Arbeitgebers
  • ee) Im Privatbereich erlangte Kenntnisse
  • ff) Möglichkeit zur Verhinderung eines Schadenseintritts
  • gg) Compliance-Maßnahmen des Arbeitgebers
  • 4. Zwischenergebnis
  • 5. Eigene Stellungnahme
  • a) Die Pflicht zum internen Whistleblowing als passive Meldepflicht
  • b) Schadensumfang
  • c) Präventiver Charakter der Meldepflicht
  • d) Unzumutbarkeit im Einzelfall
  • 6. Ergebnis
  • II. Vertragliche Regelungen zum internen Whistleblowing
  • 1. Deklaratorische Klausel zur Pflicht zum internen Whistleblowing
  • 2. Möglichkeit einer Erweiterung der Nebenpflicht zur Meldung von Fehlverhalten oder Missständen
  • 3. Sanktionen der Verletzung der Pflicht zum internen Whistleblowing
  • a) Ermahnung
  • b) Pflicht zum internen Whistleblowing und vorweggenommene Abmahnung
  • 4. Auswirkungen der Implementierung einer Verpflichtung zum Whistleblowing
  • C. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse zur Kündigungsrelevanz des internen Whistleblowings in Thesen
  • D. Weitere Problemfelder im Rahmen des internen Whistleblowings
  • I. Problemfall anonyme Meldesysteme
  • 1. Anonyme Whistleblowing-Systeme
  • a) Argumente für die Implementierung eines vollständig anonymisierten Hinweisgebersystems
  • b) Gefahren eines anonymisierten Meldesystems
  • aa) Anonyme Meldesysteme als Mobbinginstrument, Schutzpflichten des Arbeitgebers
  • bb) Gefährdung der Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten und der Ausschluss der Rechtsverfolgung
  • cc) Rechtskulturelle Bedenken gegenüber anonymen Meldungen
  • dd) Zwischenergebnis
  • 2. Vertrauliche und pseudonymisierte Meldesysteme
  • a) Externer Ombudsmann
  • aa) Pflicht zur Verschwiegenheit
  • bb) Grenzen der Verschwiegenheitspflicht und Umgang mit missbräuchlichem Whistleblowing
  • b) Unternehmensinterne Systeme
  • c) Pseudonymisierte Meldesysteme
  • d) Zwischenergebnis
  • e) Besserer Schutz durch Vertraulichkeit statt Anonymität
  • f) Weitere Vorteile eines vertraulichen Systems
  • 3. Ergebnis
  • 4. Umgang mit eingehenden anonymen Meldungen
  • II. Repressalien
  • 1. Ausprägungen und Verbreitung der Repressalien gegenüber Whistleblowern
  • a) Die whistleblowingbedingte betriebsbedingte Kündigung
  • b) Whistleblowing als Karrierehemmnis
  • c) Repressalien über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hinaus
  • 2. Zwischenergebnis
  • 3. Schutz des Whistleblowers vor Repressalien de lege lata
  • a) § 612a BGB
  • b) Beweislastverteilung nach § 612a BGB
  • c) Zwischenergebnis
  • 4. Handlungsoptionen de lege ferenda
  • a) Beweiserleichterungen
  • b) Zwischenergebnis
  • c) Positive Auswirkungen des Whistleblowings
  • d) Der vorschnell erhobene Mobbingvorwurf – Konfliktsituationen im Arbeitsverhältnis
  • aa) Sozialadäquates Verhalten
  • bb) Systematische Verhaltensweisen
  • cc) Weitere Eingrenzungen
  • e) Zwischenergebnis
  • f) Präventives Schutzkonzept
  • g) Zwischenergebnis
  • h) Pflicht zur Implementierung eines vertraulichen Hinweisgebersystems
  • i) Anreize zur Implementierung eines vertraulichen Hinweisgebersystems
  • E. Zusammenfassung der weiteren Ergebnisse zum internen Whistleblowing in Thesen
  • 3. Teil: Gesetzgeberischer Handlungsbedarf und gesetzgeberische Initiativen
  • A. Der Handlungsbedarf de lege lata und die Eignung des HinwGebSchG
  • I. Ergänzungsbedürftigkeit des Schutzes der Whistleblower
  • 1. Schutz vor Kündigungen
  • 2. Schutz vor sonstigen Repressalien
  • 3. Zwischenergebnis
  • 4. Regelungen im Hinweisgeberschutzgesetz
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Fixierung des bestehenden Schutzmaßstabs zur Schaffung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
  • 1. Rechtsunsicherheit aufgrund der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls?
  • 2. Anforderungen an eine gesetzliche Regelung zur Schaffung von Rechtsklarheit
  • 3. Rechtssicherheit und -klarheit durch die Einführung des HinwGebSchG
  • III. Ergebnis
  • B. Handlungsoptionen de lege ferenda
  • I. Lösung innerhalb eines umfassenden Arbeitsvertragsgesetzbuch
  • II. Lösung durch bereichsspezifische Maßnahmen
  • 1. Stärkung unternehmensinterner Meldesysteme
  • 2. Änderungen im BGB
  • a) Ergänzungen des § 612a BGB
  • b) Einführung eines § 612b BGB
  • c) Erläuterungen zu § 612a BGB
  • d) Erläuterungen zu § 612b BGB
  • aa) Zu Abs. 1
  • bb) Zu Abs. 2
  • cc) Zu Abs. 3
  • dd) Zu Abs. 4
  • ee) Verhältnis § 612a zu § 612b BGB
  • 4. Teil: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung, Vorstellung des Themas

„Ich liebe den Verrat, aber hasse den Verräter“ 1.

Schon Julius Cäsar war von der Ambivalenz der Denunziation berührt. Die Beurteilung eines Hinweisgebers divergiert naturgemäß stark danach, aus welcher Perspektive sie erfolgt. Des einen Denunziantentum ist des anderen Zivilcourage2. Diese Zwiespältigkeit spiegelt sich auch in der Konnotation der zur Umschreibung der Thematik verwendeten Schlagwörter wider. So stehen die Umschreibungen verpfeifen3 und anschwärzen4 diametral den ebenfalls verwendeten Wendungen Alarm schlagen5 und Enthüllen von Missständen6 entgegen. Whistleblower erlangen zuweilen Weltruhm. Edward Snowden prägte die Schlagzeilen der Weltpresse über Monate hinweg. Seine Enthüllungen entlarvten die unvorstellbare Datensammelwut der Vereinigten Staaten von Amerika7. Die Affäre brachte die USA in Erklärungsnot. Es wurde offenbart, dass die Vereinigten Staaten ihre engsten Verbündeten, wie die Bundesrepublik Deutschland, ausspioniert wie ihre Feinde zu Zeiten des Kalten Krieges8. Zudem führte die causa Snowden auch gegenüber dem alten Feind aus jener Epoche zu diplomatischen Spannungen und Verwicklungen, die einige an eben diese Zeiten erinnerten9. Die von Whistleblowern offenbarten Missstände haben in ← 27 | 28 → den USA in der Vergangenheit Regierungskrisen ausgelöst10 und sogar einen Präsidenten gestürzt11. Aber auch außerhalb der Bühne des politischen Weltgeschehens offenbaren Whistleblower bisweilen Informationen die von enormer Brisanz sind.

Bekanntestes nationales Beispiel dürften dabei die sogenannten Gammelfleischskandale darstellen12. Auch die Namen Dr. Margrit Herbst13, Dr. Rainer Moormann14 und Brigitte Heinisch15 sind untrennbar mit der Whistleblowing Thematik verbunden.

Im arbeitsrechtlichen Sinne16 kann ein Whistleblower definiert werden, als ein Arbeitnehmer, der organisationsintern auftretende gesetzeswidrige Vorkommnisse oder sonstige unethische Missstände einem Dritten gegenüber offenbart17. ← 28 | 29 →

Dabei wird zumeist weiter danach differenziert, ob es sich bei dem Dritten um eine organisationsexterne Stelle handelt (externes Whistleblowing) oder ob der Missstand lediglich organisationsintern (internes Whistleblowing) gemeldet wird18. Beim externen Whistleblowing wendet der Arbeitnehmer sich, zumeist nach einer vorherigen vergeblichen Information gegenüber betriebsinternen Stellen, an behördliche Stellen, Interessenvertretungsverbänden, Gewerkschaften oder auch an die allgemeine Öffentlichkeit. Beim internen Whistleblowing wird der Missstand demgegenüber nicht über den organisationsinternen Bereich hinaus bekannt gemacht.

Der Begriff „Whistleblowing“, aus dem Englischen „to blow a whistle to someone“, ist auch im Deutschen der gängigste Begriff, um die Thematik zu beschreiben. Vereinzelnd werden, neben den bereits benannten Schlagwärter, auch die deutschen Umschreibungen „Hinweisgeber19 und „Informant20 sowie positiv konnotierte Wendungen wie „Enthüller21, „ethische Dissidenten22 oder „Hinweisgeber aus Gewissensgründen23 verwendet.

War der Begriff des Whistleblowings noch vor wenigen Jahren nur in der juristischen Fachliteratur etabliert24, kann der Anglizismus mittlerweile als dem allgemeinen Sprachgebrauch zugehörig bezeichnet werden. Eine Aufnahme in den Duden erfolgte 2013 in der 26. Auflage25. Obgleich die Begrifflichkeit somit erst ← 29 | 30 → seit geraumer Zeit etabliert ist, beschäftigt die Thematik des Whistleblowings die Arbeitsgerichte schon seit Beginn des 20 Jahrhunderts26.

Das Offenbaren von betrieblichen Missständen kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Die betroffenen Arbeitnehmer befinden sich in einem Dilemma. Einerseits hindert sie ihre Rücksichtnahmepflicht oder ihr bloßes Loyalitätsempfinden und die Angst vor Repressalien, insbesondere dem Verlust des Arbeitsplatzes, betriebliche Missstände anzuprangern. Andererseits können die Missstände derart schwerwiegend sein, dass ein weiteres Stillschweigen unmöglich erscheint. Es kollidieren mithin die grundrechtlich geschützten Interessen der Meinungsfreiheit der Beschäftigten und das Loyalitätsinteresse des Arbeitgebers. Dieses Spannungsfeld in einen beide Interessen wahrenden Kompromiss zu überführen, ist die Herausforderung des Whistleblowings.

Der Rechtsprechung und dem Gesetzgeber scheint dies bisweilen nur unzureichend gelungen. Lediglich im Ausgangspunkt herrscht noch dahingehend Einigkeit, dass dem Arbeitnehmer aus der Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht, beispielsweise der Zeugenaussage im Strafverfahren27, kein Nachteil entstehen darf, wenn er hierbei keine wissentlich oder leichtfertig falschen Angaben machte. Auch in den eng umgrenzten und in der arbeitsrechtlichen Praxis nahezu bedeutungslosen Konstellationen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen der allgemeinen Anzeigepflicht nach § 138 StGB erfüllt sind, ist eine Kündigung ausgeschlossen28. Abseits dieser Grenzfälle scheinen die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung eines Hinweisgebers jedoch weiterhin unscharf und zu sehr der Einzelfallwürdigung durch die Gerichte überlassen.

Die Thematik generiert in periodischen Abständen auch breite öffentliche Aufmerksamkeit. Neue Impulse setzte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. So judizierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Heinisch ebenfalls über den Umgang mit deutschen Arbeitnehmern, die betriebliche Missstände gegenüber Dritten offenbaren29. Im genannten Fall erstattete eine Altenpflegerin Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber aufgrund erheblicher Mängel in der betreffenden Pflegeeinrichtung30. Der Arbeitgeber reagierte hierauf mit der fristlosen Kündigung. Mit der erhobenen Kündigungsschutzklage obsiegte die Arbeitnehmerin zunächst31. ← 30 | 31 → Das Landesarbeitsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil jedoch ab und erachtete die Kündigung als rechtswirksam. Nachdem alle nationalen ordentlichen32 und außerordentlichen33 Rechtsbehelfe ausgeschöpft waren, wandte sich die Klägerin mit ihrem Begehren an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser urteilte wiederum im Sinne der Klägerin. Er befand, dass das Landesarbeitsgericht keine gerechte Abwägung zwischen dem erforderlichen Schutz des Rufes und der Rechte des Arbeitgebers einerseits und dem erforderlichen Schutz der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin andererseits vorgenommen habe. Folglich liege ein nicht notwendiger Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK vor34. Insbesondere betonte der EGMR, dass bei der Abwägung dem Inhalt der preisgegebenen Information ein besonderes Gewicht zuzumessen sei. Handle es sich bei der offengelegten Information um eine solche von „öffentlichem Interesse“, so sei dieser Umstand besonderes zu berücksichtigen35. Dieser Aspekt wurde von der deutschen Rechtsprechung und der Literatur bis dato kaum beachtet. Die Bundesrepublik Deutschland wurde insgesamt zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von 15.000 EUR verurteilt36. Die Entscheidung des EGMR im Falle Heinisch stieß auf enorme Resonanz in der rechtswissenschaftlichen Literatur37. Aber auch in der breiten Öffentlichkeit war der Widerhall groß38. Nicht zuletzt durch die mediale Aufmerksamkeit rückt der Hinweisgeberschutz auch zyklisch in den Fokus der Gesetzgebung39. ← 31 | 32 →

Das deutsche Arbeitsrecht rühmt sich mit Recht in vielen Bereichen eines besonders hohen Schutzstandards. Schon bei einem nur kursorischen Vergleich des deutschen und des US-amerikanischen Kündigungsschutzes wird dies besonders deutlich. Dem umfassenden deutschen Kündigungsschutzrecht steht die angloamerikanische „at-will“ Doktrin gegenüber, wonach grundsätzlich die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses jederzeit, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder dem Erfordernis eines Kündigungsgrundes, möglich ist40. Umso bemerkenswerter erscheint zunächst der Umstand, dass die USA einen gesetzlichen Ausnahmetatbestand von der allgemeinen Kündigungsfreiheit eigens für das Whistleblowing geschaffen haben41, eine entsprechende deutsche umfassende gesetzliche Kodifizierung derzeit jedoch nicht besteht. Die gegenwärtig im deutschen Recht existierenden gesetzlichen Tatbestände sind den Kodifikationen anderer Staaten nicht vergleichbar. Sie sind entweder sehr generell – § 612a BGB – oder sehr speziell gefasst – § 37 Abs. 2 BeamtStG, § 17 Abs. 2 ArbSchG, §§ 84, 85 BetrVG. Nicht nur die USA, sondern auch andere europäische Staaten haben eine Kodifizierung eines entsprechenden Schutzwerkes bereits vorgenommen42.

Losgelöst von der Frage nach der Erforderlichkeit einer gesetzlichen Kodifizierung des Schutzmaßstabs erscheint es zweifelhaft, dass sich das deutsche Arbeitsrecht tatsächlich weiterhin eines hohen Schutzstandards rühmen darf, wenn die These zutrifft, dass der Arbeitgeber schon bei einem Verdacht auf eine strafbare Handlung des Beschäftigten die Kündigung aussprechen kann und auch in der umgekehrten Situation, bei der Offenlegung des Verdachtes eines gesetzeswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers durch den Beschäftigten, dieser um den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses fürchten muss43.


1 Proditionem amo, sed proditores non laudo“. Wörtlich: Den Verrat liebe ich, aber die Verräter lobe ich nicht. Diese Wendung soll nach dem griechischen Schriftsteller Plutarch von Gaius Julius Cäsar stammen. Der von Plutarch niedergeschriebene Originalwortlaut lautet: „πε οιμητλκης τν Θρκν βασιλες π᾿ ντωνίου μεταβαλόμενος πρς ατν οκ μετρίαζε παρ τος πότους, λλ’ ν παχθς νειδίζων τν συμμαχίαν, προπιών τινι τν λλων βασιλέων Κασαρ επεν “γ προδοσίαν φιλ, προδότας δ’ οκ παιν.” Vergl.: Plut. Regum et imperatorum apophthegmata, 207 a 4–8.

2 Frei nach Gerald Seymour, Harry’s Game, 1975 „One man’s terrorist is another man’s freedom fighter”.

3 MünchHdbArbR/Reichold § 49, Rdn. 11.

4 Beck-OK-ArbR/Joussen § 612a BGB, Rdn. 15a.

5 Abraham, ZRP 2012, 11; Deiseroth/Derleder, ZRP 2008, 248.

6 Deiseroth, ZRP 2007, 25.

7 Eine Übersicht zum NSA-Skandal findet sich bei: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-10/hintergrund-nsa-skandal (zuletzt abgerufen am 1. November 2014)

8 http://www.sueddeutsche.de/politik/nsa-abhoerskandal-abhoeren-von-freunden-das-geht-gar-nicht-1.1709525 (zuletzt abgerufen am 1. November 2014). http://www.spiegel.de/politik/deutschland/nsa-ueberwachung-merkel-steht-seit-2002-auf-us-abhoerliste-a-930193.html (zuletzt abgerufen am 1. November 2014).

9 http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-08/obama-putin-treffen-absage (zuletzt abgerufen am 1. November 2014).

10 Daniel Elsberg veröffentlichte 1971 die „Pentagon Papers“, die belegten, dass die Öffentlichkeit systematisch über den Vietnamkrieg getäuscht worden war. John Kiriakou bestätigte 2007 der Öffentlichkeit, dass das „Waterboarding“ bei den Geheimdiensten der USA allgemein üblich sei. Chelsea E. Manning (geb. Bradley Manning) offenbarte vermeintliche Kriegsverbrechen der USA im Irak und in Afghanistan. Ingesamt leitete sie mehr als 700.000 vertrauliche Dokumente über die amerikanischen Außen- und Militärpolitik an WikiLeaks weiter. Aufgrund ihrer Offenbarungen drohte Manning sogar zum Tode verurteilt zu werden. Letztlich wurde sie von einem Militärgericht zu 35 Jahren Haft verurteilt, vergl.: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-08/wikileaks-whistleblower-manning-prozess-strafmass (zuletzt abgerufen am 1. November 2014).

11 Es waren maßgeblich die Informationen des Whistleblowers Mark Felt, die den Watergate-Skandal auslösten und den US-amerikanischen Präsidenten Nixon 1974 zum Rücktritt zwangen.

12 Der sogenannte Gammelfleischskandal über die unzulässige Umetikettierung von Fleischabfällen zu Lebensmitteln war der maßgebliche Auslöser einer legislatorischen Initiative, vergl.: Ausschussdrucksache 16(10)849. Abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag.de/archive/2010/0304/bundestag/ausschuesse/a10/anhoerungen/%20a10_81/16_10_849.pdf; vergl. zu diesem Gesetzesentwurf: Berthold, S. 93 ff.; Groneberg, § 11.

13 Die Veterinärmedizinerin Dr. Margrit Herbst machte Anfang der 90er Jahre öffentlich auf BSE Verdachtsfälle aufmerksam. Die daraufhin erfolgten Kündigungen ihres Beschäftigungsverhältnisse wurde von den Instanzen bestätigt, da sie ohne hinreichende innerdienstliche Aufklärung die Verdachtsfälle gegenüber der Öffentlichkeit geäußert habe, vergl.: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15. November 1995–3 Sa 404/95, n.v. Vergl. zu diesem Fall: 1. Teil: D.V.4.b).

14 Zum Fall des Dr. Rainer Moormann, der die Gefährdungen durch den Versuchsreaktors in Jülich aufdeckte, vergl.: http://www.whistleblower-net.de/whistleblowing/fall-beispiele-fur-whistleblowing/ausstellung/ausstellung-rainer-moormann/ (zuletzt abgerufen am 1. November 2014).

15 Die Rechtssache Heinisch war Auslöser des Urteils des EGMR, das nachfolgend vertieft untersucht werden wird.

16 Auch in anderen Rechtsgebieten, bspw. im Kartellrecht, ist die Thematik bedeutsam.

17 Vergl. zu einer ebenfalls kurzen Begriffsbestimmung: Becker, S. 20 f. Eine umfänglichere Definition findet sich bei: Berthold, S. 1. Die häufig anzutreffende Definition von Near und Miceli ist noch wesentlich umfassender: „The disclosure by organisation members (former or current) of illegal, immortal or illegitimate practices under the control of their employers, to persons or organisations that may be able to effect action“, vergl.: Miceli / Near Journal of Business Ethics 1995, Vol. 4 No. 1, S. 1. Die Übersetzungen variieren teilweise stark. Vergl. bspw.: Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, Kap. 1, Rdn. 9; Strack, Ausschussdrucksache 17(11)783, S. 52, 58.

18 Vehement für eine solche Differenzierung: von Busekist/Fahrig, BB 2013, 119.

19 Der Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (HinwGebSchG) von der SPD Fraktion vom 7. Februar 2012, verwendet diese Terminologie durchgehend, vergl.: Bt.-Drs. 17/8567.

20 Der Titel des gemeinsamen Gesetzesentwurfes der Bundesministerien für Justiz, Arbeit und Landwirtschaft aus dem Jahre 2008 lautete: „Vorschlag für eine gesetzliche Verankerung des Informantenschutzes für Arbeitnehmer im Bürgerlichen Gesetzbuch“, vergl.: Ausschussdrucksache 16(10)849.

21 von Berswordt-Wallrabe/Großkopf, RDG 2014, 64, 65. Die Autoren verweisen des Weiteren auf die – indes wenige elegante – Begrifflichkeit des Skandalaufdeckers.

22 Göpfert/Landauer, NZA-Beil. 2011, 16, 21; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 58. Göpfert verwendet zudem auch den Begriff des „moralischen Dissidenten“, vergl.: Göpfert, NZA 2011, 1259.

23 Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 58.

24 So: Mahnhold, NZA 2008, 737.

25 Vergl.: Duden (26), S. 1174; Duden (25), S. 1174; vergl. ferner: http://www.duden.de/rechtschreibung/Whistleblowing; http://www.duden.de/rechtschreibung/Whistleblower (zuletzt abgerufen am 1. November 2014).

26 Soweit ersichtlich, ist der älteste in der deutschen Justiz dokumentierte Fall der des Königlich-Preußischen Landgericht (LG) I zu Berlin (Zivilkammer 10), vom 3. April 1901 – 28 C. 721. 00, Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts (KGBl.) 1901, 121. Das Gericht erachtete die Entlassung des Handlungsgehilfen als unwirksam, der ein gesetzeswidriges Verhalten des Prinzipals angezeigt hatte. Auch wenn die Denunzierung „vom moralischen Standpunkt zu verurteilen“ sei, könne der Anzeige eine „gewisse Berechtigung“ nicht abgesprochen werden.

27 BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888.

28 Vergl. hierzu unten: 1. Teil: B.I.

29 EGMR, Urteil vom 21. Juli 2011 – 28274/08, NZA 2011, 1269.

30 EGMR, Urteil vom 21. Juli 2011 – 28274/08, NZA 2011, 1269.

31 AG Berlin, Teilurteil vom 3. August 2005 – 39 Ca 4775/05, BeckRS 2011, 77275.

32 Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde: BAG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 4 AZN 487/06 – juris.

33 Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde: BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2007 – 1 BvR 1905/07, n.v.; vergl. daher das Originaldokument bei: http://www.menschen-wuerdige-pflege.de/material/Verfassungsgericht.jpg (zuletzt abgerufen am 1. November 2014).

34 EGMR, Urteil vom 21. Juni 2011 – 28274/08, Rdn. 93 – juris.

35 EGMR, Urteil vom 21. Juni 2011 – 28274/08, Rdn. 66 – juris.

36 EGMR, Urteil vom 21. Juni 2011 – 28274/08, Rdn. 104, 107 – juris.

37 Eine Vielzahl von Aufsätzen, Anmerkungen und Entscheidungsbesprechungen behandeln das Urteil: Abraham, ZRP 2012, 11; Bauer, ArbRAktuell 2011, 404; Forst, NJW 2011, 3477; Király, RdA 2012, 236; Klasen/Schaefer, BB 2012, 641; Leuchten, ZRP 2012, 142; Schlachter, RdA 2012, 108; Simon/Schilling, BB 2011, 2421; Ulber, NZA 2011, 962; Walk, GWR 2011, 453; Windel, AP Nr. 235 zu § 626 BGB, Anmerkung.

38 Die Süddeutsche Zeitung titelte: „Ein Fall von couragierter Kümmerei“, vergl.: http://www.sueddeutsche.de/karriere/egmr-urteil-ein-fall-von-couragierter-kuemmerei-1.1123118 (zuletzt abgerufen am 1. November 2014); Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verfasste einen Artikel unter der Überschrift: „Gerichtshof schützt Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern“, vergl.: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/whistleblower-gerichtshof-schuetzt-meinungsfreiheit-von-arbeitnehmern-11113796.html (zuletzt abgerufen am 1. November 2014).

39 So der gleichnamige Entwurf der SPD Fraktion: „Hinweisgeberschutzgesetz“ vom 7. Februar 2012, Bt.-Drs. 17/8567. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterbreitete wenig später ein weiteren Gesetzesvorschlag, vergl.: Bt.-Drs. 17/9782.

40 Vergl. hierzu: LAG Hessen, Urteil vom 4. Oktober 2010 – 16 Sa 1982/09, Rdn. 35 – juris; LAG Rheinlandpfalz, Urteil vom 2. März 2012 – 9 Sa 633/11, Rdn. 63 – juris; Thüsing/Leder, NZA 2004, 1310, 1315; Tödtmann/Schauer, NZA 2003, 1187.

Details

Seiten
464
ISBN (PDF)
9783653068016
ISBN (ePUB)
9783653958867
ISBN (MOBI)
9783653958850
ISBN (Hardcover)
9783631674260
DOI
10.3726/978-3-653-06801-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Kündigung Whistleblowerschutzgesetz Bundesarbeitsgericht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 464 S., 2 Graf.

Biographische Angaben

Mario Brungs (Autor:in)

Mario Brungs studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln, wo er auch promoviert wurde. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Arbeitsrechtsdezernaten international tätiger Großkanzleien in Düsseldorf und Köln und publizierte zum Arbeitsrecht.

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Titel: Whistleblowing
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