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Energie als Menschenrecht

Ein Recht auf Zugang zur Grundversorgung mit Energie als Menschenrecht nach dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

von Dennis-N. Warman (Autor:in)
©2017 Dissertation 304 Seiten

Zusammenfassung

Nach aktuellen Schätzungen verfügen rund zwei Milliarden Menschen weltweit über keinen Zugang zu modernen Energiequellen. Sie sind hauptsächlich auf die Nutzung von Energieträgern wie Brennholz, Kohle oder Dung angewiesen. Armut und gesundheitliche Probleme sind Folgen dieser Situation. Der Autor untersucht daher die Chancen eines Menschenrechts auf Energie. Als Ausgangspunkt dient ihm der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Im Wege der Interpretation leitet der Autor aus Art. 11 Abs. 1 ICESCR ein Recht auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie ab. Indem der Autor zudem den wesentlichen Beitrag des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hervorhebt, ebnet er den Weg für eine endgültige Anerkennung und Durchsetzung des Rechts.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort des Autors
  • Inhaltsverzeichnis
  • Erstes Kapitel: Einleitung und Ausgangssituation
  • Teil I – Definition und Energiequellen
  • A. Definition von Energie
  • I. Etymologie des Begriffs Energie
  • II. Der Begriff Energie in der Naturwissenschaft
  • III. Primärenergie, Endenergie und Nutzenergie
  • B. Energiequellen
  • I. Fossile Energiequellen
  • 1. Kohle
  • 2. Erdöl und Erdgas
  • II. Regenerative Energiequellen
  • 1. Sonnenenergie
  • 2. Windenergie
  • 3. Wasserenergie
  • 4. Biomasse
  • III. Kernenergie
  • C. Zwischenergebnis
  • Zweites Kapitel: Nachfrage, Verbrauch und Distribution von Energie
  • A. Ausblick “World Energy Outlook 2009”
  • I. Das World Energy Model der IEA
  • II. Das World Energy Outlook Referenzszenario
  • B. Der weltweite Energieverbrauch
  • C. Verteilung von Energie
  • I. Vorkommen von fossilen Energiequellen
  • II. Distribution des Zugangs zu Energie
  • D. Konsequenzen eines fehlenden Zugangs zu Energie
  • I. Millennium Development Goals
  • II. Armut als Konsequenz eines fehlenden Zugangs zu Energie
  • III. Gesundheitliche Schäden als Konsequenz eines fehlenden Zugangs zu Energie
  • IV. Ein fehlender Zugang zu Energie und die Auswirkungen auf Frauen und Kinder
  • E. Zwischenergebnis
  • Drittes Kapitel: Umfang, Inhalt und Bedeutung des Sozialpakts
  • A. Historische Ursprünge wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte
  • B. Entstehung des Sozialpakts
  • C. Bedeutung des Sozialpakts im Vergleich zum Zivilpakt
  • I. „Wsk-Rechte unterscheiden sich fundamental von den bürgerlichen und politischen Rechten“
  • 1. Unterschiede in den vorhandenen Institutionen
  • 2. Positive kostenintensive Rechte gegen negative „kostenneutrale“ Rechte
  • II. „Wsk-Rechte sind keine Menschenrechte im eigentlichen Sinne“
  • III. Wsk-Rechte enthalten keinen Rechtsanspruch
  • IV. Die Relativität der wsk-Rechte
  • V. Die soziale Dimension der bürgerlichen und politischen Rechte
  • VI. Die vage Formulierung der wsk-Rechte
  • VII. Zwischenergebnis
  • D. Inhalt des Sozialpakts
  • I. Progressive Realisierung der Paktrechte (Art. 2 Abs. 1 IPWSKR)
  • II. Kerngehalt wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte
  • III. Zwischenergebnis
  • E. Organe, Verfahren und Akteure im Rahmen des Sozialpakts
  • I. UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
  • 1. General Comments
  • 2. Staatenberichte
  • 3. Sitzungen des Ausschuss
  • a. Der „konstruktive Dialog“
  • b. Die „abschließenden Bemerkungen“
  • c. Zwischenergebnis
  • 4. Das Individualbeschwerdeverfahren
  • II. Universal Periodic Review (UPR) und die Bedeutung für den Sozialpakt
  • 1. Bedeutung für die wsk-Rechte
  • 2. Zwischenergebnis
  • III. Special Rapporteur/Independent Expert
  • IV. Nichtregierungsorganisationen
  • V. Zwischenergebnis
  • F. Zwischenergebnis
  • Viertes Kapitel: Menschenrechte und Grundbedürfnisse
  • A. Grundbedürfnisse
  • I. Begriff der Grundbedürfnisse/Basisbedürfnisse
  • II. Bedeutung der Grundbedürfnisse
  • 1. Strategie der Grundbedürfnisse
  • 2. Grundbedürfnisse aus psychologischer Sicht nach Maslow
  • 3. Grundbedürfnisse aus physiologischer Sicht
  • 4. Grundbedürfnisse aus wirtschaftlicher Sicht
  • 5. Grundbedürfnisse im sozioökonomischen Kontext
  • 6. Grundbedürfnisse auf internationaler Ebene und im Rahmen völkerrechtlicher Verträge
  • a. Grundbedürfnisse und die International Labour Organisation ILO
  • b. Grundbedürfnisse und die Genfer Konvention
  • 7. Analyse der verschiedenen Herangehensweisen an die Grundbedürfnisse
  • a. Inhalt und Zielsetzung der Grundbedürfnisse
  • b. Normativität der Grundbedürfnisse
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Die Beziehung zwischen Menschenrechten und Grundbedürfnissen
  • C. Zwischenergebnis
  • Teil II
  • Fünftes Kapitel: Grundlagen und Herleitung eines Rechts auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie nach dem Sozialpakt
  • A. Bestimmung des Umfangs und der Reichweite eines Menschenrechts auf Energie nach dem IPSWKR
  • B. Genese eines Rechts auf Wasser und sanitäre Einrichtungen
  • I. Das Menschenrecht auf Wasser
  • II. Ein Recht auf sanitäre Einrichtungen
  • III. Bedeutung dieser Entwicklung für ein Recht auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie
  • C. Fehlende ausdrückliche Kodifizierung eines Rechts auf Zugang zur Grundversorgung mit Energie
  • I. Interpretation von völkerrechtlichen Verträgen
  • II. Grundlagen der Interpretation völkerrechtlicher Verträge
  • III. Anwendbarkeit der Wiener Vertragsrechtskonvention auf den Sozialpakt
  • IV. Zwischenergebnis
  • D. Ein Recht auf Zugang zur Grundversorgung mit Energie im IPWSKR
  • I. Auslegung von Art. 11 Abs. 1 IPWSKR
  • 1. Ein Recht auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie als Bestandteil eines angemessenen Lebensstandards
  • 2. Bewertung
  • II. Auslegung der weiteren im Pakt enthaltenen Rechte
  • 1. Auslegung von Art. 12 IPWSKR (Gesundheit)
  • 2. Auslegung von Art. 6 und 7 IPWSKR (Arbeit)
  • 3. Auslegung von Art. 13 IPWSKR (Bildung)
  • 4. Auslegung Art. 15 IPWSKR (Kultur)
  • 5. Zwischenergebnis
  • III. Das Recht auf Wasser und sanitäre Einrichtungen und Energie
  • E. Zwischenergebnis
  • Sechstes Kapitel: Weitere Indizien für die Existenz eines Rechts auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie
  • A. Rechtsquellen im Völkerrecht
  • I. Art. 38 des Statut des Internationalen Gerichtshofs
  • 1) Internationale Abkommen
  • 2) Gewohnheitsrecht
  • 3) Allgemeine Rechtsgrundsätze
  • II. Weitere Quellen der Normsetzung im Völkerrecht
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und Energie
  • I. Energie im Rahmen der abschließenden Bemerkungen.
  • II. Staatenberichte und der Bezug zu Energie
  • III. „List of Issues“ des Ausschusses und der Bezug zu Energie
  • IV. Zwischenergebnis
  • C. Indizien für ein Recht auf Grundversorgung mit Energie in anderen Menschenrechtsübereinkommen
  • I. Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
  • II. UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
  • III. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte
  • IV. Zwischenergebnis
  • D. Anhaltspunkte für ein Recht auf Grundversorgung mit Energie in internationalen Übereinkommen, Absichtserklärungen und Konferenzen
  • I. Ein Recht auf Energie und der Vertrag über die Energiecharta
  • II. Nachhaltige Entwicklung und das Recht auf Grundversorgung mit Energie
  • 1. Millennium Development Goals und Energie
  • 2. World Summit on Sustainable Development 2002
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Institutionen und Organisationen auf internationaler Ebene im Zusammenhang mit Energie
  • 1. UNDP
  • 2. UN-Energy
  • 3. Die Welthandelsorganisation und Energie
  • 4. Die Weltbankgruppe und Energie
  • 5. Zwischenergebnis
  • E. Zwischenergebnis
  • Siebtes Kapitel: Geltungsumfang eines Rechts auf Grundversorgung mit Energie
  • A. Der normative Gehalt eines Rechts auf Energie
  • I. Verfügbarkeit von Energie
  • II. Zugänglichkeit eines Rechts auf Energie
  • 1. Physische Zugänglichkeit
  • 2. Nichtdiskriminierung
  • 3. Wirtschaftliche Zugänglichkeit (Erschwinglichkeit)
  • 4. Informationelle Zugänglichkeit
  • III. Qualität/Nachhaltigkeit
  • B. Verpflichtungen der Staaten
  • I. Achtungspflicht (Obligation to respect)
  • II. Schutzpflicht (Obligation to protect)
  • III. Erfüllungspflicht (Obligation to fulfil)
  • IV. Die Kernverpflichtungen eines Rechts auf Grundversorgung mit Energie
  • 1. Die Bestimmung des Kerngehalts anderer Rechte des Sozialpakts
  • 2. Probleme bei der Bestimmung der Kernverpflichtung eines Rechts
  • 3. Bestimmung der Kernverpflichtung eines Rechts auf Zugang zur Grundversorgung mit Energie
  • Teil III
  • Achtes Kapitel: Verwirklichung eines Menschenrechts auf Energiegrundversorgung (de lege ferenda) Implementierung auf nationaler Ebene
  • A. Generelle Aspekte der Umsetzung der aus dem Pakt resultierenden Verpflichtungen
  • B. Akteure der innerstaatlichen Umsetzung
  • I. Die Rolle der Parlamente
  • II. Die Rolle der nationalen Gerichte
  • III. Die Rolle der nationalen Institute für Menschenrechte
  • C. Projekte zur Verbesserung des Zugangs zu modernen Energiequellen
  • I. Global Rural Electrification Program – Marokko
  • II. Energy Service Delivery – Sri Lanka
  • III. Integrated National Electrification Programme (INEP) – Südafrika
  • IV. Upesi Rural Stoves Project – Kenia
  • V. Renewable Energy Development Project – China
  • VI. Renewable Energy for Rural Markets Project (PERMER) – Argentinien
  • VII. Rural Electrification Program – Vietnam
  • VIII. Luz para Todos – Light for All (LPT) – Brasilien
  • IX. Butanization (Liquefied Petroleum Gas) Program – Senegal
  • X. Clean Energy Business (SELCO India and SEWA Bank) – Indien
  • XI. Electrification Program – Laos
  • XII. Sector-Wide Approach for Electrification – Ruanda
  • XIII. Der Ertrag der Projekte für die Begründung eines Menschenrechts auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie
  • D. Evaluierung der Energieinfrastrukturprojekte und das Verhältnis zu einem Menschenrecht auf Grundversorgung mit Energie
  • I. Verfügbarkeit
  • II. Zugänglichkeit
  • III. Qualität/Nachhaltigkeit
  • IV. Verpflichtungsebene
  • E. Auswirkungen eines Rechts auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie in der Bundesrepublik Deutschland
  • F. Zwischenergebnis
  • Neuntes Kapitel: Implementierung eines Rechts auf Grundversorgung mit Energie auf internationaler Ebene
  • A. De lege lata
  • I. Der Ausschuss über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
  • II. UPR und Menschenrechtsrat
  • III. Verantwortung der Zivilgesellschaft und sonstiger nichtstaatlicher Akteure
  • IV. Individualbeschwerdeverfahren
  • V. Zwischenergebnis
  • B. De lege ferenda
  • I. Änderung/Erweiterung des Sozialpakts
  • 1. Änderungen des Wortlauts des Sozialpakts
  • 2. Fakultativprotokoll zum Sozialpakt
  • 3. Zwischenergebnis
  • II. Resolution der Generalversammlung
  • III. Schaffung eines neuen Vertrags
  • Zehntes Kapitel: Ergebnis und Schlussfolgerungen
  • Abstract
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

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Erstes Kapitel:
Einleitung und Ausgangssituation

Energie ist eine treibende Kraft, die die Menschheit und alle anderen Lebewesen auf der Erde am Leben erhält. Jedes Lebewesen muss täglich Energie in Form von Nahrung zu sich nehmen, um die lebensnotwendigen Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Der Begriff „Energie“ weckt bei den meisten Menschen sofort Assoziationen an moderne Energiequellen wie Strom und Gas. Natürlich geht der Begriff Energie weit darüber hinaus, dennoch ist gerade heute in unserer modernen, technologisierten Gesellschaft ein Zugang zu modernen Energiequellen, wie Elektrizität, von essenzieller Bedeutung.

Der Grundumsatz an Energie eines jungen Menschen liegt im Durchschnitt bei ca. 1673 kcal am Tag.1 Das heißt, nur um zu überleben, benötigt der Mensch diese Menge an Energie. Jede Tätigkeit und jedes Verhalten, das darüber hinausgeht, lässt den Energiebedarf steigen. Das Thema Energie lässt sich, wie im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu sehen sein wird, nicht allein auf die Aufrechterhaltung der Funktionen des menschlichen Organismus beschränken. Mit Beginn der Industriellen Revolution im 18. Jahrhundert, in deren Folge sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Gesellschaft tiefgreifend verändert haben, ist der weltweite Primärenergieverbrauch rapide angestiegen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist der Mensch nicht mehr nur allein auf die Energie aus der Nahrung angewiesen. So benötigt der Mensch heutzutage Energie im Haushalt um zu kochen und zu heizen sowie für Beleuchtung, den Betrieb von Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik. Weiter besteht ein enormer Energiebedarf für die Fortbewegung mit dem Auto, der Bahn oder mit dem Flugzeug. Hinzu kommt der Verbrauch an Energie in der Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft für die Herstellung von Produkten, Gütern, Waren und Agrarerzeugnissen sowie die Erbringung von Dienstleistungen.

Wies ein einfacher Mensch, der vor ca. einer Million Jahren lebte, einen Energieverbrauch von ungefähr 2.000 kcal pro Tag (ca. 2,33 KWh/Tag) auf, die nur aus der Nahrung stammte und die er ohne die Benutzung des Feuers zu sich nahm,2 ← 17 | 18 → so betrug bereits im Jahr 1970 der Verbrauch von Energie eines Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika umgerechnet ca. 230.000 kcal pro Tag (ca. 267,49 KWh/Tag).3 Die Zahlen für die Bundesrepublik Deutschland sind etwas niedriger, aber auch ein Bundesbürger kommt im Durchschnitt auf einen Primärenergieverbrauch von 131 KWh/Tag.4

Aus dem enormen Anstieg des Energieverbrauchs der Menschheit in den letzten Jahrzehnten resultieren neue Herausforderungen und Probleme, die zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit treten. Fossile Energieträger wie Erdöl, Gas und Kohle sind nicht unbegrenzt auf der Erde vorhanden. Die Konsequenzen hieraus werden unter den Stichpunkten Energieknappheit und Energiesicherheit diskutiert.5 Der Zugang zu fossilen Energieträgern besitzt eine enorme strategische und sicherheitspolitische Dimension für die Staaten dieser Welt.6 Die globale Wirtschaft ist im höchsten Maße abhängig von einer sicheren Versorgung mit fossilen Energieträgern und die Sicherung des Zugangs zu ihnen besitzt höchste Priorität. Verschärft wird diese Lage durch den wirtschaftlichen Aufstieg von Staaten wie China, die immer stärker auf den Zugang zu den begrenzten Ressourcen an fossilen Energieträgern angewiesen sind, um das eigene Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden. Konflikte, insbesondere mit den westlichen Staaten, sind somit vorprogrammiert. Als Beispiel für solche Konflikte können hier der Golfkrieg von 1990/1991 genannt werden, in dessen Verlauf das von Saddam Hussein besetze Kuwait durch die Operation „Desert Storm“ befreit wurde, um die dort vorhandenen Ölquellen vor dem Einfluss Iraks zu sichern. Aber auch bei der letzten Invasion im Irak von 2003 bis 2011 wurden zumindest hinter vorgehaltener Hand die Gründe teilweise bei der Sicherung der Energieversorgung gesehen.

Als Konsequenz haben die Menschen seit Jahren mit enorm steigenden Energiepreisen zu kämpfen. Insbesondere der Preis für Rohöl und Gas ist hiervon betroffen, aber auch der Preis für Elektrizität steigt seit Jahren kontinuierlich. ← 18 | 19 → Laut einer jüngst veröffentlichten Studie wird in Deutschland bis zu 300.000 Haushalten jährlich der Strom abgestellt, weil die Stromrechnungen nicht mehr bezahlt werden können.7

Ein weiteres Bedrohungsszenario im Zusammenhang mit dem Thema Energie kann dann entstehen, wenn der Zugang zu fossilen Energiequellen als Druckmittel eingesetzt wird, um staatliche Interessen durchzusetzen. Die westlichen Staaten beispielsweise sind sehr zurückhaltend mit Sanktionen gegen Russland als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, denn Russland droht immer wieder damit seine Gaslieferungen an Europa zu stoppen oder zumindest zu reduzieren.

Der Fortschritt und die Veränderungen im Bereich der Energiesicherheit sind sehr schnelllebig. Aufgrund neuer Technologien und der daraus resultierenden Entwicklung neuer Fördermethoden wie das sogenannte Fracking, bei dem durch die Verwendung von Chemikalien Gas- und Ölvorkommen aus Gesteinsschichten gelöst werden können, deren Förderung vor einigen Jahren noch nicht möglich war, sind die USA mittlerweile auf dem Weg völlig unabhängig von Öl- und Gasexporten aus dem Ausland zu sein.8 Für die USA verliert damit die Golfregion aus geostrategischen Aspekten an Bedeutung, was wiederum zu einer gewissen Entspannung beim Wettlauf um die Sicherung von fossilen Energieträgern führt. Dennoch sind die damit verbundenen Gefahren nicht verbannt.

Ein Nachteil dieser Entwicklung ist, dass die langfristigen Folgen dieser Fördermethode für die Umwelt noch nicht abzuschätzen sind und zu befürchten ist, dass die Natur dadurch Schaden nehmen wird. Die Zerstörung oder zumindest die Belastung der Umwelt ist ein weiteres Problem im Rahmen der Gewinnung und dem Verbrauch von Energie. Durch den steigenden Energiebedarf steigt der Ausstoß schädlicher Kohlendioxide, die nicht nur der Gesundheit schaden, sondern auch im Verdacht stehen, den Klimawandel mit all seinen Konsequenzen zu verursachen.

Nach aktuellen Schätzungen haben noch immer rund zwei Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu modernen Formen von Energie.9 Sie sind ← 19 | 20 → hauptsächlich auf die Nutzung fossiler Energieträger wie Brennholz, Kohle oder Tierdung angewiesen. Dabei fällt auf, dass der Großteil dieser Menschen in sogenannten Entwicklungsländern lebt und man daher geneigt ist, einen Zusammenhang zwischen Zugang zu Energie und dem Stand der Entwicklung zu sehen. In den letzten Jahren hat sich auf der internationalen Ebene etwas bewegt. Der Zusammenhang zwischen Armut und defizitärer Energieversorgung wurde erkannt, und die Staatengemeinschaft hat begonnen diese Missstände zu beheben. Als Reaktion und Anerkennung des Problems, wurde das Jahr 2012 durch Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum „International Year of Sustainable Energy for All“ erklärt.10

Eine ähnliche Problematik herrscht im Hinblick auf den Zugang zu Wasser. Diesbezüglich wurde im Jahr 2002 vom Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Rechtskommentar (General Comment) Nr. 15 zum Recht auf Wasser verabschiedet, der das Recht auf Wasser als Element des Sozialpakts anerkannt hat.11 Es drängt sich somit die Frage auf, ob auch ein Recht auf Energie aus dem Sozialpakt abgeleitet werden kann.

Im ersten Teil (Teil I) dieser Arbeit soll ein kurzer Überblick über die aktuelle Situation in Bezug auf Energie gegeben werden. Energie ist ein sehr komplexes und abstraktes Gebilde, das in seiner ganzen Bandbreite nur schwer zu erfassen ist. Um ein Verständnis für die Notwendigkeit eines Menschenrechts auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie zu bekommen, müssen die Grundlagen dieser Materie und die komplexen Zusammenhänge bekannt sein. Dazu ist es notwendig, eine Erklärung des Begriffs Energie, eine Darstellung der verschiedenen Energieformen sowie einen Überblick darüber zu geben, wieviel Energie weltweit verbraucht wird und wie der Verbrauch verteilt ist. Da vorliegend die Frage untersucht wird, ob das Recht auf einen Zugang zu Grundversorgung mit Energie als Menschenrecht im Sozialpakt enthalten ist, erfolgt eine Darstellung des Inhalts und der Bedeutung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten.

Der zweite Teil (Teil II) beschäftigt sich mit den Grundlagen eines Rechts auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie und soll die Frage klären, ob ein solches Recht existiert, wie es sich gegebenenfalls begründen lässt und welchen Inhalt es hat. ← 20 | 21 →

Im dritten Teil (Teil III) folgen Erläuterungen zur Umsetzung eines Rechts auf Zugang zu Grundversorgung mit Energie. Zudem werden Lösungen präsentiert, wie ein solches Recht legitimiert werden kann, bevor das Ergebnis der Arbeit dargestellt wird und eine Schlussbetrachtung erfolgt. ← 21 | 22 →


1 Biesalski, Kap. Ernährung, in: Schmidt, Lang (Hrsg.), Physiologie des Menschen, 30. Aufl., 2007, S 910; Der Grundumsatz eines Menschen wird als morgendlicher Ruheumsatz bei Nüchternheit und Indifferenztemperatur der Umgebung definiert.

2 Goldemberg, Development and Energy, in: Adrian J. Bradbrook (Hrsg.) The Law of Energy and Sustainable Development, 2005, S. 37; Cook, Man, Energy, Society, 1976.

3 Goldemberg, Development and Energy, in: Adrian J. Bradbrook (Hrsg.) The Law of Energy and Sustainable Development, 2005, S. 38. Die Angabe in kcal/Tag erfolgt, um die Zahlen einfacher vergleichen zu können. Sie bezieht sich nicht allein auf die Nahrungsaufnahme, sondern umfasst sämtliche Aktivitäten eines Menschen, wie den Transport, die Herstellung von Konsumgütern usw.

4 Jürgen Paeger, Ökosystem Erde, http://www.oekosystem-erde.de/html/energiegeschichte.html, letzter Zugriff am 08.08.2016.

5 Ausführlich zur Problematik der Energiesicherheit: Yergin, Ensuring Energy Security, in: Foreign Affairs (85) 2006, S. 69–82.

6 OECD/IEA, Enregy Outlook 2014, S. 24.

7 S. Schultz, Energiearmut: Im dunklen Deutschalnd, SPON v. 05.05.2014, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/energiearmut-reportage-ueber-menschen-ohne-stromversorgung-a-964258.html, letzter Zugriff am 08.08.2016.

8 Frankenberger, Amerika auf dem Weg zur Energieunabhängikeit, FAZ Online v. 20.10.2013, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/konjunktur/oel-und-gas-amerika-auf-dem-weg-zur-energieunabhaengigkeit-12617741.html, letzter Zugriff am 08.08.2016.

9 Mainali, Sustainability of rural energy access in developing countries, 2014, S. 1 f.; OECD/IEA, World Energy Outlook 2009, S. 128; WHO/UNDP, The Energy Access Situation in Developing Countries, November 2009, S. 10; UNDP/UNDESA/WEC, World Energy Assement Overview: 2004 Update, S. 19.

10 Vgl. GA Res. 65/151, UN Doc. A/RES/65/151 v. 16.2.2011, Abs. 1; Bazilian et al., Improving Access to Modern Energy Services: Insights from Case Studies, in: The Electricity Journal 2012, S. 93–114.

11 CESCR-General Comment Nr. 15 (2002), UN Doc. E/C.12/2002/11.

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Teil I – Definition und Energiequellen

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A.   Definition von Energie

Konfrontiert mit dem Begriff Energie sind wahrscheinlich viele Menschen der Meinung, genau zu wissen, was darunter zu verstehen ist. Energie ist im Alltag ein verhältnismäßig häufig gebrauchtes Wort.12 Doch ist die Bestimmung, was unter Energie zu verstehen ist, wirklich so einfach? Viele verbinden den Begriff Energie automatisch mit Elektrizität. Zwar ist Elektrizität eine weit verbreitete Form der Energie, doch wird eine Reduzierung hierauf der Definition nicht gerecht. Energie ist jedenfalls notwendig, um die menschliche und tierische Existenz zu sichern. Für den Menschen lässt sich der Nutzen der Energie grob in drei Bereiche einteilen. Diese sind Nahrung, Wärme und Transport.13 Nahrung stellt dabei die unmittelbare Energienutzung dar.14 Die Wärme wird einerseits benötigt, um die Nahrung zuzubereiten, und zum anderen ermöglicht sie die Erwärmung von Wohnstätten.15 Durch den Transport wird der regionale und überregionale Austausch von Waren und Dienstleistungen ermöglicht.16 Im Folgenden soll der Begriff der Energie genau definiert werden.

I.   Etymologie des Begriffs Energie

Aufzeichnungen aus dem englischen Sprachraum belegen, dass der in seiner heutigen modernen Form verwendete Begriff „energy“17 bereits ab 1599 verwendet wurde.18 Seinen Ursprung hat der Begriff „Energie“ in dem griechischen Wort „enérgeia“, das so viel wie Wirksamkeit beziehungsweise wirkende Kraft bedeutet, das wiederum eine Ableitung von dem griechischen Wort „érgon“ (Werk, Wirken) darstellt.19 Von dem spätlateinischen Begriff „energia“ (Wirksamkeit) entlehnte sich der französische Begriff „énergie“, welcher gleichbedeutend ist mit dem deutschen Wort „Energie“ und ab dem 18. Jahrhundert ins Deutsche übernommen wurde.20 Ursprünglich bezog sich „Energie“ auf Eigenschaften einer Person, ← 25 | 26 → Sprache oder Ausdrücke.21 So bezeichnete Aristoteles mit dem Wort „enérgeia“ eine Art von Metapher, die ein Bild von etwas, das handelt oder sich bewegt, hervorruft.22 Thomas Young hat den Ausdruck „Energy“ 1807 in die Physik eingeführt, wo der Begriff eine immer größere Bedeutung erlangt hat.23 Das heutige Wortverständnis von Energie ist daher sehr durch die Fortschritte der Physik des 19. Jahrhunderts geprägt.

II.   Der Begriff Energie in der Naturwissenschaft

Nach dem kurzen Überblick über die Herkunft des Wortes Energie wird im Folgenden eine naturwissenschaftliche Definition gegeben. Wie oben bereits erläutert, ist das heutige Wortverständnis sehr stark aus einem physikalischen Blickwinkel geprägt. Doch auch die Naturwissenschaft tut sich schwer mit einer allgemein gültigen und präzisen Definition.24 Anschaulich wird dies durch ein Zitat des bedeutenden Physikers Richard Feynman, der schrieb:

“It is important to realize that in physics today, we have no knowledge of what energy is. We do not have a picture that energy comes in little blobs of a definite amount.”25

Pauschal kann unter Energie alles zusammengefasst werden, was sich in Arbeit umwandeln lässt.26 So erklärte der Physiker Wilhelm Ostwald Energie Anfang des 20. Jahrhunderts als Arbeit oder alles, was aus Arbeit besteht oder sich in Arbeit umwandeln lässt.27 In diesen anfänglichen Erklärungsversuchen wird die Verbindung zu der oben erläuterten Herkunft des Begriffs Energie noch deutlich.

Arbeit spielt eine zentrale Rolle bei der Definition von Energie. Energie ist eine physikalische Größe. In der Physik wird zwischen potentieller und kinetischer Energie unterschieden, wobei unter potenzieller Energie gespeicherte Arbeit zum Beispiel als Lageenergie oder elastische Energie verstanden wird.28 ← 26 | 27 → Kinetische Energie hingegen, die auch Bewegungsenergie genannt wird, kann Arbeit verrichten.29 Diese stellen in der Physik unterschiedliche Energieformen dar. Aus den Ausführungen lässt sich entnehmen, dass es sich bei dem Konzept der Energie um ein sehr abstraktes Gebilde handelt, weshalb es bis heute nicht gelungen ist, eine allgemein gültige und präzise Definition zu etablieren.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich bei Energie um eine physikalische Größe handelt, die in mechanischer, chemischer, elektrischer, thermaler oder elektromagnetischer Strahlung auftreten kann.30

Details

Seiten
304
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631699843
ISBN (PDF)
9783653068825
ISBN (MOBI)
9783631699850
ISBN (Hardcover)
9783631674406
DOI
10.3726/978-3-653-06882-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Februar)
Schlagworte
Energieknappheit Sozialpakt Menschenrechtsstandards Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 304 S.

Biographische Angaben

Dennis-N. Warman (Autor:in)

Dennis-N. Warman studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und Mannheim. Nach seinem Masterstudium an der University of Adelaide in Australien begann der Autor zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Mannheim zu arbeiten, um daraufhin als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Universität Hannover zu wechseln. Heute ist er in der Bundesverwaltung tätig.

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Titel: Energie als Menschenrecht
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