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Tätertypologien in der Wirtschaftskriminologie

Instrument sozialer Kontrolle

von Julia Hugendubel (Autor:in)
©2016 Dissertation 234 Seiten

Zusammenfassung

Die präventive Tätertypenbestimmung gilt als effektives Instrument, um Wirtschaftskriminalität zu unterbinden. Vernachlässigt wird dabei jedoch eine Reihe von Nebeneffekten, wie etwa eine ungerechtfertigte Vorverurteilung von Personen. Die Untersuchung konzentriert sich daher auf die Frage, ob Wirtschaftsstraftätertypologien als Instrument sozialer Kontrolle fungieren können. Mit der qualitativen Inhaltsanalyse erfasst die Autorin theoretische wie empirische Studien zur Bestimmung von Wirtschaftsstraftätertypen und zeigt auf, welche Bedeutung Compliance-Maßnahmen in diesem Zusammenhang für die Prävention von Wirtschaftskriminalität haben. Darauf basierend diskutiert sie die Aussagekraft einer Wirtschaftsstraftätertypenbestimmung und prüft diese auf unternehmenspolitische Risiken. Die abschließenden konkreten Handlungsempfehlungen geben wertvolle Impulse für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in der Unternehmenspraxis.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • B. Theoretischer Bezugsrahmen, methodisches Vorgehen und zentrale Begriffe der Untersuchung
  • I. Theoretischer Bezugsrahmen und methodisches Vorgehen
  • II. Begriffsbestimmung
  • 1. Zum Begriff der Typologie
  • 2. Zum Begriff der Wirtschaftskriminologie
  • 3. Zum Begriff der sozialen Kontrolle
  • III. Zusammenfassung
  • C. Wirtschaftsstraftätertypologien als Phänomen
  • I. Publikationen zu Wirtschaftsstraftätertypen
  • 1. Konzeptionelle Studien
  • a) Der white-collar criminal nach Sutherland
  • b) Motivationstypen wirtschaftskriminellen Verhaltens nach Wheeler
  • c) Vier Idealtypen wirtschaftskrimineller Täter nach Becker und Holzmann
  • 2. Empirische Studien
  • a) Persönlichkeitseigenschaften von Wirtschaftsstraftätern nach Collins und Schmidt
  • b) Persönlichkeitseigenschaften von Wirtschaftsstraftätern nach Blickle et al
  • c) Charakterisierung von Wirtschaftsstraftätern nach Bannenberg
  • d) “Global profiles of the fraudster” nach KPMG International
  • e) Zum typischen Wirtschaftsstraftäter nach PricewaterhouseCoopers
  • f) „Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen“ nach Schneider und RölfsPartner
  • g) Zu Motiven der Wirtschaftskriminalität nach Cleff, Naderer und Volkert
  • h) „Normalpopulation“ und „Wirtschaftskriminelle“ nach Schlegel
  • 3. Ergebnisse
  • II. Vergleich der Wirtschaftsstraftätertypenbildung
  • 1. Zielsetzungen der Studien zur wirtschaftskriminologischen Tätertypenbestimmung
  • a) Differenzierung zwischen anwendungsbezogenen und rein wissenschaftlichen Studien mit präventiver oder repressiver Ausrichtung
  • b) Kontrolle von Betriebs- oder Unternehmenskriminalität
  • 2. Motivationen für eine wirtschaftskriminologische Tätertypenbestimmung
  • 3. Ergebnisse
  • III. Zusammenfassung
  • D. Wirtschaftsstraftätertypologien als präventiv legitimiertes Instrument privater sozialer Kontrolle
  • I. Nutzungsmöglichkeit von Wirtschaftsstraftätertypologien als Instrument sozialer Kontrolle
  • 1. Soziale Kontrolle durch Compliance-Maßnahmen
  • 2. Tätertypologien als Baustein von Compliance-Maßnahmen
  • 3. Ergebnisse
  • II. Analyse des methodologischen und methodischen Vorgehens der Studien zur Wirtschaftsstraftätertypenbestimmung
  • 1. Schwierigkeiten der einzelnen konzeptionellen Studien
  • a) Bestimmung der Prüfkriterien für die Analyse der konzeptionellen Studien
  • (1) Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes und der empirischen Überprüfbarkeit
  • (2) Theoretische Annahmen der konzeptionellen Studien zu wirtschaftskriminologischen Tätertypologien
  • (3) Ideal- und Realtypen zur Bestimmung von Wirtschaftsstraftätern
  • b) Analyse der konzeptionellen Studien
  • (1) Analyse der Studie von Wheeler
  • (2) Analyse der Studie von Becker und Holzmann
  • 2. Schwierigkeiten der einzelnen empirischen Studien
  • a) Bestimmung der Prüfkriterien für die methodische und methodologische Analyse der empirischen Studien
  • (1) Qualitative und quantitative Datenerhebung
  • (2) Repräsentativität
  • (3) Theoriebildung, Operationalisierung der Variablen, Replizierbarkeit der Ergebnisse
  • (4) Kreuzvalidierung
  • (5) Kausalität
  • b) Analyse der einzelnen empirischen Studien
  • (1) Analyse der Studie von Collins und Schmidt
  • (2) Analyse der Studie von Blickle et al
  • (3) Analyse der Studie von Bannenberg
  • (4) Analyse der Studie von KPMG
  • (5) Analyse der Studie von PricewaterhouseCoopers
  • (6) Analyse der Studie von Schneider und RölfsPartner
  • (7) Analyse der Studie von Cleff, Naderer und Volkerts
  • (8) Analyse der Studie von Schlegel
  • 3. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • III. Tätertypen zur Prävention von Wirtschaftskriminalität – ein probates Instrument?
  • 1. Sozialdaten als Unterscheidungskriterium
  • 2. Persönlichkeitseigenschaften als Unterscheidungskriterium
  • 3. Werteeinstellungen als Unterscheidungskriterium
  • 4. Ergebnisse
  • IV. Tätertypologien als Labels
  • 1. Labeling-Effekte einer wirtschaftskriminologischen Tätertypisierung
  • 2. Auswirkungen des Labeling-Effekts
  • 3. Ergebnisse
  • V. Zusammenfassung
  • E. Kritische Würdigung
  • I. Bedenken gegen eine präventiv legitimierte Wirtschaftsstraftätertypenbestimmung aus rechtlicher Perspektive
  • 1. Einfachgesetzliche Bestimmungen
  • 2. Verfassungsrechtliche Prinzipien aus normativer Perspektive
  • 3. Ergebnisse
  • II. Bedenken gegen eine präventiv legitimierte Tätertypenbestimmung aus diskursiver Perspektive
  • 1. Kriminologische Bedenken
  • 2. Kriminalpolitische Bedenken
  • 3. Ergebnisse
  • III. Zusammenfassung
  • F. Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis

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Tabellenverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

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A.  Einleitung

„Spätes Einstiegsalter in die Wirtschaftsdelinquenz und fehlende Vorstrafenbelastung kennzeichnen den Wirtschaftsstraftäter als ‚latecomer to crime‘ […]. Der sonst sozial unauffällige Täter kann nicht an seinem äußeren Erscheinungsbild identifiziert werden. Er hat keine unsanierten Zähne, keine ungepflegte Garderobe und keine Tätowierung auf dem Handrücken und fällt morgens nicht durch Alkoholgeruch auf. Er hat Zugang zu legitimen Erwerbsmöglichkeiten und verfügt deshalb auch über die jeweiligen Accessoires seines Berufsstandes, z.B. Garderobe, Uhr, Haarschnitt, Fahrzeug und Visitenkarte.“1

Die Mehrzahl der Wirtschaftsstraftäter unterscheidet sich Hendrik Schneider zufolge „signifikant von den Tätern aus dem Spektrum der Elends- und Straßenkriminalität“2. Trotz dieser geschilderten sozialen Unauffälligkeit gibt es eine Vielzahl von Studien, welche die Bestimmung von Wirtschaftsstraftätertypen zum Gegenstand haben.

Es existiert ein großes staatliches und privatwirtschaftliches Interesse an der sozialen Kontrolle von Wirtschaftskriminalität. Dieses Interesse folgt aus den durch Wirtschaftskriminalität verursachten großen betriebs- und volkswirtschaftlichen Schäden.3 So betrug die kriminalstatistisch registrierte Schadenssumme allein im Jahr 2014 in Deutschland fast 5 Mrd. Euro und damit mehr als die Hälfte des Gesamtschadensvolumens aller in der polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Straftaten in Höhe von rund 8 Mrd. Euro.4 Konservativen Schätzungen zufolge werden in den USA die finanziellen Kosten jährlich sogar ← 17 | 18 → auf 500 Milliarden Dollar beziffert.5 Das tatsächliche Ausmaß von Wirtschaftskriminalität ist dabei nicht bekannt, da von einem großen Dunkelfeld in diesem Kriminalitätsbereich ausgegangen wird.6

Neben Vermögensschäden wie den Kosten für das Management einer solchen Tat und etwaigen Rechtsstreitigkeitskosten werden durch Wirtschaftsstraftaten auch enorme immaterielle Schäden herbeigeführt.7 Als solche sind insbesondere Vertrauensschäden zu nennen, wie der Reputationsverlust und Imageschäden, die Beeinträchtigung von Geschäftsbeziehungen oder die Demoralisierung von Mitarbeitern des Unternehmens.8 Darüber hinaus besteht nicht nur ein erhebliches Schädigungspotential für Unternehmer oder Unternehmen, sondern auch für ganze Staaten. Denn Wirtschaftskriminalität kann eine überteuerte Infrastruktur, Umweltschäden, Staatsverschuldung und ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt verursachen. ← 18 | 19 → 9

Wirtschaftsstraftaten galten lange Zeit als Kavaliersdelikte und die Ausgeprägtheit des Normbewusstseins sowie die Existenz sozialer Kontrollmechanismen hinken noch heute der rasanten Entwicklung der Wirtschaft hinterher.10 Dem Strafrecht kommt damit in puncto Wirtschaftskriminalität eine Grenzsetzungsfunktion zu, indem es nicht nur von der Gesellschaft missbilligtes Handeln wie den Betrug verbietet, sondern auch unklare Bereiche gesetzlich klärt.11 Das Strafrecht kann im heutigen Wirtschaftsleben allerdings nur beschränkt als Instrument sozialer Kontrolle fungieren. Als Grund ist neben dem ultima ratio-Prinzip anzuführen, dass wirtschaftliches Handeln oft mit dem Ausnutzen von gesetzlichen Regelungslücken verknüpft wird.12 Diese sind gerade im Strafrecht bedingt durch den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz vorzufinden.13 Auch ist es nicht einfach, in unternehmerische Tätigkeiten strafrechtlich einzugreifen, da das deutsche Strafrecht, trotz heftig geführter Debatten, lediglich die Sanktionierung natürlicher Personen vorsieht und nicht die von Verbänden.14 Darüber hinaus können Konzerne aufgrund von unübersichtlichen Unternehmensstrukturen oder globalem Handeln nur schwer und nicht allein durch repressive strafrechtliche Maßnahmen kontrolliert werden.15 Allgemein bietet es sich daher an, dass im Wirtschaftsleben selbst präventive ← 19 | 20 → Vorkehrungen getroffen werden, welche wiederum gesetzgeberisch angeregt werden können.16 Neben der formellen Kontrolle durch das Strafrecht kommt daher unternehmerischen Compliance-Maßnahmen eine wachsende Bedeutung zur Kontrolle von Wirtschaftskriminalität zu. Compliance wird im Deutschen Corporate Governance Kodex definiert als die Pflicht des Vorstandes, über die Beachtung und „die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien“17 Sorge zu tragen. Im Wirtschaftsstrafrecht versteht man unter Criminal Compliance „sämtliche notwendigen und zulässigen Maßnahmen zur Vermeidung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmensmitarbeitern aufgrund unternehmensbezogenen Verhaltens“18. Compliance-Maßnahmen sollen präventiv auf die Unterbindung von Betriebs-19 und Unternehmenskriminalität ausgerichtet sein. In der Praxis hat dies eine vielfältige Ausgestaltung zur Folge. So werden neben einzelnen Maßnahmen, wie der Einführung von Unternehmensrichtlinien, ganze Compliance-Managementsysteme entwickelt.20

Die staatlichen und wirtschaftsunternehmerischen Anregungen zur Einführung von Compliance-Programmen sind miteinander verzahnt.21 Unter Staat wird dabei ein sich aus der Gesellschaft zusammensetzendes Gebilde aus ← 20 | 21 → demokratisch legitimiert regierenden Organen verstanden. Der Staat wird durch die Gesellschaft konstituiert und durch die Gesellschaft und der von ihr gewählten Organe beeinflusst. Dagegen sind Unternehmen von Einzelpersonen oder Organen regierbare, wirtschaftliche und rechtliche Komplexe mit einer wirtschaftlichen Zweckrichtung, die nicht auf demokratische Mehrheitsverhältnisse angewiesen sind.22

Während die Einführung von Compliance in Großbritannien und den USA gesetzlich vorgeschrieben ist,23 finden sich in Deutschland nur vereinzelte gesetzliche Vorgaben.24 Compliance-Maßnahmen haben sich in Deutschland jedoch durch die Rechtsprechung zur Enthaftung von Unternehmensverantwortlichen zunehmend etabliert.25 Unternehmen oder ihren persönlich haftenden Organen drohen bei Missachtung von Compliance-Standards Geldsanktionen oder die persönliche Haftung.26 Im Zuge der Verbreitung von Compliance-Programmen in Unternehmen hat das Interesse an der sozialen Kontrolle von Wirtschaftskriminalität auch dazu geführt, dass neben der Tat vermehrt die einzelne Person, also der Täter, in den Fokus gerückt wird. Hierzu werden sowohl wissenschaftlich als auch privatwirtschaftlich angeleitete Untersuchungen durchgeführt, die sich auf die Bestimmung von Wirtschaftsstraftätertypen anhand von Sozialdaten, Persönlichkeitseigenschaften und Werteeinstellungen konzentrieren. Die Fokussierung auf die Person wird damit legitimiert, dass bestimmte Charakterstrukturen sowohl die Betriebs- als auch die Volkswirtschaft bedrohen. Es wird deshalb gefordert, „solche Individuen frühzeitig zu erkennen, am besten, bevor sie Schaden angerichtet haben“27. Zwar wird Compliance-Maßnahmen in der Praxis unter bestimmten Voraussetzungen bereits eine kriminalitätspräventive Wirkung zugesprochen,28 allerdings gibt es bis heute keine Untersuchung zu der tatsächlichen Wirkweise einer Tätertypenbestimmung als Kontrollinstrument von Wirtschaftskriminalität. Dies ist jedoch von besonderer Bedeutung für die ← 21 | 22 → kriminologische Forschung und unternehmerische Praxis, da nur so Aussagen über den Nutzen der wirtschaftskriminologischen Tätertypisierung als Instrument sozialer Kontrolle getroffen werden können.

Die Konzentration auf bestimmte Tätertypen als Anknüpfungspunkt sozialer Kontrollmaßnahmen ist dabei kritisch zu betrachten. Schließlich ist es fraglich, ob die Tätertypenbestimmung aufgrund der einleitend von Schneider geschilderten sozialen Unauffälligkeit überhaupt ein probates Instrument zur Unterbindung von Wirtschaftskriminalität darstellt. Hierzu müsste der typische Wirtschaftsstraftäter von sonstigen Vergleichspersonen seines Berufszweiges unterschieden werden können. Im Hinblick darauf sind sowohl die einzelnen Studien zu Wirtschaftsstraftätertypen auf ihre Aussagekraft hin zu untersuchen als auch grundlegend der Mehrwert einer Tätertypenbestimmung gegenüber einer situationsorientierten sozialen Kontrolle abzuwägen.

Ausgehend von der geschilderten Problemstellung der Sozialschädlichkeit von Wirtschaftskriminalität sowie der Forschungslücke, welche Bedeutung hierbei den Tätertypologien zukommt, ist die zentrale Fragestellung der Untersuchung: Wie fungieren Wirtschaftsstraftätertypologien als Instrument sozialer Kontrolle und welche Auswirkungen sind damit verbunden? Zur Beantwortung dieser Hauptfrage ist die Klärung der folgenden Unterfragen erforderlich: Welche Arten von Wirtschaftsstraftätertypologien gibt es und welcher Zweck wird mit der Tätertypenbestimmung verfolgt? Wie soll die mit der Tätertypenbildung verfolgte Zielsetzung erreicht werden und ist dies realisierbar? Werden möglicherweise andere, nicht intendierte Effekte mit der Tätertypenbestimmung erzielt und welche Konsequenzen sind gegebenenfalls damit verbunden? Wie sind diese Folgen aus rechtlicher, kriminalpolitischer und kriminologischer Perspektive zu bewerten?

Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen erfolgt anhand einer Dokumentenanalyse von Studien zu Wirtschaftsstraftätertypen sowie unter Zugrundelegung eines konstruktivistischen Verständnisses von Kriminalität. Dabei wird keine empirische Überprüfung angestrebt, sondern die Betrachtung des Phänomens der Tätertypenbildung unter dem Gesichtspunkt der sozialen Kontrolle. Zunächst werden der theoretische Bezugsrahmen, das methodische Vorgehen sowie die relevanten Begriffsbestimmungen der Arbeit aufgezeigt. Anschließend wird das Phänomen der Wirtschaftsstraftätertypenbildung beleuchtet. Hierzu werden Publikationen, die sich auf die Bestimmung von Wirtschaftsstraftätertypen konzentrieren, hinsichtlich ihrer Aussagen zu den Tätertypen und den damit verbundenen Zielsetzungen dargestellt und verglichen. Unterschieden wird zwischen konzeptionellen und empirischen Untersuchungen zu Wirtschaftsstraftätertypen. ← 22 | 23 → Während die konzeptionellen Arbeiten auf eine theoriebasierte Tätertypisierung setzen, basieren die Tätertypen der empirischen Arbeiten auf Daten aus der Wirtschaftspraxis.

Für die Untersuchung der Fragestellung, wie Wirtschaftsstraftätertypologien als Instrumente privater sozialer Kontrolle fungieren und welche Auswirkungen damit verbunden sind, wird auf die grundsätzliche Wirkungsweise einer Tätertypenbestimmung als Instrument sozialer Kontrolle eingegangen. In der Arbeit wird hierzu Bezug auf die staatlich angeleitete Selbstregulierung von Unternehmen durch Compliance-Maßnahmen genommen, theoretisch orientiert am Gouvernementalitätsansatz von Foucault. Davon ausgehend wird auf die Tätertypenbestimmung als Kriminalpräventionsinstrument und die Aussagekraft hierzu unternommener empirischer Studien eingegangen. Darüber hinaus erfolgt anhand der aktuellen Persönlichkeitsforschung und Aussagen von allgemeinen Handlungs- sowie Kriminalitätstheorien eine Analyse, ob sich eine Tätertypenbestimmung grundsätzlich zur Prävention von Wirtschaftskriminalität eignet.

Neben dem angestrebten Einsatz wirtschaftskriminologischer Tätertypologien als kriminalpräventives Instrument kommen weitere, nicht intendierte Effekte in Betracht. Aufgrund der mit einer Tätertypenbestimmung einhergehenden Zuschreibung wird mithilfe des Labeling Approach theoretisch analysiert, ob Wirtschaftsstraftätertypologien als Etikettierungsinstrument fungieren können. Durch die Möglichkeit der Bestimmung einer Person als Wirtschaftsstraftätertypus können Unternehmen versucht sein, Mitarbeiter nach Tätertypen zu unterscheiden. Auswirkungen davon kann die Diskriminierung bis hin zum Unternehmensausschluss von Mitarbeitern sein, die dem Typus entsprechen. Bei einer fehlerhaften Bestimmung von Wirtschaftsstraftätertypen können Personen als Wirtschaftsstraftäter etikettiert werden, ohne dass diese je in Berührung mit einer Wirtschaftsstraftat gekommen sind. Die Tätertypenbildung kann demnach weit über die Verhinderung von Wirtschaftskriminalität hinausgehende Konsequenzen haben, sowohl für Unternehmensmitarbeiter als auch für Unternehmen selbst. Die mithilfe des Labeling Approach festgestellten Effekte einer wirtschaftskriminologischen Tätertypenbestimmung werden deshalb auf ihre möglichen Auswirkungen auf Unternehmen und deren Mitarbeiter hin untersucht.

Details

Seiten
234
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653069167
ISBN (ePUB)
9783653956900
ISBN (MOBI)
9783653956894
ISBN (Hardcover)
9783631675960
DOI
10.3726/978-3-653-06916-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Wirtschaftskriminalität Compliance Prävention Unternehmen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 234 S., 5 Tab.

Biographische Angaben

Julia Hugendubel (Autor:in)

Julia Hugendubel hat Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz in Baden-Württemberg studiert.

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Titel: Tätertypologien in der Wirtschaftskriminologie
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