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Fremdsprachliche Lehrmaterialien – Forschung, Analyse und Rezeption

von Christiane Fäcke (Band-Herausgeber:in) Barbara Mehlmauer-Larcher (Band-Herausgeber:in)
©2017 Sammelband 274 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch beschäftigt sich mit der Entwicklung, Analyse und Rezeption fremdsprachlicher Lehrmaterialien in den Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Die Beiträge umfassen inhaltsbezogene Analysen, u.a. zur Grammatikpräsentation, zur Diversität von Texten und Aufgaben sowie zur Förderung der interkulturellen Kompetenz. Darüber hinaus gibt es empirische Studien, welche die visuelle Rezeption von Lehrbuchseiten, Kriterien für die Auswahl von analogen und digitalen Lehrmaterialien sowie die Umsetzung einer Lernerorientierung und einer Mehrsprachigkeitsdidaktik untersuchen. Schließlich bietet der Band auch Beiträge, die den Diskurs um Lehrmaterialien aus einer übergreifenden Perspektive heraus betrachten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Forschungsdiskurse zur Analyse und Rezeption fremdsprachlicher Lehrmaterialien. Eine Einleitung (Christiane Fäcke / Barbara Mehlmauer-Larcher)
  • 1. Forschung und Lehrmaterialien
  • Kostenlose Online-Lehrmaterialien im Fremdsprachenunterricht – Ergebnisse eines Augsburger Forschungsprojektes (Eva Matthes / Dominik Neumann)
  • ‘Required Reading’: the Study of Global EFL Coursebook Pedagogy (Alan Waters († 2016))
  • 2. Lehrmaterialien im Vergleich / Lehrwerkanalyse und -evaluation
  • Eine lehrwerksübergreifende Lehrerhandreichung für sprachübergreifendes Arbeiten im Spanischunterricht der Sekundarstufe I (Sandra Bermejo Muñoz)
  • Designing communicative grammar activities (David Newby)
  • Diversität in Texten und Aufgaben in den Nationalen Bildungsstandards und in aktuellen Lehrwerken für den Anfangsunterricht Französisch (Regina Schleicher)
  • Textbooks and Intercultural Competence: An Analysis of Four English Textbooks in Germany, Iran, the Netherlands, and Sweden (Sara Vali)
  • 3. Lehrwerkrezeption
  • Aller Anfang … – Eine Eye-Tracking-Pilotstudie zu Aufschlagsseiten in DaF-Lehrwerken (Christina Kuhn)
  • Das Auswahlmoment von Lehrmaterialien zur Förderung selbstständigen Lernens zwischen „reflection-for/on-action“ und Lehrwerkorientierung – Ergebnisse einer Lehrwerkrezeption (Beate Lammert)
  • „Aber ich kann doch gar kein Türkisch!“ – „Na und?“ Heterogene Lerngruppen und mehrsprachiges Unterrichtsmaterial (Viviane Lohe)
  • Lernerorientierung in den Lehr- und Lernmaterialien ‘Mille feuilles’ und deren Rezeption in der Praxis: Rückmeldungen von Praxistestlehrpersonen (Gwendoline Lovey)
  • Brauchen wir mehrsprachigkeitsdidaktische Lehrwerke für den Unterricht von Italienisch und Spanisch in der Sekundarstufe II? (Michaela Rückl)
  • Herausgeberinnen & BeiträgerInnen: Institution und Kontaktdaten
  • Reihenübersicht

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Christiane Fäcke / Barbara Mehlmauer-Larcher

Forschungsdiskurse zur Analyse und Rezeption fremdsprachlicher Lehrmaterialien. Eine Einleitung

Abstract: The article aims to provide a short overview on research into the development and use of foreign and second language teaching materials with a focus on research discourse in the German and English research communities. This is followed by a brief introduction to all contributions in the volume.

Der folgende Beitrag bietet einen kurzen Überblick über Forschungsdiskurse zu fremdsprachlichen Lehrmaterialien und Lehrwerken, zu ihrer Analyse und Rezeption. Der Fokus liegt auf deutsch- und englischsprachigen Diskursen, die in der Mehrzahl nicht ausschließlich auf Lehrmaterialien für den schulischen Fremdsprachenunterricht bezogen sind. Darüber hinaus erfolgt ein Überblick über die einzelnen Beiträge des Sammelbands, die jeweils kurz vorgestellt werden.

1.  Einleitung

Gegenstand dieses Sammelbands1 sind Forschungen zum Vergleich, zur Analyse und Rezeption fremdsprachlicher Lehrmaterialien. Die einzelnen Beiträge umfassen vergleichende Forschungen zu Bildungsmedien ebenso wie empirische Studien mit Bezug zu Lehrmaterialen der Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.

Lehrwerkanalysen konnten sich in den letzten fünf Jahrzehnten als eigenständiger Bereich der fremdsprachendidaktischen Forschung etablieren. Gegenstand waren u. a. kritische Analysen einzelner Lehrwerke, der Inhalte, der Spracherwerbskonzepte oder verschiedener Bereiche wie Layout oder Grammatik.

Nach wie vor bilden Lehrmaterialien, entwickelt für den lokalen oder internationalen Kontext bzw. mit einer kommerziellen oder nicht-kommerziellen Ausrichtung, eine wesentliche Grundlage des Fremdsprachenunterrichts. Darunter lassen sich nicht allein Lehrwerke, sondern auch andere Materialien subsumieren, beispielsweise literarische Texte, Sachtexte und landeskundliche Materialien in Printform, aber auch audio und audio-visuelle Materialien (Musik, Film) oder ← 7 | 8 → elektronische Materialien sowie elektronische Materialquellen (z. B. Sprachkorpora).

Unter der Vielfalt an Lehrmaterialien nehmen Lehrwerke nach wie vor – vor allem für die Spracherwerbsphase der ersten Lernjahre – eine zentrale Rolle ein, die trotz aller Kritik von Seiten der fremdsprachendidaktischen Forschung unverändert zu sein scheint. Lehrwerke besitzen oftmals eine wichtige Mittlerfunktion in Hinblick auf die Erfüllung von Anforderungen nationaler und regionaler Lehrpläne (z. B. Kompetenzorientierung und Bildungsstandards) und fungieren als eine Art Modellsyllabus durch die Vorgabe von Inhalten, einer spezifischen Struktur und Abfolge.

2.  Entwicklung von Lehrmaterialien

In seinem Überblicksartikel zur Entwicklung von Lehrmaterialien subsumiert Tomlinson (2012; sowie 2003) unter dem Überbegriff „Entwicklung“ die Bereiche der Evaluierung, der Adaption, des Designs, der Produktion und Nutzung bzw. Rezeption von Lehrmaterialien sowie die Beforschung dieser einzelnen Prozesse. Mit diesen unterschiedlichen Prozessen in Zusammenhang mit der Erstellung und dem Einsatz von Lehrmaterialien für das Sprachenlernen und -lehren sind Sprachlehrkräfte sowie Autoren und Autorinnen von Lehrmaterialien als auch Forscher und Forscherinnen befasst. Durch die Beteiligung dieser unterschiedlichen Professionsgruppen stellt sich, ähnlich wie in anderen Bereichen der Sprachdidaktik, die Herausforderung der Mediation zwischen Theorie und Praxis. In diesem Zusammenhang fordern u. a. Gillmore (2007), Harwood (2010) und MacGrath (2013) eine engere Zusammenarbeit und einen vermehrten Dialog der Professionsgruppen in allen Bereichen der Entwicklung von Lehrmaterialien.

2.1  Die Frage der Authentizität von Lehrmaterialien

Zu den wiederholt gegensätzlich diskutierten Problembereichen der Lehrmaterialien-Entwicklung gehört unter anderen die Frage der Authentizität der eingesetzten Texte und Aufgaben. Zu Beginn der kommunikativen Wende und zum Teil heute noch steht im Fremdsprachenunterricht oftmals die bedingungslos formulierte Forderung nach dem Einsatz von authentischen Texten (schriftlich und mündlich) anstatt von Texten, die adaptiert oder für rein pädagogische Zwecke verfasst wurden.

Widdowson (1979;1998; 2003) plädiert wiederholt für eine klare konzeptuelle Analyse dieser Forderung und führt den Begriff der „genuinen Texte“ (genuine texts) ein, die zunächst für nicht pädagogische Zwecke produziert und verwendet ← 8 | 9 → werden, deren potentiell sich aus diesen Texten ergebenden „authentischen Diskurse“ (authentic discourses) jedoch vielfältigster Natur sein können, je nachdem in welchem Kontext sie eine kommunikative Anwendung finden (vgl. Widdowson 2003: 93). Aufgabe von Sprachlehrenden ist es, Texte – egal ob genuine Texte, oder Texte, die für den Sprachunterricht adaptiert oder produziert wurden – für den Sprachunterricht so auszuwählen, dass sie einerseits von pädagogischer Relevanz sind und im Sprachlernkontext (language classroom), in den sie transferiert werden, auch tatsächlich erfolgreich authentifiziert (authenticated) werden können (vgl. Widdowson 1998: 715). Das heißt, entscheidend für die Auswahl von Texten ist die Frage, ob Lernende (mit Unterstützung) sich erfolgreich auf einen Texte in ihrer Rolle als Sprachlernende in einem ganz spezifischen Kontext, nämlich dem Klassenzimmer bzw. Kursraum, beziehen können, und diesen Text für den Prozess des Sprachenlernens effektiv nützen können (Kaltenböck / Mehlmauer 2005). Mit den Worten von van Lier ausgedrückt ist Authentizität „basically a personal process of engagement.“ (1996: 128)

2.2  Didaktische Ansätze in Lehrmaterialien

Ein weiterer viel diskutierter Aspekt im Zusammenhang mit der Entwicklung von Lehrmaterialien ist die Frage des Einsatzes sprachdidaktischer Ansätze, die einen wesentlichen und grundlegenden Einfluss auf das Design und die mögliche Rezeption von Lehrmaterialien haben. Tomlinson (2012: 158 f.) verweist auf die Vielzahl von methodologischen Ansätzen, die in den letzten Jahrzehnten in der Sprachlehrszene entwickelt und zur Bewerbung von Lehrwerken auf deren Buchrücken angeführt wurden. Im Gegensatz zu den verschiedenen propagierten Sprachlehransätzen hätten sich oftmals die eigentlichen methodisch-didaktischen Ansätze nicht wesentlich verändert, was so viel bedeute, dass ein methodischer PPP-Ansatz (presentation, practice, production) in den meisten Lehrwerken vorherrsche und dies oftmals noch tue.

Forscher wie Willis/Willis (2007) aber auch bereits Long (1991) und Ellis (2001) haben das Festhalten am PPP-Ansatz kritisiert und mehr experimentelle Ansätze gefordert, wie zum Beispiel aufgabenbasiertes Lernen (task-based learning) (Willis/Willis 2007), entdeckendes Lernen (discovery learning), oder sogenannte textbasierte (text-driven) Ansätze (Tomlinson 2003b).

Im Gegensatz zu den Kritikern eines PPP-Ansatzes sieht Waters (2011; siehe auch seinen Beitrag in diesem Band) durchaus Berechtigung am teilweisen Festhalten von Lehrwerkautoren und Sprachlehrenden an eher traditionellen Lehrmethoden, wie zum Beispiel dem PPP-Ansatz. Eine präskriptive Haltung von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen gegenüber Lehrwerkautoren und ← 9 | 10 → Sprachlehrenden hält er für nicht zielführend, sondern er plädiert für einen Kompromiss zwischen dem, was theoretisch wünschenswert, und dem, was praktikabel und angemessen aus der Sicht der NutzerInnen von Lehrwerken sei (vgl. Waters 2011: 323f).

3.  Lehrwerkanalyse und -forschung

Für den Fremdsprachenunterricht stellen Lehrwerke eine zentrale Grundlage dar, weil mit ihnen die Progression, Inhalte, Themen, das methodische Vorgehen und die Zielsetzungen wesentlich geprägt und gesteuert werden können. Vor diesem Hintergrund wird ihre zentrale Stellung als ‚heimlicher Lehrplan‘ kritisch eingeschätzt und die Reduktion ihrer dominanten Position von etlichen Didaktikern immer wieder eingefordert.

Im Kontext dieser dominanten Stellung von Lehrwerken steht ebenfalls eine lange Tradition der Lehrwerkforschung und Lehrwerkanalyse, die seit den 1960er Jahren einen eigenständigen Bereich der fremdsprachendidaktischen Forschung darstellen. Gegenstand von Lehrwerkanalysen sind die in Lehrwerken thematisierten Inhalte, Spracherwerbskonzepte oder auch bestimmte Bereiche wie Layout, Wortschatzarbeit oder interkulturelle Aspekte.

Lehrwerke spiegeln in ihrer Gestaltung auch das Jahrzehnt ihrer Entstehung, z. B. in Bezug auf methodische Umsetzungen im Zeichen der kommunikativen Didaktik, der interkulturellen Ausrichtung oder der Kompetenz- und Aufgabenorientierung. Darüber hinaus zeigen die Inhalte, d. h. die gewählten thematischen Schwerpunkte, die Lehrwerkfiguren oder Illustrationen, einen Bezug zu einer bestimmten Epoche auf.

Die Zielsetzung von Lehrwerkanalysen besteht in einer kritischen Begutachtung einzelner Lehrwerke, ihrer Inhalte, Spracherwerbskonzepte oder bestimmter Bereiche wie Layout oder Grammatik (Kast/Neuner 1994). In der Fremdsprachendidaktik gibt es etliche Lehrwerkanalysen zu verschiedenen Themen, so beispielweise die Entwicklung von Kriterienkatalogen mit systematischen Beurteilungsrastern (z. B. Mannheimer Gutachten 1977, 1979; Vielau 1981; Cunningworth 1984, 1995; McGrath 2002), gesellschaftskritische Analysen der Inhalte von Lehrwerken (z. B. Schüle 1973) oder Analysen zur Bedeutung von Grammatik (z. B. Funk 1995). In den 1990er Jahren geht es verstärkt um interkulturelle Dimensionen (z. B. Abendroth-Timmer 1998; Fäcke 1999). Darüber hinaus gibt es Analysen zur Art und Weise des Umgangs mit Lehrwerken im Fremdsprachenunterricht (z. B. Wernsing 1993) und vor allem immer wieder Infragestellungen der Dominanz des Lehrwerks oder Forderungen nach der Abschaffung von Lehrwerken (z. B. Leitzgen 1996; Bleyhl 2000; Thornbury / Meddings 2001). ← 10 | 11 →

Inhaltsbezogene Lehrwerkanalysen wurden in den Fremdsprachendidaktiken auch in den vergangenen Jahren durchgeführt (z. B. Michler 2005), nunmehr bezogen auf fremdsprachendidaktische Forschungsfelder der Gegenwart, beispielsweise auf den Umgang mit der Kompetenzorientierung (Martinez 2011) oder auf die Mehrsprachigkeitsdidaktik (Hufeisen 2011). Darüber hinaus werden Fragen zur Qualität des Lehrwerks an sich gestellt (Thaler 2011).

4.  Lehrwerkrezeption

Neben den oben genannten Analysen fremdsprachlicher Lehrwerke sind auch die Rezeption und die Umgangsweisen mit Lehrwerken von Interesse, d. h. konkret Fragen nach der Art der Nutzung eines Lehrwerks durch Lehrende oder durch Lernende.

In fremdsprachendidaktischen Lehrwerkanalysen werden bislang vor allem inhaltsbezogene Perspektiven verfolgt, wohingegen die Rezeption von Lehrwerken nur in Ansätzen zum Gegenstand empirischer Untersuchungen gemacht wird (vgl. Kurtz 2010). Wie gehen Lehrende mit Lehrwerken um, wie nehmen Lernende ihre Lehrwerke wahr? Welche Einstellungen haben sie dazu und wie lernen sie mit ihnen? Diese Fragen sind bislang noch nicht repräsentativ und differenziert beantwortet. Insgesamt bilden Fragen nach Anregungen zum Lernen durch Lehrwerke, nach der Rezeption von Lehrwerken durch Lehrende und Lernende oder nach ihren Umgangsweisen mit dem Lehrwerk noch keinen zentralen Schwerpunkt fremdsprachendidaktischer Forschungen.

Ein erster Schritt in Bezug auf die Erarbeitung eines konzeptuellen, theoretischen Rahmens wurde von Guerrettaz und Johnston (2013) getätigt mit der Adaption eines soziokulturellen Ansatzes, der unter dem Namen „Ökologie des Klassenraumes“ (ecology of the classroom) bereits Eingang in die Sprachendidaktik gefunden hat (van Lier 1996; 2004). Ausgehend von einem empirischen Forschungsprojekt im Bereich der Lehrmaterialrezeption durchgeführt im Rahmen eines ESL (English as a Second Language) Sprachkurses an einer US-amerikanischen Universität identifizierten die Forscher drei prinzipielle Bereiche, mit denen Lehrmaterialien in der Ökologie des Klassen-/Kursraumes interagieren: 1) dem Curriculum bzw. Syllabus 2) dem Diskurs im Klassen-/Kursraum und 3) dem Prozess des Sprachenlernens (vgl. Guerrettaz / Johnston 2013: 792).

Die Untersuchung zeigt auf, dass erstens die Lehrmaterialien einen zentralen Einflussfaktor in Hinblick auf das Curriculum sowohl auf inhaltlicher Ebene als auch hinsichtlich der Abfolge von Lehr- und Lerneinheiten darstellen. Zweitens, Lehrmaterialien beeinflussen ebenso den Inhalt als auch die Organisation des Diskurses, der im Klassenraum stattfindet, und drittens Lehrmaterialien haben ← 11 | 12 → das Potenzial, lernförderliche Situationen zu schaffen (vgl. Guerrettaz /Johnston 2013: 792 ff).

Neben der wegweisenden Arbeit von Guerrettaz und Johnston (2013) gibt es auch bereits einige weitere Forschungsarbeiten zur Rezeption von Lehrmaterialien, wie zum Beispiel Humphries (2014) sowie Seferaj (2014). Humphries untersucht den Einsatz von neuen Lehrwerken in einem technischen Kolleg in Japan mit dem Ziel heraus zu finden, welche Faktoren den adäquaten Einsatz von innovativen Lehrwerken fördern bzw. behindern. Seferajs Studie untersucht die Herausforderungen, mit denen eine albanische Sprachlehrerin konfrontiert ist, die Lehrwerke, denen ein kommunikativer Ansatz zu Grunde liegt, in ihrem örtlichen Bildungskontext einsetzen soll, und wie sie auf diese Herausforderungen im Unterrichtskontext reagiert. In einer weiteren Studie (Fäcke 2016) geht es um selbstständiges Lernen im lehrwerkbasierten Französischunterricht und um die Lehrwerkrezeption und Einstellungen zum Französischunterricht aus Lehrer- und Schülerperspektive zum Gegenstand (siehe auch Lammert in diesem Band).

Parallel zu diesen ersten Studien werden verstärkt Forschungsperspektiven eingefordert, die gerade Dimensionen der Rezeptions- und Wirkungsforschung umfassen (Martinez 2011: 99 ff.; Kurtz 2011; Guerrettaz / Johnston 2013; Garton / Graves 2014a, 2014b). In diesem Zusammenhang verweisen Garton und Graves (2014b) auf einen gravierenden Mangel an theoretischen Konzepten, die als Grundlage für die Erforschung von Lehrmaterialien dienen könnten.

Auch Kurtz (2010) unterstreicht, dass die Verwendung des Lehrwerks in der Alltagspraxis aus der Perspektive der Lehrenden bislang weitgehend ohne empirische Überprüfung diskutiert werde. Empirische Untersuchungen, wie sie in der Geschichtsdidaktik zur Rezeption von Lehrwerken im Geschichtsunterricht vorliegen (von Borries 2010), gäbe es auf vergleichbarer Ebene in den Fremdsprachendidaktiken bislang zu wenig.

Wenn auch die Forderung von Kurtz zumindest teilweise durch die oben genannten Arbeiten erfüllt scheint, hat sie dennoch ihre Gültigkeit nicht verloren, da bislang nur einzelne Ergebnisse vorliegen und weitergehende Studien notwendig sind.

5.  Die Beiträge in diesem Band

Diesem Desiderat widmet sich der vorliegende Sammelband insofern, als dass seine Beiträge die Bedeutung von Lehrmaterialien vorwiegend für den Fremdsprachenunterricht im schulischen Kontext, aber auch für den Sprachunterricht im tertiären Bereich und in der Erwachsenenbildung fokussieren. Es geht um die Untersuchung von Prinzipien, Anforderungen und Überlegungen zur Erstellung ← 12 | 13 → von Lehrmaterialien, um die Analyse möglicher Auswahlkriterien bei der konkreten Gestaltung von Lehrwerken oder um Fragen nach den Auswirkungen von Lehrmaterialien auf den Unterricht, auf Lehr-/ Lernprozesse und auf die Lehrenden und Lernenden.

Im Vordergrund stehen forschungsorientierte Perspektiven auf diese Fragestellungen, die in laufenden und bereits abgeschlossenen Forschungsprojekten eingenommen worden sind. Einen Schwerpunkt bildet neben konzeptuellen Überlegungen die Darstellung des Forschungsdesigns, der Forschungsmethodik und der Zielsetzungen dieser Projekte sowie Bezüge zur Analyse empirischer Daten, die aus diesen Projekten stammen.

Die Mehrheit der Beiträge entstand im Kontext der von uns geleiteten Sektion „Lehrmaterialien“ auf dem 25. Kongress der DGFF, der vom 30. September bis 3. Oktober 2015 in Ludwigsburg stattfand. Darüber hinaus sind einzelne Beiträge in anderen Forschungskontexten entstanden und stellen z. B. Ergebnisse aus Dissertationen zusammenfassend dar.

Ein erster Schwerpunkt gilt der Erforschung von Lehrmaterialien in der Breite. Eva Matthes und Dominik Neumann stellen Ergebnisse ihres Forschungsprojekts vor, in dem kostenlose Online-Lehrmaterialien erfasst und im Blick auf ihre Zielsetzungen analysiert werden. Gerade der kritische Blick auf die Anbieter dieser Materialien, ihre Rezeption durch Lehrende und Lernende sowie damit indirekt verbundenen Konzepte machen die Relevanz eines heimlichen Lehrplans deutlich.

Alan Waters stellt vorwiegend englischsprachige Diskurse zur Analyse von globalen Lehrwerken für English as a Foreign Language dar, deren Qualität aus der Perspektive der angewandten Linguistik mehrheitlich kritisiert wird. Daneben analysiert er Forschungsergebnisse außerhalb der angewandten Linguistik zur Relevanz langfristiger Memorisierungsprozesse in Hinblick auf die Entwicklung von Sprachwissen und regt an, die angewandt-linguistischen Diskurse einer erneuten Evaluation zu unterziehen.

Den zweiten Schwerpunkt bilden einzelne Forschungen zu Analyse und Evaluation von Lehrwerken und Lehrmaterialien. Sandra Bermejo Muñoz evaluiert Lehrmaterialien in Bremen, die zur Implementierung von Mehrsprachigkeit im Spanischunterricht dienen. Im Mittelpunkt ihres Beitrags steht eine Lehrerhandreichung zur Sensibilisierung von Lehrkräften und deren Überarbeitung im Rahmen einer qualitativen Evaluationsstudie.

David Newby zeigt in seiner Analyse verschiedener Lehrwerke, dass Grammatikmaterialien trotz der kommunikativen Didaktik häufig traditionell gestaltet sind. Vor diesem Hintergrund präsentiert er sein kognitiv-kommunikatives ← 13 | 14 → Grammatikmodell und erläutert an Beispielen, wie dieses Modell Autor/innen von Lehrwerken bei deren Gestaltung unterstützen kann.

Gegenstand des Beitrags von Regina Schleicher ist eine Analyse von Französischlehrwerken für den Anfangsunterricht. Ausgehend von Beispielaufgaben der Bildungsstandards geht es um Diversität in Texten und Aufgaben, um Kriterien für eine Analyse methodischer und inhaltlicher Aspekte und insbesondere um die Förderung interkultureller Kompetenz.

Sara Vali stellt ihre vergleichende Analyse von vier Englischlehrwerken aus Deutschland, dem Iran, den Niederlanden und Schweden vor. Im Fokus steht die Analyse der Förderung interkultureller kommunikativer Kompetenz, d. h. der Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen, und ihre Umsetzung in den Texten und Aufgabenstellungen der jeweiligen Lehrwerke.

Nach den inhaltsbezogenen Lehrwerkanalysen geht es im dritten Schwerpunkt dieses Bands um die empirische Erforschung der Lehrwerkrezeption. Christina Kuhn stellt Ergebnisse ihrer Eye-Tracking-Pilotstudie zu Aufschlagsseiten in DaF-Lehrwerken vor. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Steuerung der Aufmerksamkeit Lernender durch die ersten Seiten der Lehrwerkkapitel mit dem Ziel, Hinweise für eine sprachdidaktisch produktive und leserfreundliche Gestaltung zu erhalten.

Details

Seiten
274
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631702963
ISBN (PDF)
9783653072143
ISBN (MOBI)
9783631702970
ISBN (Hardcover)
9783631677155
DOI
10.3726/b11136
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (April)
Schlagworte
Lehrwerkforschung Unterrichtsmaterialien Fremdsprachenunterricht Lehrwerkentwicklung Lehrwerkevaluation Lehrwerkanalyse
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 274 S., 21 s/w Abb., 13 s/w Tab.

Biographische Angaben

Christiane Fäcke (Band-Herausgeber:in) Barbara Mehlmauer-Larcher (Band-Herausgeber:in)

Christiane Fäcke ist Professorin für die Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Universität Augsburg. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Lehrwerke, Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kompetenz und Literaturdidaktik. Barbara Mehlmauer-Larcher lehrt am Institut für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Wien und forscht zur Bildung von Sprachlehrenden sowie zum Fachsprachenunterricht.

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Titel: Fremdsprachliche Lehrmaterialien – Forschung, Analyse und Rezeption
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