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Die Zukunft der Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem: Russisch und Türkisch im Fokus

von Cemal Yıldız (Band-Herausgeber:in) Nathalie Topaj (Band-Herausgeber:in) Reyhan Thomas (Band-Herausgeber:in) Insa Gülzow (Band-Herausgeber:in)
©2017 Sammelband 322 Seiten

Zusammenfassung

Etwa die Hälfte der Menschen weltweit ist mehrsprachig und auch in Deutschland verwenden rund zwanzig Prozent der Einwohner neben Deutsch noch eine weitere Familiensprache, meist Russisch und Türkisch.
Die Tagung «Die Zukunft der Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem: Russisch und Türkisch im Fokus» hatte zum Ziel, einen Beitrag zur gegenwärtigen Forschung und Praxis des Türkischen und des Russischen im Bildungskontext zu liefern. Außerdem sollte der Austausch zwischen Experten aus der Mehrsprachigkeitsforschung, aus Bildungseinrichtungen, der Bildungspolitik und Migrantenverbänden gefördert werden. Der Tagungsband enthält Beiträge von internationalen Experten auf dem Gebiet sowie die gemeinsamen Pressemitteilungen der Veranstalter und das im Rahmen der Tagung entstandene «Berlin-Brandenburger Positionspapier zur Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem».

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1. Ziele der Konferenz (in allen Sprachen der Konferenz)
  • 2. Pressemitteilung (auf Deutsch und Türkisch)
  • 3. Berlin-Brandenburger Positionspapier zur Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem
  • 4. Eröffnungsreden
  • Prof. Dr. Cemal Yıldız (Botschaftsrat für Bildungswesen, Botschaft der Republik Türkei) & PD Dr. Natalia Gagarina (ZAS Berlin)
  • H. Avni Karslıoğlu (Botschafter der Republik Türkei in Berlin)
  • Dr. Werner Frey (ZAS Berlin)
  • Prof. Dr. Şeref Ateş (Präsident des Yunus Emre Enstitüsü/Türkei)
  • Frau Aydan Özoğuz (Staatsministerin, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration)
  • 5. Beiträge
  • Multilingualism, Identity, and School Achievement: Separating Evidence from Ideology (Jim Cummins)
  • Institutionelle Entwicklungen des Herkunftssprachenunterrichts in Deutschland (mit einem Seitenblick auf Österreich und die Schweiz) (Hans H. Reich)
  • Emergent bilingualism of Turkish-French bilingual children in France (Mehmet-Ali Akıncı)
  • Russischunterricht im deutschen Bildungssystem: Traditionen, gesellschaftliche Anforderungen und bildungspolitische Perspektiven (Anka Bergmann)
  • Sprachstandstest Russisch für mehrsprachige Kinder in der Praxis (Annegret Klassert)
  • Sprachförderung im Alltag bei mehrsprachigen Kindern (Nathalie Topaj / Stefanie Gey / Dorothea Posse)
  • Möglichkeiten und Grenzen der Diagnostik erstsprachlicher Fähigkeiten: Türkisch-deutsche und türkisch-französische Kinder im Vergleich. Spezifische Sprachentwicklungsstörung und Erwerb einer Minderheitensprache (Solveig Chilla / Nebiye Hilal Şan)
  • Ist der Herkunftsprachenunterricht ein Auslaufmodell? Migrantensprachen und ihr Bildungspotenzial in transnationalen Bildungskonzepten am Beispiel von Türkisch als Fremdsprache (Almut Küppers)
  • Bilinguale Vorschulerziehung – Frühkindliche bilinguale Erziehung mit Türkisch als Partnersprache (Reyhan Kuyumcu)
  • Sprachgebrauch Türkisch-Deutsch zweisprachiger Jugendlicher in Berlin (Yazgül Şimşek)
  • 6. Abschlussstatements
  • Prof. em. Dr. Jim Cummins
  • Prof. Dr. Anka Bergmann
  • PD Dr. Natalia Gagarina
  • Prof. Dr. Cemal Yıldız
  • Prof. Dr. Mehmet-Ali Akıncı
  • 7. Eindrücke der Konferenz
  • 8. Liste der Teilnehmenden

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Vorwort

Mehrsprachigkeit bringt viele Vorteile mit sich und ist eine große Ressource für die heutige Gesellschaft. Obwohl etwa die Hälfte der Menschen weltweit mehrsprachig ist und auch in Deutschland die Zahl mehrsprachiger Bürger stetig anwächst (Bundesministerium des Innern 2012; Bettge und Oberwöhrmann 2013), wird Mehrsprachigkeit häufig noch nicht als Chance gesehen, sondern als Hindernis auf dem Weg zur erfolgreichen gesellschaftlichen Integration. Dabei bringt Mehrsprachigkeit viele Vorteile mit sich (vgl. Baker 2001; Bialystok 2001, 2004; Tracy 2008; u.a.). Mindestens drei Sprachen zu sprechen ist eines der bildungspolitischen Leitziele der Europäischen Union und die Unterstützung der mehrsprachigen Sprachentwicklung bietet eine solide Basis für die weitere Lebensbahn.

Rund zwanzig Prozent der Einwohner Deutschlands verwenden in ihrer Familie neben Deutsch noch eine weitere Familiensprache. So wachsen in Deutschland hunderttausende Kinder mehrsprachig auf. Der Anteil der Menschen, die in ihrem Alltag neben Deutsch das Russische und das Türkische verwenden, ist dabei am höchsten (Gagarina 2014; Bericht der KMK und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Bildung in Deutschland“ 2016: 167).

Die deutschen Bildungsinstitutionen haben nur zögerlich auf die Tatsache reagiert, dass mehr und mehr Kinder mehrsprachig aufwachsen. Auch wenn es hier und da bilinguale Kindergärten und Schulen gibt, sind bilingualer Unterricht, der die in Deutschland gesprochenen Sprachen mit einbezieht und der Herkunftssprachenunterricht bundesweit nach wie vor Marginalien. Dabei ist der Bedarf deutlich größer als das Angebot und natürlich nicht auf die beiden Sprachen Türkisch und Russisch beschränkt.

Am 03. und 04. März 2016 fand in Berlin die von dem Botschaftsrat für Bildungswesen der türkischen Botschaft zusammen mit dem Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) initiierte internationale Konferenz Die Zukunft der Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem: Russisch und Türkisch im Fokus in den Räumen der Botschaft der Republik Türkei und des Zentrums für Allgemeine Sprachwissenschaft statt. Weitere Kooperationspartner waren, Yunus Emre Enstitüsü Türkisches Kulturzentrum Berlin, Berliner Institut für interkulturelle Arbeit an der Alice Salomon Hochschule, dtz-bildung & qualifizierung Berlin, Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland e. V. (FÖTED), Freie Universität Berlin, Technische Universität Berlin, Türkisches Generalkonsulat Berlin, Zentrum für Sprache, Variation und Migration, Universität Potsdam. ← 11 | 12 →

Die Konferenz hatte zum Ziel, einen wissenschaftlichen und didaktisch-methodischen Beitrag zur gegenwärtigen Forschung der zwei meistgesprochenen Minderheitssprachen Türkisch und Russisch zu liefern und den interdisziplinären Austausch zwischen Experten aus der Mehrsprachigkeitsforschung, aus Bildungseinrichtungen, der Bildungspolitik und Migrantenverbänden zu fördern. Dabei sollte die Wahrnehmung der Vorteile der Mehrsprachigkeit befördert und die positive Einstellung zur Mehrsprachigkeit und zum mehrsprachigen Spracherwerb bei Kindern gestärkt werden sowie wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis zugänglicher gemacht werden.

Zu der zweitägigen Konferenz kamen internationale Bildungsexperten mit über 250 Gästen aus verschiedenen Bereichen zusammen: Wissenschaftler, pädagogische Fachkräfte, Vertreter von Vereinen, Medienvertreter, Verlagsmitarbeiter.

In diesem Sammelband sind einige der Beiträge zusammengestellt: die Eröffnungsreden von Vertretern der veranstaltenden Organisationen und der Integrationsbeauftragten Aydan Özoğuz, Plenarvorträge von international bekannten Wissenschaftlern und Vorträge aus den Workshops. Außerdem finden Sie in diesem Band die gemeinsame Pressemitteilung zur Eröffnung der Konferenz sowie das Berlin-Brandenburger Positionspapier zur Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem in türkischer und in deutscher Sprache.

Die Konferenz wurde von den Herausgebern des Sammelbandes und ihren Mitarbeitern über ein Jahr vorbereitet. In vielen Treffen in den Räumen der Botschaft der Republik Türkei, am Yunus Emre Institut und am Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft wurde über Themen diskutiert und wurden Aufgaben verteilt. Die Treffen für die Vorbereitung der Konferenz waren für alle Beteiligten besonders lehrreich, kulturell bereichernd, anregend, manchmal aufregend und jedes Mal sehr produktiv. Im Zuge der Vorbereitungen wurde auch zusammen an dem Positionspapier gearbeitet, das mit einer gemeinsamen Pressemitteilung zu Beginn der Konferenz veröffentlicht wurde. Im Berlin-Brandenburger Positionspapier zur Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem wird gefordert, dass die Sprachen der Zuwanderer angemessen im deutschen Bildungssystem repräsentiert sein müssen. Sprachbildung soll als Querschnittsaufgabe angesehen werden und die Verantwortlichen müssen Sprachentwicklungsprozesse bereits vor dem möglichen Eintritt in die Kindertagesstätte im Blick haben. Das Positionspapier warnt außerdem davor, die Debatte um Mehrsprachigkeit mit einer Debatte um Spracheinstellungen zu vermischen.

Als Reaktion auf das Positionspapier erschien am 20.04.2016 ein Gastbeitrag in der Zeitung Der Tagesspiegel, der von zweien der Herausgeber verfasst wurde. Der Artikel trug den Titel ‚Türkisch in die Schulen!’ und gemeint ist: wer mehrsprachig ← 12 | 13 → in Deutschland lebt, soll Bildung nicht nur in der deutschen Sprache und den klassischen Fremdsprachen erfahren.

Ein Ziel der Konferenz war es, diejenigen Defizite zu benennen, die das deutsche Bildungssystem im Bereich der Sprachförderung charakterisieren. Am Ende war deutlich: Es gibt schon eine ganze Menge Gutes und der Forderungskatalog wurde kürzer, als angenommen. Was noch fehlt, da waren sich alle einig, ist die Selbstverständlichkeit in der Umsetzung von Maßnahmen, die Mehrsprachigkeit über die klassischen Fremdsprachen hinaus zum Normalfall werden lassen. Positive Beispiele müssen Alltag werden und bei bildungspolitischen Planungen muss konsequent nach vorne geschaut werden. Die Rhetorik des Mangels muss der Rhetorik der Bereicherung weichen. Oder wie die in Berlin aufgewachsene mehrsprachige Moderatorin der Konferenz Ebru Okatan es formuliert: „Multikulturalität bringt mir nur Vorteile – in jeder Hinsicht!“.

Die Herausgeber

Prof. Dr. Cemal Yıldız, Botschaftsrat für Bildungswesen, Botschaft der Republik Türkei in Berlin

Nathalie Topaj, Berliner interdisziplinärer Verbund für Mehrsprachigkeit (BIVEM), Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin

Reyhan Thomas, Bildungskoordinatorin, Yunus Emre Enstitüsü, Türkisches Kulturzentrum Berlin

Dr. Insa Gülzow, Abteilung Forschungskommunikation, Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin

Wir bedanken uns für das Korrekturlesen und Unterstützung bei der Formatierung des Tagungsbands bei Christin Schütze und Katherine Hardin.

Seit dem 1. Januar 2017 ist das Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft und wurde in Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) umbenannt. Im Tagungsband wird die alte Bezeichnung durchgehend genutzt.

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1. Ziele der Konferenz (in allen Sprachen der Konferenz)

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2. Pressemitteilung (auf Deutsch und Türkisch)

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3. Berlin-Brandenburger Positionspapier zur Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem

 

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In der Diskussion um die Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem weichen die sprach- und erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisse häufig von der Herangehensweise der Politik und dem Tenor der gesellschaftspolitischen Debatte ab. Einer Initiative des Zentrums für Allgemeine Sprachwissenschaft Berlin folgend, wenden wir uns als eine Gruppe von Wissenschaftlern und Bildungsexperten aus der Praxis mit den folgenden vier Thesen im Vorfeld der Konferenz Die Zukunft der Mehrsprachigkeit im deutschen Bildungssystem: Russisch und Türkisch im Fokus (03. + 04. März 2016) an die Öffentlichkeit.

1. Die Sprachen der Zuwanderer müssen angemessen im Sprachenangebot des deutschen Bildungssystems repräsentiert sein

Die sprachlichen Ressourcen von rund einem Drittel aller Schülerinnen und Schüler bleiben bislang weitgehend ungenutzt. Noch immer spielen viele Sprachen der Zuwanderung eine marginale Rolle im Schulsystem. Als „herkunftssprachlicher Unterricht“ oder „muttersprachlicher Unterricht“ werden sie in den meisten Bundesländern in den Nachmittag verbannt, führen als AGs ein kümmerliches Dasein und bleiben unbenotet. Gleichzeitig hat der Europäische Rat bereits im März 2002 das Erlernen der Grundkenntnisse von zwei weiteren Sprachen durch alle Bürgerinnen und Bürger als sprachenpolitisches Ziel formuliert. Auch die Kultusministerkonferenz empfiehlt 2011 in einem Papier die Stärkung der Fremdsprachenkompetenz sowie 2013 bilingualen Unterricht. Diesem Ansatz folgend sprechen wir uns entschieden dafür aus, das schulische Sprachenangebot um Sprachen der Zuwanderer zu erweitern. Der Sprachenunterricht, insbesondere in den großen Sprachen der Zuwanderer wie Türkisch, Russisch, Polnisch, Arabisch und anderen, ist als ein Angebot für alle Schülerinnen und Schüler zu etablieren, das denselben Status wie die traditionell angebotenen Fremdsprachen genießt. Darüber hinaus sind bilinguale Angebote und sprachliche Schulprofile weiterzuentwickeln und v.a. noch mehr für die Schüler anzubieten, die diese Sprachen als Familiensprache sprechen. Die Ausbildungen von Lehrerinnen und Lehrern für diese Sprachenangebote sind entsprechend an den Universitäten zu etablieren, Lehrmaterialien sind zu entwickeln, die die Spezifik der Lernsituation in Deutschland berücksichtigen.

2. Sprachbildung ist eine Querschnittsaufgabe in der Schulbildung

Die Zuwanderung durch Flucht hat das Thema der Sprachförderung in Deutsch als Zweitsprache wieder stark in die Öffentlichkeit geschoben und die Bundesländer ← 33 | 34 → reagieren unterschiedlich auf diese Herausforderung. Mit Blick auf die Erfahrungen der „Ausländerklassen“ in den 1970er Jahren warnen wir dringend davor, Vorbereitungsklassen für sprachliche Seiteneinsteiger als segregierende Dauereinrichtungen zu manifestieren: Sprache ist zwar Schlüssel zur Integration, aber vor allem ist soziale Integration der Schlüssel zur Sprache! Daher muss die frühzeitige Integration in die Regelklasse konstitutives Element jeder Sprachförderung sein. Wir begrüßen es, dass in vielen Bundesländern die Sprachbildung als Querschnittsaufgabe aller Fächer Eingang in die curricularen Rahmenrichtlinien gefunden hat. Dies darf jedoch nicht damit einhergehen, Förderbedarf auf der Grundlage von Attributen wie „nichtdeutsche Herkunftssprache“, „Migrationshintergrund“, „Zuwanderungsgeschichte“ zu unterstellen. Förderbedarf kann nur mit wissenschaftlich erprobter, valider und wiederholter Sprachstandfeststellung bestimmt werden. Die Herkunft, Familiengeschichte bzw. die Zwei- oder Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern sollen als Bereicherung angesehen werden, auf welche die Schule angemessen reagieren muss; sie dürfen nicht pathologisiert werden.

3. Die Sprachbildung beginnt vor der Schule

Die Sprachbildung beginnt in der Familie; Eltern sollen ermuntert und unterstützt werden, Kindern ein anregendes sprachliches Umfeld in der Sprache oder den Sprachen zu geben, die sie selbst als Familiensprachen bevorzugen, denn nur so kann ein natürlicher Erstspracherwerb gelingen. Auch für den Aufbau der frühkindlichen Bindung, einer positiven emotionalen Mutter- bzw. Eltern-Kind-Beziehung, spielt die Sprache eine wichtige Rolle. Ist die Erstsprache des Kindes nicht das Deutsche, dann kommt einem frühen Kita-Besuch mit kompetenter Sprachförderung im Deutschen eine essenzielle Bedeutung zu. Denn die frühe Entwicklung der Kompetenz im Deutschen ist ein wesentlicher Faktor für den späteren Erfolg in der Schule. Die Erzieherinnen und Erzieher haben dabei eine bedeutende Aufgabe, für die sie besser ausgebildet und weitergebildet werden müssen. Und da Kinder Sprache auch von Altersgenossen lernen, ist es wichtig, dass sie mit Kindern interagieren, die Deutsch als Erstsprache sprechen; darauf sollte bei der Zusammensetzung von Kita-Gruppen geachtet werden. Die familiensprachlichen Fähigkeiten der Kinder sollten durchaus auch in der Kita Wertschätzung erfahren und vermittelt werden; eine zusätzliche Weiterförderung der Erstsprache auch außerhalb der Familie ist für die Kontinuität der Entwicklung in dieser Sprache wichtig. Die Mehrsprachigkeit in Deutschland stellt auch neue Herausforderungen an die Diagnostik von Sprachstörungen, für welche die Kindermedizin und Logopädie zusammen mit Sprachwissenschaftlern angemessene Test- und Behandlungsverfahren unter Berücksichtigung der Zuwanderungssprachen entwickeln müssen. ← 34 | 35 →

4. Die Debatte um Mehrsprachigkeit muss getrennt von der Debatte um Sprachein- stellungen geführt werden

Der öffentliche Blick auf die mehrsprachigen Verhältnisse ist stark von Spracheinstellungen und Zuschreibungen beeinflusst. Eine englisch-deutsche oder französisch-deutsche Zweisprachigkeit scheint mehr wert als eine arabisch-deutsche, russisch-deutsche oder türkisch-deutsche. Einstellungen und Vorurteile, die hier manifest werden, verbinden vorschnell Sprache mit sozialen, ethnischen und/oder kulturellen Unterstellungen. Ein entspannter und angstfreier Blick auf mehrsprachige Verhältnisse und die bildungspolitischen Maßnahmen, die sie regeln sollen, muss sich von derartigen Zuschreibungen frei machen. Diese Reflexion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe; sie muss Teil jeder Lehramtsausbildung werden und gehört in die Schulen und Bildungseinrichtungen.

Mitwirkende in alphabetischer Reihenfolge

Prof. Dr. Anka Bergmann, Fachgebietsleiterin Fachdidaktik Russisch, Humboldt-

Universität zu Berlin

PD Dr. Natalia Gagarina, Koordinatorin des Berliner Interdisziplinären Verbundes für Mehrsprachigkeit (BIVEM), Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin

Details

Seiten
322
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631721230
ISBN (ePUB)
9783631721247
ISBN (MOBI)
9783631721254
ISBN (Hardcover)
9783631721223
DOI
10.3726/b11030
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juli)
Schlagworte
Spracherwerb Deutsch-Türkisch Deutsch-Russisch Migration
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 322 S., 27 Abb., 5 s/w Abb., 10 Tab.

Biographische Angaben

Cemal Yıldız (Band-Herausgeber:in) Nathalie Topaj (Band-Herausgeber:in) Reyhan Thomas (Band-Herausgeber:in) Insa Gülzow (Band-Herausgeber:in)

Cemal Yıldız ist Botschaftsrat für Bildungswesen der Republik Türkei in Berlin. Er studierte Germanistik an der Philosophischen Fakultät der Istanbul Universität und war Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Marmara Universität in Istanbul. Seine Forschungsbereiche sind allgemeine Linguistik, Spracherwerb, Fremdsprachen- und Muttersprachendidaktik. Nathalie Topaj arbeitet am Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) in Berlin. Sie untersucht Spracherwerb und -entwicklung bei mono- und bilingualen Kindern im Vor- und Grundschulalter im Deutschen, Russischen und Türkischen, insbesondere im Bereich des Diskurses. Seit einigen Jahren ist sie für den Berliner Interdisziplinären Verbund für Mehrsprachigkeit tätig. Sie studierte Anglistik und Romanistik an den Universitäten Haifa (Israel) und Mannheim. Reyhan Thomas hat ihr Lehramtsstudium (Deutsch/Englisch) an der Humboldt-Universität zu Berlin absolviert. Sie hat bei diversen Projekten zu Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache mitgewirkt und war im Yunus Emre Enstitüsü als Bildungskoordinatorin tätig. Ihre Forschungsgebiete liegen in den Bereichen Mehrsprachigkeit und Sprachbildung. Insa Gülzow arbeitet aktuell am Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) in Berlin. Sie hat viele Jahre an verschiedenen Universitäten gelehrt, zuletzt als Gastprofessorin an der Freien Universität Berlin. Sie hat einen Abschluss in Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsmanagement und ist am ZAS für die Forschungskommunikation zuständig. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Spracherwerb.

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