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Die ersten Ärztinnen in Europa und Amerika und der frühe Feminismus (1850–1900)

von Marcel H. Bickel (Autor:in)
©2017 Monographie 174 Seiten

Zusammenfassung

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es keine Ärztinnen. Der Arzt war ein Mann und die akademische Medizin reine Männersache. Der Eintritt der Frauen ins Medizinstudium seit 1850 und ihre Etablierung in der Arztpraxis werden hier ländervergleichend dargestellt. Das Frauenstudium der Medizin war in Europa und Amerika Teil der Emanzipation aus den engen sozialen Rollen, die im 19. Jahrhundert den Frauen zugewiesen waren. Der vorliegende Band stellt das Erscheinen von Ärztinnen in den Kontext des frühen Feminismus und der regional unterschiedlichen Frauenrechtsbewegungen. Zehn Porträts prominenter Pionierinnen aus verschiedenen Ländern illustrieren den Einfluss des Feminismus auf deren Entscheidung, sich einen Platz im Medizinstudium zu erkämpfen und anschliessend als Ärztinnen in der Gesellschaft Anerkennung zu gewinnen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1. Anfänge des Medizinstudiums von Frauen im 19. Jahrhundert
  • 1.1 Einleitung
  • 1.2 Zur Ausgangslage
  • 1.2.1 Vorgeschichte
  • 1.2.2 Die Lage der Frau im 19. Jahrhundert
  • 1.3 Anfänge des Frauenstudiums
  • 1.3.1 USA
  • 1.3.2 Russland
  • 1.3.3 Schweiz und Frankreich
  • 1.3.4 Grossbritannien
  • 1.3.5 Deutschland und die Reaktion
  • 1.4 Vergleichende Betrachtungen
  • 2. Feminismus und Frauenrechtsbewegungen in Amerika und Europa
  • 2.1 Feminismus
  • 2.2 Frauenrechtsbewegungen
  • 2.2.1 USA
  • 2.2.2 Grossbritannien
  • 2.2.3 Frankreich
  • 2.2.4 Deutschland
  • 2.2.5 Russland
  • 2.3 Vergleichende Betrachtungen
  • 3. Pionierinnen des Medizinstudiums und der Feminismus
  • 3.1 Begründung der Auswahl
  • 3.1.1 Elizabeth Blackwell (USA, GB)
  • 3.1.2 Emily Blackwell (USA)
  • 3.1.3 Marie Zakrzewska (D/USA)
  • 3.1.4 Elizabeth Garrett Anderson (GB)
  • 3.1.5 Sophia Jex-Blake (GB)
  • 3.1.6 Mary Putnam Jacobi (USA)
  • 3.1.7 Nadeschda Suslowa (R)
  • 3.1.8 Franziska Tiburtius (D)
  • 3.1.9 Marie Vögtlin (CH)
  • 3.1.10 Susan Dimock (USA)
  • 3.2 Schlussfolgerungen für die erste Generation von Ärztinnen
  • Summary
  • 1. Women’s Entry into Medicine
  • 2. Phase I Feminism (19th century)
  • 3. Pioneer Female Physicians and Feminism
  • Literatur
  • Namensregister

Vorwort

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es keine Ärztinnen im heutigen Sinn. Der Arzt war ein Mann, die akademische Medizin eine Angelegenheit von Männern. Dies wurde durchaus als selbstverständlich betrachtet, da der Frau eine andere Rolle zugeschrieben war. Die ersten Frauen, die sich in den Jahren nach 1850 ein Medizinstudium erkämpften und sich in die Praxis der Medizin wagten, bildeten daher eine Sensation – bestaunt, bewundert oder bekämpft.

Ziel der vorliegenden Studie ist es, diesen Eintritt der Frauen in die Medizin nachzuzeichnen und zwar nicht, wie dies meistens geschehen ist, in einem lokalen oder nationalen Rahmen, sondern vergleichend in den wichtigsten westlichen Ländern und Schauplätzen. Es geht dabei nicht um neue historische Einzelbefunde, sondern vielmehr um eine ländervergleichende Darstellungsart, die neue Aspekte des Themas ans Licht bringen kann. Deshalb dienen die Literaturangaben weniger dem Beleg bereits publizierter Einzelheiten als der Bereitstellung von Hintergrundsliteratur zu den jeweiligen Themen.

Das Frauenstudium der Medizin war kein Einzelphänomen, sondern Teil des Versuchs vieler Frauen, sich in ihnen bisher verschlossene Bereiche von Bildung und Berufen vorzuwagen. Ihr Eintritt in die Medizin ist daher Teil der Emanzipation der Frauen aus der ihnen im 19. Jahrhundert zugewiesenen Rolle und damit auch untrennbar verknüpft mit dem Beginn des frühen Feminismus und der Frauenrechtsbewegung. Daher wird in einem zweiten Teil nach den Fakten des Eintritts der Frauen in die Medizin in einzelnen Ländern der Hintergrund von Feminismus und Frauenrechtsbewegung in diesen Ländern dargestellt. In einem dritten Teil dieser Studie wird der Einfluss des Feminismus auf zehn prominente Pionierinnen des Frauenstudiums untersucht. Die Fortsetzung im 20. Jahrhundert ist nicht mehr Gegenstand dieser Darstellung.

Meine eigene Beschäftigung mit diesem Thema begann in den 1990er Jahren in Amerika mit Gesprächen mit dem Historiker Thomas ← 9 | 10 → N. Bonner über sein Buch zu den Frauen auf der Suche nach einer medizinischen Ausbildung. Das Thema des Eintritts der Frauen in die Medizin im Zeitraum 1850 bis 1900 hat mich seither nicht mehr losgelassen. In einem weiteren Sinn hat auch das Thema des Feminismus weitreichende Wurzeln in meiner Jugend und Berufstätigkeit. In meiner Erziehung gab es deutliche Signale für Achtung und Respekt gegenüber Frauen und Mädchen. Meine Jugend verbrachte ich in der Schweiz, welche, anders als die umliegenden Länder, das Stimmrecht für Frauen nicht um 1920, sondern erst 1971 einführte. So erlebte ich die Jahrzehnte dauernde Diskussion um das sogenannte Frauenstimmrecht und lernte in meiner eigenen frühen Lebenszeit zeitverschoben alle antifeministischen Argumente kennen, welche im Jahrhundert zuvor von konservativen Männern gegen das Medizinstudium von Frauen vorgebracht worden waren. Einer Schule ohne Frauen entwachsen, lernte ich erst im Studium und dann ausgeprägt im Beruf die Zusammenarbeit mit Frauen. Sie war Bereicherung und liess die Forderungen und Defizite des modernen Feminismus erkennen. Beruflich selbständig geworden, konnte ich dann durch Auswahl und Ausbildung von Frauen selbst einen Beitrag zur Frauenförderung in der Medizin leisten.

Für die vorliegende Arbeit standen mir die reichen Bestände von Bibliothek und Archiv des Instituts für Medizingeschichte der Universität Bern stets zur Verfügung. Zu danken habe ich dem Team dieses Instituts, in allererster Linie der Bibliothekarin Pia Burkhalter, die immer störbar war, mir unschätzbare Unterstützung gewährte und sogar unüberlegte Fragen mit Charme beantwortete. Wichtig waren auch Esther Fischer-Homberger und Ingrid Müller, die Feminismus und Geschlechterforschung in das Institut eingebracht hatten. Sylvia Bonner danke ich für Mitdenken und kritisches Lektorat, vielen Ungenannten für weitere Anregungen. Im Weiteren gelte mein Dank dem Personal von vielen auswärtigen Bibliotheken für stets erlebte Hilfestellung. Ein besonderer Dank für Unterstützung aller Art gilt schliesslich meiner Frau Leni und unserer Tochter Susanne. Dank schulde ich schliesslich dem Internationalen Verlag der Wissenschaften Peter Lang in Bern für die gediegene Gestaltung des Buchs.

M. H. Bickel, Bern 2017

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1.    Anfänge des Medizinstudiums von Frauen im 19. Jahrhundert

1.1   Einleitung

Die zum Thema dieses Buchs gestellte Frage von Laien lautet meistens: Wann haben Frauen begonnen, Medizin zu studieren und Ärztinnen zu werden? Tabelle 1 versucht eine vorläufige Antwort darauf zu geben. Dabei überrascht, dass der Beginn schon in das Jahr 1850 fällt und vor allem, dass es über ein halbes Jahrhundert gedauert hat, bis das Frauenstudium der Medizin sich in der westlichen Welt etabliert hat und eine Selbstverständlichkeit geworden ist.

Tabelle 1 suggeriert jedoch fälschlicherweise, dass 1850 in Amerika etwas entstanden ist, das sich von dort nach der Schweiz und Frankreich, dann nach Grossbritannien und schliesslich nach Russland und Deutschland ausgeweitet und etabliert habe. Dieser Schluss würde an der Realität völlig vorbei führen. Tatsache ist vielmehr, dass in jedem dieser Länder ein Kampf für und wider das Frauenstudium der Medizin stattgefunden hat, jedoch mit grossen nationalen Unterschieden, hervorgerufen durch unterschiedliche politische und institutionelle Systeme, Mentalitäten und andere Faktoren. Um daher ein allgemeines Bild zu entwerfen und zu verstehen, ist es erforderlich, den historischen Prozess in den wichtigsten Ländern zu untersuchen und vergleichend zu betrachten.

Solche vergleichende Betrachtung des Frauenstudiums der Medizin findet sich in der Literatur nur ganz selten. Das diesbezügliche Standardwerk bildet zweifellos das Buch des amerikanischen Historikers Thomas N. Bonner.1 Der Titel „To the Ends of the Earth“ weist auch auf die Migration einer grossen Zahl von Studentinnen auf der Suche nach dem Ort, wo ein Medizinstudium möglich und anerkannt ← 11 | 12 → war. Das ausführliche Buch von Bonner belegt auch Einzelheiten in wissenschaftlicher Weise und kann für zusätzliche Information und Belege mit Gewinn herangezogen werden.

Das Fehlen eines solchen Werks im deutschen Sprachraum war mit ein Grund, das Thema im ersten Teil der vorliegenden Studie in verkürzter, jedoch aktualisierter Form darzustellen. Neben den laufenden Hinweisen auf Literatur wird zu Beginn jedes (Unter-) Kapitels auf wichtige Übersichtsliteratur zum Thema hingewiesen.

Zur ländervergleichenden Geschichte des Eintritts der Frauen in die Medizin ist neben dem Buch von Bonner 1992 gleichzeitig in Deutschland eine knappe Schrift erschienen.2 Daneben existieren zum Thema einige weitere, z. T. veraltete Arbeiten.3 Eine beträchtliche Literatur befasst sich ab 1970 mit Aspekten zum Thema. In jenen Jahren begann innerhalb der Geschichte der Medizin die Dominanz der Sozialgeschichte der Medizin, die den Beginn des Frauenstudiums als lohnendes Thema erkannte. Auf diese beiden Teile an Literatur wird in den folgenden Kapiteln verwiesen.

Tabelle 1. Beginn eines regulären Studiums der Medizin für Frauen in einzelnen Staaten. In Russland gab es schon vor 1897 vorübergehend Möglichkeiten, in Deutschland haben die einzelnen Länder unterschiedlich spät Frauen zugelassen (Bonner 1992).

 

1850

Details

Seiten
174
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783034325851
ISBN (ePUB)
9783034325868
ISBN (MOBI)
9783034325875
ISBN (Paperback)
9783034325844
DOI
10.3726/978-3-0343-2585-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (April)
Schlagworte
Medizingeschichte Kulturgeschichte Frauengeschichte
Erschienen
Bern, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 174 S., 2 s/w Abb., 7 s/w Tab., 14 Kästen

Biographische Angaben

Marcel H. Bickel (Autor:in)

Marcel H. Bickel war nach Studien in Basel und Fortbildungsjahren in Rom und Washington als Professor für Biochemie, dann Pharmakologie, an der Medizinischen Fakultät der Universität Bern tätig. Am dortigen Institut für Medizingeschichte arbeitete er nach seiner Emeritierung als wissenschaftlicher Mitarbeiter, was zur Publikation weiterer Artikel und Bücher führte.

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