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Gott und das Leiden

Antworten der babylonischen Dichtung Ludlul bēl nēmeqi und des biblischen Hiobbuches

von Meik Gerhards (Autor:in)
©2017 Monographie 340 Seiten

Zusammenfassung

Die Erfahrung des Leidens schließt für viele den Glauben an einen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott aus. Die Studie befragt im Horizont der aktuellen philosophischen Diskussion das Hiobbuch und die babylonische Dichtung «Ludlul bēl nēmeqi» nach Antworten auf die Leidensfrage. Dabei werden die Antworten des Hiobbuches auch im gesamtbiblischen Horizont reflektiert.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Einführung
  • I) Aktuelle Positionen zur Frage nach Gott und dem Leiden
  • 1. Vertreter des Gottesglaubens: K. Jaspers und H. Tetens
  • 2. Religionskritische Positionen: A. Beckermann; emotionales Aufbegehren gegen den Gottesglauben
  • II) Die Antwort von Ludlul bēl nēmeqi: Der Lobpreis des unverständlichen, allmächtigen Gottes
  • 1. Einleitende Bemerkungen zu Ludlul bēl nēmeqi
  • 2. Zum Ansatz der Interpretation
  • 3. Leidensbericht I (I 41-II 11) und Reflexion (II 12–48): Das Problem der Kommunikationsstörung zwischen Göttern und Menschen
  • 4. Leidensbericht II (II 49–120), Wende und Schluss (III 1-IV 120): Das Eingreifen Marduks
  • 5. Die Botschaft des Hymnus
  • 6. Die Begründung des Vertrauens auf Marduk in der mesopotamischen Tradition
  • 7. Die Leidensfrage und die Antwort von Ludlul bēl nēmeqi im Horizont der Gegenwart
  • III) Antworten aus dem Hiobbuch auf die Fragen um Gott und Leiden
  • 1. Vorbemerkungen
  • 1) Hiob als immerwährender Zeitgenosse
  • 2) Zur geschichtlichen Einordnung des Hiobbuches
  • 3) Zur Wahrnehmung des Buches in seiner Endgestalt
  • 2. Die Antwort der Himmelsszenen: Leiden als Prüfung
  • 1) Die Himmelsszenen des Hiobbuches und ihre Parallele in I Reg 22,19–23
  • 2) Die Figur des Satans in den Himmelsszenen des Hiobbuches
  • a) Der Satan als Widerspruchsgeist
  • b) Das Gespräch zwischen Gott und dem Satan (Hi 1,7–12) und das Verständnis der Satan-Figur
  • 3) Vertiefende Überlegungen zur theologischen Bedeutung der Himmelsszenen
  • 4) Der spekulative Charakter der Deutung des Leidens als Prüfung
  • 3. Die Antwort der Gottesreden: Aufhebung der Leidensfrage in der Beziehung zum unfassbaren Schöpfer
  • 1) Das Problem der Gottesreden (Hi 38,1–39,30; 40,6–41,26) als Antwort auf Hiob
  • a) Die Voraussetzung: Hiobs Appell in 31,35–37
  • b) Die erste Gottesrede: Grundlegung des Gesprächs (38,4–15); Hiobs begrenzte Einsicht in die Schöpfung
  • c) Die zweite Gottesrede: Das Zerrbild des richtenden Gottes (40,9–14); Gottes Allmacht
  • d) Die Einbindung der Gottesreden in den Kontext des Hiobbuches
  • 2) Die Gottesreden als Antwort auf die Klage Hiobs in Hi 3
  • a) Zum Bezug von Hi 40,4f. auf Hi 3,1f.
  • b) Zum Bezug von Hi 41,2 auf Hi 3,8
  • c) Zum Verständnis der Klage in Hi 3
  • Zur Gliederung
  • Indirekter Fluch gegen Gott
  • Sehnsucht nach Freiheit von Gott
  • Die Absurdität des Schöpfers
  • Die Unkalkulierbarkeit des Schöpfers
  • d) Die Gottesreden als Antwort auf Hi 3
  • 3) Die Gottesreden als Erfüllung der Hoffnung Hiobs, insbesondere aus Hi 19,25–27
  • a) Hiobs Hoffnung auf Gott gegen Gott
  • Ausgangspunkt: Der Schöpfer kann es nicht böse mit dem Geschöpf meinen
  • Die irreale Hoffnung, im Totenreich verborgen zu werden (14,13–17)
  • Die Hoffnung auf den Zeugen im Himmel (16,18–21)
  • Die Hoffnung auf den Löser (Hi 19,25–27)
  • b) Die Gewissheit, Gott zu sehen (19,26f.) und die „Gottesschau“ in den Gottesreden (42,5)
  • c) Die Zuwendung des Schöpfers
  • 4) Das Zerbrechen des festgefügten Gottesbildes und die Wende von Hiobs Geschick
  • 5) Nach den Gottesreden: Die Kritik an den Freunden und das Lob von Hiobs Reden zu Gott (Hi 42,7f.)
  • a) Das Urteil Gottes in 42,7f. und seine Spannungen zum weiteren Kontext
  • b) Das yal") der Gottesrede in 42,7f. als Anzeige der Sprechrichtung
  • c) Das Problem der falschen Sprechrichtung der Freunde
  • Rückblick auf die erste Rede des Eliphas (Hi 4f.)
  • Die Freunde als Theoretiker, die sich vor wirklicher Gottesbegegnung abschirmen
  • d) Hiobs Sprechrichtung als Offenheit für wirkliche Gottesbegegnung
  • e) Hiob als Mittler nach stellvertretendem Leiden
  • 4. Die Antworten des Hiobbuches auf die Leidensfrage im Horizont der Gegenwart
  • 1) Zur Aktualität des Hiobbuches im gegenwärtigen Diskussionshorizont
  • 2) Grund-Gewissheit des Schöpfers angesichts begrenzten Wissens
  • a) Aufnahme des Befundes aus den Gottesreden des Hiobbuches
  • b) Die Grund-Gewissheit des Schöpfers im Gespräch mit der Philosophie
  • c) Der ansprechbare Gott
  • 3) Noch einmal: Das Leiden als Prüfung
  • 5. Offene Fragen des hebräischen Hiobbuches und Lösungen im gesamtbiblischen Kontext
  • 1) Offene Fragen nach der Lektüre des hebräischen Hiobbuches
  • 2) Antworten aus dem Rezeptionsraum des gesamtbiblischen Kontextes
  • 3) Die Einfügung des Auferstehungsglaubens in der Septuaginta
  • a) Hi 42,17a (LXX) und die Bedeutung der Septuaginta
  • b) Die Einfügung des Auferstehungsglaubens in Hi 14,13–17 (LXX)
  • c) Hi 19,25–27 (LXX) als Ausdruck des Auferstehungsglaubens
  • d) Zusammenfassende Bemerkungen zur Einfügung des Auferstehungsglaubens in die Septuagintafassung des Hiobbuches
  • e) Die Hiob-Figur der Septuagintafassung als leidender Gerechter und Typos Christi
  • 4) Zum christlichen Verständnis von Hi 19,25–27 in der Vulgata und der Luther-Bibel
  • a) Zur Vulgatafassung von Hi 19,25–27
  • b) Zu Hi 19,25–27 in der Luther-Bibel
  • Exkurs I: Plädoyer für Luthers Übersetzung von Hi 19,25–27 gegen die Eingriffe kirchenamtlicher Revisionen
  • 5) Zur theologischen Bedeutung des christlich verstandenen Hiobbuches
  • a) Christliche Übersetzung als Aktualisierung von Sinnpotentialen alttestamentlicher Texte I: Die Auferstehungsgewissheit
  • Exkurs II: Zur rezeptionshermeneutischen Einordnung der christologischen Auslegung alttestamentlicher Texte
  • b) Christliche Übersetzung als Aktualisierung von Sinnpotentialen alttestamentlicher Texte II: Die Hoffnung auf den Löser / Erlöser
  • c) Das Problem der Spannungen im Gottesbild und Lösungen im christlichen Verstehenskontext
  • d) Gott als Wahrer von Gerechtigkeit; der Mittler Hiob als Typos Christi
  • e) Anwendung auf die Leidensfrage
  • IV) Zusammenfassende Schlussbemerkungen und Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Vorwort

Die vorliegende Monographie ist aus der Beschäftigung mit dem Hiobbuch aus Anlass mehrerer Lehrveranstaltungen zum Thema (drei Vorlesungen an den Universitäten Rostock, Greifswald und Köln sowie ein Hauptseminar an der Universität Rostock) hervorgegangen. Zur Vorbereitung von Lehrveranstaltungen gehört selbstverständlich die intensive eigene Arbeit am Thema – dass ich nun aber zusätzlich die ohnehin reichlich vorhandene Literatur zum Hiobbuch um einen weiteren Titel vermehre, verlangt nach einer besonderen Rechtfertigung. Dazu ist der Hintergrund zu benennen, auf den die Monographie zu reagieren sucht.

Meiner Beobachtung nach ist unter den Studierenden der evangelischen Theologie eine nicht zu unterschätzende Entfremdung zur Bibel eingetreten. Diese besteht nicht nur darin, dass die Kenntnis der Bibel zum Teil äußerst gering ist – vielen Studierenden scheint nicht einmal mehr bewusst zu sein, warum sie sich überhaupt mit der Bibel beschäftigen sollen. Verstärkt wird diese Entwicklung durch eine Umorientierung innerhalb der Systematischen Theologie: durch die Abwendung von der Wort-Gottes-Theologie, die meine eigene Studienzeit (1989–1996) noch weithin prägte, zur Wiederaufnahme von Ansätzen des liberalen Protestantismus aus dem sog. „langen 19. Jh.“ und damit von einer biblisch begründeten zu einer religionsphilosophisch begründeten Theologie.

Zudem „verwelkt die Rezeption von wissenschaftlicher Bibelauslegung in der nichtuniversitären kirchlichen Praxis (…) in erschreckendem Maße“, wie M. Oeming in der Rezension zu einem neueren Hiob-Kommentar feststellt (Die konservative Revolution. Zum neuen Hiob-Kommentar von C. Leong Seow, BZ 60 [2016], 228–247 [228f.]). Die Feststellung findet sich im Rahmen einer Beschreibung der „Krise der Gattung Kommentar“. In der Krise gerade dieser Gattung, deren Aufgabe nicht zuletzt darin besteht, den exegetischen Forschungsstand zusammenzufassen und nachvollziehbar zugänglich zu machen, spiegelt sich die Krise der exegetischen Wissenschaft überhaupt: Diese ist zu einem kryptischen Geschäft geworden. Die historische Kritik, die die Grundlagen des Textverständnisses zu erarbeiten hat, „ist hoch komplex geworden und (…) in sich weitgehend zerstritten. In der alttestamentlichen Forschung besteht kaum noch irgendein Konsens“ (Oeming, a.a.O., 229f.). Daher verwundert es nicht, dass „die hyperkomplexen Theorien (…) arg hypothetisch“ erscheinen „und abständig, ohne Brücken in die Gegenwart“ (Oeming, a.a.O., 230). ← 13 | 14 →

Nimmt man die Beobachtungen zur Entfremdung zur Bibel auch unter Theologiestudierenden und zur Krise der exegetischen Wissenschaft zusammen, dann ist festzuhalten, dass die Exegese eine Umorientierung wagen muss. Wenn sie darauf verzichtet und sich immer mehr in das Dickicht teilweise recht spekulativer Hypothesen verliert, wird sie – der doch die Erschließung der biblischen Texte anvertraut ist – am wenigsten in der Lage sein, der Krise entgegenzuwirken, in die Kenntnis und Wertschätzung der Bibel in Theologie und Kirche geraten sind.

Vor dem so umrissenen Hintergrund hat sich die vorliegende Arbeit zum einen das Ziel gesetzt, auf ein vertieftes Eingehen auf literar- und redaktionskritische Fragen zum Hiobbuch zu verzichten, also die Endgestalt zur Grundlage der Auslegung zu machen. Damit soll deutlich werden, dass eine theologisch fruchtbare Beschäftigung mit dem Hiobbuch nicht auf die Beschäftigung mit literar- und redaktionsgeschichtlichen Modellen angewiesen ist, die für nicht oder nur wenig Eingeweihte schwer nachvollziehbar sind.

Zum anderen geht die vorliegende Arbeit von einer Fragestellung aus, der sich wohl niemand entziehen kann, der an Gott glaubt oder sich zumindest für Fragen des Gottesglaubens interessiert: Das Hiobbuch soll daraufhin befragt werden, welche Antworten ihm zu der aktuellen, drängenden Frage nach Gott und dem Leiden zu entnehmen sind. Dabei wird von vornherein das Gespräch mit philosophischen Positionen der Gegenwart gesucht. Neben K. Jaspers, der als philosophischer Klassiker berücksichtigt wird, wird insbesondere auf die zeitgenössischen Philosophen H. Tetens und A. Beckermann eingegangen. Von diesen beiden hat Tetens in jüngster Zeit für den Gottesglauben votiert und dabei die eigene Position korrigiert, während Beckermann Vertreter eines religionskritischen Denkens ist.

Auf diese Weise soll deutlich werden, wie die Bibel zu einem aktuellen Gesprächspartner werden kann. Es wird die Hoffnung gewagt, einen kleinen Beitrag dazu leisten zu können, dass mancher Bibelentfremdete und Bibelunkundige etwas davon erahnt, warum sich die Beschäftigung mit der Bibel lohnt. Inwiefern diese Hoffnung erfüllt wird, werden die Leser beurteilen müssen. In jedem Fall möchte die vorliegende Monographie aber auch die Exegese anregen, sich in irgendeiner Weise an der Wiederentdeckung der Aktualität biblischer Antworten zu beteiligen und ihre Arbeit an den Texten davon mitbestimmt sein zu lassen. Angesichts der eingangs geschilderten Situation dürfte es sich dabei sogar um eine Kernaufgabe der Exegese handeln, die ihren Sinn und letztlich vielleicht auch ihre Existenzberechtigung verliert, wenn sie sich stattdessen weiter in ein Hypothesendickicht verliert, das wissenschaftlich zum Teil fragwürdig ← 14 | 15 → ist – wie belastbar sind viele Thesen der historisch-kritischen Exegese wirklich? (man suche dazu das Gespräch mit Nachbardisziplinen wie der Altorientalistik oder verschiedenen Zweigen der klassischen Altertumswissenschaft) – und das vor allem den Zugang zu biblischen Texten eher erschwert als fördert.

Diese Abwehr eines Hypothesendickichts könnte fundamentalistisch, also falsche Sicherheiten vorgaukelnd, klingen. So ist es aber nicht gemeint. Selbstverständlich kommt auch die vorliegende Arbeit nicht ohne Hypothesen aus. Zum Hiobbuch liegen nicht nur Entstehungshypothesen vor, die m.E. für das Verständnis des Buches nicht von erstrangiger Bedeutung sind. Das Buch ist auch philologisch schwierig, so dass schon die primäre Texterschließung selbst wichtiger Passagen auf Abwägungen angewiesen ist, die bis zu einem gewissen Grad hypothetisch bleiben. Ohnehin ist jede Interpretation eines Textes bis zu einem gewissen Grad hypothetisch. So geht die vorliegende Arbeit davon aus, dass der Zeuge, auf den Hiob nach 16,18–21 hofft, und der Löser, dessen Eingreifen er nach 19,25 erwartet, mit Gott identisch sind; auch geht sie davon aus, dass die Hiob-Septuaginta den Auferstehungsglauben in das Hiobbuch einfügt. Beide Male handelt es sich aber um Entscheidungen, die gegenüber anderslautenden Interpretationen gefällt und begründet werden. Andere Entscheidungen in diesen Fragen sind möglich und werden in der Exegese z.T. breit vertreten. Wenn also keine Interpretation letzte objektive Sicherheit für sich in Anspruch nehmen kann, so muss die Zahl der Hypothesen doch nicht vervielfacht werden, indem der Literar- und Redaktionsgeschichte ein unnötig hoher Stellenwert beigemessen wird.

Die vorliegende Arbeit zielt also mit aller philologischen und exegetischen Arbeit auf ein aktuelles Verständnis des Hiobbuches. Damit stellen sich aber weitere wichtige Fragen, insbesondere weil ich dieses Anliegen als christlicher Theologe verfolge, der sich mit einem alttestamentlichen Text beschäftigt.

In Zeiten, in denen nach den Thesen von N. Slenczka wieder über die kanonische Geltung des Alten Testaments in der Kirche diskutiert wird, ist es unverzichtbar, die Grundlagen eines spezifisch christlichen Verständnisses alttestamentlicher Texte anzusprechen und am konkreten Beispiel – im vorliegenden Fall also am Hiobbuch – durchzuführen. Ein christliches Verständnis des Alten Testaments ist aber nur unter Berücksichtigung des gesamtbiblischen Kontextes möglich. Zu diesem Kontext gehört selbstverständlich das Neue Testament und das in ihm grundgelegte Bekenntnis zu Jesus Christus; im Bereich des Alten Testaments gehört dazu über den Masoretischen Text (und andere Formen der hebräischen Überlieferung) hinaus auch die Septuaginta, die nicht selten, so auch im Fall des Hiobbuches, keine bloße Übersetzung, sondern eine eigene Fassung des Textes bietet. Nachdem oben die „Endgestalt“ als Grundlage der Interpretation bestimmt wurde, ist dieser Begriff angesichts der Selbstständigkeit der Hiob-Septuaginta zu differenzieren: Die Hiob-Septuaginta ist als eigene, griechischsprachige Endgestalt neben der masoretischen zu betrachten. Wenn es um Fragen eines christlichen Verständnisses geht, empfiehlt es sich darüber hinaus, auch christliche Übersetzungen wie die Vulgata und die Luther-Bibel miteinzubeziehen. Diese Übersetzungen sind nicht durchgehend philologisch korrekte Übertragungen des Hebräischen in ihre jeweilige Zielsprache (Latein, Deutsch), sie bieten gerade wichtige Aussagen zum Teil in eigenen Fassungen, die die alttestamentlichen Texte in das Licht des christlichen Glaubens rücken. Damit bieten sie aber Modellfälle eines christlichen Verstehens alttestamentlicher Texte.

Der so umrissene gesamtbiblische Horizont wird insgesamt als Rezeptionsraum verstanden, in dem offene Fragen des hebräischen Textes weitergedacht bzw. Sinnpotentiale, letztlich auch im Licht des christlichen Glaubens, aktualisiert werden. Die damit verbundene Abkehr von einem einseitig produktionsästhetischen Ansatz innerhalb einer biblisch-theologisch interessierten Exegese, wie er u.a. in der Arbeit „Rettung und Neuschöpfung“ (BBB 158, Göttingen 2009) von J. Schnocks vorgestellt wird, sollte heute nicht mehr strittig sein. Dabei steht schon das Anliegen, das Hiobbuch auf Antworten zu den aktuellen drängenden Fragen nach Gott und dem Leiden hin zu befragen, dafür, dass ← 16 | 17 → ich Biblische Theologie nicht allein als historisch-exegetische Disziplin verstehe, sondern als Brückendisziplin zwischen Exegese und Systematischer Theologie (bzw. zwischen Exegese und Disziplinen, die auf die kirchliche und religionspädagogische Praxis bezogen sind). Für diese theologisch begründete und interessierte Brückendisziplin bildet allerdings die historisch-philologische Exegese eine unverzichtbare Grundlage und ist damit Teil des Gesamtkonzepts Biblischer Theologie (vgl. dazu M. Gerhards, Heilige Schrift und Schöpfungsglaube, Rostocker Theologische Studien 23, Berlin [u.a.] 2010, 232–243).

Neben dem Hiobbuch wird sich die Arbeit – ebenfalls auf der Suche nach Antworten in der Frage nach Gott und dem Leiden – auch der babylonischen Dichtung Ludlul bēl nēmeqi zuwenden. Damit soll unterstrichen werden, dass zwar die Grundlage christlicher Theologie und Kirche die Bibel ist, dass aber auch aus den Texten anderer Religionen und Kulturen zu lernen ist. Auch hierbei handelt es sich um ein aktuelles Thema, das in den Zeiten größerer religiöser und kultureller Vielfalt im ehemals christlichen Abendland verstärkt Aufmerksamkeit finden wird. Die Ausführungen zu Ludlul bēl nēmeqi sind eine überarbeitete Fassung meiner Besprechung der Dichtung, die bereits unter dem Titel „Lob des unverständlichen Gottes“ in meinem Band „Der undefinierbare Gott“ (Rostocker Theologische Studien 24, Berlin [u.a.] 2011, 93–152) erschienen ist. Bei der Überarbeitung wurde neuere Literatur berücksichtigt, insbesondere die Arbeit von T. Oshima „Babylonian Poems of Pious Sufferers. Ludlul bēl nēmeqi and the Babylonian Theodicy“ (ORA 14, Tübingen 2014).

Angedacht war, auch noch weitere außerbiblische Texte, Dichtungen aus dem islamischen Raum und aus Indien, heranzuziehen. Dies musste allerdings vorerst unterbleiben. So wird neben dem Hiobbuch zunächst nur eine Dichtung aus einer antiken orientalischen Kultur besprochen, die es aber verdient hat, auch im heutigen Fragehorizont beachtet zu werden. Sub conditione Jacobaea werde ich in anderen Arbeiten Gelegenheit finden, das Hiobbuch auch in ein Gespräch mit Zeugnissen noch lebendiger Weltreligionen zu bringen. In jedem Fall sei dies als lohnenswertes Thema angezeigt, auch wenn mir selbst Zeit und Gelegenheit zur Durchführung dauerhaft fehlen sollten.

Das Buch widme ich dem Institut für Evangelische Theologie an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln. Ich verdanke es Herrn Prof. Dr. Klaus Koenen, dass ich an diesem Institut für einige Jahre eine Arbeitsstelle gefunden habe, und ich verdanke es ihm und allen weiteren Kollegen vor Ort, dass es sich um eine höchst angenehme Stelle handelt. Inwiefern der theologisch konservative Standpunkt der vorliegenden Arbeit, die nicht zuletzt an einem spezifisch christlichen und christologischen Verständnis des Hiobbuches interessiert ist, ← 17 | 18 → im Kölner Institut Akzeptanz finden kann, ist mir nicht klar. Ich hoffe aber, dass mir die Kollegen wie alle anderen Leser zugestehen, dass ich einen traditionellen christlich-theologischen Standpunkt mit Offenheit und Dialogbereitschaft verbinde.

Herrn Prof. Dr. Hermann Michael Niemann in Rostock und Herrn Prof. Dr. Matthias Augustin in Forchheim danke ich für die Aufnahme des Manuskripts in die „Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des Antiken Judentums“.

Köln, den 1. Juni 2017

Meik Gerhards

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Einführung

Details

Seiten
340
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631732755
ISBN (ePUB)
9783631732762
ISBN (MOBI)
9783631732779
ISBN (Hardcover)
9783631732700
DOI
10.3726/b11683
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Schlagworte
Theodizeefrage Septuaginta (Hiob) Weisheitsliteratur Christliche Hermeneutik (AT)
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 340 S.

Biographische Angaben

Meik Gerhards (Autor:in)

Meik Gerhards studierte Evangelische Theologie und orientalische Sprachen. Er wurde an der Universität Marburg promoviert und habilitierte sich an der Universität Rostock für das Fach Altes Testament. Er ist Privatdozent an der Universität Rostock und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Evangelische Theologie der Universität zu Köln.

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Titel: Gott und das Leiden
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