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Die Europäische Bankenabgabe

Eine rechtsdogmatische und verfassungsrechtliche Untersuchung im Kontext des einheitlichen Abwicklungsmechanismus

von Fabian Pagels (Autor:in)
©2019 Dissertation 290 Seiten

Zusammenfassung

Im Zuge der Neuordnung des europäischen Bankensektors hat die EU Neuland betreten – auch und gerade im Hinblick auf die unionsrechtlichen Instrumente für öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten.
Dabei wirft insbesondere die »Europäische Bankenabgabe« nicht nur eine Vielzahl von konkreten Auslegungs- und Anwendungsfragen auf, sondern testet auch die kompetenzrechtlichen Grenzen der Unionsgesetzgebung sowie die Vorgaben der europäischen Grundrechte und Grundfreiheiten aus.
Die vorliegende Publikation widmet sich den aufgeworfenen rechtlichen Fragen. Dabei stellt der Autor die Grundzüge und Einzelheiten der Europäischen Bankenabgabe dar und würdigt das Regelungswerk dogmatisch im Lichte höherrangigen Rechts.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Ãœber das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Einführung
  • II. Zielsetzung
  • III. Forschungsstand
  • IV. Gang der Untersuchung
  • B. Europäische Bankenunion
  • I. Notwendigkeit der Bankenregulierung
  • 1. Bankensektor und staatlicher Bail-out
  • 2. Regulierungsrechtliche Lösungen
  • 3. Regulierung systemrelevanter Institute
  • II. Europäische Bankenregulierung
  • 1. Unzulänglichkeit nationaler Lösungen
  • 2. Unwahrscheinlichkeit internationaler Lösungen
  • 3. Europäische Lösung
  • III. Zusammenfassung
  • C. Abwicklung und Abwicklungsfinanzierung im Rahmen der SRM-VO
  • I. Regulierungsziele
  • II. Abwicklungsmaßnahmen
  • 1. Abwicklungsvoraussetzungen
  • 2. Abwicklungsinstrumente
  • III. Abwicklungsfinanzierung durch den SRF
  • 1. Auftrag
  • 2. Zielausstattung
  • 3. Inanspruchnahme während der Aufbauphase
  • IV. Zusammenfassung
  • D. Fondsfinanzierung durch die Europäische Bankenabgabe
  • I. Inhaltliche Ausgestaltung
  • 1. Ausgestaltungsbeispiele nationaler Bankenabgaben
  • 2. Europäische Bankenabgabe
  • II. Zusammenfassung
  • E. Kompetenz der Europäischen Union zur Einführung einer Europäischen Bankenabgabe
  • I. Voraussetzungen des Art. 114 AEUV
  • 1. Tatbestand
  • 2. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
  • II. Bereichsausnahme des Art. 114 Abs. 2 AEUV
  • 1. Steuern und nicht-steuerliche Abgaben als Kategorien des europäischen Rechts
  • 2. Bankenabgabe als parafiskalische Abgabe
  • 3. Reichweite der Bereichsausnahme
  • III. Beitragsübertragung durch völkerrechtliche Vereinbarung als Verstoß gegen die Kompetenzordnung
  • 1. Gründe der Auslagerung
  • 2. Verstoß gegen die Kompetenzordnung
  • IV. Zusammenfassung
  • F. Materiell-rechtliche Würdigung der Europäischen Bankenabgabe
  • I. Zulässigkeitsanforderungen an europäische parafiskalische Abgaben
  • 1. Zweckbindung
  • 2. Distanzgebot
  • 3. Vorgaben des EuGH
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Zulässigkeit der Europäischen Bankenabgabe
  • 1. Sachlicher Grund
  • 2. Besondere Verantwortlichkeit
  • III. Freiheitsrechtliche Vorgaben
  • 1. Unternehmerische Freiheit
  • 2. Eigentum
  • IV. Gleichheitsrechtliche Vorgaben
  • 1. Jahresbeiträge
  • 2. Sonderbeiträge
  • 3. Alternativen Finanzierungsmöglichkeiten
  • V. Vorgaben der Grundfreiheiten
  • 1. Niederlassungsfreiheit / Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit
  • 2. Allgemeine rechtliche Rahmenbedingung
  • 3. Zulässigkeit schrittweiser Harmonisierung
  • VI. Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips
  • 1. Anforderungen
  • 2. Bestimmtheit der Europäischen Bankenabgabe
  • VII. Rechtsschutzfragen
  • 1. Außergerichtlicher Rechtsbehelf
  • 2. Nationale Rechtsbehelfe
  • 3. Primärrechtliche Rechtsbehelfe
  • VIII. Zusammenfassung
  • G. Gesamtergebnis
  • Literaturverzeichnis

←20 | 21→

A. Einleitung

I. Einführung

Der Zusammenbruch „systemrelevanter“ Banken1 kostet Geld – sowohl hinsichtlich der Wertvernichtung in Bezug auf das fragliche Institut als auch in Bezug auf die drohende Instabilität der Finanzmärkte.2 Die Problematik des „too big to fail“3 ist im Zuge der Banken- sowie der bis heute andauernde europäische Finanzkrise (wieder) in den Fokus gerückt.4

Wiederholt sahen sich Staaten mit Blick auf die Finanzstabilität5 veranlasst, derartige Institute unter Einsatz öffentlicher Mittel (Bail-out) vor einem solchen Zusammenbruch zu bewahren.6 Die damit verbundenen, langfristigen Moral ←21 | 22→Hazard-Anreize durch implizite staatliche Rettungsgarantien wurden gegenüber einer unmittelbaren Instabilität der Finanzmärkte, insbesondere nach den katastrophalen Erfahrungen der Lehmann-Insolvenz 2008, in Kauf genommen.7

Aus europäischer Sicht offenbarte die Krise deutlich, dass einerseits zwar eine stetige Weiterentwicklung des europäischen Finanzsystems und ein höheres Wirtschaftswachstum bis 2008 zu verzeichnen waren, die damit korrelierende Bankenregulierung und -aufsicht8 mit jeweils nationalstaatlichen Ansätzen jedoch andererseits nicht Schritt halten konnten und weder das Instrumentarium noch die informationellen Möglichkeiten boten, der Krise effektiv zu begegnen.9

In Verbindung mit divergierenden behördlichen Praktiken bestanden für Institute im Vorfeld vielmehr Anreize zur bewussten Ausnutzung des europäischen „Flickenteppichs“.10 Nationale Rettungsentscheidungen zementierten zudem die Abhängigkeit der jeweiligen Institute von der Finanzkraft des entsprechenden Souveräns, wobei die Stabilität des EU-Finanzsystems dabei naturgemäß keine entscheidungserhebliche Rolle spielte.11

Für die Europäische Union wirkte die Krise wie ein Katalysator; in ungewöhnlich hohem Tempo schuf der europäische Gesetzgeber unter dem politischen Schlagwort der „Bankenunion“ im Zeitraum von knapp zwei Jahren den ←22 | 23→wesentlichen Rechtsrahmen zur einheitlichen europäischen Bankenregulierung und -aufsicht.12 Ein grundlegendes richtlinienbasiertes Regelwerk (single rule book) sowie drei geplante und zwei bis dato umgesetzte, vollharmonisierende Verordnungen innerhalb der Eurozone, betreffend den Single Supervisory Mechanism (SSM-VO) sowie den Single Resolution Mechanism (SRM-VO), bilden dabei den normativen Rahmen.13 Letzterer soll systemrelevante Institute „abwickelbar“ machen, mithin einen reflexartigen staatlichen Bail-out vermeiden.

Konsequenterweise wird öffentlichen Mitteln im Rahmen der Abwicklungsfinanzierung nunmehr ausschließlich eine ultima-ratio-Funktion zugedacht, wobei im Zuge einer Haftungskaskade vorrangig Anteilseigner und Gläubiger sowie der durch die Institute über die Europäische Bankenabgabe finanzierte Single Resolution Fond (SRF) haften. Dabei kommt der Europäischen Bankenabgabe im Rahmen des makroprudentiellen Regulierungsansatzes14 neben dem Finanzierungs- auch ein Lenkungszweck zur Reduzierung systemischer Risiken zu; Institute, die ein hohes systemisches Risiko bei zugleich hoher Ausfallwahrscheinlichkeit aufweisen, sollen verstärkt belastet werden.15

Mit Inkrafttreten der SRM-VO sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates Anfang 201616 erfolgt die Berechnung der Europäischen Bankenabgabe durch das Single Resolution Board (SRB), während die zuständigen nationalen Abwicklungsbehörden17 die Beiträge erheben und auf den SRF übertragen.18 In der Aufbauphase bis Ende 2023 sollen auf diese Weise ca. 55 Mrd. ←23 | 24→Euro erhoben werden, um eine einheitliche europäische Abwicklungsfinanzierung sicherzustellen.19

II. Zielsetzung

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, speziell die Europäische Bankenabgabe vor dem Hintergrund des neuen europäischen Abwicklungsmechanismus anhand mehrerer Forschungsfragen zu analysieren.

Zunächst soll das „Fundament“ der Europäischen Bankenunion in seiner ökonomischen Begründung sowie seinem konzeptionellen und normativen Rahmen aufgearbeitet und anschließend in einer detaillierten Bezugnahme auf die SRM-VO Abwicklungsmechanismen und Abwicklungsfinanzierung analysiert werden.

Aufbauend auf dieser Grundlage soll die Europäische Bankenabgabe als Finanzierungsmechanismus des SRF eingehend untersucht werden, wobei ergänzend die vormaligen nationalen Bankenabgaben der größten europäischen Wirtschaftsnationen Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich problembezogen-funktional20 unter Einbezug empirischer Erfahrungssätze verglichen werden, um auf dieser Basis ein erweitertes Verständnis für die Synthese der Europäischen Bankenabgabe zu schaffen. Letztere soll anschließend normbezogen-deskriptiv sowie komparativ zu den nationalen Beispielen mit Blick auf die Gruppe der Abgabenschuldner sowie die Beitragsbemessung aufgearbeitet werden, bevor die Rechtmäßigkeit im Fokus steht.

Zu hinterfragen ist dabei einerseits die Kompetenz der Europäischen Union zur Einführung einer Bankenabgabe, andererseits sind primärrechtliche Grenzen, insbesondere der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh) sowie der Grundfreiheiten, auf materiell-rechtlicher Seite zu würdigen. Diese gliedern sich auf in Zulässigkeitsvoraussetzungen an den Tatbestand einer derartigen Abgabe, mithin welche Institute als Abgabenschuldner herangezogen werden können und Ausgestaltungsvoraussetzungen auf Rechtsfolgenseite, insbesondere wie hoch die individuelle Abgabenbelastung der Abgabenschuldner ausfallen darf. Abschließend sind Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Beitragsbescheide zur ←24 | 25→Europäischen Bankenabgabe im Kontext der europäischen Verbundverwaltung zu untersuchen.

Übergreifend soll der Versuch unternommen werden, die bisher verstreuten sowie auf Einzelaspekte fokussierten Beiträge und Kommentare in Bezug auf die Europäische Bankenabgabe zusammenzuführen und eine durchgängige Struktur freizulegen, um für die sich stellenden Rechtsfragen eine detaillierte, rechtsdogmatische Untersuchung aus „einem Guss“ anzubieten.

III. Forschungsstand

Blickt man auf die bisherige rechtswissenschaftliche Forschung zur Europäischen Bankenabgabe, ist die Arbeit von Hanno Kube zu den rechtlichen Grundlagen und Grenzen der Europäischen Bankenabgabe hervorzuheben.21 Allerdings fokussiert sich dieses nur 66 Seiten lange Gutachten stark auf kompetenzrechtliche Fragen, namentlich auf Art. 114 Abs. 2 AEUV. In enger Anlehnung an das deutsche Recht erfolgen dabei streitige Einschätzungen, insbesondere mit Hinblick auf einen Entwurf eines auf Art. 114 Abs. 2 AEUV gestützten übergreifenden normativen Maßstabs zur Beurteilung der inhaltlichen Ausgestaltung europäischer parafiskalischer Abgaben.22 Diese Beurteilung wird im Rahmen der Untersuchung kritisch gewürdigt und mit alternativen Überlegungen kontrastiert. Neben diesen rechtsdogmatischen Fragen bleiben jedoch insbesondere Detailtiefe sowie rechtsvergleichende Aspekte vormaliger nationaler Bankenabgaben Desiderate.

Weitere, insbesondere monografische, Beiträge konkret zur Europäischen Bankenabgabe finden sich kaum; vielmehr beschränken sich entsprechende Funde auf (knappe) deskriptive Darstellungen der gesetzlichen Ausgestaltung, ohne auf entsprechende Rechtsfragen einzugehen.23 Ihren Schwerpunkt finden derartige Beiträge zudem häufig auf Seiten der Abwicklungsinstrumente24 oder in grundlegenden Fragen der Abwicklungsfinanzierung, wobei der Fokus ←25 | 26→oftmals auf dem Abwicklungsinstrument des Bail-in und dessen immanenter Haftungskaskade liegt; Fragen der Finanzierung des SRF werden hingegen oftmals nur gestreift.25

Ein anderes Bild ergibt sich mit Blick auf die Forschung zu den vormaligen nationalen Bankenabgaben. Insbesondere in Deutschland wurde die Bankenabgabe bereits frühzeitig von der Wissenschaft untersucht; im Zentrum des Interesses standen dabei verfassungsrechtliche Grundlagen, aber auch detaillierte Rechtsfragen der Ausgestaltung.26 Auch die britische Bankenabgabe fand wissenschaftlichen Widerhall; insbesondere Michael Devereux befasste sich unter den Gesichtspunkten des Finanzierungs- sowie des Lenkungszwecks, dort insbesondere mit dem Verhältnis von Besteuerung und Eigenkapitalvorgaben, mit der neuartigen Steuer.27

Details

Seiten
290
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631785904
ISBN (ePUB)
9783631785911
ISBN (MOBI)
9783631785928
ISBN (Paperback)
9783631782835
DOI
10.3726/b15442
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Schlagworte
Bankenunion Abwicklungsfinanzierung Beitragsbemessung Kompetenzgrundlage Primärrecht Steuer
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 289 S.

Biographische Angaben

Fabian Pagels (Autor:in)

Fabian Pagels studierte Rechtswissenschaften an der LMU-München. Anschließend begann er am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Dr. h.c. Schön zu promovieren. Das Referendariat absolvierte er am OLG München.

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