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Interdisziplinäres Kolloquium zur Geschlechterforschung II

Neue Beiträge

von Ilse Nagelschmidt (Band-Herausgeber:in) Britta Borrego (Band-Herausgeber:in) Uta Beyer (Band-Herausgeber:in)
©2014 Sammelband 245 Seiten
Reihe: Leipziger Gender-Kritik, Band 5

Zusammenfassung

Der zweite Band zum Kolloquium «Gender-Kritik» versammelt die Redebeiträge dieser interdisziplinären Veranstaltungsreihe zur Geschlechterforschung an der Universität Leipzig aus den Jahren 2010 und 2011. Er vereinigt begriffstheoretische und ideologiekritische Aufsätze, empirische Studien sowie gesellschaftsanalytische Texte zu Themen wie Sexualität und Lebensweisen, Sportsoziologie, Migrations- und Entwicklungspolitik.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Geleitwort
  • ZWIEGESPRÄCH
  • Sonja Engel, Hannah Holme: Begriffe von Gewicht: Patriarchat und Heteronormative Matrix
  • I. Was ist das eigentlich ... … Patriarchat?
  • … heteronormative Matrix?
  • II. Und was ist jetzt das Problem? Das Patriarchat!
  • Sagen, was ist! Gesellschaftliche Verhältnisse und Einzelne
  • Ökonomiekritik
  • Die heteronormative Matrix!
  • Produktivität des Diskurses
  • Was ist, ist was wir (draus) machen!
  • III. Was tun, wenn’s brennt? Gegen das Patriarchat: Stay feminist!
  • Was soll denn das heißen: Frau?
  • Gegen die heteronormative Matrix: Become queer!
  • Zwischen Ein- und Ausschlüssen
  • Patriarchat: Frauen und Queers
  • Heteronormative Matrix: Wir sind viele und oft zu leise
  • Literatur
  • A KRITIK – Theorie und Empirie
  • Cornelia Möser: C’è ma non si vede. Über die Erfindung des Gleichheits- und des Differenzfeminismus. Eine Dekonstruktion
  • MLF – Die Reisen der Simone de Beauvoir. QF versus Psyképo
  • French Feminism in Amerika. Pragmatismus versus Theorizismus
  • Affidamento – Die Reisen der Luce Irigaray
  • Die Gender-Debatten in Frankreich und Deutschland
  • Die Essentialistinnen sind immer die Anderen
  • Literatur
  • Kurt Mühler: Das Kriminalitätsfurchtparadox und geschlechtsspezifische Vulnerabilität
  • 1. Vorbemerkungen
  • 2. Forschungsfrage
  • 3. Annahmen
  • 4. Daten und Operationalisierungen
  • 5. Ergebnisse
  • Die Wechselwirkung zwischen Geschlecht und Alter auf Kriminalitätsfurcht
  • Vulnerabilität
  • Viktimisierungserfahrung
  • Multivariate Prüfung
  • 6. Zusammenfassung
  • 7. Diskussion der Ergebnisse
  • Literatur
  • B KRITIK – Gesellschaft
  • Sarah Speck: „Es ist unendlich einfach“ – Geschlechtertheoretische Perspektiven auf eine entwicklungspolitische Praxis
  • 1. Die Praxis von SOS-Kinderdorf und der Beruf ‚Mutter‘
  • 2. Die Familie – das „Reich der Frau“
  • 3. Widersprüchliche Anforderungen und die Entgrenzung von Arbeit und Leben
  • 4. SOS-Kinderdorfmütter in Bolivien – Vier Selbstverständnisse
  • 1. ‚Die Selbstbestimmte‘
  • 2. ‚Die Selbstaufopfernde‘
  • 3. ‚Die Professionelle’
  • 4. ‚Die empleada‘
  • 5. Kulturelle Übersetzungen und individueller Eigensinn
  • Literatur
  • Petra Tzschoppe: Geschlecht im Sport
  • 1. Geschlechterforschung in den Sportwissenschaften
  • Soziale Konstruktion von Geschlecht im Sport
  • 2. Sport als körperzentriertes Teilsystem
  • 3. Gleichberechtigte Teilhabe in der Olympischen Bewegung?
  • 3.1. Partizipation an den Olympischen Spielen
  • 3.2. Führungspositionen im Olympischen Sport
  • 4. Ausblick
  • Literatur
  • Marion Gemende: Zuschreibungen und Differenzierungs- dilemmata im Kontext von Migration, Geschlecht und Gleichstellung
  • 1. Ethnie/Nationalität und Geschlecht als Zuschreibungsmodi im Etablierten-Außenseiter-Verhältnis
  • 2. Differenzierungsdilemmata und die Gleichzeitigkeit in Zugehörigkeiten als Herausforderung für Gleichstellung und Soziale Arbeit bzw. Pädagogik
  • 3. Alternativen im Umgang mit Differenz, Fremdheit und Widersprüchen
  • (1) Fremdheit als tragender Grund des Eigenen – überspannende Ganzheit
  • (2) Fremdheit als Gegenbild des Eigenen – Perfekte Vollkommenheit und Ausgrenzung
  • (3) Fremdheit als Ergänzung – dynamische Selbstveränderung
  • (4) Fremdheit als Komplementarität – Zusammenspiel und Anerkennung sich wechselseitig hervorrufender Kontrastierungen
  • Literatur
  • C KRITIK – Sexualität & Lebensweise
  • Robin Bauer: MonoPoly: Monogamie-Norm und Polyamorie auf dem Spielfeld von Besitzansprüchen, Treue und Bekanntgehen
  • Monogamie als Norm: Mono-Normativität
  • Gegenentwürfe in Forschung und Praxis
  • Verfehlte Anrufungen: Monogamie-Norm im Reality-Check
  • Gegen die Monogamie-Norm: Vielfaches Begehren und Lieben bejahen
  • Variationen nicht-monogamer Beziehungspraxis
  • Verhandelte Nicht-Monogamie: Einvernehmlichkeit und ihre Grenzen durch Praxen der Aushandlung, Kommunikation und Offenlegung
  • In Verhandlung mit dem affektiven mono-normativen Erbe: Rücksichtnahme und das Schaffen von Teil-Exklusivitäten
  • MonoPoly: Polypolitiken auf dem mono-normativen Spielfeld
  • Literatur
  • Gesa Mayer: Mangel-Erscheinungen. Die Monogamie-Norm und ihre Logik des Mangels
  • Mangel als Ursache von Nicht-Monogamie
  • Mangel als Effekt von Nicht-Monogamie
  • Exkurs: begrenzte Zeit
  • Vom Mangel zum agencement
  • Literatur
  • Gwendolin Altenhöfer: Handlung, Diskurs, Effekte und Affekte in der schlampigen Alltagspraxis. Oder: Was Schlampen machen, wie sie darüber sprechen, was dabei rauskommt und wie sie sich dann fühlen …
  • 1. Schlampe – Schlamperei – was ist das?
  • 1.1 Die Schlampagne
  • 1.2 Die Unterschiede zwischen Schlamperei und Polyamorie
  • 1.2.1 Feminismus
  • 1.2.2 Offenheit für verschiedene Beziehungsmodelle
  • 1.2.3 Kritik des herrschenden Liebesideals
  • 1.3 Schlamperei im Gwendolin A.-Stil:
  • 1.4 Die Grundidee der „Schlampagne“
  • 1.5 Sex
  • 2. Dreizehn Werkzeuge der Schlamperei
  • Zu 1. Emanzipatorische Gesellschaftsanalyse
  • Zu 2. Für sich sorgen, sich kennen lernen, bei sich sein
  • Zu 3. Sich vernetzen
  • Zu 4. Subkulturelle Räume schaffen
  • Zu 5. Neue Werte, Konzepte und Praktiken etablieren
  • Zu 6. Sprachlichen und bildlichen Ausdruck schaffen für alternative Beziehungsformen
  • Zu 7. Erfahrungsaustausch und Lernen am Modell statt neuer Normen und Vorschriften
  • Zu 8. Normalisierung ohne Normierung
  • Zu 9. Geschichten erzählen
  • Zu 10. Vergangenheit und Zukunft (er-)finden
  • Zu 11. Humor
  • Zu 12. Ausdauer
  • Zu 13. Versagen
  • 3. Schlampenleben praktisch
  • 3.1 Eifersucht
  • 3.2 Resonanzfreude
  • 4. Ausblick:
  • Literatur
  • Tim Stüttgen: Zehn Fragmente zu einer Kartografie postpornografischer Politiken
  • 1.0 Pose.
  • 2.0 Sprinkle.
  • 3.0 Reaktualisierung.
  • 4.0 Einschreibung.
  • 5.0 Queere Produktion.
  • 6.0 Weibliche Männlichkeit(en).
  • 7.0 Fetische.
  • 8.0 Kontrasex.
  • 9.0 Belladonna.
  • 10.0 Postpornografische Bilder.
  • Literatur
  • Tim Stüttgen: Post Porn Loss: Precarious Intellect. Notizen zum Ausgesetztsein
  • Timi Mei Monigatti 17.04.06
  • Timi Mei Monigatti, 19.04.06
  • Timi Mei Monigatti 24.04.06
  • Timi Mei Monigatti, 1.5.06
  • Timi Mei Monigatti, 7.05.06
  • Timi Mei Monigatti, 14.05.06
  • Timi Mei Monigatti, 20.05.06
  • Timi Mei Monigatti, 25.05.06.
  • Zu den Autor_innen
  • Reihenübersicht

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Geleitwort

Im vorliegenden Band haben wir Beiträge aus dem Wissenschaftlichen Kolloquium der „Leipziger Gender-Kritik“ versammelt. Die genreübergreifenden Texte gehen auf Vorträge und Lesungen aus den Veranstaltungen der Jahre 2010 und 2011 zurück. Sie werden ergänzt von jüngst hinzugekommenen Aufsätzen, die sich auf gegebene genderkritische Problemstellungen multiperspektivisch einstellen und interdisziplinär in diesem Buch einfinden.

Die Veröffentlichung der Referate stellt drei methodologische Annäherungen auf, wodurch zunächst theoretische und empirische Blickwarten eingenommen werden können, gefolgt von gesellschaftskritischen Analysen, die neben Stellungnahmen zu Lebensweisen- und Sexualitätsentwürfen treten, denen eine kreative Überschreitung bzw. Subversion von Festlegungen und Gesellschaftsabkommen zu eigen ist. Diesen unterschiedlichen, immerzu abweichenden Denk- und Empfindungsweisen sowie neuen Perspektiven und disziplinären Provenienzen herangezogener Termini und Textkonzepte zugetan, wurde weitgehend darauf verzichtet, die Beiträge in Bezug auf eine gemeinsame geschlechtersensible und -adäquate Sprache zu vereinheitlichen und diakritische Markierungen zu minimieren.

An den Anfang des Sammelbandes haben wir ein Themenfeld gestellt, das sowohl in der Frauen- und Geschlechterforschung als auch in der Queer Theory bereits prominent verhandelt wurde, und das auch angesichts aktueller Weiterentwicklungen seinen brisanten Stellenwert nicht eingebüßt hat: In einem Zwiegespräch setzen sich Hannah Holme und Sonja Engel mit Begriffe[n] von Gewicht auseinander, die zur Erfassung von patriarchalen Setzungen und heteronormativen Ausschlüssen dienen. Dabei führen sie die wirkungsmächtigen Terminologien über biopolitische Einschreibungseffekte in eine gemeinsame Richtung: „Stay feminist – become queer“.

Im ersten Teil des vorliegenden Bandes befasst sich zunächst Cornelia Möser in ihrem Beitrag mit Paradoxien, die sich vordergründig aus translatorischen Komplikationen ergeben. So bezieht sich die Autorin auf die geschichtliche Produktion und Rezeption feministischer Texte, deren Lesarten nicht zuletzt von der (Un-)Übertragbarkeit der darin vertretenen Begrifflichkeiten und Gedankenräume abhänge, die Möser transnational durchschreitet und dabei sprachkritisch abwandert. Dem folgt eine Betrachtung Kurt Mühlers aus soziologischer Sicht, wobei derselbe dem Kriminalitätsfurchtparadox auf den Grund geht und eine brüchige Logik geschlechtsspezifische[r] Vulnerabilität hervorbringt: Im Rahmen seiner datenkritischen Untersuchung werden statistische Aufstellungen und Werte überprüft, um sie in der Forderung nach individuellen Analysemerkmalen ← 7 | 8 → zu bündeln, anstatt dass Angst und Verletzbarkeit in kategoriale Alters- und Geschlechtszuordnungen pauschal eingebunden bleiben.

Sarah Speck, Petra Tzschoppe und Marion Gemende widmen sich im zweiten Teil – weit gesprochen – sozial- und entwicklungspolitischen Phänomenen und Vorgängen. Das Konzept des SOS-Kinderdorfs hinterfragt Sarah Speck und stellt die vereinnahmende Situation der Kinderdorfmütter in den Fokus ihrer auf eine ‚Kinderdorf-Rhetorik‘ blickenden sowie auf Fallgeschichten basierenden Feldforschung. Daraufhin nachverfolgt Petra Tzschoppe die emanzipative Herausbildung der heutigen Olympischen Spiele aus einem Monopol der Männlichkeit und des Zuschauerstatus’ von Frauen. Die seither in eine Zweigeschlechtlichkeit sortierte Sportwelt, die Zwischenidentitäten von den Wettkämpfen disqualifiziert, stellt sie problematisch heraus. In ihrer Analyse wendet sich Marion Gemende an Mechanismen der Einschreibung stereotyper Eigenschaften, die durch Migrationshintergründe in Verbindung mit der Kategorie ‚Geschlecht‘ interkulturell auftreten und Diskriminierungen verursachen. Mit Vorschlägen aus der Sozialen Arbeit, die den Umgang mit Fremdheiten unterstützen könnten, bestärkt Gemende den Gedanken an Diversity und ersucht um weitreichende Toleranz.

Im dritten Teil dieses Buches ‚hintergehen‘ Robin Bauer und Gesa Mayer jeweils den machtvollen Platzhalter der Monogamie-Norm, indem sie eine Dekonstruktion vermeintlicher Beziehungsideale vornehmen und neben eine alternative Organisation vielfältiger Liebesentwürfe […] auf dem Spielfeld von Besitzansprüchen, Treue und Bekanntgehen stellen, die sie an gelebten Beispielen argumentativ entfalten, und diese Lebbarkeiten polyamouröser Verhältnisse gegen eine Abwertung als Mangel-Erscheinungen, Defizite und Unfähigkeiten setzen. Sodann umwebt Gwendolin Altenhöfer in ihrem Aufsatz freundschaftliche Beziehungswelten und schlägt praktische Handlungsmöglichkeiten und Denkweisen in 13 Werkzeugen der emanzipatorischen Schlamperei für nichtmonogames Leben, Lieben und Befreunden vor.

Zuletzt sei auf die den Sammelband beschließenden zwei Texte von Tim Stüttgen (1977 – 2013) hingewiesen: seine Zehn Fragmente zu einer Kartografie postpornografischer Politiken sowie Post Porn Loss: Precarious Intellect. Notizen zum Ausgesetztsein, die wir mit seiner dankenswerten Genehmigung vom 29. September 2011 hier wiederveröffentlichen dürfen.

Allen Beitragenden und den Mitwirkenden an der Redaktion dieser zweiten Ausgabe von Kolloquiumstexten gilt unser sehr herzlicher Dank. Besonders hilfreich und damit dringend zu erwähnen, ist auch die Unterstützung aller Personen, ← 8 | 9 → die ehrenamtlich oder in studienbegleitenden Praktika am Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (FraGes) der Universität Leipzig an den Veranstaltungskonzepten und als Organisator_innen mitarbeite(te)n und diese Reihe mit Rat und Tat betreu(t)en. Namentlich sind dies u.a. Juliane Sellenk, Verena Lutter, Ekaterina Nazarova, Kristina Hannah Holme, Gesche Gerdes oder zuletzt Serena di Giulio, Anja Lange und Jeremia Herrmann sowie Nicoleta Hanu.

Ilse Nagelschmidt, Britta Borrego und Uta Beyer

Leipzig im Oktober 2013

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Begriffe von Gewicht: Patriarchat und Heteronormative Matrix

Sonja Engel, Hannah Holme

Der vorliegende Text stellt die verschriftlichte Form einer Einführungsveranstaltung dar, die 2009 innerhalb eines feministischen Diskussionszusammenhangs entstand und seitdem in ähnlicher Weise in verschiedenen politischen und akademischen Kontexten gehalten wurde. Den einführenden Charakter beizubehalten und der Trennung zwischen akademischem und praktischem Bereich nicht durch Inhalt und Stil Folge zu leisten, erschien uns gerade bei dieser Thematik sinnvoll und wichtig. Zudem ist dieser Beitrag als ein Dialog zweier Sprecher_innen gestaltet, wobei eine_r der Sprecher_innen sich stark auf den Begriff ‚Patriarchat‘, der_die andere auf den Begriff ‚Heteronormative Matrix‘ bezieht.

I. Was ist das eigentlich ... … Patriarchat?

Was mich wundert: Immer wieder und schon seit über hundert Jahren wird den Frauenbewegungen eine revolutionäre Kraft zugestanden, die welthistorisch einzigartig sei – seltsam dann doch, dass die Geschlechterverhältnisse immer noch stets Ausdrücke enormer Machtgefälle sind, oder? Wie lässt sich diese Ungerechtigkeit endlich abschaffen? Welches Werkzeug hilft uns im Kampf dabei?

Ein geschichts- und farbenreiches Instrument ist der Begriff ‚Patriarchat‘, der schon lange zur Bezeichnung und Kritik der hierarchischen Ordnung der Geschlechter verwendet wird, in der Männer und das Männliche die dominante Position einnehmen. Und diese Einsicht hat schon eine längere Geschichte.

Die Frauenbewegungen des 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts skandalisierten in kritischer Auseinandersetzung mit Denkern wie August Bebel und Friedrich Engels1 die dominante Gesellschaftsordnung als ‚Geschlechtssklaverei‘. Mit diesem Begriff soll die völlig abhängige Stellung von Frauen in einem von und für Männer gemachten System gefasst werden, die, so Clara Zetkin, schon in ihrer Gegenwart nicht mehr rechtfertigbar sei.2 Während Zetkin und ihre Genoss_innen historisch-materialistisch für eine rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen als Teil der sozialistischen Revolution ← 11 | 12 → gegen ausbeuterische ökonomische Verhältnisse argumentierten, wurden schon im Zuge der Aufklärung dieselben Forderungen vor einem humanistischen Hintergrund gestellt. Olympe de Gouge forderte 1791 eine Reform der Ehe und eine Anwendung der Menschenrechte auch für Frauen3 – und wurde schließlich als Querulantin geköpft; Mary Wollstonecraft beharrte gegen Rousseau auf der Idee einer menschlichen, geschlechtsneutralen Vernunft, deren Ausbildung bei Frauen jedoch sträflich vernachlässigt werde. Die Folge werde mit der Ursache vertauscht: man erzieht Mädchen zur Koketterie und „dann soll es die Natur gewesen sein, die so stiefmütterlich an ihnen gehandelt hatte!“4. 1792 schrieb Theodor Gottlieb von Hippel: „So ward das Weib allmälig die Befehlshaberin der Hausthiere und ehe sie sich dessen versah, das erste Hausthier selbst.“5

Die Beschränkung von Frauen auf Ehe, Häuslichkeit und Kinder, die Verwehrung einer ökonomischen Unabhängigkeit von Männern und ihre politische Rechtlosigkeit sind zentrale Schaltstellen der Kritik an der patriarchalen Ordnung. Die Kämpfer_innen der ersten Frauenbewegung schafften es schließlich, den politischen Entscheidungsträgern einige Grundrechte abzutrotzen. 1918 erhielten die Frauen in Deutschland das Wahlrecht und nach und nach fielen auch die offiziellen Beschränkungen für Frauen im Bereich der Bildung, z.B. beim Zugang zu universitärer Ausbildung.

Details

Seiten
245
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653026917
ISBN (ePUB)
9783653998801
ISBN (MOBI)
9783653998795
ISBN (Paperback)
9783631627020
DOI
10.3726/978-3-653-02691-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Schlagworte
Queer Theory Polyamorie Geschlecht und Sport Feminismus Migration Kriminalität
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 245 S., 8 Tab., 9 Graf.

Biographische Angaben

Ilse Nagelschmidt (Band-Herausgeber:in) Britta Borrego (Band-Herausgeber:in) Uta Beyer (Band-Herausgeber:in)

Ilse Nagelschmidt ist Professorin an der Universität Leipzig für das Fachgebiet Neuere und Neueste deutsche Literatur und Direktorin des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Leipzig. Britta Borrego, M.A. Germanistik und Hispanistik, koordiniert die «Gender-Kritik»-Reihe seit 2009. Uta Beyer, M.A. Germanistik und Arabistik, ist Geschäftsführende des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Leipzig.

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