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War die «Vertreibung» Unrecht?

Die Umsiedlungsbeschlüsse des Potsdamer Abkommens und ihre Umsetzung in ihrem völkerrechtlichen und historischen Kontext

von Christoph Koch (Band-Herausgeber:in)
©2015 Konferenzband XVI, 403 Seiten

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der in der Bundesrepublik anhaltenden Unrechtsdebatte diskutieren die Beiträge des Sammelbandes die völkerrechtliche Zulässigkeit und die historischen Auswirkungen der Beschlüsse des Potsdamer Abkommens vom 2.8.1945. Darin wurde die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung in denjenigen Teilen des untergegangenen Reiches vereinbart, die Nachkriegsdeutschland nach den Bestimmungen des Abkommens nicht mehr angehörten. Die Aussiedlungsbeschlüsse betrafen überdies Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit in den vom Dritten Reich okkupierten Ländern. Die Autoren kommen in der Einschätzung dieser Ereignisse zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Sammelband ist daher nicht zuletzt ein Zeitzeugnis der gesellschaftlichen Aneignung des Gegenstands in den von dem Geschehen betroffenen Ländern.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Grußwort: Rudolf von Thadden
  • Über Unrecht: Christoph Koch
  • I. Juristische Sektion
  • Ein völkerrechtlicher Rückblick auf die Umsiedlungsbeschlüsse von Potsdam – zugleich ein Plädoyer für zukunftsorientierte Vergangenheitsbewältigung: Thilo Marauhn
  • 1. Vertreibungen als Straftaten nach dem Römischen Statut
  • 2. Der Innovationsgehalt des Römischen Statuts vor dem Hintergrund des Jugoslawien- und des Ruanda-Tribunals
  • 3. Das im Recht des bewaffneten Konflikts seit den Genfer Abkommen etablierte Vertreibungsverbot
  • 4. Die menschenrechtliche Dimension des Vertreibungsverbots
  • 5. Das Nürnberger Statut und der Rückgriff auf das schon vor dem Zweiten Weltkrieg geltende Völkerrecht
  • 6. Keine Rechtfertigung der Umsiedlungsbeschlüsse kraft  Kollektivverantwortung
  • 7. Die Potsdamer Umsiedlungsbeschlüsse – rechtswidrig, aber bestandskräftig?
  • 8. Fazit und Ausblick
  • Bibliographie
  • Gibt es ein Menschenrecht auf Heimat?: Herta Däubler-Gmelin
  • I.
  • II.
  • III.
  • IV.
  • Schuld und Verantwortung, Wunden und Narben: War die Vertreibung Unrecht?: Jerzy Kranz
  • 1. Einleitende Bemerkungen
  • 2. Die Westgrenze Polens – eine deutsche Geisel?
  • 3. Bevölkerungsaussiedlungen: Ursache oder Folge?
  • 4. Sich für die Vertreibung entschuldigen?
  • 5. War die Vertreibung Unrecht?
  • Bibliographie
  • Transfer or expulsion? The fate of the German minority in post war Czechoslovakia from the Czechoslovak law point of view: Jan Kuklík
  • Bibliographie
  • Literarischer Exkurs:
  • Die „kalte“ Heimat: Flucht und Vertreibung in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur: Irmela von der Lühe:
  • 1. Die Ausgangskonstellation
  • Bibliographie
  • II. Historische Sektion
  • Vom Bevölkerungstransfer zum Vertreibungsverbot – eine europäische Erfolgsgeschichte?: Stefan Troebst
  • Status quo ante
  • Bevölkerungsaustausch und Bevölkerungstransfer
  • Diktatoren und Demokraten
  • Menschenrechte und Blockkonfrontation
  • Krieg und Frieden in Ex-Jugoslawien
  • Ethnische Säuberung und Flüchtlingsrückkehr im Kosovo
  • Glückliche Verkettung tragischer Umstände?
  • Ausblick
  • Bibliographie
  • Flucht und Vertreibung der ostdeutschen Bevölkerung 1944–1947/48: Ursachen und Ereignis: Heinrich Schwendemann
  • I
  • II
  • III
  • IV
  • V
  • VI
  • Resümee
  • Bibliographie
  • Die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen als Folge des Zweiten Weltkriegs: Bożena Górczyńska Przybyłowicz
  • Bibliographie
  • Die Aussiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakei. Ihre Geschichte und die Entwicklung ihrer Wahrnehmung im tschechischen nationalen Gedächtnis: Oldřich Tůma
  • Bibliographie
  • Der Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände (BdV/VL) in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte: Erich Später
  • 1. Gründung der Landsmannschaften und Vertriebenenverbände
  • 2. Charta der deutschen Heimatvertriebenen
  • 3. Der parlamentarische Arm der Bewegung – der „Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE)
  • 4. Die Gründung des „Bundes der Vertriebenen / Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände“
  • Bibliographie
  • Der deutsche Angriff auf Polen 1939 und die Folgen des Zweiten Weltkriegs: Geschichte und Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland: Ingo Haar
  • Der politische Rat der Stiftung und der angebliche Präventivkrieg Deutschlands gegen Polen
  • Die trüben Quellen eines falschen Geschichtsbildes: Schultze-Rhonhof und die Mobilmachung Polens im März 1939
  • Schlußbetrachtung
  • Bibliographie
  • „Vertreibung“ oder „Zwangsumsiedlung“? Die deutsch-polnische Auseinandersetzung um Termini, das Gedächtnis und den Zweck der Erinnerungspolitik: Robert Traba, Robert Żurek:
  • 1. Einleitung. Geschichte und Erinnerung im politischen Raum: das Jahr 2010
  • 2. Chronologische Dislokationen und die Akteure der Auseinandersetzung
  • 2.1. 1990–1993: Der Auftakt
  • 2.2. 1993–1998: Die polnische Debatte und die neue deutsche Strategie
  • 2.3. 1998–2002: Erinnerungspolitik
  • 2.4. 2002–2008: Der Höhepunkt
  • 2.5. 2008–2010: Die Debatte ohne Debatte
  • 3. Narrative Strategien in der Erinnerungspolitik
  • 3.1. Die „Vertreibungen“ als Tabu
  • 3.2. Viktimologie und Versöhnung
  • 3.3. Das Jahrhundert der Vertreibungen und die Europäisierung
  • Die Geschichte neu schreiben? Schlußfolgerungen
  • Bibliographie
  • Transitional Justice und Demokratisierung im Kontext von Flucht und Vertreibung: Anja Mihr
  • Einführung
  • Transitional Justice und Demokratisierung
  • Transitional Justice im Kontext von Flucht und Vertreibung
  • Versöhnung nach Vertreibung
  • Zusammenfassung
  • Bibliographie

Rudolf von Thadden

Grußwort

Es ist mir eine Freude, daß ich zu Beginn unserer Tagung ein paar Worte sprechen kann. Dies umso mehr, als der Veranstalter der Tagung, der in einer seiner Eigenschaften der Vorsitzende der ältesten Deutsch-Polnischen Gesellschaft unseres Landes ist, mir die Schirmherrschaft über die Konferenz angetragen hat, obwohl ich doch einer der „anderen“ Deutsch-Polnischen Gesellschaften, nämlich der Göttinger Gesellschaft angehöre. Ich hoffe, daß dies unserer Tagung eine zusätzliche Farbe gibt.

Was mich besonders motiviert, ist der Umstand, daß ich selbst aus einem Gebiet stamme, das bis 1945 zu Deutschland gehörte und dann polnisch wurde. Ich stamme aus dem östlich der Oder gelegenen Teil Pommerns und möchte betonen, daß meine Familie nicht vor dem Einmarsch der Roten Armee nach Pommern aus der alten Heimat geflohen ist. Ich bin also kein „Flüchtling“, sondern ein später „Vertriebener“ – und zwar ohne Anführungszeichen.

Mein erster Wunsch nach Versöhnung mit den polnischen Umsiedlern geht auf die „Ostpolitik“ Willy Brandts zurück, der ich aus fester Überzeugung zustimmte. Daraufhin bin ich Mitglied der deutsch-polnischen Schulbuchkommission geworden. die seit 1972 abwechselnd in Warschau und in Braunschweig tagte und Empfehlungen für im Geiste der Entspannung revidierte Schulbücher in der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen ausarbeitete.

Heute, vierzig Jahre danach, sind wir im deutsch-polnischen Dialog sehr viel weiter gekommen. Jetzt streiten wir uns nicht mehr um territoriale Zugehörigkeiten, sondern suchen nach gemeinsamen Feldern der Begegnung und gemeinsamen Orten der Erinnerung. Wir sind in der Lage, geschichtliche Prozesse zu vergleichen und damit Erkenntnisse für neue Aufgaben in der Gegenwart der beiden Länder zu gewinnen.

In Ergänzung zur nach wie vor bedeutsamen Nationalgeschichte öffnen wir unsere Augen für die Realitäten der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die unser Leben überall bestimmen. Auch die Belange der Regionalgeschichte müssen uns interessieren – unbabhängig davon, ob ein Gebiet zu Polen, Deutschland oder anderen Ländern Europas gehört. Schließlich sollten auch Vorgänge der Kirchen- und Religionsgeschichte Aufmerksamkeit finden, da sie für das Verhalten der Menschen trotz aller Säkularisierung Bedeutung haben.

Diese vielfältigen Aufgaben zeigen, daß wir bei der Diskussion über die Frage nach Recht und Unrecht des in der Kriegs- und Nachkriegszeit Geschehenen nicht stehenbleiben dürfen. Zwar dürfen die Unmenschlichkeiten der Hitler- ← VII | VIII → und Stalinzeit nicht verharmlost werden, aber das Zusammenleben der Menschen verlangt, daß die Kräfte der Versöhnung die Oberhand behalten. In diesem Sinne wünsche ich der Tagung einen fruchtbaren Verlauf. ← VIII | IX →

Christoph Koch

Über Unrecht

Der Verlust der deutschen Ostgebiete und die Ausweisung der Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und anderen Ländern ist eine ungeheure menschliche und eine grandiose nationale Katastrophe. Die nationale Katastrophe ist selbstverschuldet und mit Fleiß herbeigeführt. Die menschliche Katastrophe aber hat einen Teil der Betroffenen nicht auf dem Wege persönlichen Verschuldens, sondern auf dem Weg der gesellschaftlichen Haftung für den von Deutschland geführten Eroberungskrieg und die von Deutschland in den eroberten Gebieten begangenen Verbrechen ereilt. Es ist es daher verständlich, daß nicht wenige von ihnen das erlittene Schicksal als ein ihnen persönlich widerfahrenes Unrecht verstehen. Die Grenzen des Nichtverschuldens sind freilich nicht immer leicht zu ziehen. Bedenkt man die unterschiedlichen Formen der Teilhabe am nationalsozialistischen System von der aktiven Unterstützung über die billigende und die mißbilligende Hinnahme bis zum aktiven Widerstand, so schränkt sich der Kreis derjenigen, die ungetrübte Unschuld für sich in Anspruch nehmen können, erheblich ein. Auch für den eingeschränkten Kreis der tatsächlich Unschuldigen aber wird die persönliche Unschuld überwölbt durch die Verantwortung des einzelnen für die Gesellschaft, deren Mitglied er ist. Ist die Gesellschaft ein Unrechtssystem, so haftet auch der, der sich dem Unrecht vergebens widersetzt.

Die Intention der Tagung, deren Ergebnisse der vorliegende Sammelband veröffentlicht1, galt nicht der Ebene persönlicher Vertreibungserfahrung. Ihr Gegenstand war vielmehr der rechtliche und der historische Zusammenhang gesellschaftlicher Verfehlung und ihrer unausbleiblichen Folgen auf alle Mitglieder der Gesellschaft. Die beiden Reizwörter des Tagungsthemas, die in Anführungsstriche gesetzte „Vertreibung“ und das in Frage gestellte „Unrecht“, berühren, wie sich zeigen sollte, noch immer empfindliche Nerven der öffentlichen Wahrnehmung des Geschehens, in der auch Jahrzehnte nach dem Ereignis das Bemühen um objektive Beurteilung vielfach von dem Bedürfnis nach Klage, Anklage und Verteidigung überflutet und in den Hintergrund gedrängt wird. ← IX | X →

Die Anführungsstriche um das Wort „Vertreibung“ beziehen sich auf den Umstand, daß es in der Bundesrepublik Deutschland ein großes Gefäß mit der Aufschrift „Vertreibung“ oder, weiter ausholend, „Flucht und Vertreibung“ gibt, in das eine Reihe unterschiedlicher und trotz des übergeordneten Zusammenhangs heterogener Erscheinungen zusammengeschüttet werden. Zu den wesentlichen Inhalten des Gefäßes zählen

a)die von den Nationalsozialisten organisierte Evakuierung von Menschen, materiellen Gütern und den Zeugnissen der nationalsozialistischen Verbrechen aus den vom Vorrücken der Roten Armee bedrohten besetzten oder zum Reich gehörigen Gebieten;

b)die in eigener Initiative aus Furcht vor dem Näherrücken der Front angetretene Flucht der deutschen Bevölkerung aus eben diesen Gebieten;

c)die Phase der in den von der Roten Armee von der deutschen Besatzung befreiten Ländern zwischen dem jeweiligen Kriegsende und dem Wirksamwerden der Potsdamer Beschlüsse eingetretenen sogenannten „wilden Vertreibungen“, in deren Verlauf es zu Übergriffen auf die deutsche Bevölkerung kam;

d)die organisierte Umsiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland auf der Grundlage der Potsdamer Beschlüsse, die „in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ erfolgen sollte, in deren Verlauf es jedoch ebenfalls, wenngleich in geringerem Maße, zu Gewalttaten an den Umgesiedelten kam.

Es schließen sich zwei weitere Ingredientien an, die eine Zutat des Westteils des nach dem Krieg verbliebenen Deutschland sind:

e)die Ausdehnung des Vertriebenenstatus auf Kinder und Kindeskinder der tatsächlich Vertriebenen;

d)die Ausdehnung des Vertriebenenstatus auf Menschen, die im Zuge der Familienzusammenführung oder als Spätaussiedler in die Bundesrepublik kamen.

Daß alle diese Dinge in einen Topf geworfen werden, beruht nicht etwa darauf, daß den Betroffenen selbst ein genaueres Hinschauen durch die Nachwirkungen der erlittenen Verletzung verstellt wäre. Es ist vielmehr das manifeste Zeugnis ← X | XI → der Indienstnahme der Vertriebenen für einen von der bundesdeutschen Politik fortgepflegten revisionistischen Vorbehalt, der ein lebhaftes Interesse am Fortbestand seines Nährbodens über das Lebensende des letzten in eigener Person Betroffenen hinaus hat.

Es ist die Aufgabe des Historikers, zwischen den genannten Erscheinungen, die zum Teil fließende Ränder haben, zu unterscheiden und sie auf ihre tatsächlichen Dimensionen zurückzuführen. Von „Vertreibung“ im weiteren Sinne kann dabei allein im Falle der „wilden Vertreibungen“ und der Umsiedlung aufgrund der Potsdamer Beschlüsse gesprochen werden. Die Unterscheidung ist ein Anliegen nicht zuletzt der Betroffenen selbst. Der Begriff „Vertriebener“ ist, wenn ich recht sehe, die Eigenbezeichnung der von fremder Macht Ausgewiesenen und Umgesiedelten, die Wert darauf legen, als „Heimatvertriebene“ von den Flüchtlingen unterschieden zu werden. Im Namen des BHE, des „Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ – der Begriff der „Entrechteten“ meint die „Opfer“ der Entnazifizierung –, betrat er als programmatischer Begriff die politische Bühne.

Der zweite Problembegriff des Tagungstitels ist das Wort „Unrecht“. Der Begriff des „Unrechts“ hat erstens einen juristischen und zweitens einen moralischen Aspekt. Er ist zum dritten ein politisches Schlagwort in der in der Bundesrepublik aktuell geführten „Unrechtsdebatte“.

Der juristische Aspekt betrifft in erster Linie die Umsiedlungsbeschlüsse der Berliner (Potsdamer) Konferenz von Ende Juli/Anfang August 1945. Er läßt sich in die Frage fassen: Waren die Umsiedlungsbeschlüsse des sog. Potsdamer Abkommens zum damaligen Zeitpunkt in völkerrechtlicher Hinsicht rechtens oder nicht. Diese Frage läßt sich allein vor dem Hintergrund des rechtlichen Charakters des Untergangs des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 beantworten. Die hergehörigen juristischen Stichworte sind debellatio, unconditional surrender, Aufhebung der deutschen Staatsgewalt und Übernahme der supreme authority über Deutschland als Ganzes durch die Allierten der Antihitlerkoalition.

Die Beurteilung des moralischen Aspekts setzt die genaue Kenntnis des tatsächlichen Geschehens voraus. Die Eruierung des tatsächlichen Geschehens ist die Aufgabe des Historikers. Sie hat sine ira et studio zu erfolgen, und der ernsthafte Historiker wird es weit von sich weisen, seiner Untersuchung moralische Vorentscheidungen zugrundezulegen. Gleichwohl ist zu beobachten, daß sich auch manch einer der Fachvertreter, die ihre Arbeit nicht von vorneherein in den Dienst einer politischen Zielsetzung stellen, in auffälliger Nähe des Wissenschaftlers bewegt, der vermeint, unpolitische Wissenschaft zu betreiben.

Ein Beispiel möge das Gesagte erläutern. An einem Ort in Polen, dessen Namen ich nachschlagen müßte, wurden nach Kriegsende etwa drei Dutzend Deutsche – Männer, Frauen und Kinder – in einen Fluß geworfen und ertränkt. ← XI | XII →

Unbestreitbar ein Verbrechen – ein Verbrechen, dem nichts seinen verbrecherischen Charakter zu nehmen vermag. Ein zur Tagung eingeladener Kollege aus Potsdam hat seine Teilnahme mit der Bemerkung abgelehnt, er wolle sich nicht wieder mit den Polen herumstreiten – er stünde unbeirrbar auf dem Standpunkt, daß kein Verbrechen ein Gegenverbrechen rechtfertige. Der Mann hat Recht, und wir würden den Anspruch auf Zivilisation aufgeben, wenn wir von dem genannten Prinzip auch nur den geringsten Abstrich machen würden. Und dennoch: In einem wie anderen Licht erscheint das genannte Verbrechen, wenn man weiß, daß am gleichen Ort wenig zuvor von deutscher Hand etwa ebensoviele polnische Kinder in den Fluß geworfen wurden, von denen die einen freiwillig ertranken, während die anderen solange mit Ziegelsteinen beworfen wurden, bis sie sich ihrerseits dazu bequemten.

Das vorangehende Verbrechen nimmt dem nachfolgenden Verbrechen nichts von seinem verbrecherischen Charakter. Und dennoch: in einem wie anderen Licht erscheint es, wenn man beide Verbrechen in ihrem objektiven Zusammenhang betrachtet. Zweifelsohne gehört der objektive Zusammenhang beider Verbrechen, der über die Tragweite des genannten Prinzips in einer Realität wie der Nachkriegswirklichkeit in den von den Deutschen befreiten Ländern belehrt, unabweisbar zum Gegenstand des Historikers.

Umgekehrt aber nimmt auch das nachfolgende Verbrechen dem vorangehenden nichts von seinem verbrecherischen Charakter. Die Übergriffe auf die deutsche Bevölkerung in den von der deutschen Besatzung befreiten Ländern und den ehemaligen deutschen Ostgebieten können in keiner Weise dazu herhalten, die deutschen Verbrechen zu entschulden oder zu relativieren. So sehr daran festzuhalten ist, daß kein Verbrechen eine verbrecherische Antwort rechtfertigt, so sehr ist daran festzuhalten, daß es das vorangehende Verbrechen war, das das nachfolgende zeugte. Zu erwarten, daß die jedes Ausmaß überschreitenden deutschen Verbrechen in den von Deutschland besetzten Ländern eine nachsichtige Gesinnung der Betroffenen gezeitigt hätten, oder zu fordern, daß sie allein eine solche Gesinnung hätten zeitigen dürfen, ist weltfremd, und die Täter des vorangehenden Verbrechens selbst machten sich keine Illusionen über den Preis, der zu zahlen war, wenn es einmal zum Preisezahlen kommen sollte. Wer alt genug ist, weiß von dem aufsteigenden Grauen der deutschen Bevölkerung vor der zu erwartenden Strafe für die begangenen Untaten zu berichten, deren wahren Charakter das nahende Ende nicht länger zu verdrängen gestattete.

Verbrechen sind jederzeit von jedermann zu benennen und anzuzeigen. Das gilt insbesondere für ihre Opfer. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob das Volk, dessen Verbrechen alle Verbrechen der „anderen“ Seite um ein Vielfaches übersteigen, angesichts des aufgezeigten Zusammenhangs der berufene Kläger ist. Verbrechen der genannten Art lasten auf dem Gewissen der Tätergesellschaften, ← XII | XIII → und ich habe vielfach die Erfahrung gemacht, daß das kein leeres Wort ist. Es ist eine in Deutschland kaum hinreichend bekannte Tatsache, daß sich sowohl die polnische als auch die tschechische Gesellschaft dieses Teils der eigenen Geschichte in jüngster Zeit intensiv angenommen hat. Ich bin der Ansicht, daß er dort am besten aufgehoben ist und daß es uns ansteht, uns damit zu begnügen.

Der dritte Aspekt des Wortes „Unrecht“ ist sein Charakter als Schlagwort der in der Bundesrepublik mit bald an-, bald abschwellender Intensität geführten „Unrechtsdebatte“. Sie hat zum Inhalt, dem Leid, das Deutschland seinen Nachbarn angetan hat, das Leid entgegenzustellen, das die deutsche Bevölkerung im Zuge des Mißerfolgs der Eroberungs- und Vernichtungspolitik des Deutschen Reiches erlitten hat, und sie hat zum Ziel, das von Deutschland verübte Unrecht als eine allenfalls leicht übertriebene, eine allenfalls leicht aus dem Ruder gelaufene Normalität in einem Meer von anderen teils an der Seite Deutschlands, teils an der deutschen Bevölkerung verübten zeitüblichen Unrechts aufgehen zu lassen.

Auch diese Feststellung sei mit einem Beispiel belegt. Vor etwa zweieinhalb Jahren erschien im „Spiegel“ ein langer Artikel, der ausführlich darüber berichtet, in welcher Weise uns die „Hilfswilligen“, in diesem Fall Litauer und Ukrainer, beim Erschlagen von Juden behilflich waren. Ich bin geneigt, alles, was da auf 8–9 Seiten ausgebreitet wird, für zutreffend zu halten. Doch mitten in diesem langen Artikel steht der eine Satz, um dessentwillen er geschrieben wurde. Er lautet: „Handelt es sich bei der sogenannten Endlösung der Judenfrage womöglich um ein ,europäisches Projekt, das sich nicht allein aus den speziellen Voraussetzungen der deutschen Geschichte erklären läßt?’“ (Zitat: Götz Aly).

Das Beispiel verdeutlicht auf exemplarische Weise das Bemühen, den beispiellosen Zivilisationsbruch des nationalsozialistischen Deutschlands als eine mit dem zeitgenössischen Verhalten anderer kompatibles Verhalten erscheinen zu lassen und die zwölf Jahre des Dritten Reiches als eine Epoche in die deutsche Geschichte zu integrieren, mit der man leben kann.

Es ist die Aufgabe einer wissenschaftlichen Konferenz zum Thema, in alle diese Zusammenhänge einen sachlichen Boden einzuziehen und nach ihren Möglichkeiten einen Beitrag zum Bewußtsein von der Notwendigkeit einer völkerrechtlichen Ordnung zu leisten, in der niemand zu keinem Zeitpunkt und an keinem Ort der Erde gezwungen sein wird, seine Heimat aus politischen, religiösen, ethnischen oder ähnlichen Gründen zu verlassen, – ohne die notwendige, schwierige und manchem als utopisch erscheinende Aufgabe der Zukunft zum Anlaß einer Revision der Vergangenheit zu nehmen und die Revision der Geschichte zur Grundlage eines politischen Revisionismus und zur Quelle neuer Verwerfungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn zu machen. ← XIII | XIV →

Die Deutschen haben sich selbst vertrieben. Denn es bleibt festzuhalten – eine einfache, banale Feststellung, die in den Auseinandersetzungen um das Tagungsthema gleichwohl vielfach vergessen, verdrängt oder relativiert wird –: kein Heimatvertriebener wäre gezwungen worden, sein Leben außerhalb seiner Heimat zu beschließen, kein Kind wäre auf der Flucht oder im Zuge der Ausweisungen verhungert oder erfroren, kein Flüchtling wäre mit der „Gustloff“ in der Ostsee versunken, kein Soldat wäre an einer Front oder in einem Kriegsgefangenenlager zu Schaden oder zu Tode gekommen, kein Bombenopfer wäre in Dresden, in Hamburg, in Köln oder anderswo zu beklagen, keine deutsche Frau wäre von fremden Soldaten vergewaltigt worden, wenn nicht Deutschland halb Europa und mehr als halb Europa mit einem mörderischen Eroberungskrieg überzogen und in den eroberten Gebieten jede menschliche Vorstellungskraft übersteigende Verbrechen begangen hätte.

Unter dieser Voraussetzung wäre auch die vorliegende Publikation gegenstandslos. Die Deutschen haben sich anders entschieden, und daher ist sind Konferenz und Sammelband vonnöten. Dabei ist freilich festzustellen, daß das Tagungsergebnis in mancher Hinsicht hinter dem genannten Ziel zurückbleibt. Auch die hier versammelten Beiträge nähern sich, sei es unter dem Eindruck der überwältigenden nationalen und menschlichen Katastrophe auf seiten der Besiegten und des nicht gänzlich nebensächlichen moralischen Einbruchs auf seiten der Befreiten, sei es aus anderweitig begründeten politischen Vorbehalten, der Frage der Rechtmäßigkeit des Geschehens zu Teilen mit einer gewissen Portion wenn nicht an ira, so doch an studium. So werden beispielsweise die oben genannten Ingredientien der zu beantwortenden juristischen Frage nur in einem der einschlägigen Beiträge, dabei vor reicher moralischer Kulisse, angesprochen, während sich eine andere Stimme der Frage nicht aus der Perspektive des Rechtswissenschaftlers, sondern als Anwalt einer vorab gegebenen Antwort annimmt. In den historischen Beiträgen droht mitunter die ausführliche Anklage der zu Flucht und Vertreibung vereinten ungeheuerlichen Folgeerscheinungen den auslösenden Charakter der pflichtschuldig genannten verursachenden Verbrechen in den Hintergrund zu drängen. An anderer Stelle kennt die auf gemeinsame Vertreibungserfahrung gegründete Hoffnung auf eine Versöhnung der betroffenen Völker für das Vergeben und die Bitte um Vergebung nur eine Himmelsrichtung. All dies ist Ausdruck einer anhaltenden Gefangenschaft von Teilen sowohl der Gesellschaft, in die vertrieben und umgesiedelt wurde, als auch der Gesellschaften, aus denen die Ausweisung erfolgte, in einem durch Betroffenheit beinträchtigten Verständnis des Geschehenen. So ist auch der vorliegende Sammelband ein Zeitzeugnis: das Zeugnis des derzeitigen Stands der gesellschaftlichen Aneignung des Gegenstands als des fortschwärenden Herdes einer nichtverheilten Wunde wie einer im Spiel gehaltenen Karte politischer Ansprü ← XIV | XV → che, über den das letzte Wort noch nicht gesprochen und die letzte Konferenz noch nicht abgehalten ist. ← XV | XVI → ← XVI | 1 →

1Er vereinigt die Beiträge einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz zum Thema des Buchtitels, die im Februar 2012 an der Freien Universität Berlin stattfand. Der Gedanke der Tagung entstand im Schoß der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e. V., die zu den Mitveranstaltern der Tagung zählte. – Das Erscheinen des Tagungsbandes hat sich durch die verspätete Abgabe zweier Beiträge ungebührlich verzögert. In den bibliographischen Angaben der Beiträge sind Bücher ohne Autoren nach dem ersten Substantiv oder den Anfangsworten des Titels zitiert.

Thilo Marauhn

Ein völkerrechtlicher Rückblick auf die Umsiedlungsbeschlüsse von Potsdam – zugleich ein Plädoyer für zukunftsorientierte Vergangenheitsbewältigung

Aus völkerrechtlicher Perspektive kann man nicht über die Umsiedlungsbeschlüsse von Potsdam1 sprechen, ohne sich mit dem Vertreibungsverbot2 auseinanderzusetzen. Dieser Beitrag zeichnet in einer Art Retrospektive die Entwicklung des völkerrechtlichen Vertreibungsverbots seit dem Ende des späten 19. Jahrhundert nach und versucht, die Potsdamer Beschlüsse so einzuordnen, daß damit einerseits keine Zweifel am individualschützenden3 völkerrechtlichen Normenbestand verbunden sind, andererseits aber die Potsdamer Beschlüsse als historische Tatsache4 nicht in Frage gestellt werden. Es wird zu zeigen sein, daß man den damals gefaßten Beschlüssen völkerrechtlich nur gerecht werden kann, wenn man den Ausnahmecharakter5 der militärischen, politischen und rechtli ← 3 | 4 → chen Situation am Ende des Zweiten Weltkriegs berücksichtigt. Nur so lassen sich die noch aufzuzeigenden Brüche in der Völkerrechtsentwicklung6 erfassen und für eine zukunftsorientierte Vergangenheitsbewältigung7 fruchtbar machen.

Damit ist zugleich klargestellt, daß diese Würdigung der Potsdamer Umsiedlungsbeschlüsse einerseits und des völkerrechtlichen Vertreibungsverbots andererseits keine Rückabwicklung8 der mit den Potsdamer Beschlüssen verbundenen Rechtsfolgen zum Gegenstand haben kann und soll. Fast siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geht es vielmehr darum, allein den politischen Verhältnissen geschuldete Argumente für oder gegen die Rechtmäßigkeit der Potsdamer Beschlüsse in Frage zu stellen9 und gegebenenfalls ad acta zu legen, um den Versuch einer möglichst tragfähigen völkerrechtlichen Einordnung der Umsiedlungsbeschlüssen zu unternehmen. Der Verfasser dieser Zeilen hält die Potsdamer Umsiedlungsbeschlüsse weder für völkerrechtlich unproblematisch noch ist er der Auffassung, daß die Beschlüsse aus formell- oder materiell-rechtlichen Gründen keinerlei Rechtswirkungen entfalten konnten10. Allerdings besteht nach Ansicht des Verfassers ein Spannungsverhältnis zwischen Vertreibungsverbot und Umsiedlungsbeschlüssen, das zwar nicht vollständig ← 4 | 5 → aufzulösen ist, aber kontextgebunden eingeordnet und bewältigt werden kann. Darauf zielen die nachfolgenden Ausführungen.

Die auf der Konferenz von Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945) gefaßten Beschlüsse sind in zwei Dokumenten enthalten: einer Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin vom 2. August 194511 und einem 1947 veröffentlichten weitgehend identischen Protokoll12. Die Umsiedlungsbeschlüsse sind unter der Überschrift „Ordungsmäßige Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ in Teil XIII der Mitteilung und Teil XI des Protokolls enthalten. Sie lauten in der im Amtsblatt des Kontrollrats 1946 veröffentlichten Fassung wie folgt:

„Die Konferenz erzielte folgendes Abkommen über die Ausweisung Deutscher aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn:

Die drei Regierungen haben die Frage unter allen Gesichtspunkten beraten und erkennen an, daß die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muß. Sie stimmen darin überein, daß jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll. Da der Zustrom einer großen Zahl Deutscher nach Deutschland die Lasten vergrößern würde, die bereits auf den Besatzungsbehörden ruhen, halten sie es für wünschenswert, daß der alliierte Kontrollrat in Deutschland zunächst das Problem unter besonderer Berücksichtigung der Frage einer gerechten Verteilung dieser Deutschen auf die einzelnen Besatzungszonen prüfen soll. Sie beauftragen demgemäß ihre jeweiligen Vertreter beim Kontrollrat, ihren Regierungen so bald wie möglich über den Umfang zu berichten, in dem derartige Personen schon aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland gekommen sind, und eine Schätzung über Zeitpunkt und Ausmaß vorzulegen, zu dem die weiteren Überführungen durchgeführt werden könnten, wobei die gegenwärtige Lage in Deutschland zu berücksichtigen ist. Die tschechoslowakische Regierung, die Polnische Provisorische Regierung und der Alliierte Kontrollrat in Ungarn werden gleichzeitig von obigem in Kenntnis gesetzt und ersucht werden, inzwischen weitere Ausweisungen der deutschen Bevölkerung einzustellen, bis die betroffenen Regierungen die Berichte ihrer Vertreter an den Kontrollausschuß geprüft haben.“

Im folgenden soll das heute unstreitig und explizit geltende Vertreibungsverbot zurückverfolgt werden. Das Römische Statut13 (1.), dessen Innovationsgehalt vor dem Hintergrund der Spruchpraxis von Jugoslawien- und Ruanda-Tribunal beleuchtet werden soll (2.), bildet den Ausgangspunkt. Die humanitär-völkerrechtlichen Wurzeln (3.) (anders als die menschenrechtlichen (4.)) des Vertreibungsverbots gehen, wie zu zeigen sein wird, über die Genfer Abkommen von ← 5 | 6 → 1949 hinaus, denn das Nürnberger Statut14 griff auf das schon vor dem Zweiten Weltkrieg geltende Völkerrecht zurück (5.) – und zwar auf die Haager Landkriegsordnung15 und das Völkergewohnheitsrecht, das die Grundgedanken der Martens’schen Klausel16 beinhaltet. Zur Einordnung der Potsdamer Umsiedlungsbeschlüsse soll dann zunächst die kategoriale Unterscheidung zwischen ius ad bellum und ius in bello17 aufgegriffen werden (6.). Jedenfalls können dem ius in bello zuzurechnende individualschützende Normen nicht ohne weiteres zum ← 6 | 7 → Gegenstand von Gegenmaßnahmen18 gemacht werden. Auch aus einem 1945 geltenden Vertreibungsverbot folgt allerdings, wie zu zeigen sein wird, nicht zwingend, daß die Potsdamer Umsiedlungsbeschlüsse völkerrechtswidrig sind. Eine völkerrechtliche Bewertung dieser Beschlüsse muß nämlich auch berücksichtigen, daß der Zweite Weltkrieg – insbesondere die Kriegführung im Osten Europas – eine auch vor dem Hintergrund des damals geltenden Völkerrechts außergewöhnliche Ausnahmesituation19 darstellt (7.). Daß sich auf dieser Grundlage eine völkerrechtliche Einordnung vornehmen läßt, die Vertreibungsverbot und Potsdamer Beschlüssen gleichermaßen Rechnung trägt und eine zukunftsorientierte Vergangenheitsbewältigung ermöglicht, soll abschließend ausgeführt werden (8.).

1.Vertreibungen als Straftaten nach dem Römischen Statut

Das heute geltende Völkerrecht enthält nicht nur ein weitreichendes (zwischenstaatlich geltendes) Vertreibungsverbot20, sondern normiert im Römischen Statut auch eine völkerrechtsunmittelbare21 Strafbarkeit bei näher definierten Verstößen gegen dieses Verbot. Vertreibungen können sowohl die Voraussetzungen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (Art. 7 des Römischen Statuts) als auch diejenigen eines Kriegsverbrechens erfüllen (Art. 8 des Römischen Statuts). Beide Tatbestände überlappen sich teilweise22. Sie unterscheiden sich dahingehend, daß die Anwendbarkeit von Art. 8 des Statuts (Kriegsverbrechen) ← 7 | 8 → einen internationalen oder nicht-internationalen23 bewaffneten Konflikt voraussetzt; demgegenüber ist die Anwendbarkeit von Art. 7 des Statuts ist an die Voraussetzung geknüpft, daß die Handlungen „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen“24 werden. ← 8 | 9 →

Nach Art. 7 Abs. 1 des Statuts sind „Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung“ unter den soeben genannten Voraussetzungen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Art. 7 Abs. 2 lit. d des Statuts definiert diese Handlung(en) als

Details

Seiten
XVI, 403
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653046380
ISBN (ePUB)
9783653997590
ISBN (MOBI)
9783653997583
ISBN (Hardcover)
9783631629093
DOI
10.3726/978-3-653-04638-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Unrechtsdebatte Aussiedlung Nachkriegsdeutschland Völkerrechtliche Gültigkeit
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XVI, 403 S.

Biographische Angaben

Christoph Koch (Band-Herausgeber:in)

Christoph Koch studierte Slavistik, Baltologie, Byzantinistik und Indogermanistik in Bonn und München und ist als Professor für Vergleichende und Indogermanische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin tätig. Er ist Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e.V.

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Titel: War die «Vertreibung» Unrecht?
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